<strong>Neurobiologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Psyche</strong> <strong>des</strong> <strong>Elefanten</strong>Stress Disorder) genannt leiden können. Dies bedeutet aber zugleich,dass <strong>Elefanten</strong> Gefühle haben <strong>und</strong> dass sich schlechte Erfahrungen,Traumen etc. psychologisch <strong>und</strong> auch physisch auswirken.Wie weiß man oder erörtert man aber, was ein Elefant psychischdurchmacht? Dazu müssen wir einen Abstecher in die Neurologie <strong>und</strong>die neuesten Informationen zum Denk <strong>und</strong> Gefühlsvermögen derTiere machen. Das heißt, wir müssen uns zunächst ein Bild davonmachen, wie das Hirn mit seinen Nervennetzwerken <strong>und</strong> Hormonenfunktioniert <strong>und</strong> erörtern, warum wir so sicher sind, dass <strong>Elefanten</strong>Emotionen <strong>und</strong> höhere Kognition haben <strong>und</strong> somit psychische Schädenerleiden können.HirnstrukturWas denkt <strong>und</strong> fühlt ein Elefant? Moderne Methoden der Hirnforschunghelfen, diese Frage zu beantworten.Foto: C. Remenyive eines außergewöhnlich guten Langzeit <strong>und</strong> episodischen Gedächtnisses.Hierzu zählen auch Werkzeuggebrauch, Intensionen,komplexe chemosensorische <strong>und</strong> auditorische Kommunikation, einsehr stark ausgeprägter Sinn für Familie <strong>und</strong> Angehörige, ein komplexesSozialleben, die Fähigkeit zu Kontextlernen <strong>und</strong> zum Weitergeben,Problemlösungsfähigkeiten, die Anlage zu begrifflichem<strong>und</strong> logischem Denken sowie die Fähigkeit, vorsätzliche Handlungenzu vollführen. Komplexe Emotionen, wie der Begriff vom Tod<strong>und</strong> vieles mehr gehören ebenfalls dazu. In den letzen Jahren wurdeauch gezeigt, dass <strong>Elefanten</strong> unter PTBS (Posttraumatische Belastungsstörungen) in der Literatur meist PTSD (Post TraumaticBei Mensch <strong>und</strong> Tier sind die corticolimbischen Strukturen <strong>und</strong> Mechanismenhöchst konservativ <strong>und</strong> haben das gleiche generalisierte„emotionale Zentrum“ (manchmal auch ‚emotionale Intelligenz’ genannt).Hierzu zählt das limbische System, also verschiedene Strukturender Großhirnrinde (Cortex) unter Einbeziehung bestimmter,darunter liegender Areale. Es wird gebildet aus Hippocampus (einerzentralen „Schaltstation“), Gyrus cinguli (der so genannten „Gürtelwindung“)<strong>und</strong> Amygdala, auch „Mandelkern“ genannt. Desweiterenspielen bei Emotionen die präfrontale Hirnrinde, der Hypothalamus(ein Abschnitt <strong>des</strong> Zwischenhirns) <strong>und</strong> das Stammhirn eine Rolle <strong>und</strong>die ist bei allen Säugetieren (inklusive Mensch) gleich. Das heißt, diedamit assoziierten physiologischen <strong>und</strong> Verhaltensäußerungen sindähnlich (z.B. Angst, Bindung, soziale Prägung, Aggression, Schmerz<strong>und</strong> Erkennung).Bei derart sozialen Tieren wie <strong>Elefanten</strong> vollziehen sich die Lernerfahrungen<strong>und</strong> Erlebnisse, wie beim Menschen, innerhalb der Beziehungenuntereinander. Emotionen <strong>und</strong> Lernerfahrungen werden in Nervenzellnetzwerken<strong>des</strong> Gehirns