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DER BEZIRKSVERBAND - Zahnärztlicher Bezirksverband Oberbayern

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F O R U MRuhe an der Kopftuch-Front!Wenn man Fehler macht, kann es richtig teuer werdenGroße Aufregung verursachte einUrteil des Arbeitsgerichts Berlinvom 28.03.2012, AZ: 55 Ca2426/12, das einer Muslima eine Entschädigung(Schadensersatz) in Höhe von1470 € wegen Verstoßes gegen § 15AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)aus dem Jahr 2006 zusprach. DieBetreiber der Zahnarztpraxis musstenauch die Gerichtskosten tragen. Was wargeschehen? Die muslimische Abiturientinhatte sich um einen Ausbildungsplatzbeworben und später eine Absage erhalten,weil sie sich bereits im Bewerbungsverfahrenweigerte, bei einer etwaigenBerufsausübung das Kopftuch abzulegen.Das Gericht sah keine medizinischenGründe (und schon gar keine hygienischenGründe, wie ein schwedischesGericht jüngst wegen kurzärmeligerBekleidung entschieden hat) gegen dasTragen eines Kopftuches während derAusbildung und vertrat die Auffassung,dass die Muslima wegen ihrer Religiondiskriminiert worden sei.„Dieses Kopftuch stellt nicht eingewöhnliches Kleidungs- oderSchmuckstück dar, bei welchem derAusbilder aus Gründen der Arbeitssicherheit,der Ästhetik, der Gleichbehandlungoder der Normsetzung imRahmen einer Kleiderordnung dasAblegen begehren könnte. Vielmehrstellt es den unmittelbaren Ausdruckder eigenen Religiosität gegenüberder Umwelt dar, und sein Tragen istAkt der Religionsausübung. Das Tragendes Kopftuches steht nicht imBelieben der Klägerin, sondern istBestandteil ihres Bekenntnisses.“Das Bundesverfassungsgericht (GVG)hatte am 24.09.2003 mit der Mehrheitvon fünf gegen drei Stimmen ein Allesist-möglich-Urteil(Kopftücher in Schulendürfen erlaubt, aber auch verboten werden,ganz so wie die einzelnen Bundesländeres wollen) gefällt. MoslemischenLehrerinnen in Deutschland darf das Tragenvon Kopftüchern im Schulunterrichtohne eine klare gesetzliche Grundlagenicht verboten werden.Am 02.04.2004, nur wenige Monatenach dem Karlsruher Kopftuch-Urteil,verbot Baden-Württemberg im SchulgesetzLehrerinnen das Tragen eines Kopftuchesim Unterricht. Referendarinnendürfen noch ein Kopftuch tragen, da derStaat ein Ausbildungsmonopol für Lehrerhat, Kopftuchträgerinnen aber nicht füreine Ausbildung ausgeschlossen werdensollten – wohl aber von einer späterenAnstellung.Der VGH Baden-Württemberg bestätigteam 18.03.2008 diese Auffassungabschließend.Auch in Bayern wurde die Popularklageeiner islamischen Religionsgemeinschaftgegen Art. 59 Abs. 2 Satz 3 des bayerischenErziehung- und Unterrichtsgesetzesvom Bayerischen Verfassungsgerichtshofin der Entscheidung vom15.01.2007 (Vf. 11-VII-05) abgelehnt.Dort heißt es: „Äußere Symbole undKleidungsstücke, die eine religiöseoder weltanschauliche Überzeugungausdrücken, dürfen von Lehrkräftenim Unterricht nicht getragen werden,sofern die Symbole oder Kleidungsstückebei den Schülerinnen undSchülern oder den Eltern auch alsAusdruck einer Haltung verstandenwerden können, die mit den verfassungsrechtlichenGrundwerten undBildungszielen der Verfassung einschließlichden christlich-abendländischenBildungs- und Kulturwertennicht vereinbar ist.“Dem Staat steht es also frei, die Kleiderordnungseiner Beschäftigten bis zumKopftuch zu regeln, was einem Arbeitgebernach dem Urteil des ArbeitsgerichtsBerlin nicht möglich ist. Ganz abgesehendavon, dass die betroffene Zahnarztpraxiskein Ausbildungsmonopol für zahnärztlichesPersonal hat und in Berlinsicherlich auch muslimische Zahnärztinnenund Zahnärzte Praxen betreiben,erhebt sich der Verdacht, dass Arbeitgeberbei rechtlichen Auseinandersetzungen„immer den Kürzeren ziehen“.Wie die Personaleinstellung ohne Kollateralschädendurchzuführen ist, hat dasBundesarbeitsgericht (BAG) in einer Mitteilungvom 25.04.2013 (AZ: 28/13) aufgezeigt.1. ein abgelehnter Stellenbewerberhat gegen denArbeitgeber keinenAnspruch auf Auskunft,ob dieser einen anderenBewerber eingestellt hat.Diese Auffassung vertratder Europäische Gerichtshof(EuGH) bereits imUrteil vom 19.04.2012(AZ: C-415/10), der esauch ablehnte, zum Nachweiseiner Diskriminierungdie Herausgabe derDaten von Mitbewerbernum einen Arbeitsplatz Dr. Eberhard Siegleherausfordern zu können.2. ein abgelehnter Stellenbewerber hatgegen den Arbeitgeber keinen Anspruchauf Auskunft, aufgrund welcher Kriterieneine Einstellung nicht erfolgt.Fakt ist: Wird ein Arbeitssuchenderwegen seines Geschlechts, seines Altersoder seiner Herkunft beim Auswahlverfahrennicht berücksichtigt, stellt dieseine unzulässige AGG-Benachteiligungdar. Nach § 22 AGG reichen bereits Indizienfür die Beweislastumkehr aus, sodass dann die andere Partei beweisenmuss, dass eine/keine Diskriminierungvorlag.Was lernen wir daraus? Weder mündlichnoch schriftlich sollen etwaige Indiziengeliefert werden. Wer glaubt, einemabgelehnten Bewerber die Gründe für dieAblehnung oder das Procedere des Auswahlverfahrensliefern zu müssen, brauchtsich nicht zu wundern, wenn sein „Engagement“zu seinem Nachteil ausgelegtwird und er wie im Fall der Berliner Zahnarztpraxiszum Schadensersatz verpflichtetwird. Beachtet werden muss insbesondereauch, dass eine unbedachte Teambesprechungoder die erklärende Delegationeiner Absage an Mitarbeiter gerade dieIndizien liefern, die man im Rechtsstreitüberhaupt nicht gebrauchen kann.Dr. Eberhard SiegleZahnarzt und StudienteilnehmerMedizinrecht LL.M. DIU Dresden6-2013 I <strong>DER</strong> <strong>BEZIRKSVERBAND</strong> 13

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