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24UHRENLANDUHDas Netz von Sainte-CroixSie gehör<strong>en</strong> zu d<strong>en</strong> Best<strong>en</strong> ihres Fachs und teil<strong>en</strong> ihre anerkannt<strong>en</strong> Kompet<strong>en</strong>z<strong>en</strong> gern. Doppelter Tal<strong>en</strong>treig<strong>en</strong> mit D<strong>en</strong>isFlageollet, Dzevad Cohadarevic, Nicolas Court, Fabrice Calderoli und Pierre-André Grimm links und Vianney Halter,Dominique Mouret, Sylvain Pinaud und François Junod rechts.24| watch around Nr. 005 Sommer 2008


RENLANDUHRENLVIRTUOSENSainte-Croix, bei dem man auf der ganz<strong>en</strong> Welt anMusikdos<strong>en</strong> oder Automat<strong>en</strong> d<strong>en</strong>kt, wird seit einpaar Jahr<strong>en</strong> samt sein<strong>en</strong> Weilern L‘Auberson undLa Chaux auch in Verbindung mit der Uhr<strong>en</strong>industrieg<strong>en</strong>annt. Geht die Industriestadt auf dem«Balkon des Jura» also neue Wege? Nicht wirklich.Eher geht sie zurück zu d<strong>en</strong> Wurzeln, d<strong>en</strong>n im18. und 19. Jahrhundert war sie eine Uhr<strong>en</strong>stadt,bevor sie sich d<strong>en</strong> Grammophon<strong>en</strong>, Radiogerät<strong>en</strong>und Kameras zuwandte. Noch 1878 zählte man dort23 Fabrikant<strong>en</strong>, in der<strong>en</strong> Betrieb<strong>en</strong> 1000 Beschäftigte23000 Uhr<strong>en</strong> herstellt<strong>en</strong>.Das heutige Gescheh<strong>en</strong> spielt sich in ganz ander<strong>en</strong>Dim<strong>en</strong>sion<strong>en</strong> und auf einer ganz ander<strong>en</strong> Eb<strong>en</strong>e abund ist sehr bemerk<strong>en</strong>swert. Keine Rede von gross<strong>en</strong>Fabrik<strong>en</strong> mit riesig<strong>en</strong> Hall<strong>en</strong> und Heerschar<strong>en</strong>von Arbeitern. Die heutig<strong>en</strong> Uhrmacher von Sainte-Croix sind einige originelle Köpfe mit anerkannt<strong>en</strong>,manchmal gar einmalig<strong>en</strong> Tal<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, die ein einzigartigesKompet<strong>en</strong>znetzwerk bild<strong>en</strong>. In 20 Jahr<strong>en</strong>hab<strong>en</strong> diese Meister des Unikats oder der limitiert<strong>en</strong>Serie auf ihr<strong>en</strong> Spezialgebiet<strong>en</strong> oder mit vereint<strong>en</strong>Kräft<strong>en</strong> wahre Wunder vollbracht, mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> siedie Sammler begeistern konnt<strong>en</strong>. Zwar wiss<strong>en</strong>eher K<strong>en</strong>ner als das grosse Publikum von ihn<strong>en</strong>,aber stets geht es dabei um Produkte von hohemNiveau. Und das Echo in Asi<strong>en</strong> oder d<strong>en</strong> U.S.A. istviel stärker, als die bescheid<strong>en</strong>e Grösse dieserrespektabl<strong>en</strong> Truppe vermut<strong>en</strong> liesse.Künstler am Werk. Alles beginnt, oder beginnt wieder,Ende der 1980er Jahre mit Vianney, François-Paul und Co. Heute müsste man eig<strong>en</strong>tlich eher vonVianney, François, Dominique und Nicolas sprech<strong>en</strong>,d<strong>en</strong>n François-Paul gab nur ein Gastspiel in Sainte-Croix, jedoch ein <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>des, was niemand<strong>en</strong>erstaun<strong>en</strong> wird, der sein<strong>en</strong> Nachnam<strong>en</strong> erfährt: erlautet Journe. Der Uhrmacher aus Marseille, der zuseinem Onkel gegang<strong>en</strong> war, der in Paris alteUhr<strong>en</strong> restaurierte, liebte die Stadt zu sehr, als dasser sich dauerhaft in einem Dorf des WaadtländerJura hätte niederlass<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>, das ihm wohletwa so gut gefiel wie die nordfranzösischeProvinz… Trotzdem gründete er dort 1989 ein ehrgeizigeskleines Unternehm<strong>en</strong>: die THA, TechniquesHorlogères Appliquées. Seine Wahl war nichtzufällig: Dominique Mouret, der alte P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong> virtuosrestauriert, war dort tätig, zusamm<strong>en</strong> mit sein<strong>en</strong>Kolleg<strong>en</strong> am C<strong>en</strong>tre International de MécaniqueJean-Philippe Arm25watch around Nr. 005 Sommer 2008 |


