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Ausstellung Bernd STEINWENDNER - Galerie Laterne

Ausstellung Bernd STEINWENDNER - Galerie Laterne

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LaTerne<br />

Vernissage am<br />

11.04.2011 19.30 Uhr;<br />

Laudatio:<br />

Matthias Zwarg,<br />

Musik: Blue Bossa Brass<br />

Geöffnet:<br />

vom 12.04.-10.06. 2011<br />

Mo. - Fr. 10 - 16 Uhr<br />

Nr. 2 20 1<br />

<strong>Ausstellung</strong> <strong>Bernd</strong><br />

<strong>STEINWENDNER</strong>


Foto: Marko Neumann - digitale Bearbeitung Andreas Schüller


FRAGEN a n B e r n d <strong>STEINWENDNER</strong><br />

G e s t e l l t v o n F r i t z S C H Ö N F E L D E R u n d A n d r e a s S C H Ü L L E R<br />

anlässlich seiner <strong>Ausstellung</strong> in der <strong>Galerie</strong> <strong>Laterne</strong> vom . . - 0 6. 0<br />

Schwarz/weiss Fotos von <strong>Bernd</strong> Steinwendner und Aufnahmen aus seinem Haus von Marko Neumann, Reproduktionen<br />

der Arbeiten <strong>Bernd</strong> Steinwendner, alle Fotos für die Zeitung sind digital bearbeitet von Andreas Schüller<br />

Abb.: „ohne Titel - weiße Spirale“


Abb.: <strong>Bernd</strong> Steinwendner, Foto: Marko Neumann<br />

Andreas Schüller: Noch bevor ich überhaupt ein<br />

Bild von dir gesehen habe, ist mir dein Name aufgefallen.<br />

Nicht etwa bloß Steinwender, wo man<br />

einen Bezug haben könnte zu einem Käfersammler,<br />

sondern du heißt Steinwendner, also doch etwas<br />

komplizierter. Hast du über deinen eigenen<br />

Namen selber nachgesonnen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Der Name stammt aus Österreich.<br />

Den gibt es in Deutschland meines Wissens nur ein oder zweimal.<br />

Mein Vater ist gebürtiger Wiener. Ich bin österreichischer<br />

Staatsbürger.<br />

A.S.: Deine Vorfahren väterlicherseits stammen<br />

aus Österreich. Hast du die österreichische Staatsbürgerschaft<br />

von deinem Vater übernehmen können?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Meine Großeltern sind schon vor<br />

dem ersten Weltkrieg von Wien nach Chemnitz gekommen.<br />

Mein Vater besaß dadurch die oesterreichische Staatsbürgerschaft,<br />

meine Mutter auch und ich als Sohn war natürlich auch<br />

Österreicher. Und ich wollte und will das auch bleiben.<br />

A.S. Wurde durch diese staatsbürgerliche Lage das<br />

Leben in der DDR besser oder eher schwieriger?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Sowohl als auch. Besser insofern,<br />

dass es mir erspart blieb zum Militär zu gehen. Als zweites<br />

durfte ich nicht wählen, worüber ich auch nicht gerade unglücklich<br />

war. Aber ich hatte das Abitur gemacht und wollte<br />

Kunst studieren, das wurde mir verweigert. Nur mit der Auflage,<br />

dass ich meine Staatsbürgerschaft ablege, wäre ein Kunststudium<br />

möglich gewesen. Ich bin den Weg des Autodidakten<br />

gegangen bzw. ich habe eine Ausbildung als grafischer Zeichner<br />

bei der DEWAG erfahren.<br />

Fritz Schönfelder: Hatte man als österreichischer<br />

Staatsbürger immer auch eine Verbindung zur<br />

hervorragenden österreichischen Kunst? (Klimt,<br />

Schiele, Hundertwasser u.a.)?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Die drei Namen waren zu DDR-<br />

Zeiten für mich ein großes Fremdwort, das kam alles erst, als<br />

ich mich kümmerte auf irgendwelchen Wegen an diese Dinge<br />

heranzukommen. Die Verbindung aus staatsbürgerlichen Belangen<br />

heraus gab es natürlich nicht. Das sind Künstler, die<br />

prägend für jeden sind, unabhängig davon, ob sie Österreicher<br />

sind oder nicht.<br />

A.S.: Du hast schon sehr früh zu zeichnen begonnen<br />

und hast auch schon in jungen Jahren Erfolg<br />

damit gehabt. Eine Arbeit wurde im Städtischen<br />

Museum Karl-Marx-Stadt ausgestellt. Wie kam es<br />

dazu?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Meine Lehrerin Frau Müller, war<br />

lange Zeit im Museum die Chefin und betreute die gesamten<br />

Werke, und war gleichzeitig meine Zeichenlehrerin. Sie<br />

hat uns freie Hand gegeben zum Zeichnen, hat nichts diktiert<br />

was zu zeichnen sei. Die Zeichnung, die dann entstand wurde<br />

zensiert und besprochen und damit hatte es sich. Ich habe<br />

darüber dann auch nichts weiter erfahren. Nach 30 Jahren<br />

stand eine Frau Müller bei mir vor der Tür und übergab mir ein<br />

Päckchen mit den Worten: „Das ist eine Jugendzeichnung von<br />

Ihnen. Diese haben wir damals einem Psychologen überge-


Abb.: „Katze“<br />

ben und anschließend archiviert, weil sie so außergewöhnlich für einen achtjährigen<br />

