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Band 2 - Reimar Oltmanns

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Einige Jahre sind mittlerweile vergangenen. Nich immer fährt das Gespann Schmidt/Lutz<br />

freitags nach einer enervierenden Sitzungswoche gen Nürnberg, Aus der Renate Schmidt von einst,<br />

die sich manchmal für ihre Existenz in der Männer-Welt entschuldigte, ist unterdessen die stellvertretende<br />

SPD-Fraktionsvorsitzende des Bundestages geworden. - Der Frauen-Aufbruch und seine<br />

Schnittpunkte. Schon ihr großes Büro im Bundeshaus, mit Vorzimmer, Referentinnen und Sekretärinnen,<br />

deutet daraufhin, dass diese Frau mitstrickt an der Macht und den Machbarkeiten in dieser<br />

Republik: Jahrelang unterdrückte Frauen-Visionen werden allmählich eingeklagt.<br />

Renate Schmidt ist schlanker geworden - trägt ein knallrotes Kostüm auf Taille, ihre Haare<br />

sind leicht ergraut. In der vergangenen Situngswoche legte sie mehr als sechstausend Kilometer<br />

zurück. Dauerwahlkampf in Deutschland. Wahlkampf für Frauen uind für die Sozialdemokratie. Da<br />

kann es kein Privatleben mehr geben, selbst nicht in den kleinsten Nischen.<br />

Es ist ein Tag wie - beinahe - jeder andere im Leben der Renate Schmidt. Aktion "Durchrauschen"<br />

ist angesagt, Besuch in einem Münchner Altenheim, Podiumsdiskussion über Wohnungsbau, Visite<br />

in einem Kindertagesheim, Präsidiumssitzung der bayerischen SPD; um fünf Uhr mit dem Zug nach<br />

Nürnberg, mit dem Mietwagen weiter nach Ansbach, um acht Uhr auf dem Podium, Thema:<br />

Rentenpolitik. Sie macht dazu die Fußnote: "Ich halte diese Art von Politik für ziemlich albern" - und<br />

verschwindet zum nächsten Termin.<br />

Als ich mich von ihr im Bundestag verabschiedete, sagte ich zu ihr, sie möge doch aufpassen,<br />

dass dieser hoffnungvolle Frauen-Aufbruch nicht jene Frauen fresse, die ihn erkämpft haben,<br />

Denn Frauen-Kultur - das sei doch - dies hätte ich als Mann gelernt - eine andere Besinnung, ein<br />

anderes Politik-Verständnis. Es könne doch nciht angehen, sich in einem additiven Ergänzungsverhältnis<br />

zu den Männern zu sehen, im Terminstress Halt zu suchen und sich dort zu verbrauchen.<br />

Renate Schmidt stand schon wieder absprungbereit an der Türschwelle, und ihre Sekretärin Frau<br />

Walter redete dazwischen, weil sie München an der Telefonstrippe hatte.<br />

Wenige Monate später klingelte Renate Schmidt bei mir zu Hause an. Traurig war sie,<br />

niedergeschlagen. Ihr Freund habe sie gerade verlassen, und das ausgerechnet mit der Bemerkung:<br />

Sie sei ja sowieso nie da, ständig auf Achse. Das hätte wohl alles keinen Sinn mehr mit ihr. Unter<br />

einer Partnerschaft stelle er sich etwas anderes, Intensiveres vor. - Rollentausch. Und weiter: "Aber<br />

wenn wir Frauen in der Politik Erfolg haben wollen, müssen wir so leben und arbeiten." Und sie fügt<br />

selbstzweifelnd hinzu: "Was ist denn eigentlich Erfolg?"<br />

Im Laufe der Zeit ist es zunehmend einsamer um Renate Schmidt geworden - zumindest privat. In<br />

der Tat ist es extrem schwierig, unter diesen von Männern geschaffenen Politik-Bedingungen, dauerhafte<br />

Beziehungen aufzubauen und zu halten. Renate Schmidt: "Da gibt es dann plötzlich<br />

niemanden mehr, den ich anrufen und fragen kann, ob man nicht gemeinsam Silvester feiern sollte."<br />

- Der Frauen-Aufbruch in der Politik und sein einstweiliger Preis.<br />

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