UHRENLANDUHREVianney Halters Contemporaine mit ihrer mysteriös<strong>en</strong> Schwungmasse ohneersichtliche Verbindung mit dem z<strong>en</strong>tral<strong>en</strong> Rotor erk<strong>en</strong>nt man gleich.d‘Art (CIMA), alle Meister ihres Fachs. Ausserdemlud Journe ein<strong>en</strong> befreundet<strong>en</strong> Uhrmacher aus derGeg<strong>en</strong>d von Paris zur Zusamm<strong>en</strong>arbeit ein: DieFr<strong>en</strong>ch Connection hat in der Schweizer Uhr<strong>en</strong>brancheschon immer gespielt. Vianney Haltererinnert sich noch gut an j<strong>en</strong>es Weihnachtsess<strong>en</strong>auf der Terrasse des Grand Hôtel des Rasses,an der strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Sonne, mit Blick auf dasNebelmeer: «Ich habe nicht gezögert – so etwasoder die Banlieue von Paris… Und ich habe meineEntscheidung nie bereut. Um in unserem Berufkreativ zu sein, braucht man diese Leb<strong>en</strong>squalität,diese Ruhe, diese Natur.»François-Paul Journe hingeg<strong>en</strong> behielt sein<strong>en</strong>Leb<strong>en</strong>smittelpunkt noch einige Jahre in Paris,bevor er nach G<strong>en</strong>f ging und sich dort mit seinereig<strong>en</strong><strong>en</strong> Marke ein<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> machte. Zuvor hatteer allerdings der THA ein<strong>en</strong> <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>d<strong>en</strong>Impuls gegeb<strong>en</strong>. Für John Asprey hatte er ein«sympathisches» P<strong>en</strong>del für eine Tasch<strong>en</strong>uhr konstruiert,die sie nach der einst von Abraham LouisBreguet erdacht<strong>en</strong> raffiniert<strong>en</strong> Methode aufzog undregulierte. In der Folge wurde in Sainte-Croix eineweitere Neuinterpretation des sympathisch<strong>en</strong>P<strong>en</strong>dels ausgeheckt, diesmal für eine Armbanduhrvon Breguet, und im Laufe der Jahre verliess<strong>en</strong> rundzwanzig Exemplare dieses Typs die Werkstätt<strong>en</strong>der THA. Die Firma erwarb sich sehr rasch eineexklusive Kundschaft, stellte einzigartige Uhr<strong>en</strong> fürdie grösst<strong>en</strong> Mark<strong>en</strong> her und brillierte mit höchst raffinierterUhrmacherkunst für Sammler. Vianney erinnertsich: «François-Paul kam auf ein<strong>en</strong> Sprungvorbei, gab uns seine sehr solid<strong>en</strong> technisch<strong>en</strong>Anweisung<strong>en</strong>, liess uns aber viel Spielraum und dieFreiheit, die Wege zum Ziel selbst zu <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>.Es dauerte über ein Jahr, bis wir diese Uhr verstand<strong>en</strong>.Und dann zehn Jahre, um zehn Exemplaredavon herzustell<strong>en</strong>.» Davon kann auch der diskretePierre-André Grimm ein Lied sing<strong>en</strong>, der für dieReglage der ganz<strong>en</strong> Serie verantwortlich war. DieserMann hat mehr als ein<strong>en</strong> Pfeil im Köcher: Er verstehtsich als einer der Letzt<strong>en</strong> seines Fachs meisterhaftauf die Herstellung mechanischer Singvögel, dieeinst eine Spezialität der Region war.Der hervorstech<strong>en</strong>de Charakterzug des InnovatorsJourne ist sein grosser Respekt vor