Die soziale Herkunft - Leben und Werk des Dichters Gottfried August ...
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Verhältnissen“ auf, <strong>und</strong> in der Monographie zum Sturm <strong>und</strong> Drang (1983) hat<br />
sich Bürgers Großvater Johann Heinrich als „kleiner Pächter“ festgeschrieben.<br />
Dankbar greift der Besucher Göttingens, der sich in der Vielzahl der an den<br />
Häusern angebrachten Gedenktafeln zurechtfinden will, auf das von Albrecht<br />
Schöne herausgegebene Göttinger Vademecum (1985) zurück. Es verspricht<br />
Orientierungshilfe, ist aber bezogen auf Bürger in vielen Punkten irreführend. Der<br />
Dichter kam 1768 nicht „als Student aus Jena“, sondern aus Halle. Auch war er<br />
nicht „ausgerüstet mit Empfehlungsschreiben <strong>des</strong> Dichtervaters Gleim“, da er mit<br />
diesem erst 1771 in Kontakt trat. In seinem letzten Semester an der Göttinger Uni<br />
versität zog er zu Professor Schlözer <strong>und</strong> nicht in das „Gartenhaus <strong>des</strong> Professors<br />
Büttner“.<br />
So wird der dreiseitige Versuch eines <strong>Leben</strong>sabrisses, der Bürgers Autoren<br />
schaft <strong>des</strong> Weltbestsellers Münchhausen, seine Wortschöpfungen wie „querfeld<br />
ein“, „sattelfest“, „Lausejunge“, seine Begründung der modernen Kunstballade,<br />
sein Engagement für Immanuel Kant an der Göttinger Universität übergeht, der<br />
Persönlichkeit <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> nicht gerecht. Der Autor versieht Bürger vielmehr<br />
dreimal mit dem Adjektiv „erfolglos“ <strong>und</strong> führt <strong>des</strong>sen „bemerkenswert schlech<br />
te[n] Odenverse“ zur FünfzigJahrfeier der Universität Göttingen an. Seine Dar<br />
stellung enthält noch weitere Irrtümer, wobei der Eingangssatz vielleicht der größ<br />
te Irrtum ist: „Vielleicht, wenn Goethes Herzog ihn doch 1781 als Juristen nach<br />
Weimar berufen hätte, würde er die Weimarer Klassik um einen großen Lyriker<br />
bereichert haben“. <strong>Die</strong>se Feststellung geht aber auch spekulativ nicht auf, denn es<br />
wird übersehen, daß sich Bürger zu sehr mit seinem literarischen Programm auf<br />
die Volkspoesie <strong>und</strong> damit auf eine Popularitätsdefinition festgelegt hatte, die im<br />
Gegensatz zur aufkommenden Klassik stand. Sturm <strong>und</strong> Drang war für ihn das<br />
literarische F<strong>und</strong>ament, auf dem er sich bewegte — nicht Durchgang, sondern An<br />
fang <strong>und</strong> Ende zugleich.<br />
Mit Gert Uedings Veröffentlichung <strong>Die</strong> anderen Klassiker von 1986 liegt im<br />
Münchner C. H. Beck Verlag ein 22seitiges Porträt <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> vor, das Berger<br />
heranzieht, doch letztendlich zitiert er über diesen Umweg Pröhle <strong>und</strong> die Strodt<br />
mannsche Briefausgabe. Für Uedings Angabe „<strong>Die</strong> häuslichen Verhältnisse waren<br />
sehr beengt, Geld fehlte immer, dafür gab es reichlich Streit <strong>und</strong> dramatische Ehe<br />
zerwürfnisse“ findet sich in den 40 Anmerkungen kein Nachweis. Auch enthält<br />
der wissenschaftliche Apparat keine wirklich neue Quelle. Da ist es schon ver<br />
w<strong>und</strong>erlich, daß der Autor schreibt: „Halten wir uns an die Tatsachen“. Doch wel<br />
che sind gemeint? <strong>Die</strong> ungeprüfte Übernahme von Althofs nicht genannter vor<br />
fast 200 Jahren erschienenen Biographie <strong>und</strong> eigene Vermutungen können als sol<br />
che nicht gelten.<br />
Im Jahr 1987 erschien die <strong>Werk</strong>ausgabe von Hiltrud <strong>und</strong> Günter Häntzschel,<br />
die bereits in der Einleitung angesprochen wurde. Hier soll nur über die Publikati<br />
on <strong>Gottfried</strong> <strong>August</strong> Bürger von Günter Häntzschel (1988) berichtet werden. Ab<br />
gesehen von Littles in englischer Sprache erschienenem <strong>Werk</strong> ist dies nach 83<br />
Jahren die erste deutschsprachige Monographie. Doch auch Günter Häntzschel<br />
läßt eine mit Anmerkungen <strong>und</strong> neu erschlossenen Quellen ergänzte Darstellung<br />
von Bürgers <strong>Leben</strong> vermissen. <strong>Die</strong> Biographie <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> wird auf 15 Seiten<br />
abgehandelt, <strong>und</strong> nur der Großvater mütterlicherseits, der Bürger „aus der be<br />
drückenden Atmosphäre seiner Kindheit herausholte“, repräsentiert die Familie<br />
<strong>des</strong> <strong>Dichters</strong>. Für die Schilderungen von Bürgers Kindheit wird Althof ohne Quel<br />
lenangabe verwendet, <strong>und</strong> in dem 15 Titel umfassenden Literaturverzeichnis zu<br />
Bürgers biographischer Skizze werden als Arbeitsgr<strong>und</strong>lage all die Veröffentli<br />
chungen angegeben, die bereits besprochen wurden: Friedrich, KaimKloock,<br />
Kluge, Leschnitzer, Schöne, Ueding <strong>und</strong> Wurzbach. <strong>Die</strong> Strodtmannsche Brief<br />
ausgabe, nach fast h<strong>und</strong>ert Jahren 1970 im Reprint neu erschienen, ist, wie zwölf<br />
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