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Der Antennenturm garantiert permanenten Kontakt via Satellit mit der Heimat-Zentrale in Murmansk.<br />
Satellitentelefon, Email und Funk sind au<strong>ch</strong> im Eismeer selbstverständli<strong>ch</strong>.<br />
Elektrodiesel-Eisbre<strong>ch</strong>ern rund 45'000<br />
Franken pro Tag. Im Sommer wird so die<br />
berühmte Nordost-Passage s<strong>ch</strong>iffbar. Sie<br />
verbindet Murmansk via Beringstrasse, dem<br />
Tor zum Pazifik, mit Asien. Diese Strecke ist<br />
7000 Kilometer kürzer als die Route via<br />
Ärmelkanal, Mittelmeer, Suezkanal, Singapur<br />
und dem Süd<strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>en Meer na<strong>ch</strong><br />
Japan.<br />
Im Winter jedo<strong>ch</strong> ist die Nordost-Passage<br />
sogar für die stärksten Eisbre<strong>ch</strong>er unbefahrbar.<br />
Do<strong>ch</strong> der westli<strong>ch</strong>e Teil der arktis<strong>ch</strong>en<br />
Region Russlands, das Weisse Meer bei<br />
Murmansk, die Barents- und Kara-See sowie<br />
die grossen Flussmündungen bis zur Mündung<br />
des Jenissei sind dank Eisbre<strong>ch</strong>ern ganzjährig<br />
befahrbar.<br />
Au<strong>ch</strong> bei Temperaturen um die minus 50<br />
Grad. Erst unter minus 60 Grad wirds heikel:<br />
Die Aufbauten aus Stahl, zuoberst die<br />
Navigationsbrücke, s<strong>ch</strong>rumpfen, es treten<br />
Spannungen auf, Fensters<strong>ch</strong>eiben bre<strong>ch</strong>en<br />
oder ein Ende der Navigationsbrücke bri<strong>ch</strong>t<br />
einfa<strong>ch</strong> ab!<br />
Vergnügungs-S<strong>ch</strong>iff<br />
Bis in den Herbst hinein versorgen die<br />
Eisbre<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> Wissens<strong>ch</strong>after auf den 52<br />
Wetter- und Fors<strong>ch</strong>ungsstationen, die na<strong>ch</strong><br />
dem Zusammenbru<strong>ch</strong> der Sowjetunion in<br />
der Arktis verbliebenen sind. Früher gab es<br />
150 Stützpunkte, die vor allem militäris<strong>ch</strong>e<br />
Aufgaben hatten. Bis zum Zusammenbru<strong>ch</strong><br />
der Sowjetunion in den neunziger Jahren war<br />
dieses Gebiet mitsamt dem 1926 annektierten<br />
Franz-Josef-Land eine ho<strong>ch</strong>geheime<br />
Sperrzone.<br />
Seit der Wende sind nebst dem touristis<strong>ch</strong>en<br />
Einsatz der S<strong>ch</strong>iffe im Sommer au<strong>ch</strong> internationale<br />
Kooperationen mögli<strong>ch</strong>: So wird<br />
die «Kapitan Dranitsyn» diesen Herbst von<br />
einer US-Kanadis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ungsgruppe<br />
ge<strong>ch</strong>artert, um am 80. Breitengrad spezielle<br />
Bojen für seismographis<strong>ch</strong>e Messungen zu<br />
setzen.<br />
Öl für einen Monat<br />
Eisbre<strong>ch</strong>er sind teure S<strong>ch</strong>iffe. Eine gute<br />
Auslastung ist deshalb für die Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit<br />
zwingend. Die derzeitige Auslastung<br />
der «Kapitan Dranitsyn» von 80 bis 90<br />
Prozent ist rentabel. Do<strong>ch</strong> der unablässig<br />
steigende Ölpreis verteuert die Betriebskosten<br />
enorm. Die se<strong>ch</strong>s Generatoren verbrennen<br />
S<strong>ch</strong>weröl, und das ni<strong>ch</strong>t zu knapp:<br />
In besonders hartem Eis, das au<strong>ch</strong> an<br />
Flussmündungen entsteht, wo si<strong>ch</strong> Salz- und<br />
Süsswasser vermis<strong>ch</strong>en, verbrennt die<br />
«Kapitan Dranitsyn» bei voller Fahrleistung<br />
90 Tonnen S<strong>ch</strong>weröl pro Tag. Knapp die<br />
Hälfte ist es im lockeren Treibeis bei zügiger<br />
Hier landen: Zwei Helikopter gehören zur Standard-Ausrüstung eines jeden grösseren Eisbre<strong>ch</strong>ers.<br />
Sie ermögli<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>nelle Erkundungen vor Ort.<br />