gespeichert.Bekanntlich haben Stress <strong>und</strong> emotionale Erlebnisse einen tiefgehenden,bleibenden Effekt auf das Individuum. Wie funktioniert dies nun?Tab. 1: Einige der erwähnten Hirnstrukturen <strong>und</strong> ihre FunktionenLimbisches System bestehend aus:Gyrus cinguli, Amygdala <strong>und</strong> HippocampusAmygdala (Mandelkern)Emotionales Zentrum = Emotionale IntelligenzSpeichert unangenehme, angstbesetzte (= aversive), auch unbewusste,emotionale ErfahrungenHippocampusGedächtnisGyrus cinguli (Gürtelwindung)Sitz <strong>des</strong> Selbstgefühls, Mitgefühls, Ort der Lebensgr<strong>und</strong>stimmungCortex (Hirnrinde)Intellektuelle IntelligenzFrontaler Cortex (Stirnhirnrinde)Fähigkeit, Situationen sowie Risiken <strong>und</strong> Gefahren abzuschätzen, bevor sieeintreffen (= „Antizipation“)16
<strong>Neurobiologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Psyche</strong> <strong>des</strong> <strong>Elefanten</strong>Das durchschnittliche Gewicht eines <strong>Elefanten</strong>hirns ist 4,783 kg(Spannbreite von 4 bis 6,075 kg mit wenigen Extrema von bis zu 9kg). Demgegenüber beträgt das durchschnittliche Gewicht eines Menschenhirns1,4 kg. Die Gr<strong>und</strong>struktur <strong>und</strong> Verteilung der 12 Hirnnervenist bei Mensch <strong>und</strong> Elefant sehr ähnlich, nur sind dieRüsselnerven außergewöhnlich groß. Im Allgemeinen sind <strong>Elefanten</strong><strong>und</strong>Menschenhirn sehr ähnlich strukturiert. Mensch <strong>und</strong> Elefant besitzenbeide prominente Furchen <strong>und</strong> Windungen. Grosshirn <strong>und</strong>Kleinhirn <strong>des</strong> <strong>Elefanten</strong> haben sogar mehr Windungen <strong>und</strong> erscheinenkomplexer als beim Menschen. Die Cerebral <strong>und</strong> Temporallappensind relativ groß beim <strong>Elefanten</strong>. Temporallappen sind der Sitz<strong>des</strong> Hörens, Lernens <strong>und</strong> <strong>des</strong> Gedächtnisses. Der Hippocampus istbei beiden etwa gleich groß. Hier ist der Sitz <strong>des</strong> Langzeitgedächtnisses.Der Enzephalisationsquotient (EQ) wird als Maß verwendet für dieFähigkeit <strong>des</strong> Tieres, sich mit einer neuen Situation abzufinden („coping“).Je höher dieser Quotient ausfällt, <strong>des</strong>to höher ist die Intelligenz.Ohne auf Details einzugehen, wie dies gemessen wird, hiereinige Beispiele: EQ von Gorilla (Variabilität) 1,402 – 1,68; Schimpanse2,18 – 2,44; Mensch 7,33 – 7,69. Der EQ für <strong>Elefanten</strong> ist 1,13 –2,36 (mit einem durchschnittlichen Wert von 2,14 für Asiatische <strong>Elefanten</strong><strong>und</strong> 1,67 für Afrikanische <strong>Elefanten</strong>. Die Zahlen wurden anhandvon 16 Tieren errechnet, darunter 9 Asiaten <strong>und</strong> 7 Afrikaner).Ein Durchschnitt von 2,1 für Weibchen <strong>und</strong> 1,3 für Männchen wurdekalkuliert. Mehrere Autoren berichten ebenfalls über einen höherenEQ für Weibchen. <strong>Elefanten</strong> haben ein sprichwörtliches Langzeitgedächtnis,Gedächtnis <strong>und</strong> Intelligenz scheinen interkorreliert zu sein.Man spricht von konvergenter Evolution <strong>des</strong> Hirns von