8. Dokumentation 2010 - Stolpersteine Frankfurt
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StolperSteine – Verlegung Vom 7. biS 9. mai unD 1. Juni <strong>2010</strong> 25<br />
michael Zuntz – Brief zur Verlegung<br />
Ein Opfer, dessen wir wie auch seiner Familie durch<br />
die Legung eines <strong>Stolpersteine</strong>s gedenken werden, ist<br />
Karl Zuntz. Er war ein Vetter ersten Grades meines<br />
und meines Bruder Larry‘s Großvaters Max Zuntz.<br />
Gestatten Sie, dass ich ein paar Worte über unseren<br />
Großonkel Karl sage.<br />
Als vor mehr als 150 Jahren die Rothschilds einen<br />
Verwalter für das Museum suchten, in das sie ihr<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Stammhaus umzuwandeln planten, fiel<br />
die Wahl auf Karl Zuntzs‘ Vater. Denn dieser war<br />
ein weitläufig mit ihnen verschwägerter <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Privatbankier. Karl übernahm diese Ämter von seinem<br />
Vater. Als Verwalter des Rothschildhauses wohnte Karl<br />
auch in dem Rothschildhaus.<br />
Während ihre Söhne schon lange in Palästina und in<br />
verschiedenen Hauptstädten Europas wohnten, blieb<br />
Gudela, die Witwe Mayer Amshels, des Gründers der<br />
Rothschild-Dynastie, bis zum Ende ihrer Tage in der<br />
Wohnung, von wo später Karl Zuntz deportiert wurde.<br />
Gudela war eine sehr gute Geschäftsfrau und de facto<br />
Geschäftspartner Amshel Meyers‘; sie war auch sehr<br />
charmant und besaß einen Sinn für Humor. So ist nicht<br />
überraschend, dass eine große Zahl von Gesandten<br />
deutscher Fürsten zu dem ständig in <strong>Frankfurt</strong> tagenden<br />
Fürstentag jedes Jahr in die ehemalige Judengasse<br />
pilgerten, um Gudela zum Geburtstag zu gratulieren.<br />
Einer von ihnen sagte bei dieser Gelegenheit: „Frau<br />
Rothschild, Gott möge Sie nicht zu sich nehmen bis Ihr<br />
Alter hundert erreicht.“ Gudelas Antwort: „Warum<br />
soll Gott mich erst später für 100 holen, wenn er mich<br />
heute schon für noch nicht mal 90 kriegen kann?“<br />
Ein anderer Gesandter fragte sie einmal in den Jahren<br />
vor den 1848er Unruhen: „Frau Rothschild, gibt‘s<br />
Krieg?“ worauf sie auf gut <strong>Frankfurt</strong>erisch antwortete<br />
„Naw, mei Buwe erlaube des net.“ Dies ist nicht eine<br />
Anekdote, sondern ein wahres Ereignis, das die Macht<br />
der Rothschild zu jener Zeit klar macht.<br />
Da Karl auch Rabbiner war, wurde er jedes Jahr von<br />
der überlebenden Tochter des einstmalig in Neapel<br />
ansässigen Rothschild-Bankiers eingeladen, um an<br />
den Purim Feiertagen der im „Rothschildchlösschen“<br />
im „Rothschildpark“ wohnenden alten Dame die<br />
„Megille“ vorzulesen. Baronin Rothschild schenkte<br />
ihm dann regelmäßig einen Karton feinster Kubanischer<br />
Zigarren.<br />
1942 schloss Karl Zuntz für immer hinter sich die Tür<br />
eines Hauses, wo für fast 500 Jahre lang mein Vater<br />
und unsere Ahnen aus der Zuntz Familie ansässig<br />
gewesen waren. So ist für uns diese Stolpersteinlegung<br />
von großer symbolischer Bedeutung. Sie ehrt nicht nur<br />
Karl Zuntz, sondern alle unsere <strong>Frankfurt</strong>er Vorfahren<br />
michael Zuntz ( Jg. 1915) besuchte bis ostern<br />
1935 das <strong>Frankfurt</strong>er lessinggymnasium.<br />
ruthe Zuntz aus Berlin, die es schaffte 20 angehörige aus Israel<br />
nach <strong>Frankfurt</strong> zu holen