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Was das Herz begehrt

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8 GESUNDHEIT BEOBACHTER KOMPAKT 17/2008<br />

fässe bereits im 6. und 5. Jahrhundert vor<br />

Christus übers Meer nach Italien, damals<br />

zu den Etruskern, und beeinflussten die<br />

dortige Kunst. Bis nach Rom und schliesslich<br />

ins Christentum war es kein weiter<br />

Weg mehr. In den Katakomben der frühen<br />

Christen, so Dietz, gebe es vielfach Gravuren<br />

des herzförmigen Efeublatts, «möglicherweise<br />

bereits als Symbol der christlichen,<br />

<strong>das</strong> Grab überdauernden Liebe».<br />

Im frühen Mittelalter habe sich dann die<br />

«endgültige Metamorphose des Efeublatts<br />

zum <strong>Herz</strong>symbol» vollzogen.<br />

Gleichzeitig entdeckte die Literatur die<br />

körperliche Liebe. Es gab unter den Rittern<br />

und in der feudalen Gesellschaft einen<br />

weltlichen <strong>Herz</strong>kult, der auch die mönchischen<br />

Buchmaler inspirierte. Endgültig<br />

zum Symbol für Erotik und Liebe hat sich<br />

<strong>das</strong> <strong>Herz</strong> in der Minneliteratur des 12. Jahrhunderts<br />

gemausert – in der Farbe des<br />

warmen Blutes: Rot. Dank dem <strong>Herz</strong>-Jesu-<br />

Kult, den französischen Spielkarten und<br />

der Verwendung des <strong>Herz</strong>ens als <strong>Was</strong>serzeichen<br />

bei der Papierherstellung im 14.<br />

Jahrhundert hat sich <strong>das</strong> <strong>Herz</strong>symbol dann<br />

schnell weiterverbreitet.<br />

Auf die Bedeutung des <strong>Herz</strong>ens in der christlichen<br />

Religion geht Frank Nager vertieft<br />

ein. «In der Bibel ist <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> <strong>das</strong> umfassende<br />

Lebenszentrum», schreibt er in seinem<br />

Buch «Das <strong>Herz</strong> als Symbol». «Als<br />

Sitz des natürlichen und übernatürlichen,<br />

<strong>das</strong> heisst gottbezogenen Seelenlebens ist<br />

es Sinnbild des ganzen inneren Menschen.<br />

Dieser Wesenskern ist polar, äusserst ambivalent.<br />

[…] In tausend strahlkräftigen<br />

Varianten sprudelt die Bibel mit der Metapher<br />

vom <strong>Herz</strong>en als dem Quellgrund der<br />

Geistig vital Erfolgreich im Beruf Voll dabei Das Studium im Griff<br />

Religiosität über. Fast tausendmal begegnet<br />

man diesem religiösen Schlüsselwort<br />

im Alten, 160-mal im Neuen Testament.»<br />

Die Psalmen seien eigentliche <strong>Herz</strong>ensergüsse<br />

und die Römerbriefe des heiligen<br />

Paulus eine Fundgrube für <strong>Herz</strong>metaphern.<br />

Vier <strong>Herz</strong>-Leitmotive erkennt Nager<br />

in der Bibel: <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> als Wesenskern<br />

des Menschen, <strong>das</strong> von Gott stets erforscht<br />

und durchschaut werde, <strong>das</strong> Menschenherz<br />

als Ort, aus dem heraus Jesus wirkt,<br />

<strong>das</strong> aber auch ein widerspenstiges, träges,<br />

uneinsichtiges Ding ist, und schliesslich<br />

<strong>das</strong> <strong>Herz</strong>, <strong>das</strong> sich nur aus Leid und Verwundung<br />

heraus erneuern könne.<br />

Unter den christlichen Mystikern gilt vor<br />

allem die im 12. Jahrhundert wirkende Benediktinerin,<br />

Ärztin und Dichterin Hildegard<br />

von Bingen als Instanz für die Belange<br />

des <strong>Herz</strong>ens. Die Verehrung von Jesu <strong>Herz</strong>,<br />

dargestellt als Flamme oder von Dornen<br />

umrankt und gequält, entstand erst im späteren<br />

Mittelalter, entwickelte sich unter<br />

Katholiken schliesslich aber zu einem<br />

regelrechten <strong>Herz</strong>-Jesu-Kult, der bis heute<br />

überdauert hat und – vor allem in südlichen<br />

Ländern – in seiner ganzen Pracht,<br />

wahlweise auch als <strong>Herz</strong>-Maria-Kult, Wände,<br />

Hälse und Autorückspiegel ziert. So<br />

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<strong>Herz</strong>lich geliebt:<br />

Die <strong>Herz</strong>symbolik feiert<br />

im <strong>Herz</strong>-Jesu-Kult<br />

einen religiösen Höhepunkt<br />

(Öldruck von 1903).<br />

erstaunt es nicht, wenn mancher Zeitgenosse<br />

glaubt, <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> in seiner nicht nur rein<br />

anatomischen Bedeutung sei eine christliche<br />

oder zumindest abendländische Erfindung.<br />

Dass dem nicht so ist, haben weit<br />

vor den <strong>Herz</strong>- schon die Sprachforscher<br />

herausgefunden. So stammen sowohl <strong>das</strong><br />

altgriechische Wort «cardia» als auch <strong>das</strong><br />

lateinische «cor», die beide «<strong>Herz</strong>» bedeuten,<br />

von «kurd» ab – einem Wort aus dem<br />

alten indischen Sanskrit.<br />

Die vorchristliche Beschäftigung mit dem<br />

<strong>Herz</strong>en nimmt bereits vieles vorweg, was<br />

Gläubige und Philosophen in unseren<br />

Breitengraden erst sehr viel später, aber<br />

dafür umso intensiver umtrieb – seine<br />

Doppelbedeutung: <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> als anatomischer,<br />

sich bewegender Körperteil auf der<br />

einen und als Gehäuse und Zentrum der<br />

menschlichen Empfindungen auf der andern<br />

Seite. So massen etwa auch die Ägypter<br />

dem <strong>Herz</strong>en eine – im Wortsinn –<br />

gewichtige Bedeutung zu: Vor dem Totengericht<br />

wurde <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> des Verstorbenen<br />

mit einer Feder aufgewogen, um zu prüfen,<br />

ob es ins Jenseits übertreten dürfe.<br />

Denn nur wer ein sündenfreies Leben geführt<br />

habe, dessen <strong>Herz</strong> sei leicht, glaubte<br />

man bei den Pharaonen.<br />

Die Bilder vom leichten respektive schweren<br />

<strong>Herz</strong>en oder Redewendungen wie<br />

«Mir fällt ein Stein vom <strong>Herz</strong>en» entsprangen<br />

also nicht den genialen Hirnen und<br />

<strong>Herz</strong>en unserer Denker und Dichter. Genauso<br />

wenig wie <strong>das</strong> <strong>Herz</strong>symbol am Hinterteil<br />

des Autos meiner Freundin seinen<br />

Ursprung einem entzückten Aktzeichner<br />

oder Jesus-Verehrer zu verdanken hat. Möge<br />

<strong>das</strong> <strong>Herz</strong> dennoch Trumpf bleiben. n<br />

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FOTOS: GETTYIMAGES, AKG-IMAGES

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