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Der Zwiespalt zwischen Politik und Technik Ein kulturelles ...

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hetorisch prägnante Formulierungen, aus dem sich nachfolgende Autoren bedienten. Die<br />

1963 im Rahmen einer größeren Untersuchung über "Profile einer totalitären Herrschaft"<br />

erschienene Studie über die "Technizistische Unmoral" des Albert Speer 88 bot eine klare<br />

<strong>und</strong>, so hat es den Anschein, überaus einflußreiche, weil oft wiederholte Kernaussage. 89<br />

Noch ein Nachruf zum Tode von Albert Speer in der FAZ im Jahre 1981 orientierte sich<br />

wesentlich an den Gedankengängen, die einer ihrer Herausgeber fast 20 Jahre vorher<br />

niedergelegt hatte. 90<br />

Bemerkenswert an dem Aufsatz von Joachim Fest ist, daß seine detailliert begründete<br />

These von der technizistischen Unmoral sich im Verlauf des Artikels verflüssigt. Am Ende<br />

bleibt ein <strong>Ein</strong>druck übrig, als ob der Autor in bemerkenswerter Übereinstimmung mit<br />

Albert Speer jenes ambivalente Urteil über die gesellschaftliche Rolle der sogenannten<br />

Technokraten teile.<br />

Zunächst zeichnet Fest das Bild jenes Fachmannes nach, der sich auf nichts weiteres<br />

konzentriert habe als auf seine berufliche Funktion, der seine Aufgabe als ganz im Dienste<br />

der <strong>Technik</strong> stehend ansah, einer Aufgabe, die "wertfrei" sei, weil die <strong>Technik</strong> ihren Wert in<br />

sich selbst trage. Da es demnach keine "bösen" Erfindungen gebe, bleibe auch der<br />

technische Genius unberührt von der moralischen Seite seines Dienstverhältnisses. Längst<br />

sei die <strong>Technik</strong> nicht mehr nur Herrschaftsinstrument, sondern Herrschaftsträger<br />

geworden. <strong>Technik</strong> selbst symbolisiere die Macht. Fester Bestandteil dieses Bildes vom<br />

Fachexpertentum sei seine politische Orientierungslosigkeit, die ihn leicht zur Beute von<br />

politischen Indokrinationen werden lasse. Solche selbstgewählte "Isolierung des<br />

technischen Geistes" mache ihren Träger dienstbar für jedes politische System <strong>und</strong> "der<br />

versachlichte Mensch, der sich nur noch als Funktion in einem Zusammenhang begreift,<br />

den er weder überschaut noch überschauen will, kommt dieser Bestrebung der Herrschaft<br />

überaus entgegen." 91 Solche unpolitischen dienstbaren Geister hätten hervorragend Hitlers<br />

Vorstellung eines Termitenstaates entsprochen. Fest distanzierte sich zunächst von einer<br />

solchen Position, die die Moral allenfalls als private Angelegenheit betrachte. Wer "tief<br />

befangen in der Welt der Zwecke" sich allein auf selbstgesetzte Ziele konzentriere, verzichte<br />

auf eine Analyse der Wirkungszusammenhänge. Er sei politisch naiv in einer hochkomplexen<br />

Gesellschaft. Mit einem solchen Berufsethos ausgestattet, lege er sich keine<br />

Rechenschaft ab über die Kraftfelder, in die auch das streng sachbezogene Handeln<br />

unaufhebbar eingebettet liege.<br />

Albert Speer sei gleichsam der Prototyp dieses spezialistisch verengten Menschen <strong>und</strong><br />

seiner technokratischen Amoral. Er sei dabei nicht so sehr den <strong>Ein</strong>flüssen eines<br />

ungehemmten Ehrgeizes, den "Verlockungen einer beispiellosen Karriere eines Künstlers<br />

bei Hofe" erlegen, als vielmehr einer übergroßen Gleichgültigkeit. Terror, KZ, Willkür<br />

gingen ihn nichts an. Er habe seine Aufgabe vielmehr als eine wirtschaftlich-technische,<br />

denn als politische angesehen. Dabei sei er keineswegs ein welt- oder zeitfremd<br />

werkversessener Künstler, kein dummes Genie gewesen, sondern ganz im Gegenteil<br />

intelligent, lebenszugewandt, sensibel, aber "eben erfüllt von der traditionellen<br />

antigesellschaftlichen Gleichgültigkeit des Künstlers <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>ers". 92 Dem entspräche<br />

auch seine tatsächliche Stellung unter Hitlers Gefolgsleuten. Versehentlich sei er unter die<br />

machiavellistischen <strong>und</strong> beutehungrigen Kleinbürger geraten <strong>und</strong> habe sich schon in der<br />

äußeren Erscheinung zu jenen braununiformierten politischen Leitern "mit breiten Nacken<br />

<strong>und</strong> Gesäß" unterschieden.<br />

88 Fest, Joachim C.: Albert Speer <strong>und</strong> die technizistische Unmoral, in: Fest, Joachim C. (Hg.): Das<br />

Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft, München 1963.<br />

89 Von den bereits erwähnten Autoren scheinen beispielsweise Gerd Hortleder: Das<br />

Gesellschaftsbild der Ingenieure (1970), <strong>und</strong> Adelbert Reif in seiner herausgeberischen Tätigkeit<br />

besonders deutlich von der Rhetorik des Joachim Fest beeinflußt zu sein.<br />

90 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. September 1981.<br />

91 Fest: Albert Speer <strong>und</strong> die technizistische Unmoral (1963), S. 272.<br />

92 Ebd., S. 273.<br />

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