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Ausgabe 2/2012 - Landesärztekammer Brandenburg

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Der Flussgott in einem<br />

Fries von 1725<br />

Foto: Dr. Ernst-Otto Denk<br />

aKtuell<br />

GeschIchte brandenburGs<br />

Viadrus – flussgott der oder<br />

Seit Jahrtausenden verehren die<br />

Menschen ihre Flüsse und personifizierten<br />

sie wegen der Bedeutung<br />

und Notwendigkeit für ihre<br />

Existenz zu Gottheiten. Der Flussgottkult<br />

entstand in den alten Zi-<br />

vilisationen des Zweistromlandes,<br />

Altägyptens, Griechenlands und<br />

des Römischen Reiches. Die Museen<br />

in Kairo, in Istanbul und die<br />

Vatikanischen Sammlungen Roms<br />

zählen diese Steinplastiken zum<br />

Wertvollsten ihrer Bestände.<br />

An dieser Stelle soll auch an die wundervolle<br />

Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum<br />

mit Kunstgegenständen<br />

erinnert werden, die vom Meeresboden<br />

vor Alexandria geborgen wurden.<br />

Ein Höhepunkt darin war ohne<br />

Zweifel die Monumentalplastik des<br />

Nilgottes Hapi. Auch die vor einige<br />

Zeit laufende Ausstellung „Die Rückkehr<br />

der Götter“ im Pergamonmuseum<br />

zählt plastische Abbildungen des<br />

griechischen Flussgottes Acheloos zum<br />

Beachtenswertesten. Analog der Ströme<br />

der antiken Welt des Südens sind<br />

auch Flussgötter für nördliche Ströme<br />

belegt. Wir kennen den Flussgottkult<br />

für die Seine (Sequana), für die Themse<br />

(Thamessa), für den Rhein (Rhenus)<br />

und eben auch für die Oder (Viadrus),<br />

was allerdings kaum bekannt ist.<br />

Mit der Entwicklung der Zivilisationen<br />

wurden die Menschen unabhängig<br />

von der Natürlichkeit ihrer Flüsse,<br />

und so verloren die Flussgottheiten<br />

allmählich an Bedeutung. Im Barock<br />

erinnerte man sich wieder dieser alten<br />

Tradition sowohl in der Bildhauerei<br />

22 | <strong>Brandenburg</strong>isches Ärzteblatt 2 •<strong>2012</strong><br />

