Die soziale Herkunft - Leben und Werk des Dichters Gottfried August ...
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<strong>Die</strong>se Tatsache erscheint um so problematischer, wenn festgestellt werden<br />
muß, daß gerade die BürgerForschung der letzten Jahrzehnte in beiden Teilen<br />
Deutschlands das vermeintlich ärmliche <strong>soziale</strong> Umfeld von Bürgers Geburt als<br />
Gr<strong>und</strong>lage ihrer fragwürdigen <strong>Werk</strong>interpretation, als Ausgangsbasis für ein<br />
plebejischrevolutionäres Dichterleben betrachtet.<br />
Im folgenden soll gezeigt werden, daß zum einen alle literaturwissenschaftli<br />
chen Veröffentlichungen zu Bürgers Kindheit in Molmerswende auf Ludwig<br />
Christoph Althofs Veröffentlichung beruhen <strong>und</strong> zum anderen im Laufe von<br />
zwei Jahrh<strong>und</strong>erten immer mehr Erdichtetes an die Stelle von Erforschtem getre<br />
ten ist.<br />
In der Reihe der Publikationen zu Bürgers <strong>Leben</strong> wird stets als erste die im<br />
Jahre 1798 erschienene Biographie Althofs, seines Arztes <strong>und</strong> Vertrauten, ge<br />
nannt.<br />
Dabei lagen bereits vor dem Tode <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> verstreute Informationen in<br />
gedruckter Form über seine <strong>Leben</strong>sstationen vor, die jedoch weniger seine Her<br />
kunft als vielmehr seinen Aufenthalt im Pädagogium, seine Disputation an der<br />
Universität in Halle, die Beschreibung seiner äußeren Erscheinung, seine Amt<br />
mannstätigkeit, seine Lehrtätigkeit an der Göttinger Universität <strong>und</strong> seine dritte<br />
Ehe betreffen. Nur bei Karl <strong>August</strong> Kuetner (1781), Joachim Christoph Friedrich<br />
Schulz (1782) <strong>und</strong> Christian Jacob Wagenseil (1785) finden sich neben auf<br />
schlußreichen Charakteristiken zu Bürger <strong>und</strong> seinem <strong>Werk</strong> auch kurze Hinwei<br />
se auf sein Geburtsdatum sowie seine geographische Heimat.<br />
Aber auch der Dichter selbst hatte aus Anlaß seiner Ernennung zum Ehrendok<br />
tor der Göttinger Universität im Jahre 1787 einen <strong>Leben</strong>slauf verfaßt. Wenig spä<br />
ter entwarf er eine Kurzbiographie für Pütters GelehrtenGeschichte, die dieser<br />
fast wörtlich in seine Publikation übernahm. Zu seinem familiären Hintergr<strong>und</strong><br />
findet sich jedoch kein Hinweis, denn es fehlen jegliche Angaben zu seinen Eltern<br />
bzw. dem <strong>soziale</strong>n Umfeld, in dem er aufwuchs.<br />
Anders verhält es sich mit dem Sonett Für Sie mein Eins <strong>und</strong> Alles, in dem er<br />
über seinen <strong>soziale</strong>n Hintergr<strong>und</strong> scheinbar autobiographisch dichtet:<br />
Nicht zum Fürsten hat mich das Geschick,<br />
Nicht zum Grafen, noch zum Herrn geboren,<br />
Und fürwahr nicht hellerswert verloren<br />
Hat an mich das goldbeschwerte Glück.<br />
Besonders in den beiden letzten Versen, in denen er das ,,goldbeschwerte Glück“,<br />
die richtigen Vorfahren zu haben, einklagt <strong>und</strong> es mit der kleinsten Münze, dem<br />
Heller, verbindet, vermittelt er dem Leser das Bild vom ärmlichen Elternhaus.<br />
Daß sich Bürger über diese poetischen Zeugnisse hinaus mit der Idee einer Au<br />
tobiographie befaßte, ist den Zeilen aus dem Nachlaß <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> zu entnehmen,<br />
die Althof seiner Veröffentlichung voranstellte <strong>und</strong> die bereits all die Probleme<br />
vorwegnehmen, mit denen die BürgerForschung bis zum heutigen Tage behaftet<br />
ist.<br />
Nun aber habe ich manche Erfahrungen gemacht, wie mager, wie unvollständig, wie falsch<br />
dergleichen Nachrichten oft ausgefallen sind, selbst in Dingen, die sich von aussen her noch<br />
wohl wissen lassen. [...] Damit nun bei einer künftigen Beschreibung meines <strong>Leben</strong>s nicht ro<br />
mantisirt werde; damit Niemand mehr sich selbst <strong>und</strong> seine Kunst, als mich, darstelle: so ent<br />
schliesse ich mich vielleicht noch, das Geschäft lieber selbst zu übernehmen.<br />
Doch Althofs Aussagen, Bürger hätte „diesen Vorsatz wirklich ausgeführt“, so<br />
wäre er „einer großen Verlegenheit“ enthoben worden, kann nicht zugestimmt<br />
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