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Dr. Marion Garai: Neurobiologie und Psyche des Elefanten

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<strong>Neurobiologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Psyche</strong> <strong>des</strong> <strong>Elefanten</strong>von seiner Mutter getrennt wurde, fehlen die entsprechenden Neuronen<strong>und</strong> Synapsen, d.h. es fehlt das Gedächtnis dafür, was es zu einem„richtigen“ <strong>Elefanten</strong>, der sich innerhalb seiner sozialen Umweltzurechtfindet, macht.Traumen <strong>und</strong> wie das Hirn reagiertForschungsergebnisse zeigen, dass bei liebevoll bemutterten Jungtierendas Stressgen CRH später im erwachsenen Zustand wenigerstark aktiviert wird als bei Tieren, die in der Jugendentwicklung wenigerZuwendung erhalten haben. Tiere mit viel mütterlicher Zuwendungsind später weniger ängstlich, da ein Gen aktiviert wurde,welches einen Nervenwachstumsfaktor produziert. Lernaufgabenwerden von diesen Individuen besser gelöst. Die Zahl der Synapsenist bei liebevoll bemutterten Tieren höher.Demzufolge ist ein Jungtier, welches während seiner Jugendentwicklungaus dem Familienverband herausgerissen wurde (zum BeispielVerlust der Mutter, eingefangen <strong>und</strong> verkauft etc.), schlechter neurologischausgestattet als ein Tier, das im normalen Familienverband <strong>und</strong>mit der Mutter aufwächst. Allomütter oder so genannte „Tanten“, diesich liebevoll <strong>des</strong> Jungtiers annehmen, können die Rolle der Mutterübernehmen. Jungtiere, denen dieser Ersatz in Form eines Menschengegeben wird, sind benachteiligt: Der Mensch kann niemals einen<strong>Elefanten</strong> bzw. <strong>des</strong>sen Verhaltensweisen darstellen. Er kann bestenfallsmit menschlichen Mitteln versuchen, diese bis zu einem gewissenGrad zu substituieren.Es wurde gezeigt, dass der Nachwuchs einer Mutter, welche währendder Schwangerschaft Stress erlebte, später in Belastungssituationeneine bleibende erhöhte Stressreaktion zeigt. Man nimmt an, dass derFötus entweder die Stresssignale der Mutter mitbekommt, oder dassdie mütterlichen Stresshormone direkt den Föten beeinflussen. Interessanterweisehaben Tests mit Primaten gezeigt, dass auch nach derGeburt bei der Mutter induzierter Stress bewirkt, dass deren Jungtiereals Erwachsene regelmäßig eine erhöhte Stressreaktion zeigen. Ursachekönnte das veränderte Verhalten der gestressten Mutter sein.Interindividuelle Bindungen schützen also das Stresssystem beimNachwuchs. Bindungen <strong>und</strong> soziale Unterstützung haben sich in zahlreichenStudien aber auch als einer der wichtigsten Schutzfaktorengezeigt für das spätere Leben <strong>des</strong> Individuums.Dies bedeutet nichts anderes, als dass man bei <strong>Elefanten</strong> Individuen in„künstlichen“ Gruppen, die eine starke Beziehung zueinander aufgebauthaben, nie trennen sollte, egal ob Mutter <strong>und</strong> Tochter oder unverwandtespezielle Partnerinnen. Die logische Folgerung ist, dass harmonischeUntergruppen im Zoo nicht auseinander gerissen werden sollten, auchnicht zu Zuchtzwecken. Anderenfalls erhält man bereits eine gestressteMutter (nicht zu sprechen von den gestressten Zurückgebliebenen),welche diesen Stress ihrem Nachwuchs weitergibt, falls sie überhauptselbst züchtet!Traumen (z.B früher Verlust der Mutter, Einfangen <strong>und</strong> Umsiedlung)können aber noch weiter reichende Folgen