Schweizer Premiere in Interlaken - SwissCamion

Verkehrspolitik«Jetzt sind die anderen dran»Podium: Hochrangige Vertreter des Bahngütertransportes diskutierten die Zukunft des Korridors 1.Die Verkehrsinfrastruktur durch die Alpen,die die Schweiz dem europäischen Gütertransportzur Verfügung stellt, ist mit demGotthard-Basistunnel ab 2016/17 betriebsbereit.Doch die Nachbarländer hinken anschlusstechnischmit ihrer Bahninfrastrukturhinterher.Ab 2016/17 sollengrosse Mengendes alpenquerendenGüterschwerverkehrsdurch den Gotthard-Basistunnel, der mit57 km längste Eisenbahntunnelder Weltund das Herzstück derNeat (neue Eisenbahn-Alpentransversale), rollen.Und bis 2020 sollder Schienenkorridorzwischen Basel undChiasso auf vier MeterEckhöhe ausgebautwerden. Dabei handeltes sich um beträchtlicheInvestitionen (940 Mio. Franken), derenErfolg davon abhängt, wie leistungsfähig dergesamte Korridor 1, die «europäische Arterie»,ist. Rund ein Viertel davon, rund 230 Millionen,will der Bund dem südlichen NachbarnErstmals seit ihrem Bestehen (2011) fanddie Korridor-1-Konferenz, die Themen desschienengebundenen Güterfernverkehrsbehandelt, in der Schweiz statt – in Thun.Der Korridor 1 ist die Nord-Süd-Bahngüterverkehrsachsezwischen Rotterdam/Antwerpenund Genua/Mailand. Die 4. Konferenzfindet im September 2014 in Genua statt.zur Verfügung stellen (Chiasso–Mailand,Luino-Strecke). «Ist der Korridor einmal aufvier Meter ausgebaut, sollen jährlich 160 000zusätzliche Sattelauflieger die Schweiz aufder Schiene durchqueren können» (NZZ,5.7.13). Denn nur wenn es die Zulaufstreckenzur Schweiz erlauben, Güter über längereDistanzen zuverlässig und effizient auf derSchiene zu transportieren, ist diese konkurrenzfähig.Und nur dann ist die SchweizerVerlagerungspolitik einigermassen erfolgreich.«Europa», so Peter Füglistaller vom Bundesamtfür Verkehr, «entscheidet über den Erfolgder Schweizer Verkehrspolitik.» In SachenOrganisation und Betrieb des Korridors 1 habees aber noch keinen Durchbruch gegeben –«die Trasse ist noch nicht durchgängig». Füglistallerappellierte an die Konferenzteilnehmer(Wirtschafts-, Bahn- und Politikvertreteraus den Nachbarländern), die «Zusammenarbeitzur Optimierung des Korridors zu intensivierenund zu verbessern». BundesrätinDoris Leuthard (Uvek): «Der Korridor 1 wird mitSicherheit eine Erfolgsgeschichte. Allerdingswird es bei uns noch Diskussionen gebenzwischen Personen- und Güterverkehr. Werhat Priorität? Was ist mit dem Thema Lärmund Nachtfahrverbot? Das ist noch alles nichtgegessen.»«Die Player der Konferenz sollten wissen,was sie wollen. Ich hoffe, dass alle beteiligtenStaaten die notwendigen Investitionenschultern, um alle Flaschenhälse zu eliminieren.Deutschland, Italien, Frankreich unddie Schweiz müssen sich stärker vernetzten.Wenn Europa das verschläft, haben Sie alleein Problem mehr, und wir auch. Denken Siegesamtverkehrspolitisch.»Das tun allerdings die Anwohner an derRheintalstrecke in Deutschland (zwischenBaden-Baden und Lörrach) ebensowenig wiedie Verkehrspolitiker in Rom. Die Anwohneran die auszubauende Strecke haben jedeMenge Einsprachen gegen eine 25 Jahre altePlanung lanciert, die jetzt realisiert werden sollund nur abschnittsweise umgesetzt werdenkann. Der Minister für Verkehr und InfrastrukturBaden-Württembergs, Winfried Hermann,zum «wichtigsten Projekt» des süddeutschenBundeslandes: «Der Zeitplan erfordert alleinefür die Finanzierung acht bis zehn Jahrenund noch einmal die selbe Zeit, bis die neueGleisverbindung steht. Wenn wir in dem Tempoweitermachen, brauchen wir noch mal50 Jahre», meinte er ironisch. Man habe inDeutschland 50 Jahre lang auf die Strassegesetzt und den Strassengüterverkehr ausgebaut.Zudem plagt Baden-Württemberg einDefizit von sieben Milliarden Euro zur Finanzierungder Verkehrsinfrastruktur. «Wir braucheneinen Infrastrukturfonds aus Nutzungsgebührenund Steuermitteln.»Bei den Italienern sieht es nicht viel besseraus: In Rom machten die Politiker, wassie wollten, «man hat noch nicht mal einengemeinsamen Strategieansatz, geschweigedenn so etwas wie eine Verlagerungspolitik.Man hat sich noch nicht einmal entschliessenkönnen, worauf man setzen soll – aufdie Strasse oder die Schiene», kritisierte LivioAmbrogio, Präsident der European IntermodalAssociation (EIA) und Chef der AmbrogioTrasporti S.p.A. in Vinovo (I).Ulrich Giezendanner, Nationalrat und Unternehmerund «überzeugter Verlader» zurSchweizer Verkehrspolitik:«Die Güterhaben bei uns keineStimme. Deshalbhabe ich FABI (Finanzierungund Bau derBahninfrastruktur)nicht zugestimmt.Ich stehe nicht hintereiner stiefmütterlichenVorlage.In Sachen Korridor1 bin ich böse aufDeutschland, wo180 Einsprachenden Ausbau derRheintalstrecke blockieren.»Und anItalien appellierte er:«Machen Sie endlich vorwärts. Unser Darlehenvon 230 Millionen kann ich nur vertreten,wenn der Ausbau endlich umgesetzt wird.»Die Schweiz habe ihre Aufgaben gemacht,betonte er. «Jetzt sind die anderen dran.»Hartmut Gasser, Rail Consultant MosolfAutomotive Railway (Kirchheim/D) empfahlbei der Optimierung des Korridors nicht nurteure Tunnels zu finanzieren, sondern sofortdas zu verbessern, was mit wenigen Mittelnumsetzbar sei: «Wir rollen auf 100 Jahre altenTechnologien, der Containertransport findetwie vor 50 Jahren statt, die Bremssystemesind total veraltet. Zur Erneuerung des Systemsist das Beste gerade gut genug. RäumenSie dem Güterverkehr Zeitfenster ein undschaffen Sie altmodische Fahrpläne und nationaleBesonderheiten ab.» Zudem forderte er«einen Wettbewerb der Bahnbetreiber untereinander».Internationale Korridore seien ein«Must». (hps)32 CAMION 9 / 201332-33_DE_Korridor1.indd 32 20.08.13 11:27