d<strong>en</strong> Meisteruhrmachernder Vergang<strong>en</strong>heit. Dies verbindet ihnseit je und für immer mit all dies<strong>en</strong> Überfliegern derFeinmechanik und Uhrmacherei, die oft über d<strong>en</strong>Wolk<strong>en</strong> schweb<strong>en</strong>. Auch mit Vianney Halter? Undob! Ganz bestimmt sind die Werke dieses etwasverrückt<strong>en</strong> Kreateurs immer eine aug<strong>en</strong>zwinkerndeRever<strong>en</strong>z an die Klassiker, ob sie nun fürdie eig<strong>en</strong>e oder für fremde Mark<strong>en</strong> <strong>en</strong>twickelt wurd<strong>en</strong>.Man d<strong>en</strong>ke an die seltsam<strong>en</strong>, regelrecht derZeit <strong>en</strong>trückt<strong>en</strong> Objekte seiner Kollektion Futur26| watch around Nr. 005 Sommer 2008


NLANDUHRENLANAntérieur oder an die unwahrscheinliche Opus 3, istman heute versucht zu sag<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n man sich fragt,ob Harry Winston diesem G<strong>en</strong>iestreich je zumDurchbruch verhelf<strong>en</strong> kann. Und auch die nochimmer aktuelle, originelle Cabestan des befreundet<strong>en</strong>Jean-François Ruchonnet sei nicht vergess<strong>en</strong>.Als Vianney nach drei Jahr<strong>en</strong> kreativer Entfaltungbei THA und einem Auf<strong>en</strong>thalt bei F. Junod seineeig<strong>en</strong>e Gesellschaft gründete, nannte er sieJanvier SA, zu Ehr<strong>en</strong> von Antide Janvier, einemder grösst<strong>en</strong> Uhrmacher des 18. Jahrhunderts.Und dieser Respekt vor der Arbeit der Vorfahr<strong>en</strong>,der die Innovationsfreude in keiner Weisebeschneidet, ist mit Händ<strong>en</strong> zu greif<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n manmit Halter durch die Dachböd<strong>en</strong> und Neb<strong>en</strong>gebäudeder ehemalig<strong>en</strong> Spieldos<strong>en</strong>fabrik streift,die er zu einer regelrecht<strong>en</strong> Manufaktur verwandelthat. Er hortet dort Mechanism<strong>en</strong>, Werkzeuge undsperrige Maschin<strong>en</strong> aller Art, die er, oft via Internet,von überall her hat und der<strong>en</strong> technischeFiness<strong>en</strong>, die uns natürlich ein Rätsel bleib<strong>en</strong>, ihnbegeistern. Grossartig, wie er manches davon wiederverw<strong>en</strong>detund zweck<strong>en</strong>tfremdet, indem er esin originelle numerisch gesteuerte Maschin<strong>en</strong>umfunktioniert… Ja, es gibt sie noch, die Hochseilkünstlerder Mechanik von Sainte-Croix, und siegeh<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>so kreativ mit ihr<strong>en</strong> Werkzeug<strong>en</strong> umwie damals beim Übergang von der Uhrmachereizu d<strong>en</strong> Musikwerk<strong>en</strong>.Dieselbe Leid<strong>en</strong>schaft findet sich auch beiDominique Mouret oder François Junod, ob esnun um bescheid<strong>en</strong>e Objekte oder um monum<strong>en</strong>taleTurmuhr<strong>en</strong> geht, die sonst verschwänd<strong>en</strong> oderzerstört würd<strong>en</strong>. Dominique leitete auch einigeJahre die THA, d<strong>en</strong>n es brauchte damals jemand<strong>en</strong>für diese Aufgabe, doch vor allem ist er einmeisterhafter Restaurator von alt<strong>en</strong> P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong>. Esheisst von ihm, er habe ein<strong>en</strong> «sechst<strong>en</strong> Sinn» fürdie Materiali<strong>en</strong> und Arbeitsweis<strong>en</strong> der Vorfahr<strong>en</strong>,w<strong>en</strong>n es darum geht, die mechanisch<strong>en</strong> alt<strong>en</strong>Dam<strong>en</strong> zu neuem Leb<strong>en</strong> zu erweck<strong>en</strong> und ihreSchönheit wieder aufblüh<strong>en</strong> zu lass<strong>en</strong>. Eine