haben. Unterschwellige Reizekönnen bei Individuen, welche ein derartiges Trauma erlebt haben,direkt das Bewertungssystem aktivieren, in dem die frühere Erfahrunggespeichert ist, insbesondere den Mandelkern (Amygdala). Das bedeutet,dass durch einen unbewussten Reiz ohne volles Bewusstsein, sondernim Unbewussten, die Stressreaktion ausgelöst werden kann. Diesbezeichnet man als Posttraumatische Belastungsstörung PTBS odermeist PTSD (Post Traumatic Stress Disorder) genannt. Individuen mitPTBS erfahren sogenannte „flash­backs“, d.h. plötzlich durch irgendeinenReiz ausgelöste Erinnerungsbilder an den Schrecken. Symptomedieser Flash­backs können Konzentrationsstörungen sein, Schreckhaftigkeit<strong>und</strong> ängstliches Verhalten, Interessenverlust <strong>und</strong> Apathie oderauch aggressives Verhalten.Warum reagieren <strong>Elefanten</strong> manchmal„ aus heiterem Himmel“ aggressiv?Wie beschrieben reagiert die Amygdala als Speicherort der Traumaerlebnissenachfolgend viel empfindlicher auf Alltagssituationen, sogardann, wenn gar nichts Gefährliches vorhanden ist. Sie ist sozusagenimmer in einem „Alarmzustand“.Dies bedeutet, dass die Stressreaktion aktiviert werden kann, ohne dassäußerliche Reize bewusst wahrgenommen werden, was eine Überreaktionbedeutet. Dies ist dann besonders gefährlich, wenn <strong>Elefanten</strong> indirektem Kontakt mit Menschen sind, z.B. im Circus oder bei ElephantBack Safari Unternehmen. Dann kann es zu Zwischenfällen kommen,ohne dass die Trainer den Gr<strong>und</strong> ersehen können.Hieraus lässt sich auch erklären, warum bei plötzlichen Aggressionshandlungenoder Reaktionen, die zu Unfällen führen, oft der Gr<strong>und</strong> nichterkennbar ist. Die Nervennetzwerke bleiben lebenslang bestehen. Diesmacht die <strong>Elefanten</strong>, welche in der Wildbahn gefangen wurden <strong>und</strong> inGefangenschaft geraten sind, unberechenbarer als solche, die in Gefangenschaftgeboren wurden <strong>und</strong> mit ihrer Mutter <strong>und</strong> ihrer „Familie“aufwuchsen.Eine von vielen – die vierfache Zuchtkuh „Zambi“, 1983 als Wildfangnach Europa importiert, griff im Direkten Kontakt sowohl in Wuppertal alsauch in Augsburg Pfleger an. Foto: J. EndresNicht nur Tierrechtler, sondern auch die namhaftesten <strong>Elefanten</strong>forscherweltweit haben anerkannt, dass <strong>Elefanten</strong> eine <strong>Psyche</strong> <strong>und</strong> Gefühle besitzen,die den unseren äußerst ähnlich sind <strong>und</strong> somit die bisherigeHaltung in Circussen <strong>und</strong> ähnlichen Institutionen nicht mehr tragbar ist.Zuerst braucht es die richtige Einstellung, dann die richtige Handlung.Es braucht vor allem aber auch Mut zur Selbstkritik <strong>und</strong> zur Ehrlichkeit,um Neues anzuerkennen <strong>und</strong> auch die Einsicht, dass alte Denkweisen<strong>und</strong> Muster zumin<strong>des</strong>t in der <strong>Elefanten</strong>haltung nicht mehr zeitgemäßsind.LiteraturJ. Bauer, Das Gedächtnis <strong>des</strong> Körpers, Piper 2009.J.Bauer, Warum ich fühle was Du fühlst, Heyne 2008.J. Shoshani, W. J. Kupsky, G. H. Marchant, Elephant brain I: Gross morphology,functions, comparative anatomy, and evolution, Brain Research Bulletin 2006,70, 124–157.V. Gallese, C. Keysers, G. Rizzolatti, A unifying view of the basis of socialcognitio, Trends in Cognitive Sciences, Vol. 8, No. 9, 2004.20

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