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Weihnachten 2010 - Nossner Rundschau

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Im November <strong>2010</strong> stellte ein<br />

interessierter Nossener in einem<br />

Leserbrief an die <strong>Nossner</strong> <strong>Rundschau</strong><br />

die Frage: „Wo kann sich der<br />

Rippenknochen aufhalten?“ Er<br />

legte dem Brief eine Aufnahme des<br />

Kirchenportals aus den 30er Jahren<br />

bei und ein Foto von 2009,<br />

auf dem die Rippe fehlt.<br />

Daraufhin baten wir den Pfarrer<br />

der evang.-luth. Kirchgemeinde,<br />

Herrn Clemens-Michael Kluge, um<br />

Auskunft.<br />

„Wo ist die Rippe geblieben?“ –<br />

Diese Frage wird in Nossen<br />

nicht nur im Pfarramt immer<br />

wieder vorgebracht. Auch von<br />

anderen Stellen im Ort hören<br />

wir, dass Bürger und ehemalige<br />

Nossener, die ihren Heimatort<br />

aufsuchen sich nach der Rippe<br />

erkundigen.<br />

Seit alten Zeiten hängt diese<br />

Rippe im Südportal der Nossener<br />

Kirche. Die Auskünfte, die<br />

wir bisher darüber haben<br />

besagen, dass diese Rippe eine<br />

Schenkung der Kurfüstin Anna<br />

gewesen sein soll und dass es<br />

sich um eine Pottwal-Rippe<br />

handelt. Inzwischen gehört sie<br />

zur Nossener Kirche wie die<br />

Altzellaer Portale. Nur dass das<br />

Knochenmaterial durch die<br />

Witterung im Laufe der Zeit<br />

wesentlich stärker gelitten hat<br />

als der Stein der Portale. Und<br />

damit wäre auch schon der<br />

Grund beschrieben, weshalb<br />

die Rippe gegenwärtig nicht<br />

mehr an ihrer gewohnten Stelle<br />

hängt.<br />

Bei der Fassadensanierung der<br />

Kirche 2008 haben wir die<br />

Rippe vor der Baumaßnahme<br />

abgenommen und sie damit<br />

schützen wollen. Dabei haben<br />

wir ihren außerordentlich<br />

schlechten Zustand bemerkt.<br />

24<br />

<strong>Nossner</strong> <strong>Rundschau</strong> I Weihnachtsausgabe <strong>2010</strong><br />

Wo ist die Rippe geblieben?<br />

Die Rippe ist nun an einem<br />

sicheren Platz abgelegt. Nun<br />

war guter Rat gefragt. Inzwischen<br />

sind wir vom Denkmalschutz<br />

zu einer entsprechenden<br />

Restaurierung aufgefordert<br />

worden. Wir haben ein Gutachten<br />

eines Biologen eingeholt,<br />

der keine hundertprozentig<br />

sichere Bestimmung<br />

vornehmen konnte. Aber nach<br />

seinen Aussagen handelt es sich<br />

mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

um „die Rippe eines großen<br />

Wales“.<br />

Aber warum hängt eine Rippe<br />

eines Wales an einer Kirche?<br />

Zu damaliger Zeit waren in<br />

Küstenländern die gestrandeten<br />

Wale Eigentum des Königs.<br />

Aus den Knochen der Wale<br />

wurden die Corsagen für die<br />

Damen des Hofes gefertigt.<br />

Somit gelangten die Wale in<br />

ihren Bestandteilen am jeweiligen<br />

königlichen Hofe.<br />

Die Rippe, aus der Nähe betrachtet Fotos: C.-M. Kluge<br />

Außerdem galt ein Wal als<br />

etwas Besonderes, etwas Exotisches<br />

eben. Über die sächsische<br />

Kurfürstin Anna ist bekannt,<br />

dass sie aus dem dänischen<br />

Königshaus, einem Hof eines<br />

Küstenanrainer-Landes einen<br />

Pottwalschädel erhalten haben<br />

soll. Ob in dem Zuge auch eine<br />

Rippe eines Pottwales nach<br />

Sachsen gelangte, ist bisher<br />

nicht gesichert. Aber diese<br />

historischen Informationen<br />

scheinen zumindest die bisherigen<br />

Angaben zu bestätigen.<br />

Man muss sich vorstellen, dass<br />

man damals ebenso wie heute<br />

gern etwas Besonderes besaß, es<br />

zeigte und auch manche Deutungen<br />

von Geschichte und<br />

Wirklichkeit damit verband.<br />

Um die Rippe rankte sich ja<br />

später auch die Sage von dem<br />

Riesenfräulein. Und eine Rippe<br />

eines Wales an einer Kirche<br />

weckt natürlich immer die<br />

Assoziationen zur Jona-<br />

Geschichte aus der Bibel. Dem<br />

Propheten, der von einem Walfisch<br />

verschluckt wurde.<br />

Auch in vielen anderen, allerdings<br />

meist größeren Kirchen<br />

gibt es in den Kunstschätzen<br />

Teile von Walfisch-Skeletten.<br />

Das scheint die genannten Vermutungen<br />

zu bestätigen. Und<br />

eine Kirche als das zentrale<br />

Gebäude eines Ortes oder einer<br />

Region oder einen Dom mit<br />

seinem Schatz hat man dann<br />

wohl als angemessen Ort für<br />

die Zugänglichmachung für die<br />

Allgemeinheit angesehen.<br />

Nach dem Gutachten des Biologen<br />

haben wir nun einen<br />

Antrag auf Denkmalschutzrechtliche<br />

Genehmigung<br />

gestellt. Ohne diese Genehmigung<br />

dürfen wir am Denkmal<br />

Kirche Nossen keine Veränderungen<br />

oder Restaurierungen<br />

vornehmen. Die vorhandene<br />

Rippe soll gefestigt werden,<br />

dann wird von ihr eine Kopie<br />

gefertigt, die dann im Südportal<br />

hängen wird. Das Original<br />

können wir der Witterung<br />

nicht mehr aussetzen. Es wird<br />

später in der Kirche zu sehen<br />

sein. Für diese Maßnahme, die<br />

ungefähr € 2.500,- kosten wird,<br />

erhalten wir einen Zuschuss der<br />

Landeskirche. Einen Rest müssen<br />

wir selber tragen.<br />

Freilich kommen auch Fragen<br />

auf, ob das denn sein müsse.<br />

Das können wir verstehen.<br />

Aus denkmalschutzrechtlichen<br />

Gründen sind wir dazu aber<br />

verpflichtet. Die Rippe wird in<br />

Kunstführern ausdrücklich<br />

erwähnt und ist damit Teil der<br />

unter Denkmalschutz stehenden<br />

Kirche Nossen geworden.<br />

Manchmal besuchen Interessierte<br />

aus dem In- und Ausland<br />

den Ort und die Kirche aus diesem<br />

einen Grund.<br />

Wir hoffen, dass wir dieses Projekt<br />

im neuen Jahr ab schließen<br />

können und die Rippe – wenn<br />

auch als Kopie – für alle Nossener<br />

wieder sichtbar ist.<br />

Pfarrer Clemens-Michael Kluge

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