Jungen war. Weil aber jetzt alles anders aufbewahrt wird, möchte ich<br />

ihnen diese hiermit zurückgeben und hoffe ihnen eine Freude zu machen.“- so<br />

sagte sie.<br />

A.S: Du hast nach dem Abitur eine Ausbildung zum grafischen<br />

Zeichner in der DEWAG in Karl-Marx-Stadt erhalten und dich<br />

nebenbei intensiv autodidaktisch weitergebildet. Wer waren<br />

damals die Vorbilder und wen und was hast du genau studiert?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Es waren die bekannten französischen Expressionisten,<br />

es war Picasso. Es war der Sammler Georg Brühl, es waren russische<br />

Künstler. Einer hat mich besonders beeindruckt, das war Edward Munch. Ich<br />

habe mir von ihm Literatur besorgt. Ich war noch während der DDR-Zeit in<br />

Finnland und habe dort Arbeiten gesehen. Ich habe auch Werke von Cezanne<br />

6<br />

in Frankreich gesehen. Ich habe eine Menge<br />

gesehen, ich war aber nicht festgelegt<br />

auf irgendwas.<br />

A.S.: Wie kann man sich die Ausbildung<br />

und dann die spätere Arbeit<br />

bei der DEWAG vorstellen?<br />

Zur Erklärung: DEWAG (Deutsche<br />

Werbe- und Anzeigengesellschaft)<br />

Sie war ein organisationseigener<br />

Betrieb der SED - „Zu ihren Aufgaben<br />

gehörten Werbeberatung,<br />

Regie, Gestaltung und Herstellung<br />

von Werbemitteln sowohl für die<br />

Wirtschaftswerbung wie für die<br />

politische, ökonomische und kulturelle<br />

Agitation und Propaganda.“<br />

(zitiert aus DDR Lexikon)<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Zur DEWAG bin<br />

ich gekommen, weil sie so wunderschön<br />

lag, an der Chemnitz mitten im Stadtpark.<br />

Zum zweiten wusste ich nur, dass man da<br />

was mit Zeichnen zu tun hatte. Ich habe<br />

mich dann dort ganz kurz vorgestellt. Der<br />

erste, dem ich dort begegnet bin, war<br />

der Kaderleiter, der wollte tausend Dinge<br />

wissen, allerdings nicht politische, doch<br />

mehr fachliche. Wie ich zum Zeichnen<br />

stehe, warum ich mir gerade sowas aussuche,<br />

so dies und das. Schließlich sollte<br />

ich eine Probezeichnung machen. Ich war<br />

total unbeleckt und habe eine Werbung<br />

für Schallplatten gemacht, die abgegeben<br />

und offensichtlich war man damit zufrieden.<br />

Danach boten sie mir eine Lehrstelle<br />

als graphischer Zeichner an mit drei Jahren<br />

Lehrzeit. Die Berufsschule war in Pößneck<br />

und ich bekam dann den Abschluss<br />

als Facharbeiter. Die Lehre sah so aus,<br />

dass man 95% Praxis hatte und die Arbeiten<br />

machte, die alle machten, um Geld<br />

zu verdienen. Das hieß Ideen produzieren,<br />

das hat man nicht am Anfang, aber<br />

man wächst da hinein. Da habe ich mich<br />

so langsam hochgedient. Der Abschluss<br />

war nicht berühmt, dass hatte den Grund<br />

in der Berufsschule waren Männlein und<br />

Weiblein und da haben mich die Weiber<br />

mehr interessiert als meine Facharbeiterprüfung.<br />

Ich habe aber dann im Betrieb<br />

alle Arbeiten machen dürfen und habe<br />

für DDR-Verhältnisse ganz gut verdient.<br />

Ich habe alles gemacht in der Werbung<br />

von der Textilindustrie über die Messe<br />

bis Agra Markleeberg bis Prospekte Maschinenbau,<br />

alleine wohlgemerkt, WMW<br />

hieß das damals. Von der Käseverpackung<br />

über Briefmarkengestaltung, Schallplattengestaltung<br />

alles. Ich habe auch einmal


Abb.: „Don Quichote“<br />

die goldene Briefmarke gehabt als Briefmarkengestalter.<br />

Ich habe auch Plakate gemacht und dort einige Auszeichnungen<br />

bekommen.<br />

A.S.: 1967 kam es zur Aufnahme in den Verband<br />

Bildender Künstler der DDR, gleichzeitig hast<br />

du den Schritt in die Freiberuflichkeit getan.<br />

Lief das problemlos, oder war die mit Schwierigkeiten<br />

verbunden? Das war sicher auch ein<br />

mutiger Schritt, denn immerhin hattest du ja<br />

drei Kinder mit zu versorgen.<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Als erstes muss ich mal sagen,<br />

ich bin zwar kein Verfolgter der Staatssicherheit, aber ich<br />

hatte mehrfach mit ihr Probleme. Ich war für die ein gefun-<br />

denes Fressen, da ich zum einen österreichischer Staatsbürger<br />

bin und überall hinreisen durfte - natürlich ohne Geld. Mit diesem<br />

grünen Pass konnte ich schon damals mit dem PKW weg.<br />

Ich habe das auch in späteren Jahren weidlich ausgenutzt und<br />

habe viele Teile der Welt besucht, aber eben alles ohne einen<br />

Pfennig Geld dabei. Der Staat DDR gab uns nichts mit. Ich<br />

brauchte kein Visum auszustellen. Ich spreche außer Russisch<br />

Englisch. Ich kannte mich in Fotografie und Reproduktion aus,<br />

weil ich die Fotografie selber in der DEWAG aufgebaut habe.<br />

Ich wäre also ein phantastischer Mitarbeiter der Staatssicherheit<br />

gewesen. Man hat intensivst versucht mich zu werben.<br />

Ich habe drei mal abgelehnt, so abgelehnt, dass ich Bedenken


Abb. links: <strong>Bernd</strong> Steinwendner in seinem Atelier; Foto: Marko Neumann<br />

