predigt 27.11. windeln[1] - St Nikolaus Wolbeck
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<strong>St</strong>. <strong>Nikolaus</strong>-Predigtreihe im Advent 2010: Die Windeln Jesu<br />
Von Pastoralassistent Klaus Nelißen<br />
„Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ - Wir beginnen an<br />
diesem ersten Adventswochenende eine Predigtreihe über<br />
Figuren aus unserer <strong>Wolbeck</strong>er Krippe. Wir, das sind neben<br />
mir noch Pfarrer Westerkamp, der in der kommenden Woche<br />
über die Base Elisabeth predigen wird, gefolgt von Pater Theo,<br />
der dann über die Schafe spricht und Richard Schu-Schätter,<br />
der am vierten Advent über die Figur des Josefs <strong>predigt</strong>.<br />
Entscheidend ist, was hinten rauskommt – das Zitat von<br />
Helmut Kohl könnte als Motto der Adventszeit dienen. Es geht<br />
um ihn : Jesus, den Christus, der, so berichten es die<br />
Evangelisten Lukas und Matthäus, in Bethlehem geboren<br />
wurde. Ihn erwartete damals das Volk Israel. Sie warteten auf<br />
einen Messias. Den Gesalbten, den Herrn. Ein neuer König<br />
David, der die Herrschaft der Welt zum Guten wende.<br />
Und was kam? Jesus, in der Krippe, geboren von Maria, der Jungfrau. In der<br />
Bildbeschreibung:<br />
Die sogenannten „Windeln Jesu“ aus dem<br />
Aachener Domschatz. Aufgenommen<br />
während der Heiligtumsfahrt 2007<br />
(Foto: Klaus Nelissen)<br />
größtmöglichen Einfachheit. Ein Detail dieses fast profanen Ereignisses der Gottesgeburt<br />
möchte ich in Blick nehmen:<br />
Ich möchte über die Windeln des Jesuskindes predigen. Bei der Krippenfigur der<br />
<strong>Wolbeck</strong>er Krippe sieht man sie besonders deutlich: Sie sind quasi um das ganze<br />
Jesuskind gewickelt.<br />
„Entscheidend ist, was hinten raus kommt“. Das Weihnachtsevangelium des Lukas ist<br />
ziemlich kurz gehalten. Dort steht: „Während sie in Bethlehem waren, kam für Maria die<br />
Zeit ihrer Niederkunft und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, wickelte ihn in<br />
Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz war.“ Das ist alles.<br />
Von Ochs und Esel liest man dort nichts, auch nicht von einem <strong>St</strong>all – das sind alles<br />
spätere Ausschmückungen - Krippenbau.<br />
Aber die Windeln, dieses fast alltägliche Detail aus dem Leben eines Babys, sie werden<br />
erwähnt. Jenes profane Kleidungsstück, das das wohl Unappetitlichste an einem<br />
Neugeborenen verbergen soll: dessen Ausscheidungen!<br />
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„Entscheidend ist, was hinten rauskommt“ – wer von Ihnen hat in jüngster Zeit Windeln<br />
gewechselt?<br />
Es bedarf einer gewissen Überwindung, um jemandem die Windeln zu wechseln. Beim<br />
eigenen Kind mag das noch selbstverständlich sein, aber wie ist es bei den<br />
Nachbarskindern? Und was ist, wenn der alte Schwiegervater wieder Windeln braucht,<br />
weil er das Wasser nicht mehr halten kann?<br />
Es ist wohl eines der deutlichsten Zeichen von Ausgeliefertsein, wenn man nicht mehr,<br />
oder noch nicht, Herr seiner Ausscheidungen ist. Was sagt das über diesen Gott aus, an<br />
den wir glauben? Mein Theologieprofessor in Kalifornien, Kenan Osborne, nannte die<br />
Windeln Jesu das deutlichste Zeichen der Demut der Inkarnation, der Einfachheit der<br />
Menschwerdung Gottes.<br />
Wenn wir glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, dann deuten die Windeln<br />
darauf, dass er Mensch wurde in jeder Form, ja, auch mit dessen Ausscheidungen.<br />
Die Windeln Jesu – sie werden sogar verehrt! Nicht weit von hier – in meinem<br />
