Blättern des Schwäbischen Albvereins - Schwaben-Kultur
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Das Samenhändlerdorf Gönningen<br />
Historischer<br />
Rundweg<br />
Von Eugen Keppler und Helmut Hecht<br />
Für ein Dorf recht ungewöhnlich ist in Gönningen eine so<br />
große Zahl stattlicher historischer Gebäude. Auch in der<br />
Oberamtsbeschreibung von 1867 ist zu lesen: »[…] das Dorf<br />
macht entschieden einen mehr städtischen Eindruck.« In<br />
der Mitte <strong>des</strong> 13. Jahrhunderts wurde Gönningen durch die<br />
Herren von Stöffeln, deren gleichnamige Burg oberhalb <strong>des</strong><br />
Orts stand, zur Stadt erhoben. Wenig später jedoch, wurden<br />
Burg und Ort an Württemberg verkauft, mehrmals verpfändet,<br />
mit der Folge, dass das Stadtrecht wieder erlosch.<br />
Heute ist Gönningen ein Teilort von Reutlingen. Doch erhalten<br />
blieb ein gewisser städtischer Charakter. Mit dazu<br />
beigetragen hat ein vielfältiger hoher Handwerkerstand,<br />
aber auch der Samenhandel brachte den Wohlstand und<br />
prägte das Dorf.<br />
Samenhändler<br />
Die Anfänge reichen in das 17. Jahrhundert zurück. Wirtschaftliche<br />
Not zwang viele Gönninger, ihren Lebensunter -<br />
halt durch Hausiertätigkeit zu bestreiten. Aus dem Handel<br />
mit Produkten wie Dörrobst (»Schnitz«) entwickelte sich der<br />
Samenhandel, welcher gewaltigen Aufschwung nahm. Im<br />
Jahre 1854 waren von den 2.600 Einwohnern etwa 1.200 in<br />
ganz Europa und sogar in Amerika unterwegs, um Blumenund<br />
Gemüsesamen und Blumenzwiebeln zu verkaufen. Erfolgreiche<br />
Samenhändler belieferten sogar den Zarenhof<br />
in St. Petersburg.<br />
Historischer Rundweg<br />
Geschaffen von der Gönninger Ortsgruppe <strong>des</strong> <strong>Schwäbischen</strong><br />
<strong>Albvereins</strong>, führt ein Rundweg zu historischen Gebäu<br />
den. Er beginnt bei dem im Jugendstil gebauten Rathaus<br />
mit Samenhandelsmuseum und dem alten und neuen<br />
Schulhaus. Gönningen hatte bereits 1865 eine Mit tel -<br />
schu le, in der wegen <strong>des</strong> Samenhandels französisch und<br />
Handelskunde unterrichtet wurde.<br />
Die wohl ältesten Gebäude stehen im unteren Dorf. Prächtige<br />
Fachwerkhäuser, die auf das 16. Jahrhundert und noch<br />
früher zurückgehen, wie der ehemalige Fronhof, welcher<br />
danach ein »Beginenhof« und später ein Wohnhaus mit Samenhandlung<br />
wurde.<br />
Viele der historischen Gebäude haben eine enge Beziehung<br />
zum Samenhandel. Da gibt es die »Villa Wawonda«,<br />
das Haus eines Samenhändlers, der 28 Reisen nach Amerika<br />
unternahm. Dort soll er bei einem seiner letzten Aufenthalte,<br />
überfallen und schwer verletzt, von dem Häuptlingssohn<br />
Wawonda aufgenommen und gepflegt worden<br />
sein. Oder die Weinstube, auch »Käshaus« genannt, einst<br />
Gaststube und Samenhandlung. Die Gastwirte waren auch<br />
Die üppige Tulpenblüte auf dem Gönninger Friedhof ist Tradition.<br />
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