doch- etwas- bleibt. - Heinz-Westphal-Preis
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Sprachkurs mit Fanfaren<br />
Die Brücke am Fluss<br />
Musik kann eine Brücke sein. Wenn Maziej jeden Dienstag zur Orchesterprobe<br />
fährt, ist diese Brücke exakt 251 Meter lang und verbindet Slubice mit Frankfurt.<br />
Dazwischen liegen die Oder, eine Uferpromenade und eine Grenze: die zwischen<br />
Polen und Deutschland. Maziej ist Mitglied der „Europa-Fanfaren“, seit drei Jahren<br />
spielt er Marsch- und Blasmusik. Gemeinsam mit Polen und Deutschen – in einem<br />
internationalen Orchester. Dass auf dem Weg zur Probe eine Grenze passiert werden<br />
muss – Maziej hat es längst vergessen.<br />
Seitdem die Europa-Fanfaren im Februar 2006 gegründet wurden,<br />
treffen sich die rund 60 jungen Musiker und Musikerinnen<br />
zweimal wöchentlich zur Probe – entweder auf deutscher oder auf<br />
polnischer Seite. Viel Aufwand für eine so junge Truppe, deren<br />
ältestes Mitglied gerade einmal 16 Jahre alt ist. Ein Aufwand, der<br />
sich aber auszahlt. Wer das Probenzentrum in Frankfurt betritt,<br />
steht zunächst einmal vor einer beeindruckenden Wand aus Urkunden<br />
und Auszeichnungen. Über die Jahre ist so einiges angefallen.<br />
„Anfangs haben wir auch noch die zweiten und dritten <strong>Preis</strong>e an<br />
die Wand gehängt“, sagt Orchesterleiter Hans-Jörg Laurisch, „mehr<br />
als hundert sind es aber noch nicht“. Der Ausgangspunkt für das<br />
grenzüberschreitende Musizieren war ein Konzert in Frankfurt:<br />
Mehrere deutsche und polnische Orchester gaben ein Gastspiel, das<br />
Publikum war begeistert – die Musikerinnen und Musiker ohnehin.<br />
„Das war so schön, dass wir gedacht haben, lasst uns die Ausnahme<br />
zur Regel machen“, erinnert sich Laurisch an die Gründung.<br />
Gemeinsam Musik machen ist das eine – als Pole einen deutschen Dirigenten zu<br />
verstehen das andere. Ein Fall für den Dolmetscher Maciej Orlowski. Der angehende<br />
Rechtsanwalt war ursprünglich nur zum Studium nach Frankfurt gekommen.<br />
Auf der Suche nach einem wirklich sinnvollen Nebenjob landete er schnell bei den<br />
Europa-Fanfaren. „Natürlich gibt es auf beiden Seiten oft Vorbehalte gegen die jeweils<br />
andere Nation“, sagt der 21-Jährige, dessen Großmutter einst in Frankfurt an der Oder<br />
aufwuchs: „Die Menschen kennen sich nicht und gehen sich aus dem Weg.“ Seine<br />
Mitarbeit als Dolmetscher – für Orlowski ein kleiner Beitrag fürs polnisch-deutsche<br />
Zusammenleben. „Die Europafanfaren sind ein idealer Ort, um weitverbreiteten Klischees<br />
<strong>etwas</strong> entgegenzusetzen. Statt übereinander reden wir hier miteinander – und<br />
noch muss ich dabei übersetzen.“