Heimatbistum Aachen. Seit der Zeit Karls des Großen gehören die Windeln Jesu, neben<br />
dem Lendentuch Jesu vom Kreuz und dem Wochenkleid Mariens zu den sogenannten<br />
„Heiligtümern“ im Domschatz. Seit dem 13 Jahrhundert werden sie alle sieben Jahre in<br />
einer aufwendigen Zeremonie aus dem Marienschrein entnommen und während der<br />
sogenannenten „Heiligtumsfahrt“ tausenden von Gläubigen gezeigt.<br />
Und wie sehen sie aus, die „Botze“ des Jesuskindes? Groß sind sie, da passen vier Babys<br />
rein, braun sind sie. Mit Sicherheit sind sie nicht historisch.<br />
Die Windeln Jesu – diese Textilien sind klassische Berührungsreliquien. Und was für ein<br />
historischer Zufall, dass ausgerechnet über Aachen die Industrielle Revolution mit ihren<br />
Manchester-Webereien nach Deutschland kam.<br />
Die Aachener Textilien sind, jenseits aller kritischen Nachfrage über deren Echtheit,<br />
Ausdruck eines Glaubens, bei dem man im wahrsten Sinne des Wortes auf Tuchfühlung<br />
mit dem menschgewordenen Gott gehen kann.<br />
Gott sucht Berührung – die Windeln stehen für das Beziehungsgeschehen, in das Gott den<br />
Menschen miteingewoben hat. Indem Gott in Jesus ganzer Mensch, auch in seinen<br />
Exkrementen wird, wird er be-greif-barer. Mich fasziniert dieser Gedanke immer wieder<br />
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aufs neue.<br />
Nicht die Könige bei Jesus, die Vorstellung von der Anbetung mit Weihrauch, Gold und<br />
Mhyrre, berühren mich in der Betrachtung des Jesuskindes, sondern diese demütigen und<br />
so profanen Windeln! Sie zeugen auf eindrückliche Weise, von dem, was Paulus schreibt,<br />
dass Gott „nicht an sich hielt“ und ganz Mensch wurde.<br />
„Entscheidend ist, was hinten rauskommt“ – mit den Windeln Jesu, die in späteren<br />
Jahrhunderten sogar verehrt und angebetet wurden, beginnt Gottesdienst. Das muss man<br />
bedenken: Wenn Jesus Gott war, dann tat Maria einen „Gottesdienst“, wenn sie dem<br />
Jesuskind die Windeln wechselte. Das ist ja gerade das besondere am Gedanken des<br />
Christlichen: Das Niedrige wird groß!<br />
Denken wir das immer in letzter Konsequenz? Können Sie für sich akzeptieren, dass auch<br />
Sie Gottesdienst machen, wenn sie Menschen helfen, die sich selbst nicht helfen können?<br />
Das ist der ursprüngliche Charakter der Caritas. Die christliche Sorge für den Nächsten,<br />
die Jesus uns vorlebte, entspringt im Grunde weder einem Selbstzweck, noch einem<br />
Mitleid, sondern aus der, von der Menschwerdung Gottes, gespeisten Erfahrung, dass<br />
gerade die kleine Tat, der profane Dienst am Nächsten Gottesdienst ist. Caritatives<br />
Handeln steht in der Spur dessen, der sich selbst nicht zu schade war, in die größte<br />
Einfachheit geboren zu werden.<br />
Entscheidend ist, was hinten raus kommt - Im heutigen Evangelium heißt es: Der<br />
Menschensohn kommt zu einer <strong>St</strong>unde, da ihr ihn nicht erwartet.<br />
Wir können ergänzen: Der Menschensohn kam an einen Ort, der seiner nicht würdig<br />
schien und er trug Windeln. Sein Leben und Wirken sprach von der unbedingten<br />
Zuwendung zu den Menschen. Er ließ es sogar zu, dass er auf die grausamste Weise zu<br />
Tode kam.<br />
Doch er stand auf. Der Tod war nicht die letzte Wirklichkeit, so glauben wir – und daher<br />
können auch wir hoffen, dass am Ende auch unser Leben, in jenes Licht gestellt wird, das<br />
von Ihm her strahlt.<br />
Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Wir dürfen hoffen - Es ist Advent.<br />
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