Sachedes Feeling… « Fachleutevon solchem Niveaukann man auf der ganz<strong>en</strong> Welt an einer Handabzähl<strong>en</strong>. » Ein Ausnahmetal<strong>en</strong>t ? Er wehrt miteinem breit<strong>en</strong> Lächeln ab. Doch währ<strong>en</strong>d andere vond<strong>en</strong> Wunderwerk<strong>en</strong> der Miniaturisierung schwärm<strong>en</strong>,gibt der P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong>macher zu bed<strong>en</strong>k<strong>en</strong>, dass dieBearbeitung der gross<strong>en</strong> Oberfläch<strong>en</strong> der von ihmBestandteile einer alt<strong>en</strong> Musikuhr, wohl von Charles Reuge,eine Synthese von Uhrmacherkunst und mechanischerMusik. Dominique Mouret haucht ihr gerne neues Leb<strong>en</strong> ein.27watch around Nr. 005 Sommer 2008 |


UHRENLANDUHREUhrmacher- und Automat<strong>en</strong>kunst treff<strong>en</strong> aufeinander, w<strong>en</strong>nTurmuhr und Android sich im Atelier von François Junodbegegn<strong>en</strong>.so geschätzt<strong>en</strong> P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong> unerhörte Ansprüchestellt. Er nimmt eine Tasch<strong>en</strong>uhr in die Hand undsagt : « Das hier gibt schlicht w<strong>en</strong>iger zu tun. »Doch eig<strong>en</strong>tlich wechselt dieser Könner voneiner Dim<strong>en</strong>sion zur ander<strong>en</strong> mit derselb<strong>en</strong>Passion,Leichtigkeit und vor allem derselb<strong>en</strong>Hochachtung vor der Arbeit von einst und heutemit ihr<strong>en</strong> unterschiedlich<strong>en</strong> Anforderung<strong>en</strong>.François Junod wiederum ist der König derAutomat<strong>en</strong>, dem man gerne nachsagt, diesesG<strong>en</strong>re erneuert zu hab<strong>en</strong>. Er überlässt dieLorbeer<strong>en</strong> allerdings lieber seinem LehrmeisterMichel Bertrand. Immerhin baut er aber zurzeit fürein<strong>en</strong> amerikanisch<strong>en</strong> Sammler ein<strong>en</strong> Android<strong>en</strong>,der mit sein<strong>en</strong> fast 4000 Bestandteil<strong>en</strong> als derkomplizierteste der Welt gilt… Doch wo ist da derZusamm<strong>en</strong>hang mit der Uhrmacherei ? In derMechanik, natürlich. Als waschechter Einheimischerbesuchte François das lokale Technikum, bevor ernach Lausanne an die Kunstgewerbeschule ging.Doch dann wollte er nach Sainte-Croix zurück, woBertrand ihn mit dem Virus angesteckt hatte.Er begann in einer klein<strong>en</strong> Bude mit alt<strong>en</strong> Maschin<strong>en</strong>.Dann lockte Amerika, doch er kehrte in die Schweizzurück. Paris machte ihm schöne Aug<strong>en</strong>, aber erging erneut nach Sainte-Croix. In einer alt<strong>en</strong>Schmiede an der Rue des Arts hielt er sich mit derHerstellung von Grillgerät<strong>en</strong> und Zaubertisch<strong>en</strong> überWasser… Mitte der 1980er Jahre gelang ihm dannein Coup mit einem Miniatur-Pierrot. «Der war fürdas Schauf<strong>en</strong>ster eines Uhrmachers gedacht.Nach einer TV-S<strong>en</strong>dung bekam ich d<strong>en</strong> Tipp, mitBlancpain Kontakt aufzunehm<strong>en</strong>. Jean-ClaudeBiver stieg ein und hat mir in vier Jahr<strong>en</strong> 25 Stückverkauft ! » Damit war der Durchbruch für Junodgeschafft, der daneb<strong>en</strong> mit Jacques Piguet auchnoch ein<strong>en</strong> Mikromotor für Automat<strong>en</strong> <strong>en</strong>twickelte« etwas Ähnliches wie ein Uhrwerk… » Bei d<strong>en</strong>Automat<strong>en</strong> wird die Zeit mechanisch gezählt, unddamit ist die Verwandtschaft gegeb<strong>en</strong> : « Uhr<strong>en</strong>,P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong> und Carillons hab<strong>en</strong> mich