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Der Zwiespalt zwischen Politik und Technik Ein kulturelles ...

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anders als die Militärs - stärker auf eine rentable Produktionsorganisation <strong>und</strong> größere<br />

Autonomie von den Aufträgen der Wehrmacht achteten <strong>und</strong> auf diese Weise mehr<br />

Effizienz in die Rüstungsproduktion brachten.<br />

"Den Erfolg unserer Arbeit verdankten wir tausenden von <strong>Technik</strong>ern," so resumierte Speer<br />

die Wirkung dieser Organisationsstruktur in Verbindung mit seinem, wie er es nannte,<br />

hemdsärmelig demokratischen Führungsstil, "die sich bis dahin durch besondere<br />

Leistungen hervorgetan hatten <strong>und</strong> die wir nun mit der Verantwortung ganzer Sparten der<br />

Rüstung betrauten. Das weckte ihren verschütteten Enthusiasmus, mein unorthodoxer<br />

Führungsstil steigerte ihr Engagement. Im Gr<strong>und</strong>e nutzte ich das Phänomen der oft<br />

kritiklosen Verb<strong>und</strong>enheit des <strong>Technik</strong>ers mit seiner Aufgabe aus. Die scheinbare<br />

moralische Neutralität der <strong>Technik</strong> ließ bei ihnen eine Besinnung aufs eigene Tun gar nicht<br />

erst aufkommen. Je technischer unsere vom Krieg diktierte Welt wurde, um so gefährlicher<br />

wirkte sich dieses Phänomen aus, das dem <strong>Technik</strong>er keine direkte Beziehung zu den<br />

Folgen seines anonymen Tuns vermittelte." 50 Diese Argumentation läßt bereits den<br />

Unterschied in seiner Haltung zur <strong>Technik</strong> während <strong>und</strong> nach dem Krieg deutlich<br />

erkennen. Während er in seinen wenigen nachweisbaren öffentlichen Auftritten im Krieg<br />

von der Macht der <strong>Technik</strong> schwärmte, bringt dieses Zitat aus seinen Erinnerungen jene<br />

Ambivalenz zum Ausdruck, die seine <strong>Technik</strong>bewertung in der Nachkriegszeit dominierte.<br />

Wird zunächst auf die kritiklose Verb<strong>und</strong>enheit des <strong>Technik</strong>ers mit seiner Aufgabe hingewiesen,<br />

findet sich im nächsten Satz die verblüffende Aussage, daß dieses mit der<br />

"scheinbaren moralischen Neutralität der <strong>Technik</strong>" zusammenhänge. Wieso "scheinbar",<br />

stutzt da der verblüffte Leser. Glaubte Speer nicht an die Wertfreiheit der <strong>Technik</strong>? Sah er<br />

also auch, daß in jedem Moment der Herstellung einer <strong>Technik</strong> die Frage nach der<br />

Verantwortung <strong>und</strong> moralischen Integrität des Tuns ihre Berechtigung hat, mithin also<br />

gerade auch vom <strong>Technik</strong>er selbst gestellt werden kann? Bevor jedoch solche Überlegungen<br />

aufkommen konnten, hatte Speer sie bereits wieder rhetorisch niedergeschlagen. Aus der<br />

Kritiklosigkeit hatte die Neutralität des technischen Tuns Besinnungslosigkeit werden<br />

lassen, eine psychische Disposition, die in dem Maße wirkmächtiger wurde, wie die vom<br />

Krieg diktierte Welt von <strong>Technik</strong> durchdrungen wurde. Mit dieser Wendung war die<br />

Entlastung des <strong>Technik</strong>ers erreicht, seine Unschuld vor der wachsenden Autonomie einer<br />

immer mächtiger werdenden <strong>Technik</strong> letztlich besiegelt. Selbst <strong>Technik</strong>er sind - nach dieser<br />

Überlegung - nicht mehr in der Lage, sich gegen die Herrschaft der <strong>Technik</strong> zu stemmen.<br />

IV. Zweifel <strong>und</strong> Verteidigung<br />

Während viele Naturwissenschaftler <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>er nach dem Krieg nahtlos in eine<br />

Interpretation überwechselten, nach der der Nationalsozialismus ein "Unfall" der deutschen<br />

Geschichte gewesen sei, das Bild einer "reinen" Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>Technik</strong> nun also<br />

dergestalt gewendet wurde, daß die nationalsozialistischen Forschungen, z. B. zur<br />

Rassenbiologie, als pseudowissenschaftliche Arbeiten degradiert wurden, somit alle "nichtvölkischen"<br />

Teile der Arbeit nicht unter das Verdikt von Schuld <strong>und</strong> Verantwortung<br />

fielen 51, mußte sich Albert Speer als einer der Hauptangeklagten der Nürnberger Prozesse<br />

seiner Vergangenheit stellen. 52<br />

Zu Beginn seiner Verhöre verlas der Verteidiger Speers, Dr. Hans Flächsner, aus einer am<br />

20. September 1944 an Hitler gerichteten Denkschrift, in der sich Speer gegen<br />

Anfeindungen aus der Partei verwehrte: "Die Aufgabe, die ich zu erfüllen habe, ist eine<br />

unpolitische. Ich habe mich so lange in meiner Arbeit wohl gefühlt, als meine Person <strong>und</strong><br />

auch meine Arbeit nur nach der fachlichen Leistung gewertet wurde." 53 In Momenten, in<br />

50 Ebd., S. 226.<br />

51 Vgl. Mehrtens: Kollaborationsverhältnisse (1994).<br />

52 Vgl. Sereny: Ringen mit der Wahrheit (1995), S. 631ff.<br />

53 Reif, Adelbert: Albert Speer. Kontroversen um ein deutsches Phänomen, München 1978, S. 29.<br />

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