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Soziale Einrichtungen finanzieren

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6 Misericordia 10/07<br />

Von vielen Seiten werden Ängste laut,<br />

dass der Kostenträger das persönliche<br />

Budget als Sparmodell sieht und Kosten<br />

zu Lasten von qualifiziertem Personal<br />

reduziert werden sollen. Vom Gesetzgeber<br />

wird stark auf Nachbarschaftshilfe<br />

oder auf Nichtfachkräfte abgehoben.<br />

Hier darf ich aber Dr. Rolf Baumann<br />

vom Bayerischen Sozialministerium<br />

zitieren, der davor warnt zu glauben,<br />

dass ambulante Dienste kostengünstiger<br />

seien als stationäre (siehe Misericordia<br />

7/07, Seite 19).<br />

Modellregionen<br />

Im Jahr 2004 wurden im gesamten<br />

Bundesgebiet verschiedene Modellregionen<br />

für die Einführung des persönlichen<br />

Budgets ausgewählt; in Bayern<br />

sind Mittelfranken und München an<br />

dem Projekt beteiligt. Es gestaltete sich<br />

sehr schwierig, Menschen zu finden, die<br />

ein persönliches Budget beantragten. In<br />

München konnte nur eine Person zur<br />

Teilnahme am Projekt gewonnen werden;<br />

in Mittelfranken sind es etwa 80.<br />

Bei meinen Recherchen stellte ich fest,<br />

dass Menschen mit einer Beeinträchtigung<br />

überwiegend die Personen als<br />

Leistungserbringer gewählt haben, zu<br />

denen sie bereits Vertrauen gewonnen<br />

haben und mit deren Leistungen sie zufrieden<br />

waren.<br />

In den einzelnen Modellregionen wird<br />

sehr unterschiedlich mit der Leistungsform<br />

umgegangen. Das persönliche<br />

Budget kann bei der zuständigen Sozialverwaltung<br />

formlos beantragt werden.<br />

Vom Kostenträger wird dann zu einem<br />

sogenannten Zielvereinbarungsgespräch<br />

eingeladen. In diesem Gespräch sind die<br />

betroffene Person, eine Person ihres Vertrauens,<br />

ein rechtlicher Betreuer (wenn<br />

vorhanden) und ein Vertreter des Kostenträgers<br />

anwesend. Grundsätzlich gilt<br />

jedoch, dass der Leistungserbringer mit<br />

dem Vertrag zwischen der betroffenen<br />

Person und dem Kostenträger nichts<br />

mehr zu tun hat, sondern die betroffene<br />

Person sich seinen Leistungserbringer<br />

unabhängig und selbst aussuchen kann.<br />

Für den Kostenträger ist es wichtig, dass<br />

die Ziele, die in regelmäßigen Abständen<br />

beim Zielvereinbarungsgespräch<br />

vereinbart werden, mit dem persönlichen<br />

Budget verfolgt werden.<br />

Auch Menschen mit Behinderung möchten so weit wie möglich selbstbestimmt leben.<br />

Die Bandbreite der Ziele bzw. der Hilfeleistungen,<br />

für die ein persönliches<br />

Budget beantragt werden kann, ist sehr<br />

vielseitig. Es kann sich hierbei um<br />

Teilhabeleistungen am Leben handeln<br />

(zum Beispiel Begleitung ins Kino,<br />

zum Schwimmen usw.) oder um Leistungen<br />

wie zum Beispiel Fahrdienste.<br />

Das heißt: es wird nicht mehr ein Fahrdienst<br />

vom Sozialhilfeträger zugewiesen,<br />

sondern die betroffene Person kann<br />

sich ihren Fahrdienst selbst organisieren<br />

und bei Unzufriedenheit auch jederzeit<br />

das Vertragsverhältnis kündigen und ein<br />

anderes Unternehmen beauftragen. Die<br />

Leistungsvielfalt ist fast grenzenlos.<br />

Erfahrungen in Bethel<br />

Interessant war mein Besuch in einer<br />

Einrichtung in Bethel (Bielefeld), der<br />

ersten Einrichtung, die Erfahrungen im<br />

stationären Bereich gesammelt hat. Dort<br />

wurde ein Teil der Maßnahmepauschale<br />

als Geldleistung auf ein separates Konto<br />

des Bewohners überwiesen. Dieser<br />

konnte somit bestimmen, mit wem er<br />

Aktivitäten unternehmen möchte. Es gestaltete<br />

sich schwierig, den Dienstplan<br />

abzudecken bzw. so zu gestalten, dass<br />

die Wünsche des Bewohners erfüllt werden<br />

konnten. Es war jedoch allen Mitarbeitern<br />

schnell bewusst: Wenn sie die<br />

gewünschten Aktivitäten nicht anbieten<br />

konnten, wurde ein externer Anbieter<br />

ausgewählt. Diese Abwahl wirkte sich<br />

finanziell negativ auf den Personalpool<br />

aus und hatte zur Folge, dass eine Halbtagsstelle<br />

gestrichen werden musste.<br />

Bei den Bewohnern steigerte sich durch<br />

das persönliche Budget das Selbstbe-<br />

wusstsein; es wurde ihnen klar, dass<br />

sie einen Anspruch auf Leistungen haben<br />

und nicht mehr nur Bittsteller sind,<br />

sondern „Kunden“ - und bekanntlich ist<br />

der Kunde ja König …<br />

Fazit ist, dass sich nicht die Frage stellt:<br />

„Wollen wir das persönliche Budget?“,<br />

sondern, dass ab dem 1. Januar 2008<br />

jeder Berechtigte einen Rechtsanspruch<br />

darauf hat. Ich glaube nicht, dass zum<br />

Start schon sehr viele Berechtigte Gebrauch<br />

davon machen werden. Es ist<br />

jedoch sinnvoll, sich auf diese Veränderung<br />

einzustellen.<br />

Gleichzeitig halte ich es ebenfalls für<br />

sinnvoll, ein breites Angebot an Freizeitmöglichkeiten<br />

zu schaffen, über andere<br />

Betreuungsmöglichkeiten nachzudenken<br />

und manche Abläufe im Tagesgeschehen,<br />

die mit sogenannten indirekten<br />

Betreuungsleistungen zusammenhängen,<br />

straffer zu organisieren, sodass für<br />

direkte Leistungen am „Kunden“ mehr<br />

Zeit bleibt. Unter indirekten Betreuungsleistungen<br />

werden Leistungen verstanden<br />

wie zum Beispiel Dokumentation,<br />

Medikamente bestellen, herrichten und<br />

verabreichen, Fallbesprechungen und<br />

ähnliches. Bei den direkten Leistungen<br />

wird der Mensch mit Beeinträchtigung<br />

mit einbezogen.<br />

Das persönliche Budget lässt sehr viele<br />

Möglichkeiten offen, um individuelle<br />

Betreuungsleistungen anzubieten.<br />

Weitere Infos im Internet unter<br />

www.budget.parität.org<br />

(Kompetenzzentrum persönliches<br />

Budget).

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