übrig<strong>en</strong>simmer fasziniert.» Und somit gehörte er natürlichschon in d<strong>en</strong> früh<strong>en</strong> 1990er Jahr<strong>en</strong> zum verschwor<strong>en</strong><strong>en</strong>Zirkel der Leute von der THA und ihrem nachmalig<strong>en</strong>Umfeld. Und weil in dieser Industriebrachealles mit allem zusamm<strong>en</strong>hängt, konnte er sogardie alte Kartonnagefabrik seines Vaters von Reugezurückkauf<strong>en</strong>, wo seitdem Android<strong>en</strong> und allemöglich<strong>en</strong> poetisch<strong>en</strong> Kreatur<strong>en</strong> <strong>en</strong>tsteh<strong>en</strong>. Dies<strong>en</strong>28| watch around Nr. 005 Sommer 2008


UHRENLANDUHREFrühling war eines seiner jüngst<strong>en</strong> Werke an derBaselworld bei Daniel Roth zu seh<strong>en</strong>, der bei ihmein<strong>en</strong> Würfelspieler in Auftrag gab und dies<strong>en</strong> fürdas Zifferblatt seines Giocatore V<strong>en</strong>eziano verw<strong>en</strong>dete.So besteht zwisch<strong>en</strong> Automat<strong>en</strong>bauernund Uhrmachern eine natürliche Verbindung, dieauf einer lang<strong>en</strong>, von Jaquet-Droz geprägt<strong>en</strong>Tradition gründet.Gregory MaillotVier Scheib<strong>en</strong> für vier Musikstücke: Kein Wunder, dassdie Auferstehung von Mermod Frères im Zeich<strong>en</strong> derMusikuhr geschah.Würfelspieler von François Margot für Daniel Roth.Eine Frau unter Männern. Noch ein Name fälltimmer wieder: der von Nicolas Court, auch er einvielgelobter Taus<strong>en</strong>dsassa. Dieser Jurassier kam1989 mit seinem Kumpel Fabrice Calderoli nachSainte-Croix. Sie war<strong>en</strong> beide an der Schule vonSaint-Imier zum Mikromechaniker ausgebildet word<strong>en</strong>.«Aber ursprünglich war das eine Uhrmacherschule,und ein ehemaliger Lehrer gab dieUhr<strong>en</strong>kultur, die K<strong>en</strong>ntnis der Werkzeuge und eingewisses Know-how an uns weiter…» Fabrice wurdevon Mouret beschäftigt, und Nicolas trat in die THAein. Das war vor beinahe 20 Jahr<strong>en</strong>, und die Jurassiersind geblieb<strong>en</strong>. Heute sind sie beide unabhängigund teil<strong>en</strong> sich mit dem Technikumsabsolv<strong>en</strong>t<strong>en</strong>Dzevad Cohadarevic als lach<strong>en</strong>dem Dritt<strong>en</strong> dieselb<strong>en</strong>Lokalität<strong>en</strong>, wo sie als Zulieferer für diebedeut<strong>en</strong>dst<strong>en</strong> Uhr<strong>en</strong>mark<strong>en</strong> tätig sind. Eine reineMännersache also, das Ganze? Nicht ganz. Vor einpaar Jahr<strong>en</strong> absolvierte die Schwester von Fabricebei François ein Praktikum. Auch sie ist geblieb<strong>en</strong>.Vianney Halter stellte rasch fest, wie begabt Nicolasfür die knifflige Arbeit am Kleinstformat war. «Er warviel jünger als ich, verfügte aber schon über einesehr selt<strong>en</strong>e technische Meisterschaft. Wir ergänzt<strong>en</strong>uns und gründet<strong>en</strong> miteinander die Janvier SA.Als er sich selbständig machte, habe ich ihn sein<strong>en</strong>Anteil abgekauft. Und dann bin ich Kunde von ihmgeword<strong>en</strong>.» Auch Nicolas trägt seitdem sehr diskretzum Erfolg der gross<strong>en</strong> Mark<strong>en</strong> bei und ist äusserstgefragt. Auch bescheid<strong>en</strong>ere Mark<strong>en</strong> profitier<strong>en</strong>, sowie Mermod Frères, ursprünglich aus L‘Auberson,die einst mit ihr<strong>en</strong> Uhr<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>so wie mit ihr<strong>en</strong>Spieldos<strong>en</strong> glänzte und der Reuge neues Leb<strong>en</strong> eingehauchthat. Am neu<strong>en</strong>, resolut modern<strong>en</strong> und zumverjüngt<strong>en</strong> Image der exklusiv<strong>en</strong> mechanisch<strong>en</strong>Musikwerke pass<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Stand konnte man die erst<strong>en</strong>Früchte dieser Schirmherrschaft <strong>en</strong>tdeck<strong>en</strong>. Wieseinerzeit für Charles Reuge, ist es heute für dieFirma Reuge legitim, sich mit Mermod auf Uhr<strong>en</strong> mitMusikwerk<strong>en</strong> zu spezialisier<strong>en</strong>. Und w<strong>en</strong>n Nicolas30| watch around Nr. 005 Sommer 2008