Abb. oben: „Selbst“ Abb. rechts unten: „Faust“<br />

hatte, dass mir dann wirklich<br />

was zustößt. Ich bin auch vom<br />

Bundesverfassungsschutz angesprochen<br />

worden, warum<br />

ich in die Bundesrepublik reisen<br />

würde…<br />

Natürlich habe ich Kinder<br />

und Familie gehabt. Ich bin<br />

von der Stasi, wie ich aus den<br />

Akten entnehmen konnte,<br />

bewusst angeworben worden.<br />

Mit Denunziation, mit<br />

Briefen… Da ich aber, im<br />

DDR-Jargon gesprochen, ein<br />

„freches Schwein“ war, habe<br />

ich mich durch nichts beeindrucken<br />

lassen und ich bin<br />

meinen Weg weitergegangen<br />

und das war gut so. Nach 10jährigem Angestelltensein<br />

habe ich mich im VBK beworben und bin<br />

das erste Mal abgelehnt worden und habe mich<br />

nach einem Jahr nochmal beworben und bin sofort,<br />

nicht als Kandidat, sondern als Mitglied aufgenommen<br />

worden, was damals sehr selten war.<br />

Daraufhin habe ich mich selbstständig gemacht,<br />

ohne einen Pfennig Geld. Hop oder Top es klappt<br />

oder es klappt nicht. Es hat geklappt. Aber nur<br />

kurze Zeit, dann war ich meinen besten Kunden<br />

los. Warum, weiß ich nicht, besser es wurde mir<br />

nicht gesagt. Da steckte wieder das MFS dahinter.<br />

Da wäre ich beinahe pleite gegangen.<br />

Fritz Schönfelder: Die Aufnahme in den<br />

Verband Bildender Künstler der DDR<br />

war damals eine wichtige Voraussetzung,<br />

um als freischaffend zu gelten.<br />

Welche Möglichkeiten bot dir der Ver-<br />

band? Welche anderen Freiräume<br />

bot dir die <strong>Galerie</strong> Oben?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich war Mitglied<br />

der <strong>Galerie</strong> Oben, Georg Brühl,<br />

dessen Bewertung ich mich jetzt enthalten<br />

möchte, war jahrelang Leiter<br />

der <strong>Galerie</strong>. Ich habe in dieser Zeit<br />

viel ausgestellt und hatte auch eine<br />

Personalausstellung in der <strong>Galerie</strong><br />

Oben. Ich war befreundet mit Michael<br />

Morgner. Ich bin aber nach der Wende<br />

aus persönlichen Gründen aus der<br />

<strong>Galerie</strong> ausgetreten. Ich kann nicht<br />

sagen, dass ich von irgendwas behindert<br />

worden wäre. Ich habe mir schon<br />

überlegt, was ich ausstelle aber nicht<br />

nach politischen Gesichtspunkten bin<br />

ich da gegangen. Belangt worden bin<br />

ich nicht, unterstützt worden allerdings<br />

auch nicht. Ich war zahlendes<br />

Mitglied.<br />

Fritz Schönfelder: Du warst<br />

auch als Lehrer tätig. Mit der<br />

Erweiterung des Kunstbegriffes<br />

ist auch die Aufgabe<br />

des Lehrenden umfangreicher,<br />

aber auch differenzierter geworden.<br />

Was vor allem versuchst<br />

du deinen Schülern zu<br />

vermitteln?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Lehrer würde<br />

ich für mich nicht in Anspruch nehmen.<br />

Ich habe mal einen Kurs an der Volkshochschule<br />

gegeben, weile mich gewisse<br />

Leute von dort ansprachen und<br />

meinten, ich könne doch so was. Ich


hab‘s auch gemacht. Es war auch an sich relativ erfolgreich. Es<br />

war nicht so, dass die Leute vor mir geflüchtet sind. Ich habe<br />

auch was rüberbringen können. Ich bin nicht der typische Lehrer,<br />

der besser vermittelt als es selber machen kann. Mir ist das<br />

Selbermachen schon lieber. Es ist bei diesem einmal geblieben<br />

– mehr ist zu dieser Lehrertätigkeit nicht zu sagen.<br />

Fritz Schönfelder: Erachtest du das direkte Naturstudium<br />

(Zeichnen und Malen nach der Natur) in<br />

der gegenwärtigen „Computerzeit“ überhaupt<br />

noch für wichtig?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich halte das für ganz wichtig, weil<br />

