Blättern des Schwäbischen Albvereins - Schwaben-Kultur
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Erhebende Augen-Blicke<br />
Alpen-Panoramen<br />
Von Georg Linsenmann<br />
Einen besonderen Genuss empfindet der Wanderer, wenn<br />
sich beim Gang durch eine Landschaft plötzlich der Blick<br />
weitet: auf ein prächtiges Stückchen Erde, <strong>des</strong>sen Grenzen<br />
erst einmal mit dem Auge abgetastet sein wollen. Und<br />
darüber hinaus vielleicht auf einen fernen Horizont, <strong>des</strong>sen<br />
Anblick staunen lässt. Der Herrlichkeit dieses erhebenden<br />
Augenblicks widmet der Ulmer Fotograf Gerhard<br />
Kolb sein Schaffen, wobei er vor allem eines im Auge hat:<br />
den Ausblick auf die grandiose Kette der Alpen-Gipfel samt<br />
der vorgelagerten Landschaft. So schuf er monumentale<br />
Foto-Panoramen der Alpen, die faszinierenden Gipfelwanderungen<br />
gleichen – und die selbst in den USA Aufmerksamkeit<br />
erregten. Zuletzt mit Aufnahmen vom Aussichtsturm<br />
<strong>des</strong> Feldberges und vom Bussen, dem Heiligen Berg<br />
Oberschwabens.<br />
Das Panorama von der Spitze <strong>des</strong> Feldberges vereint drei<br />
geographische Superlative: Vom höchsten Punkt Baden-<br />
Württembergs zum höchsten Punkt Deutschlands, der Zugspitze,<br />
und schließlich zum höchsten Gipfel der Alpen, dem<br />
Montblanc. Dabei gelingt Kolb die fotografische Darstellung<br />
einer faszinierenden Landschaft in bisher einmaliger<br />
Weite und Tiefe. Und dies sowohl hinsichtlich der räumlichen<br />
Dimension als auch in der fotografischen Qualität.<br />
Denn bisherige Panoramen reichten zwar ebenfalls bis zum<br />
Montblanc, im Osten war aber spätestens beim Säntis<br />
Schluss.<br />
Kolb weitet nun den Blick nach Osten. So gelang zum ersten<br />
Mal überhaupt eine Aufnahme, die von der Zugspitze<br />
bis zum Mont Blanc reicht; vom östlichen bis zum westlichen,<br />
also dem absoluten Gipfelpunkt der Alpen. Eine grandiose<br />
Aussicht, die einem 360 Kilometer weiten Schwenk<br />
mit einem Fernglas gleichkommt. Im Mittelpunkt steht dabei<br />
die Silhouette der Alpen-Gipfel, während im Bildvor-<br />
10<br />
dergrund das Auge vom Bayerischen Voralpenland übers<br />
Hegau und das Rheinbecken bis zu den Ausläufer <strong>des</strong> südlichen<br />
Schwarzwal<strong>des</strong> schweift.<br />
Es ist ein magischer Moment, den Kolb hier eingefangen<br />
hat, denn der Blick auf das so vielgestaltige Massiv der Alpenkette<br />
ist frei von jeglichem Dunst – und auch von den<br />
Verzerrungen der Inversion. Die Suche nach diesem ganz<br />
speziellen Augenblick hat Kolb zum bekennenden Frühaufsteher<br />
gemacht. Und zu einem Menschen, der »ziemlich<br />
kribbelig« wird, wenn Föhn angesagt ist. Denn nur dann,<br />
wenn die die Wolken verblasenden, warmen Südwinde ihr<br />
Werk tun, besteht überhaupt Aussicht auf einen freien Blick.<br />
Am reinsten ist dieser Blick in der kühlen Höhenluft <strong>des</strong><br />
Sonnenaufganges. Doch selbst dann ist das ganze Spektrum<br />
nur selten völlig frei von flirrenden Stellen, die Teile<br />
in der Art einer Fata Morgana verzerren können. Just solch<br />
einen absolut reinen Moment hat Kolb nach dutzendfachen<br />
Versuchen eingefangen. Man versteht, dass er im Angesicht<br />
<strong>des</strong> Ergebnisses von »mehr als nur einer Jahresarbeit«<br />
spricht. Und vom Glücksgefühl, das ihn erfasste, als<br />
es endlich geschafft war…<br />
Wie sehr die Mühe lohnt, beweist auch das im vergangenen<br />
Jahr entstandene Panorama-Bild vom Bussen. Auch<br />
hier zeigen sich die Alpen wie mit Fernglas und Lupe zugleich<br />
betrachtet. Und doch ist es nicht die pure Wiederholung,<br />
was schon der Hinweis auf ein besonders markantes<br />
Detail belegt: Eiger, Mönch und Jungfrau. In dieser Reihenfolge<br />
ist das dicht an dicht ragende Drei-Gestirn auf<br />
dem Dach der Alpen weithin berühmt, und so ist es auch<br />
auf dem Feldberg-Panorama zu sehen. Knapp 100 Kilometer<br />
weiter östlich, vom 767 Meter hohen Bussen, allerdings<br />
präsentiert sich die legendäre Trias der 4000er in<br />
dieser verblüffenden Reihenfolge: Mönch, Jungfrau, Eiger!