Elefant <strong>und</strong>Mensch. Dies bedeutet, dass wahrscheinlich beide Arten ähnlichenevolutiven Selektionsdrücken unterlagen, welche beide Spezies veranlassten,ähnliche Hirnstrukturen zu entwickeln. Solche Einflussfaktorenkönnten äußerliche Bedingungen (z.B. Klima) sein. Da dieseaber ähnliche Auswirkungen auf alle Arten gehabt hätten <strong>und</strong> nicht alleArten ähnliche Hirne haben, ist eher anzunehmen, dass der Selektionsdruckvon sozialen Bedingungen ausging. Auf die Ähnlichkeitenzwischen Mensch <strong>und</strong> Elefant bezüglich Familie <strong>und</strong> sozialen Bindungenbrauche ich nicht einzugehen.Ohne Spiegelneuronen –keine sozialen InteraktionenWarum ist Gähnen ansteckend? Warum urinieren <strong>Elefanten</strong> oftgleichzeitig? Warum ahmen Kälber beim Futtervorbereiten ihre Mutternach? Warum überträgt sich die Angst eines <strong>Elefanten</strong> sofort auf dieanderen Herdenmitglieder, ohne dass der Auslöser für alle ersichtlichist? Warum berühren sich <strong>Elefanten</strong> gegenseitig zur gleichen Zeit mitdem Rüssel? Warum trinkt einer, wenn der andere trinkt? Diese <strong>und</strong>ähnliche Fragen lassen sich anhand von Spiegelneuronen (mirrorneurons) erklären.Diese besonderen Nervenzellen in der prämotorischen Hirnrinde <strong>und</strong>im limbischen System wurden zum ersten Mal von einer inzwischenberühmten italienischen Forschergruppe in den 90er Jahren bei Makakenentdeckt. Spiegelneuronen bewirken, dass das, was man beimGegenüber sieht, bei einem selbst dieselbe Reaktion auslöst. Ohnediese Spiegelneuronen gäbe es keine interindividuellen („zwischenmenschlichen“)Beziehungen. Sie bewirken, dass man Handlungennachvollziehen kann <strong>und</strong> dieselben Emotionen ausgelöst werden könnenbeim bloßen Beobachten eines Partners. Die neuralen Schaltungen,die aktiviert werden, während eine Handlung ausgeführt wirdbeim Zeigen von Emotionen <strong>und</strong> beim Erleben von Sensationen, werdenauch beim Beobachter aktiviert durch Spiegelneuronen. Tiere17Vergleich der Frontallappenregionen von Mensch (oben) <strong>und</strong> Elefant(unten). Man beachte bei allen Ähnlichkeiten die unterschiedlich ausgeprägtenRiechkolben (Olfactory bulb) samt assoziierten Strukturen.Grafik nach: J. Shoshani, W. J. Kupsky, G. H. Marchant, Elephant brainPart I: Gross morphology, functions, comparative anatomy, and evolution,Brain Research Bulletin 2006, 70, 124–157.sind darauf angewiesen, dass sie im Alltag auf ein beobachtetes Verhaltensofort das intuitive Wissen über den weiteren Verlauf <strong>des</strong> Geschehensspüren oder erahnen. Bei Gefahr ist dies überlebenswichtig,daher ist anzunehmen, dass dieses System evolutivgesehen alt ist. Ohne Spiegelneuronen wäre spontanes Verständniszwischen zwei Individuen unmöglich. Es wurde gezeigt, dass Spiegelneuronennicht nur innerartlich zum Tragen kommen, sondern auchzwischen verschiedenen Spezies. Dies erklärt, warum ein Elefant <strong>und</strong><strong>Elefanten</strong> im Tierpark Hagenbeck: Durch Nachahmen der Signale <strong>und</strong>Reaktionen der Mutter lernen junge <strong>Elefanten</strong>, wie sie mit der Umwelt interagierenkönnen. Foto: N. Keese