ich nichts abstrahieren kann, was ich nicht in Natur auf das<br />

Blatt bringen kann. Es müssen einfach Grundstudien sein über<br />

das tägliche Zeichnen wie das Fingerüben bei einem Musiker.<br />

Anders geht es nicht, es muss eine gewisse Grundsubstanz da<br />

sein. Leider ist es aber so, dass man sich als Autodidakt selber<br />

sehr streng reglementieren muss, um gewisse Dinge ständig<br />

zu trainieren. Man muss sich immer wieder hinterfragen, was<br />

kannst du nun wirklich. Es geht nicht, sich einfach hinzustellen<br />

und große Kunst machen zu wollen, es muss ein gewisses Fundament<br />

schon sein.<br />

A.S: Einer deiner Anreger ist Cy Twombly, trotz<br />

seiner abstrakt-expressionistischen Malweise hat<br />

er sich nicht gescheut zu speziellen Themen zu arbeiten,<br />

bekannt ist die Bilderreihe zur Schlacht von<br />

„Lepanto“. Die berühmte Seeschlacht zwischen<br />

einer türkischen Flotte und einer abendländischen<br />

Armada. Vom Thema her geht das in Richtung Historienmalerei,<br />

von der Malweise aber eben abstrakt<br />

expressionistisch. Gibt es auch bei dir sowas,<br />

dass du dich im Vorhinein einem konkreten Thema<br />

0<br />

stellst, oder ist es eher<br />

umgekehrt, dass das<br />

Thema aus der Arbeit<br />

erwächst?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner:<br />

Ich stelle mich schon einem<br />

konkreten Thema. Ich habe<br />

auf meinen Studienreisen,<br />

die ich noch zu DDR-Zeiten<br />

durchgeführt habe z.B. Provence<br />

gezeichnet und viele<br />

Sachen probiert. Ich bin<br />

aber sehr schnell an Grenzen<br />

gestoßen. Man entwickelt<br />

sich zwar weiter und bekommt<br />

von außen auch Eindrücke vermittelt und man fragt<br />

sich danach, kann ich denn das so, wie ich das damals wollte,<br />

jetzt noch so machen. Die Arbeiten von Twombly kenne ich,<br />

ich kenne auch die letzten Rosenbilder, die er gemacht hat.<br />

An ihm fasziniert mich die scheinbare Unbekümmertheit, die<br />

man, wenn man es bewusst machen will, nicht hinbekommt.<br />

Ich versuche, mich heute noch zu reduzieren, ala Twombly,<br />

meine Angst abzulegen, um loszukommen von dem ganzen<br />

Schema, was ich selber natürlich sehr gut kenne. Wenn ich in<br />

eine <strong>Ausstellung</strong> gehe und die mich beeindruckt, dann habe<br />

ich es ganz schwer, weil ich dann, ob ich es will oder nicht,<br />

immer wieder in dieses Fahrwasser komme. Was ich nicht will<br />

und nicht darf, denn ich will ja ich sein. Das geht mir natürlich<br />

bei solchen Leuten auch so. Selbst bei Baselitz, wenn ich<br />

sehe, wie er genial das Bild herumdreht. Es bleibt Bild, aber es<br />

verschwindet damit das Gegenständliche, obwohl es gegen-


Abb. oben: „B. S.“; Abb. links: Foto im Atelier - mit dem Bild „Schürzen“ Fotos: Marko Neumann; Abb. oben: „ Im Spiegel“<br />

ständlich ist. Ich kann aber nicht einen zweiten Baselitz aus<br />

mir machen – will ich auch nicht. Und jetzt durchzukommen<br />

als Steinwendner, das ist unheimlich schwer.<br />

A.S.: Philip Guston, einer, auf den du verweist,<br />

sagte im vorgerückten Alter über die abstrakte<br />

Malerei: „Ich hatte diese Reinheit einfach satt! Ich<br />

wollte wieder Geschichten erzählen.“ Gibt es bei<br />

dir ähnliche Momente, denn auf der CD mit den<br />

Bildern, die du uns geschickt hast, sind für mich<br />

überraschend, auch einige figürliche Arbeiten dabei.<br />

Aus welchem Grund tauchen immer wieder<br />

diese Art der Arbeiten bei dir auf?


Abb. links: „Die Nackten“ Abb. rechts: B.S. in seinem Atelier Foto Marko Neumann<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich pendle immer zwischen gegen- mulieren, aber dem Betrachter das ganz schwer rüberbringen<br />

ständlich und abstrakt. Wenn ich nur abstrakt arbeite, dann kann. Ich kann meine Gefühle nicht so kompensieren, dass ich<br />

denke ich, du musst auch mal speziell was zum Thema ma- sage, ich mach links eine Brücke, unten einen Fluss – es wird<br />

chen. Dann gelingt mir das hier und da und dann denke ich, dem nicht gerecht. Insofern ist mir abstrakt lieber.<br />

was soll‘s, das ging abstrakt viel besser. Das Abstrakte hat A.S.: Gibt es bei dir eine bestimmte Arbeitsme-<br />

für mich einen wichtigen Faktor, den ich mit gegenständlicher thode, wenn du an ein neues Bild herangehst? Mir<br />

Kunst nicht erreichen kann. Genauso wie das Wort Liebe, das scheint, du suchst dann nach dem genialen Augen-<br />

Wort Geist oder das Wort Schmerz. Ich kann mir zwar Dinge blick, der genialen Sekunde, die dann auf dem Pa-<br />

suchen, die das ausdrücken, aber letztendlich ist es ein abpier durch Trocknung für immer erstarrt?<br />

strakter Begriff. Ein Dreieck ist in dem Sinne nicht abstrakt, <strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich bin von der Anlage als Mensch ein<br />

es hat alles eine Form, es ist bloß eine nicht sofort entschlüs- sehr ungeduldiger. Ich bin keiner, der sich von hinten durch die<br />

selbare Form. Deswegen pendle ich immer zwischen diesen Brust heranschleicht. Es muss passieren und zwar sofort rich-<br />