NLANDUHRENLANDiese Dream <strong>Watch</strong> vereinigt die ästhetisch<strong>en</strong> undtechnisch<strong>en</strong> Raffiness<strong>en</strong> von De Bethune.Originelles Automatikkaliber mit peripherer Schwungmasse,von der THA für Carl F. Bucherer <strong>en</strong>twickelt.und seine Freunde sie giess<strong>en</strong>, dürf<strong>en</strong> die Liebhabermechanischer Kostbarkeit<strong>en</strong> sich freu<strong>en</strong>.Es ist nicht leicht, die Fäd<strong>en</strong> dieses Netzes der fachkundig<strong>en</strong>und freundschaftlich<strong>en</strong> Zusamm<strong>en</strong>arbeitzu <strong>en</strong>twirr<strong>en</strong>. Es ist ein veritabler Wunderknäuel.Viele war<strong>en</strong> in dies<strong>en</strong> 20 Jahr<strong>en</strong> miteinander amWerk, hab<strong>en</strong> sich getr<strong>en</strong>nt, getroff<strong>en</strong>, wiedergefund<strong>en</strong>.Andere nahm<strong>en</strong> reiche Erfahrung<strong>en</strong> mit aufd<strong>en</strong> Weg, ein aussergewöhnliches Know-how undviele frische Ide<strong>en</strong>. Die Brüder Baumgartner war<strong>en</strong>dort, zunächst Thomas, dann Felix, der späterUrwerk in G<strong>en</strong>f gründete. Franck Vic<strong>en</strong>ti ist dort F.-P. Journe wieder begegnet; Mark Schmid stiess zuPhilipe Dufour im Vallée de Joux; Gilles Qu<strong>en</strong>tin<strong>en</strong>tschied sich für Panerai in Neu<strong>en</strong>burg; Maart<strong>en</strong>Pieters <strong>en</strong>gagierte sich beim Wostep. DieAufzählung könnte weitergeh<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n die Liste istlang. Zu guter Letzt sei D<strong>en</strong>is Flageollet erwähnt,mit dem man zwar auch hätte beginn<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>,d<strong>en</strong>n er war von d<strong>en</strong> Anfäng<strong>en</strong> bis 2001 eine derStütz<strong>en</strong> der THA. Sein Name steht für die Rückkehrzu d<strong>en</strong> Grundwert<strong>en</strong> der Uhrmacherei (mehr dazuin WA003), kombiniert mit puristisch<strong>en</strong> technologisch<strong>en</strong>Höh<strong>en</strong>flüg<strong>en</strong>, wovon seine jüngst<strong>en</strong> Dream<strong>Watch</strong>es zeug<strong>en</strong>. Er ging nicht weit weg, als er mitDavid Zanetta De Bethune gründete: In La Chauxund in L‘Auberson beschäftigt das innovative undkreative Unternehm<strong>en</strong> heute rund 50 Person<strong>en</strong>.THA war demnach ein richtiger Schmelztiegel mit35 Mitarbeitern, bevor die Zahl der Beschäftigt<strong>en</strong>zurückging und der Betrieb auszublut<strong>en</strong> drohte,ein stets beunruhig<strong>en</strong>des Phänom<strong>en</strong>, so nützlichSynergi<strong>en</strong> auch sein könn<strong>en</strong>. Als Carl F. Buchererdiese «Brutstätte der Kreativität und Entwicklung»kaufte, konnte man sich in der Tat frag<strong>en</strong>, ob dieLuzerner Marke nicht eine leere Hülle erworb<strong>en</strong>hatte, was eine allgemeine Ernüchterung nach sichzöge und d<strong>en</strong> vielleicht vollständig<strong>en</strong> Niedergangdes «Experim<strong>en</strong>tierlabors». Die Beobachter war<strong>en</strong>jed<strong>en</strong>falls