In der Kommandozentrale des Mas<strong>ch</strong>inenraums: Von hier aus wird jede<br />
Funktion des S<strong>ch</strong>iffes überwa<strong>ch</strong>t.<br />
Mars<strong>ch</strong>fahrt von bis zu 15 Knoten. Ein voller<br />
Tank mit 2990 Kubikmetern Inhalt<br />
ermögli<strong>ch</strong>t eine Selbständigkeit des Eisbre<strong>ch</strong>ers<br />
von mindestens 28 Tagen. 48 Mann<br />
Besatzung sind nötig um die «Kapitan<br />
Dranitsyn» zu führen.<br />
Die «Kapitan Dranitsyn» kostete übrigens<br />
1980 umgere<strong>ch</strong>net etwa 100 Millionen<br />
Franken. Heute wäre die sehr gut erhaltene<br />
Occasion relativ günstig für 10 Millionen<br />
Franken zu haben...<br />
In Zukunft mit Azipod<br />
Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Eisbre<strong>ch</strong>er ist jung. Vor<br />
genau 106 Jahren bestellte das zaristis<strong>ch</strong>e<br />
Russland in einer Werft in Grossbritannien<br />
den ersten Eisbre<strong>ch</strong>er, die «Yermack». 1977<br />
errei<strong>ch</strong>te die russis<strong>ch</strong>e «Arctica» als erster<br />
Eisbre<strong>ch</strong>er den Nordpol. In den letzten zehn<br />
Jahren baute das im Eisbre<strong>ch</strong>erbau führende<br />
Finnland Elektrodiesels<strong>ch</strong>iffe mit einer<br />
neuen Antriebs-Te<strong>ch</strong>nologie namens Azipod.<br />
Dabei ist die S<strong>ch</strong>iffss<strong>ch</strong>raube mit einem<br />
Elektromotor zu einer Einheit verbunden,<br />
die in einer Gondel unter dem Heck drehbar<br />
montiert ist.<br />
In der Regel sind die S<strong>ch</strong>iffe mit zwei dieser<br />
Azipods ausgerüstet. Diese sind um 360<br />
Grad drehbar. Ein Ruder im klassis<strong>ch</strong>en<br />
Sinne entfällt. Ri<strong>ch</strong>tungswe<strong>ch</strong>sel, Vor- und<br />
Rückwärtsfahrt sowie Manöver erfolgen<br />
dur<strong>ch</strong> Drehung der Azipods. Diese sind in<br />
der Wartung und im Energieverbrau<strong>ch</strong> effizienter<br />
als das herkömmli<strong>ch</strong>e Antriebssystem.<br />
Die Murmansk Shipping Company<br />
hat bereits zwei derartige S<strong>ch</strong>iffe gekauft.<br />
Die älteren, konventionellen Eisbre<strong>ch</strong>er sollen<br />
in Zukunft zu Mulitfunktionss<strong>ch</strong>iffen umge-<br />
Im Mas<strong>ch</strong>inenraum ist von den Elektrodiesel-Motoren so gut wie ni<strong>ch</strong>ts<br />
zu sehen. Von Kohle-S<strong>ch</strong>aufeln-Romantik à la «Titanic» keine Spur.<br />
baut werden, damit sie etwa als Kabelleger<br />
oder als s<strong>ch</strong>wimmende Kraftwerke für Baustellen<br />
im Meer dienen können.<br />
Seit einigen Jahren s<strong>ch</strong>on verleiht die<br />
Murmansk Shipping Company im Ho<strong>ch</strong>sommer<br />
Eisbre<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> an Reiseunternehmen,<br />
die Touristenfahrten na<strong>ch</strong> Franz-<br />
Josef-Land, in die russis<strong>ch</strong>e Arktis oder<br />
sogar zum Nordpol dur<strong>ch</strong>führen. Um den<br />
Ansprü<strong>ch</strong>en westli<strong>ch</strong>er Touristen gere<strong>ch</strong>t<br />
zu werden, ist die 1980 gebaute «Kapitan<br />
Dranitsyn» in den neunziger Jahren renoviert<br />
worden und besitzt jetzt komfortable<br />
Kabinen mit Aussenfenster und Nasszellen<br />
für insgesamt 100 Gäste, eine leistungsfähige<br />
Hotelkü<strong>ch</strong>e. Daneben bietet das S<strong>ch</strong>iff<br />
seinen Gästen au<strong>ch</strong> und vers<strong>ch</strong>iedenste Annehmli<strong>ch</strong>keiten<br />
wie Bibliothek, Vorträge<br />
und Abendkonzerte.<br />
Bizarre Poesie aus dem Bordhelikopter: Mit halber Kraft voraus pflügt die «Kapitan Dranitsyn» (in der Bildmitte)<br />
eine S<strong>ch</strong>neise dur<strong>ch</strong> das si<strong>ch</strong> allmähli<strong>ch</strong> verdi<strong>ch</strong>tende Treibeis-Feld.<br />
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