Polen, so komme ich aber immer mehr ins Abstrakte jetzt. tig und jetzt und es muss auch fertig werden. Ich kann nicht<br />

Weil ich die Dinge, die ich sagen will, selber für mich zwar for- jeden Tag drei Zentimeter machen, um dann in drei Wochen


Abb.: „Ruhe vor dem Sturm“; „100 Sächsische Grafiken“


Abb.: „Peace“


Abb.: „Selbstporträt 2008“<br />

das Bild zu beenden. Da habe ich dann keine Lust mehr dazu,<br />

es muss sofort gehen. Es muss ein Wurf sein, die Farbe muss<br />

nass sein und es muss fertig sein. Das birgt natürlich auch enorme<br />

Gefahren, dass ich dann dastehe und habe vier Flaschen<br />

Farbe verschmiert und denke, das kannste alles vergessen,<br />

was du gemacht hast und musst von neuem anfangen. Das<br />

kann man ja dann auch. Aber wenn es mir gelingt, dann ist es<br />

wie bei einer Handschrift. Nicht dass man denkt, da hat er da<br />

noch einen Klecks hingemacht und da noch einen Strich usw.<br />

sondern dann ist es aus einem Guss und das ist mir schon<br />

einmal ganz wichtig, also das Formale. Über das Formale hinaus<br />

muss natürlich eine Aussage kommen, die man bei der<br />

abstrakten Kunst oftmals schwer findet. Natürlich kann ich<br />

jemandem sagen, das ist ein Vogel, der weint, ob der mir das<br />

glaubt, ist eine andere Frage. Aber ich muss ja vor mir gerade<br />

stehen. Wenn das vor mir klappt, vor meinen Kriterien, dann<br />

ist es gut. Bloß ich sage zu 60% klappt es nicht.<br />

A.S.: Als problematisch empfinde ich oft, dass<br />

man die Formen, wenn sie unbefriedigend sind,<br />

immer wieder zerstört und man erst durch eine<br />

lange Überschichtung zu einem Ergebnis kommt.<br />

Ein systematisches Arbeiten ist da schwer möglich.<br />

Es ist sprunghaftes Vorgehen. Wenn man glaubt,<br />

am Ziel zu sein, bringt eine spätere Betrachtung<br />

der Arbeit wieder Zweifel hervor und es geht von<br />

vorne los. Wie siehst du das bei deinen Bildern?<br />

6<br />

Abb.oben: „Studie nach Michelangelo“<br />

Abb. unten: „Kreuzigung 2“<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Das ist sehr verschieden und es passiert,<br />

das ist der glücklichste Fall, dass ich mich hinstelle und<br />

nach 10 Minuten ist das Ding fertig und ich mache keinen<br />

Griff mehr dran. Ich sehe das, wenn es fertig ist. Früher habe<br />

ich das nicht gesehen und habe ständig daran herumgearbeitet.<br />

Es kann aber auch passieren, dass es mir gefällt und ich<br />

denke, es ist fertig und nach drei Tagen denke ich, das kannst<br />

du vergessen. Dann passiert eine Übermalung aber nicht so,<br />

dass ich alles wieder weiß einstreiche. Ich versuche immer<br />

mit dem, was drauf ist wieder neu ins Gespräch zu kommen –<br />

also das zu verwenden. Ich lasse Dinge durchscheinen, wo es


Abb.: „Höllensturz nach Rodin“<br />

geht. Ich versuche beim Machen - das ist äußerst kompliziert,<br />

da kann man keine Minute wegdenken, ich versuche mit dem<br />

Bild zu sprechen. Ich mache was und beim Machen korrigiere<br />

ich bzw. gucke ich, was wird. Das geht oft gut, das geht oft<br />

nicht gut – am Ende muss es gutgehen. Bloß der Machprozeß<br />

kann sehr lange dauern. Das kann auch nach vier Wochen<br />

noch passieren, wenn ich sie immer wieder anschaue oder<br />

auch nach zwei Jahren passieren, dass ich dann sage, das<br />

kannst du nur noch zustreichen. Was für mich bedeutet, dass<br />

ich es nochmal machen muss. Ich kann nicht vorneweg sagen,<br />

wann es fertig ist.<br />

A.S.: Kannst du beschreiben, wann du mit einer<br />

Arbeit fertig bist und sie als vollgültig anerkennst?<br />

Was muss diese Arbeit an sich haben, dass<br />

sie nicht durchfällt?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich habe natürlich eine Vorstellung<br />

in etwa, was ich will. Inzwischen sehe ich, ob eine Sache stimmig<br />

ist oder nicht. Das Gefühl kann man nicht erklären, ich<br />

weiß jedenfalls, dass ich mir viel anschaue, was die anderen<br />

machen, nicht um sie jetzt zu korrigieren, sondern um nicht<br />

im eigenen Fett zu schwimmen. Ich kann beurteilen, das Ding<br />

ist jetzt für meine Verhältnisse das bestmögliche. Ich merke<br />

aber sofort, wenn irgendwas nicht stimmt, wenn irgendwas<br />

links- oder rechtslastig ist. Ich versuche immer, einfachere<br />

Formen zu finden, das ist nicht leicht, ist auch nicht immer<br />

von Erfolg gekrönt, zumindest in dem Augenblick, wo ich es<br />

machen will.<br />

Fritz Schönfelder: Als dein Hauptthema bezeichnest<br />

du die Auseinandersetzung mit Liebe und<br />

Tod. Wie meinst du kann eine gestische Zeichensprache<br />

diese scheinbar gegensätzlichen Äußerungen<br />

transportieren? Wie für den Rezipienten<br />

Abb. oben links: „Betende Magdalena“; Abb. oben rechts:<br />

„Harlekinade“; Abb. unten: „Mann und Donner“<br />

kenntlich machen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Zum ersten durch die Farbe. Zum andern<br />