skeptisch.An der Baselworld kam nun allerdings mit einer derinteressantest<strong>en</strong> Neuheit<strong>en</strong> der Ausgabe 2008 einhöchst überzeug<strong>en</strong>des Leb<strong>en</strong>szeich<strong>en</strong>: Ein automatischesKaliber mit peripherer Schwungmasseist Carl F. Bucherers erster Gewinn aus derTransaktion. Jetzt schon ? Natürlich war diePipeline der THA nicht leer, und das wussteBucherer auch. Man hatte die Katze nicht im Sackgekauft. Schon seit 9 Jahr<strong>en</strong> gehörte sie zu d<strong>en</strong>Kund<strong>en</strong> der Firma, was ihr<strong>en</strong> Aufstieg in die Ligader mechanisch<strong>en</strong> Uhr<strong>en</strong> erklärt, und zwar schon2001 mit der Patravi GMT mit drei Zeitzon<strong>en</strong> undDatumseinstellung vorwärts und rückwärts.Vor Ort werd<strong>en</strong> die Ambition<strong>en</strong> klar verkündet, undder Wille, in d<strong>en</strong> Maschin<strong>en</strong>park zu investier<strong>en</strong>, istoff<strong>en</strong>sichtlich. Es geht alles sehr schnell, und schon31watch around Nr. 005 Sommer 2008 |


UHRENLANDUHREPuristische Ästhetik, kompromisslos jung! Neb<strong>en</strong> d<strong>en</strong> traditionell<strong>en</strong>Modell<strong>en</strong> bietet Reuge auch sehr moderne Musik«dos<strong>en</strong>» an.Geg<strong>en</strong>über: eine Mondkugel von De Bethune, stark vergrössert.sind neue Maschin<strong>en</strong> da: eine Décolleteuse, eineCNC-Fräsmaschine, ein Fertigungsz<strong>en</strong>trum. DieProduktionsfläche der THA, die dafür prädestiniertist, zur Manufaktur Carl F. Bucherer zu werd<strong>en</strong>,wird sich von 1000 auf 2000 m 2 erhöh<strong>en</strong>. BeimPersonal ist die Entwicklung umgekehrt: Von nurnoch 9 wuchs die Anzahl auf das Doppelte, frühereMitarbeiter wurd<strong>en</strong> wieder eingestellt, und neuestoss<strong>en</strong> hinzu. « In fünf Jahr<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> wir50 Person<strong>en</strong> beschäftig<strong>en</strong>, das ist so geplant »,erklärt Direktor Philippe Roehrich, der von derneu<strong>en</strong> Besitzerin übernomm<strong>en</strong> wurde. «Wir woll<strong>en</strong>hier Werke und Module <strong>en</strong>twickeln und sie produzier<strong>en</strong>,uns aber auf kleine und mittlere Seri<strong>en</strong>beschränk<strong>en</strong>.»Ein günstiger Nährbod<strong>en</strong>. Bei diesem neu<strong>en</strong>Märch<strong>en</strong> von Sainte-Croix ist nicht bloss eineSchöne aus einem Nickerch<strong>en</strong> erwacht. DieUhrmacherei lag in einem lang<strong>en</strong> Dornrösch<strong>en</strong>schlaf.Man musste nicht einfach ein bissch<strong>en</strong> inder Glut stochern, damit das Feuer wieder loderte.Aus meiner Kindheit in diesem Dorf in d<strong>en</strong> 1950erund 1960er Jahr<strong>en</strong>, als die Industrie dort florierteund die Einwohnerzahl 7500 betrug (geg<strong>en</strong>über4300 heute), weiss ich, dass man in d<strong>en</strong> Fabrik<strong>en</strong>von Sainte-Croix zwar alles Mögliche machte, undschon immer gemacht hab<strong>en</strong> wollte, dabei abervon Uhr<strong>en</strong> gar nie die Rede war… Es war die Zeitder Kameras und Platt<strong>en</strong>spieler, von Paillard,Thor<strong>en</strong>s und Reuge, gross<strong>en</strong> Firm<strong>en</strong>, die sich dieDiversifizierung auf die Fahne geschrieb<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>,und zwar so sehr, dass die Aufzählung ihrerErfolge an ein Inv<strong>en</strong>tar à la Prévert erinnert.Obwohl eine Nachbarin, wie viele andere auch,in Heimarbeit Musikdos<strong>en</strong> verstiftete, kannteich Reuge damals vor allem als Fabrik fürSkibindung<strong>en</strong>, die