doch- etwas- bleibt. - Heinz-Westphal-Preis
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Die Fortschritts-Feuerwehr<br />
Mitten in Berlin-Kreuzberg steht ein bunt lackiertes Feuerwehrauto – wie aus der<br />
Augsburger Puppenkiste herausgepurzelt. Wulstige Reifen, abgerundete Scheinwerfer,<br />
Autoscooter-Stoßstangen und ein Tacho wie ein Bullauge. Im Kofferraum eine Regenbogenfahne<br />
und kistenweise Flugblätter, an der Seite des Autos ein schmusendes<br />
Frauenpärchen und die Aufschrift „Ich liebe mein Geschlecht“.<br />
Als Dino Schreiber den Zündschlüssel dreht, passiert erstmal nichts. „Baujahr 67“,<br />
murmelt der Maschinenbaustudent, „was willste machen.“ Mit einem Lebenszeichen,<br />
das jede Automechanikerin zu Tränen rühren würde, erbarmt sich der Motor nach<br />
mehreren Versuchen <strong>doch</strong> noch, hustet eine prächtige Abgaswolke in den Berliner<br />
Himmel – und tuckert vom Hof.<br />
Dass auch ein 43 Jahre alter Bus noch funktioniert, ist für Dino und die anderen<br />
Mitglieder des schwul-lesbischen Jugendnetzwerks Lambda wichtig. Denn bei ihrer<br />
„LesBiSchwulen“ Tour spielt der Bus die Hauptrolle: als rollendes Beratungszimmer<br />
für junge Schwule und Lesben rund um Berlin. Unter dem Motto „Queer Feld ein –<br />
Anders ankommen in Brandenburg“ setzen die Berliner seit mittlerweile vier Jahren<br />
ein Zeichen für Toleranz gegenüber lesbischen, schwulen, transgender und bisexuellen<br />
Lebensweisen. Eine Woche fuhren sie im September 2009 mehrere Hundert Kilometer<br />
durch die Ostprignitz, waren in Potsdam, Wittenberge und Wittstock, machten<br />
Halt in Zehdenick und Perleberg, besuchten Kyritz sowie Rheinsberg. Prominente<br />
Unterstützung kam dabei unter anderem von der damaligen brandenburgischen Sozialministerin<br />
Dagmar Ziegler und dem schwulen TV-Moderator Thomas Hermanns.<br />
... weil Lesben nicht immer Holz hacken ...<br />
Das Fahrtziel Brandenburg ist wohlüberlegt. Denn anders als in Berlin haben junge<br />
Homosexuelle dort wesentlich häufiger mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Feindseligkeit,<br />
Ausgrenzung und Missachtung sind oft Alltag. Für Lars Bergmann, Geschäftsführer<br />
im Berliner Lambda-Büro, ist die Tour auch eine Aufklärungskampagne: „Die<br />
Leute sollen merken, dass Schwule nicht immer in Röcken rumlaufen und Lesben<br />
nicht immer so aussehen, als würden sie gerade vom Holzhacken kommen.“ Und<br />
genauso wichtig ist, der eigenen Zielgruppe auf dem platten Land Mut zu machen.<br />
„Die Landflucht hilft niemandem“, sagt der 25-Jährige, „wir finden es sinnvoller, wenn<br />
anderssexuelle Jugendliche in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Die eigene<br />
Heimat wegen ständiger Ausgrenzung zu verlassen, kann immer nur der letzte Schritt<br />
sein.“