durch die Komposition. Freie Flächen sind ja keine leeren<br />

Flächen, sie können was aussagen, wenn sie richtig gemacht<br />

sind. Als Grafiker gestalte ich so, dass ich was weglasse. Das<br />

ist ja ein alter Hut und das weiß ja auch jeder. Wenn man das<br />

richtig macht, hat man ja auch einen Effekt für den Beschauer,<br />

wenn der vor einer freien schwarzen oder grünen Fläche<br />

steht. Es kommt auch auf die Spontanität an, wie bei einer<br />

Handschrift, ich denke, man sieht, ob man eine Linie dreimal<br />

nachgezogen hat, bis sie so ist, wie man sich das vorstellt,<br />

oder aus dem Handgelenk draufkommt und drauf ist. Das ist<br />

was völlig anderes. Das ist entscheidend für die Gestaltung.<br />

Nehmen wir jetzt das große Thema unser aller Thema: warum,<br />

wieso, was wird, diese Fragen hat jeder Mensch auf seine<br />

Weise. Das sind alles Probleme, wo ich denke, wie will ich<br />

mich dem überhaupt nähern. Das scheint fast unmöglich, so<br />

etwas verniedlichen, in ein Bildchen zu pressen. Bei solchen<br />

Inhalten wie Tod, Sterben, Traurigkeit, dann muss es eine<br />

Form sein, die wenigstens annähernd in die Richtung kommt.<br />

Daran beißt sich jeder die Zähne aus.<br />

Fritz Schönfelder: Welche Weltwirklichkeit vernimmst<br />

du tagtäglich und wie weit bewegst sich<br />

deine Kunstwirklichkeit davon weg?


<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Wir haben jetzt eine Weltwirklichkeit,<br />

das ist Japan. Ich möchte darauf eingehen - auf der anderen<br />

Seite versagt jede Übung in solchem unermesslichen<br />

menschlichen Leid. Das lässt sich auch nicht mit einem Bild<br />

begleichen. Man kann in einem Bild nur gewisse Dinge herausarbeiten,<br />

die eine gewisse Allgemeingültigkeit über solche<br />

Erscheinungen haben. Wir alle durchlaufen nur ein gewisses<br />

Zeitalter in dieser Welt und wir sind nicht befugt Gott<br />

zu spielen. Natürlich versuche ich immer dran zu bleiben an<br />

Themen, die auch schon viele größere Künstler als ich bearbeitet<br />

haben. Ich bin aber nicht der, wenn irgendwo eine<br />

Revolution ausbricht, der sich dann hinstellt und ein Bild zu<br />

dieser Revolution anfängt zu malen. Es fließt automatisch ein<br />

weil jeder Mensch sich Gedanken macht.<br />

Andreas Schüller: Gibt es bei deiner Malerei auch<br />

musikalische Momente?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Wenn ich Probleme mit mir selber<br />

habe und wer hat keine Probleme mit sich, dann hilft mir<br />

Malerei nicht so sehr wie Musik. Wenn ich Mozart, Vivaldi<br />

oder Bach höre, kann ich wirklich ruhig werden und zu mir<br />

finden. Das bedeutet mir sehr viel. Und wie viele andere habe<br />

ich schon versucht, Musik in die Malerei zu übertragen und es<br />

fließt auch sicher ein, genau wie umgekehrt. Es sind so viele<br />

Geheimnisse und so viele ungesprochene Dinge drin, die die<br />

Musik noch besser ausdrücken kann als die Malerei.<br />

A.S.: Wie beurteilst du Kunst von anderen, die<br />

nicht deine Handschrift tragen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Erstmal sehr tolerant. Ich versuche<br />

erstmal dahinterzukommen, was sie wollten und wie ihnen<br />

das gelingt. Ich bin aber von mal zu mal kritischer, weil ich,<br />

was vielleicht nicht richtig ist, immer nach oben orientiert bin.<br />

Ich schaue gern Dinge an, von denen ich sagen würde, das<br />

würde ich auch gerne können. Wenn man sich so einen hohen<br />

Maßstab setzt, muss man natürlich Gefahr laufen, erstens bei<br />

sich selbst anzufangen und zu sagen, da bist du noch meilenweit<br />

weg und zweitens, dass man bei anderen Dinge sieht,<br />

wo man sagt, das könnte man noch besser machen. Im Endeffekt<br />

versuche ich sehr offen zu sein und dahinterzukommen,<br />

was der andere wollte.<br />

A.S.: Wodurch lässt du dich anregen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Durch Dinge, die man nicht messen<br />

kann. Das kann ein Lichtstrahl sein, das kann eine persönliche<br />

Befindlichkeit sein, das kann alles Mögliche sein. Die<br />

Anregungen kommen nicht sofort, sie kommen dann, wenn<br />

ich sehr unausgeglichen bin, dann bin ich persönlich am produktivsten.<br />

Wenn es mir gut geht, mein Bauch ist satt, ich<br />

habe ein gutes Glas Rotwein, dann ist mir nicht nach Malen,<br />

dann genieße ich das. Wenn ich aber mit mir uneins bin und<br />

Abb. links: B. Steinwendner und A. Schüller im Gespräch; Foto: Marko Neumann; Abb. unten: „Puppe“