als auch in der Malerei. So wurde jene<br />

Kunstepoche auch zur Geburtsstunde<br />

des Flussgottes unserer Oder. Interessant<br />

ist auch die Herkunft des Namens.<br />

In der Mitte des zweiten Jahrhunderts<br />

nach Christus schrieb der ägyptische<br />

Gelehrte Claudius Ptolemaius im damaligen<br />

Alexandria sein bedeutendes<br />

Werk „Geographia/Cosmographia“.<br />

Der Verfasser nennt darin vier Flüsse,<br />

die in den Oceanus Germanicus, also<br />

den Teil, den wir heute Ostsee nennen,<br />

münden. Es sind der Chalusos, der Suebus,<br />

der Viadrus und die Vistula. An<br />

dieser Stelle begegnen wir nun erstmalig<br />

in der antiken Literatur einem<br />

Namen, der später mit unserer Oder<br />

gleichgesetzt werden sollte.<br />

Viadrus Fluvius auf der<br />

Weltkarte von 1478<br />

Verfolgen wir nun den Weg Viadrus<br />

Fluvius in der kartographischen Literatur<br />

als die Basis der primären gedruckten<br />

Namensnennung. Ein wichtiges<br />

Dokument ist die Weltkarte der römischen<br />

Ptolemaius-<strong>Ausgabe</strong> von 1478.<br />

Hier haben wir die eindeutige Formulierung<br />

Viadrus Fluvius. Sie wird allerdings<br />

an dieser Stelle nicht eindeutig<br />

mit der Oder in Verbindung gebracht.<br />

Erst die Karte des Martin Waldmüller<br />

von 1513 nennt am gleichen Flusslauf<br />

Viadrus Fl., Odera Fl., und die beiden<br />

Städte Frankfurt und Vratislawia. Bei<br />

der Beschäftigung mit der Mythologie<br />

des Oderstroms führte mich der Zufall<br />

zum Viadrus, der antropomorphen Gestalt<br />

des Flusses. In der Oderstadt Stettin/Szczecin<br />

fand ich ihn an der Brama<br />

Portowa, dem früheren Berliner Tor.<br />

Die Nähe zum Fluss und die Aussage<br />

des barocken Reliefs lassen ikonographisch<br />

keinen Zweifel zu, dass hier der<br />

Flussgott der Oder künstlerisch dargestellt<br />

wurde. Das von Gerhard Cornelius<br />

Wallrave entworfene Bauwerk wurde<br />

1724 bis 1725 als Teil der Stadtbefestigung<br />

der pommerschen Metropole<br />

vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm<br />

I. errichtet. Der schmale Fries über<br />

dem Tordurchgang zeigt einen nach<br />

links blickenden, im Schilf gelagerten,<br />

muskulösen Mann im „besten Alter“.<br />

Mit dem linken Arm lehnt er an einer<br />

Quell urne, den Fluss symbolisierend,<br />

die Rechte hält ein Ruder, ein Hinweis<br />

auf die Schiffbarkeit des Flusses. Er ist<br />

mit nacktem Oberkörper dargestellt,<br />

seine Lenden werden von dem Himation,<br />

einem rechteckigen Stück Wollstoff<br />

bedeckt, wie es im alten Griechenland<br />

Mode war. Viadrus blickt über eine<br />

Flusslandschaft, auf der die Silhouette<br />

der Hafenstadt Stettin zu erkennen<br />

ist. Die Darstellungsweise entspricht<br />

dem künstlerischen Modus, der im<br />

2. Jahrhundert vor Christus entstand<br />

und dem wir von da an in der Kunstgeschichte<br />

immer wieder begegnen.<br />

Die Geburt der<br />

„Universitas Viadrina“<br />

Im Stadtarchiv von Frankfurt an der<br />

Oder findet sich ein historischer Druck,<br />

der den Flussgott in der seltenen Abbildung<br />

als Deus bicornis zeigt. Umgeben<br />

von den Genien der Wissenschaften<br />

thront er am Flussufer. Anlässlich<br />

der wissenschaftlichen Konferenz<br />

zum 500. Gründungstag der<br />

Frankfurter Alma Mater wurde ich jedoch<br />

durch den Vortrag von Prof. Jan<br />

Harasimowicz eines Besseren belehrt.<br />

Darin zitiert er eine Abbildung des Viadrus,<br />

hier Viader benannt, auf der Titelseite<br />

eines Werkes des Barockdichters<br />

Martin Opitz, das 1625 in Breslau<br />

erschienen war. Wenn man so will,<br />

darf nach meinen bisherigen Recherchen<br />

nunmehr angenommen werden,<br />

dass Viadrus ein Geschöpf der niederschlesischen<br />

Oderstadt ist, und dass<br />

hier seine virtuelle Wiege stand. Einen<br />

weiteren Hinweis auf die Odergottheit<br />

erhielt ich von Prof. Ludwig Braun aus<br />

Frankfurt am Main. Er machte mich auf<br />

das neulateinische Epos des Hugenotten<br />

Adolphis von Antoine Garissoles<br />

aufmerksam, das 1649 in Montauban<br />

gedruckt wurde. Der Autor wusste darin<br />

folgende Geschichte zu erzählen:<br />

„Als im Jahre 1630 der Pommernherzog<br />

Bogislaw XIV. einst traurig am heimatlichen<br />

Ufer der Oder saß, und sich<br />

einfach nicht entscheiden konnte, mit<br />

welcher der Krieg führenden Parteien<br />

er sich verbünden solle, erschien ihm

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