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Band 2 - Reimar Oltmanns

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Nur ein präzises Erinnern lässt die Kontinuität der femininen Wende in den neunziger<br />

Jahren in Italien erkennen. Zu groß war zunächst der Nachholbedarf an Gleichberechtigung in dem<br />

stets von Politikern und Päpsten beherrschten Land. Erst im Jahre 1946 durften Italienerinnen<br />

erstmals in ihrer Geschichte überhaupt wählen. Durch Demonstrationen und Diskussionen gelang<br />

es ihnen dann im Sinne der Gleichberechtigung, die Freigabe des Schwangerschaftsabbruches und<br />

ein neues Familienrecht (neunjährige Dispute) durchzuboxen. Erfolgsmomente. Gewiss - seither ist<br />

es ruhiger um die italienische Frauenbewegung geworden. Weil sie es ablehnt, sich im alltäglichen<br />

Kampf verschleißen zu lassen. Nur ist ihr Einfluss freilich und damit auch ihre Macht reichen<br />

mittlerweile in alle Schichten der italienischen Gesellschaft hinein. Anders als in Deutschland<br />

konnten sich Feministinnen südlich der Alpen sehr schnell von ihrem universitären, mitunter<br />

ideologielastigen Zirkel-Dasein befreien. Beizeiten hatten sich Italiens-Frauen darauf verständigt,<br />

dass der "Feminismus keine politische Bewegung ist, sondern die Kraft, die sich Frauen gegenseitig<br />

geben", bemerkt Roberta Tatafiore, Chefredakteurin "Noi Donne".<br />

Jeder Versuch, Frauen-Politik und Frauen-Kultur in Italien nachzuvollziehen, sollte von<br />

der Tatsache ausgehen, dass nicht etwa die politischen Institutionen, sondern einzig und allein die<br />

italienische Familie das stärkste Gremium des Landes ist.<br />

Der äußeren Grunderneuerung folgte zwangsläufig auch eine innere Renovierung - die<br />

eigentliche Kulturrevolution des Landes. "Die italienische Frau", urteilte Psychologie-Professor<br />

Fernando Dogana, "befand sich offenbar in einer Übergangsphase zwischen der Konditionierung<br />

durch die Tradition und der Orientierung an neuen kulturellen Leitbildern." Mit Beginn der<br />

achtziger Jahre begann der allmähliche Werte- und Sittenwandel Italiens, das Aufräumen mit<br />

frauenfeindlichen Bräuchen, etwa dem Jungfräulichkeitswahn im Süden oder der Konservierung<br />

alter Tabus im weiblichen Unterdrückungs-Mechanismus des Kirche-Kinder-Küche-Kreislaufes.<br />

Bei den Frauen Italiens hatten sich die Meinung durchgesetzt, dass es sinnlos sei, auf bessere Zeiten<br />

und verständnisvollere Männer zu warten - der Begriff "Affidamento" (vertrauen, sich verlassen<br />

auf) war geboren. Und mit ihm die erste zaghafte Hinwendung zu einer nur von Frauen erlebten<br />

Frauen-Gesellschaft. Für Italiens Frauenbewegung ist die männliche Akzeptanz nichts<br />

Erstrebenswertes mehr. Sie wollen keine weitere Gleichheit erreichen. Denn: Gleichheit bedeutet<br />

für sie die Orientierung an männliche Maßstäben. Kategorien und Inhalte, die sie ablehnen, weil es<br />

ihnen darauf ankommt, Frausein nicht als "Mangel" hinzunehmen, sondern als Fremdheitsgefühl in<br />

einer von Männern genormten Welt.<br />

Ob Rückzug oder Resignation vom italienischen Mann - die Politik des "Affidamento"<br />

baut zielstrebig nur Frauenbezüge unter Frauen auf; quasi ein kleines Frauen-Land im italienischen<br />

Staatenbund. Gemeint sind nämlich ausschließlich die Beziehungen der Frauen untereinander.<br />

Dabei dreht es sich nicht nur um Freundschaften. Frauen sollen sich vielmehr in ihrer Gegenwelt<br />

in ihrem Denken, Fühlen, Handeln und in ihrer aktuellen Alltagsbewältigung nur auf Frauen<br />

beziehen. Verständlich, dass in solch einem Lebenszusammenhang die Sexualität keinen intensiven<br />

Stellenwert mehr hat. Ob hetero oder homo - Sex holt man sich irgendwo und mit irgendwem -<br />

ganz unverbindlich, versteht sich. Ohnehin belegen jüngste repräsentative Umfragen, dass<br />

zusehends mehr Frauen in den neuen Rollen Schwierigkeiten mit ihrem "Latina Lover" haben. Die<br />

Frauen scheinen kaum noch bereit zu sein, Körper und Seele für schnelllebige Dienstleistungen zur<br />

Verfügung stellen zu wollen.<br />

"Abends lässt er sich von seiner Mamma üppig Mangiare servieren, benimmt sich wie ein<br />

veralberter Minderjähriger, und dann sucht er mich nachts unter der Bettdecke - mit mir nicht",<br />

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