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Die soziale Herkunft - Leben und Werk des Dichters Gottfried August ...

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der Nachprüfung standhalten. Wenn z.B. Wolfgang Friedrich ohne Nachweis<br />

falsch angibt: „Bürger wird in Molmerswende als [...] Enkel zweier Bauernfamili­<br />

en geboren“, hat es die Literaturwissenschaft eben nicht mit einer Quelle zu tun.<br />

Dessen ungeachtet übernehmen Autoren ungeprüft diese Angabe <strong>und</strong> vermerken<br />

in ihrer Fußnote ‚s. Friedrich‘.<br />

Ähnlich verhält es sich mit Anmerkungen, denen keine tatsächlichen Sachver­<br />

halte aus Bürgers <strong>Leben</strong> zu entnehmen sind. Abgesehen davon, daß häufig diesel­<br />

ben Zitate fortgeschrieben werden, muß, ohne die genannten Autoren diskreditie­<br />

ren zu wollen, die Frage gestattet sein, wie Äußerungen von Heinrich Heine,<br />

Friedrich Engels <strong>und</strong> Franz Mehring in biographischen Darstellungen zu Bürger<br />

die Quellen ersetzen können.<br />

Wie falsch solche Aussagen in ihrer Gr<strong>und</strong>tendenz sein können, verdeutlicht<br />

Heines viel zitiertes Urteil über Bürger in seiner Romantischen Schule. Dabei geht<br />

es nicht allein um Heines falsche <strong>und</strong> <strong>und</strong>ifferenzierte Feststellung, daß den Dich­<br />

ter „eine Aristokratie von hannövrischen Junkern <strong>und</strong> Schulpedanten zu Tode<br />

quälte[n]“, sondern um das Verhältnis zwischen Bürger <strong>und</strong> <strong>August</strong> Wilhelm<br />

Schlegel. Nein, Bürger muß nicht vor „den reaktionären Zügen der Schlegelschen<br />

Kritik“ in Schutz genommen werden, denn gerade <strong>des</strong>sen Fre<strong>und</strong>schaft war es, die<br />

dem Dichter in seinen letzten <strong>Leben</strong>sjahren über Mißachtung <strong>und</strong> Diffamierung<br />

<strong>des</strong> Göttinger Universitätskollegiums hinweghalf. Schlegels Parteinahme für Bür­<br />

ger im Streit mit Friedrich Schiller, ihre gemeinsame Übersetzertätigkeit von<br />

Shakespeares Sommernachtstraum, Schlegels Rezensionen zu Bürgers Gedichten,<br />

ihr liebevoller Briefwechsel, die einander gewidmeten Gedichte An <strong>August</strong> Wil­<br />

helm Schlegel <strong>und</strong> An Bürger sind ebenso wie der Aufsatz Bürger aus dem Jahre<br />

1800 ein beredtes Zeugnis für seine fre<strong>und</strong>schaftliche Verb<strong>und</strong>enheit mit dem<br />

Dichter. <strong>Die</strong>s ist etliche Male ausführlich dargestellt worden. Um so mehr ver­<br />

w<strong>und</strong>ert es, daß Heines Urteil widerspruchslos weitergetragen wird. Heines Ver­<br />

öffentlichung, die 41 Jahre nach Bürgers Tod erschien (1835), wird von „vehe­<br />

menten, ja bösartigen Angriffen“ auf die romantische Bewegung getragen <strong>und</strong><br />

scheut auch nicht „persönliche Diffamierungen“. Sie ist für die Bürger­Forschung<br />

keine Quelle <strong>und</strong> kann „am Kriterium objektiver, wissenschaftlicher Distanz nicht<br />

gemessen werden“.<br />

Zum Thema Anmerkungen <strong>und</strong> Quellen sei auch auf die unzulässige Begren­<br />

zung, die ausschließliche Verwendung von schnell zugänglicher Literatur verwie­<br />

sen. Wie wichtig das Heranziehen von abseits publizierten Forschungsergebnissen<br />

ist, kann beispielhaft an der <strong>Werk</strong>ausgabe von Günter <strong>und</strong> Hiltrud Häntzschel ge­<br />

zeigt werden. <strong>Die</strong> Zurkenntnisnahme sorgfältig recherchierter Aufsätze von Max<br />

Berbig, Erich Ebstein <strong>und</strong> Stefan Hock hätte die Herausgeber davor bewahren<br />

können, Bürgers Lied der Georgia <strong>August</strong>a an Se. Königliche Hoheit den Herzog<br />

von Glocester aus ihrer Ausgabe zu verbannen, weil es — ihren Angaben zufolge<br />

— nicht von Bürger stamme.<br />

Als 1992 nach 25 Jahren im Kröner Verlag Gero von Wilperts <strong>und</strong> Adolf Güh­<br />

rings Erstausgaben deutscher Dichtung in 2. Auflage erschien, konnte man ge­<br />

spannt sein, welche neuen Erkenntnisse das ‚vollständig überarbeitete‘ <strong>Werk</strong> brin­<br />

gen würde, zumal der Verlag diesmal „nahezu sämtliche Bibliographien an Fach­<br />

leute <strong>und</strong> Spezialisten für die einzelnen Dichter zur Überprüfung <strong>und</strong> Bearbeitung<br />

vergeben“ hatte. Doch die Erwartungen wurden, zumin<strong>des</strong>t was den Dichter Bür­<br />

ger betrifft, enttäuscht.<br />

So muß festgestellt werden: Bereits Bürgers Pseudonym ist unkorrekt wieder­<br />

gegeben. Auch findet sich nach einem Vierteljahrh<strong>und</strong>ert noch die gleiche Anzahl<br />

von Titelaufnahmen, wo doch eine Erweiterung längst fällig gewesen wäre. Der<br />

einzige Zusatz gegenüber der ersten Auflage, Daniel Chodowiecki als Illustrator<br />

der Münchhausen­Ausgabe zu bezeichnen, ist falsch. <strong>Die</strong> Wiedergabe nahezu al­<br />

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