Abb.: „ohne Titel - Überzeichnung 3“<br />

viele Fragen nicht beantworten kann, dann entstehen für mich<br />

persönlich bessere Sachen als umgekehrt.<br />

A.S.: Arbeitest du lieber zu Haus oder bist du gern<br />

auf Pleinairs und Symposien unterwegs?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich bin nirgendwo gern unterwegs.<br />

Ich kann mich auch nicht gerne mit einem Glas Sekt hinstellen<br />

und schlaues Zeug reden. Ich bin auch nicht gern auf Pleinairs<br />

unterwegs. Ich bin am liebsten für mich ganz alleine, wahrscheinlich<br />

auch zunehmend publikumsscheu. Ich habe auch<br />

0<br />

Probleme mit anderen Menschen, das liegt sicher bei mir begründet.<br />

Für mich alleine bin ich produktiver als in einer Gemeinschaft,<br />

wo jeder malt, zeichnet, bildhauert etc. Da bin ich<br />

viel zu abgelenkt, da kann ich mich nicht konzentrieren.<br />

A.S.: Dich scheinen auch technische Innovationen<br />

zu begeistern, denn gerade bekannt sind die Arbeiten<br />

mit dem Kopierer. Was hat dich daran besonders<br />

gereizt?


<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Gereizt hat mich die enorme Möglichkeit<br />

mit Kopien was zu machen. Was die Technik betrifft,<br />

da bin ich eher unbeholfen. Ich gebe aber zu, dass man mit<br />

Computer Dinge machen kann, die man mit Farbe schlecht<br />

machen kann. Es ist reizvoll sich zu versuchen. Nur, das hat<br />

auch Grenzen und man sollte die nicht überschreiten.<br />

A.S.: Du hast mal gesagt, dein Anliegen ist die Verbindung<br />

von Figur und Grund zu einer neuen Einheit<br />

zu fügen. Das klingt sehr spannend, wie sieht<br />

das konkret bei dir in der Malerei aus? Kannst du<br />

das benennen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Wenn ich nur eine Figur auf meinen<br />

Grund bringe, dann sieht jeder, das ist eine Figur. Das hat den<br />

Vorteil, dass es sehr eindeutig ist. Man kann ablesen, ah, das<br />

ist ein weiblicher Akt…<br />

Baselitz hat durch sein Seitenverdrehen erreicht, dass er<br />

in der Figur geblieben ist, die aber so weit wegrückt, dass ein<br />

neues Verhältnis Figur-Grund entsteht. Man steht davor, man<br />

sieht ein Bild, das Bild erschließt sich als Komposition, aber<br />

man sieht nicht sofort, aha das ist ein Kopf. Das sieht man<br />

erst auf den zweiten Blick, und genau deswegen hat er das<br />

auch gemacht und nicht um, wie viele meinen, einen hohen<br />

Aufmerksamkeitswert zu erreichen. Den hat er natürlich automatisch,<br />

aber das ist eine andere Sache. Ich versuche jetzt<br />

immer, wenn ich Figuren reinbringe, das so zu machen, dass<br />

sie noch da sind, aber sie nicht das ganze Bild dominieren.<br />

Das sie sich die Waage halten mit dem, was auch abstrakt<br />

sein könnte.<br />

A.S.: Du hast mal gesagt, es geht bei dir bei jedem<br />

Bild um Neuland. Das ist dein eigentliches Anliegen.<br />

Aber ich könnte mir vorstellen, das wird im<br />

Abb.: „Weißes Tuch“ Abb.: „Ohne Titel - Gold“<br />

Laufe der Zeit immer schwieriger. Vieles ist schon<br />

ausprobiert, oft gesehen und auch wiederholt -<br />

Wie gelingt es dir, das Neue dem Material immer<br />

wieder abzuringen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Es gibt kaum was Neues. Man kann<br />

nur Nuancen finden. Es gibt überhaupt nichts Neues mehr.<br />

Immendorf hat ein Bild gemalt, wo drauf stand „Hört auf zu<br />

malen“ und hat das, um zu demonstrieren, dass er es ernst<br />

meint, durchgestrichen. Damit hat er Recht, es ist alles ausgereizt,<br />

alles gemacht, alles gesagt, was soll man aber machen,<br />

wenn man keine andere Möglichkeit hat sich anders<br />

zu äußern? Wir bedienen uns der Malerei nicht, damit dass<br />

irgendwelche <strong>Galerie</strong>n ausstellen, oder dass irgendwelche<br />

Leute kaufen, sondern es ist eine Art Selbstbefriedigung, weil<br />

wir in dem Sinne nichts anderes können. Natürlich kann ich<br />

auch was sagen, aber meine intimste Äußerung ist eigentlich<br />

meine Malerei und so bin ich gezwungen zu malen, selbst<br />

wenn ich weiß, dass von Slevogt bis Baselitz, von Twombly<br />

bis Picasso alles schon gemacht wurde und vor allem viel<br />

besser als ich es kann. Ich muss es trotzdem machen. Sicher<br />

ist es auch zwanghaft. Manchmal meine ich, dass mir eine<br />

Variante gelingt, die noch nicht so häufig durchprobiert wird.<br />

Wenn einer kommt und sagt, das gibt’s schon, wie in dem<br />

berühmten Werbespruch, würde ich trotzdem sagen, für mich<br />

gab‘s es noch nicht.<br />

A.S.: Was wirst du in der <strong>Laterne</strong> zeigen?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Ich versuche Qualität vor Quantität<br />