berühmt<strong>en</strong> Kandahar, miteinem Sicherheitssystem, von dess<strong>en</strong> heiklerEinstellung eine Narbe an meinem link<strong>en</strong> Bein bisheute zeugt…Jean Reuge, der über diese Anekdote lächelnmuss, gehört zu j<strong>en</strong><strong>en</strong> Leut<strong>en</strong>, die das leb<strong>en</strong>deGedächtnis dieser unglaublich<strong>en</strong> Industriesagasind, und er hat sie in einer les<strong>en</strong>swert<strong>en</strong> Schriftfestgehalt<strong>en</strong>*. Er bestätigt, dass die Uhrmachereinach dem Erst<strong>en</strong> Weltkrieg ganz aus dem Ort verschwund<strong>en</strong>war : « Die Uhrmacher von Sainte-Croix hatt<strong>en</strong> sich schon im 18. Jahrhundert aufBestandteile mit Mehrwert wie Quadratur<strong>en</strong> für*Jean Reuge, Sainte-Croix : Fünf Jahrhunderte Industriegeschichte,Musée des Arts et des Sci<strong>en</strong>ces de Sainte-Croix.Erhältlich beim « Journal de Sainte-Croix ».32| watch around Nr. 005 Sommer 2008


NLANDUHRENLANUhr<strong>en</strong> mit Läutwerk spezialisiert und interessiert<strong>en</strong>sich nicht für w<strong>en</strong>iger noble, schlecht bezahlteTeile. Kurzum, sie schafft<strong>en</strong> es nicht, sich vonZulieferern zu eig<strong>en</strong>tlich<strong>en</strong> Uhr<strong>en</strong>fabrikant<strong>en</strong> zumausern und verpasst<strong>en</strong> es Ende des 19. Jahrhunderts,auf d<strong>en</strong> Zug der Industrialisierung aufzuspring<strong>en</strong>.»Kurioserweise war es d<strong>en</strong> lokal<strong>en</strong> Behörd<strong>en</strong> niegelung<strong>en</strong>, Uhrmacher anzuwerb<strong>en</strong> und dieseIndustrie auszubau<strong>en</strong>, obwohl sie sich darumbemüht<strong>en</strong>. Und dann kam<strong>en</strong> sie nach zwei, dreiG<strong>en</strong>eration<strong>en</strong> des Stillstands wieder fast wie vonselbst. «Das ist wie bei d<strong>en</strong> Pilz<strong>en</strong>, es gibt ein<strong>en</strong>Nährbod<strong>en</strong> dafür, und w<strong>en</strong>n die Verhältnisse günstigsind, schiess<strong>en</strong> sie aus dem Bod<strong>en</strong>!» Daranmuss es lieg<strong>en</strong> : am Substrat. Eine geschichtsträchtigeUmgebung, G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong> von Leut<strong>en</strong>mit geschickt<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong>, Tüftler der Feinmechanikund Präzisionsarbeit. Und darauf aufgepfropft dasvorurteilslose, begeisterungsfähige Fremde, d<strong>en</strong>neine Blutauffrischung war sicher nötig. So könnteman sag<strong>en</strong>, dass dieses so kompet<strong>en</strong>te und leistungsfähigeNetz der neu<strong>en</strong> Uhrmacher vonSainte-Croix im Grunde im Klein<strong>en</strong> die ganzeGeschichte dieses schweizerisch<strong>en</strong> Industriezweigsspiegelt, die sie mit viel Elan fortsetzt. DieMitglieder dieser Truppe helf<strong>en</strong> einander, tausch<strong>en</strong>sich aus, schätz<strong>en</strong> sich geg<strong>en</strong>seitig, tun sichoft zusamm<strong>en</strong> und betracht<strong>en</strong> sich nie alsKonkurr<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, auch w<strong>en</strong>n ihre Kundschaft dieselbeist. Das ist mindest<strong>en</strong>s heute ihre Haltung. Und wirwoll<strong>en</strong> optimistisch bleib<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n ganz gefeit sindsie vor d<strong>en</strong> beängstig<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Auswirkung<strong>en</strong> desErfolgs der ein<strong>en</strong> oder ander<strong>en</strong> nicht – vor allemnicht vor dem der andern. •33watch around Nr. 005 Sommer 2008 |

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