zu setzen. Ich möchte nicht allzu viel hängen, damit das, was<br />

ich hänge, besser zur Wirkung kommt. Ein Teil der Arbeit ist in<br />

der Art, dass man denken könnte, der Mann ist nahe am Suizid,<br />

und der andere Teil ist in der Art, wo man sagen könnte,


wo nimmt der Mann diese Fröhlichkeit her. Ich möchte damit<br />

sagen, dass man die weite Spanne von dem Schwarzen bis<br />

zum ganz Farbigen sehen wird. Ich möchte damit andeuten,<br />

es gibt auch Hoffnung und nicht nur Schmerz und Traurigkeit.<br />

Ich hoffe, dass es für manche Leute wenigstens anschauenswert<br />

ist. Denn heutzutage bei den vielen guten <strong>Ausstellung</strong>en<br />

ist es schwer, überhaupt noch Interesse bei unserm satten Autopublikum<br />

zu erreichen, dass nur noch Reisen und Bananen<br />

im Kopf hat. Aber auf der anderen Seite möchte ich mir eine<br />

gewisse Ernsthaftigkeit ausbitten. Ich hoffe, dass sie eintritt<br />

und ich hoffe, dass die Leute Freude daran haben.<br />

A.S.: Was sind deine nächsten Projekte?<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner: Meine nächsten Projekte sind malen,<br />

malen, malen weil ich jedesmal entdecke, was ich vorgestern<br />

gemacht habe, heute sicher besser zu machen wäre. Ich muss<br />

mir aber Zeit lassen, ich werde nicht jünger, meine Kraft lässt<br />

nach. Es ist für mich jedesmal ein Kraftakt, weil ich mir es<br />

nicht einteilen kann. Sonst würde ich jeden Tag ein Stündchen<br />

machen, geht aber nicht. Ich stehe also 10 Stunden da, mit<br />

Rückenschmerzen, mit Durst, den ich in dem Moment nicht<br />

empfinde. In dem Moment geht es mir sauwohl, bloß hinterher<br />

kommt das böse Erwachen. Ich weiß nicht, wie lange<br />

ich mir das noch leisten kann. Aber es geht nicht anders. Das<br />

nächste Projekt ist immer das, wovon ich glaube, es wird einen<br />

Tick besser.<br />

A.S.: Wir danken für das Gespräch.<br />

<strong>Bernd</strong> Steinwendner Lebenslauf:<br />

In Chemnitz geboren am 21.02.1939.<br />

Bereits in Grundschule erste Zeichnungen, die im Städtischen<br />

Museum in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz ausgestellt wurden.<br />

Abitur 1957, danach keine Studienzulassung infolge Staatsbürgerschaft<br />

von Österreich (Vater stammt aus Wien)<br />

Ausbildung zum Grafischen Zeichner bei DEWAG Karl-Marx-<br />

Stadt von 1957 bis 1960, parallel dazu intensive autodidaktische<br />

Bildung, Erste künstlerische Arbeiten entstanden.<br />

1960 bis 1967 tätig als Grafik-Designer bei DEWAG Karl-<br />

Marx-Stadt, 1967 mit Aufnahme als Mitglied in den Verband<br />

Bildender Künstler der DDR freischaffend tätig als Maler und<br />

Grafiker. Mitglied der <strong>Galerie</strong> Oben in Karl-Marx-Stadt, erste<br />

<strong>Ausstellung</strong>en.<br />

1967 kauften über die <strong>Galerie</strong> erstmals private Sammler,<br />

auch aus dem Ausland, Bilder, Grafiken und Zeichnungen.<br />

Seit 1990 Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler,<br />

Sächsischen Künstlerbund und Chemnitzer Künstlerbund e.V.<br />

Unterrichtet in Malerei/Grafik an Volkshochschule Mittweida,<br />

vorwiegend Gymnasiasten / Studenten auch im<br />

Einzelunterricht,verschiedene Auftragswerke, Ankäufe für<br />

den öffentlichen Raum,<br />

ehrenamtliche Mitarbeit im Beirat des Kulturraumes Mittelsachsen<br />

(1999 – 2004)<br />

wohne und arbeite seit 1992 in Hausdorf, einem Ortsteil von<br />

Frankenberg, verheiratet, 3 Kinder<br />

Mein Hauptthema ist die Auseinandersetzung mit den<br />

großen Themen der Malerei, wie Liebe und Tod, Frage nach<br />

dem Woher und Wohin, den verschiedensten Themen der<br />

Religion, stets schwankend zwischen Hoffnung und Zweifel,<br />

Widerstand und Resignation. Inspiration für meine Arbeiten<br />

fand ich bei Cy Twombly, Ernst Wilhelm Nay, Emil Schuhmacher,<br />

Philipp Guston, Jackson Pollok, Barnett Newman, Jean<br />

Fautrier, Lovis Corinth.<br />

Im Atelier von B. S.; Fotos: Marko Neumann

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