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Haftungsfragen in der Behandlungspflege - Werner Sellmer

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„Als Zwischenbilanz bleibt festzuhalten: Der qualitativeAnspruch an die Pflege ist hoch, die Verantwortung riesig;Haftung ist möglich, jedoch – wie noch aufzuzeigen se<strong>in</strong>wird – mit e<strong>in</strong>em guten Qualitätsmanagement zum Schutzevon Patienten und Pflegenden <strong>in</strong> E<strong>in</strong>halt <strong>der</strong> rechtlichenVorgaben vermeidbar“Auf Dauer dokumentierte kont<strong>in</strong>uierlicheLeistungsqualitätDie angemessene Qualität <strong>der</strong> <strong>Behandlungspflege</strong> ist transparentnachvollziehbar zu erfassen. Nicht umsonst heißt es so <strong>in</strong>Leitfäden <strong>der</strong> Pflege zur Umsetzung <strong>der</strong> gesetzlich normiertenPflicht zur Qualitätssicherung. Zum Pflichtenbereich des gesamtenmediz<strong>in</strong>ischen Personals hat <strong>der</strong> Bundesgerichtshofdiesbezüglich formuliert: „Ebenso wie <strong>der</strong> Verwalter fremdenVermögens exakte Auskunft über den sicheren Umgang undVerbleib des Fremdkapitals zu erteilen hat, ist es die selbstverständlicheAufgabe des vertrauensvoll zusammenarbeitendenBehandlungsteams ärztlicher und nichtärztlicher Mitarbeiter,Rechenschaft über den Umgang mit dem höchsten Gut e<strong>in</strong>esMenschen abzulegen – über den gewissenhaften Umgang mitLeib und Leben des Patienten“ (BGH, Neue Juristische Wochenschrift1978, 2337 f.).Rechenschaft ablegen über die sichere Patientenversorgungist dabei e<strong>in</strong> komplexes Thema, das nicht so e<strong>in</strong>fach nebenbeierledigt werden kann.Es gehört e<strong>in</strong>iges dazu: So bedarf es zunächst fortgebildeterPflegekräfte, die den aktuellen Standard<strong>der</strong> Versorgung kennen undumzusetzen wissen. Es genügt nicht,pflegerische Grundversorgung e<strong>in</strong>malgelernt zu haben und womöglich e<strong>in</strong>estaatlich anerkannte Prüfqualifikatione<strong>in</strong>mal erworben zu haben. Pflege istwie das Recht nicht statisch, son<strong>der</strong>n„Pflege ist wiedas Recht nichtstatisch, son<strong>der</strong>nsie entwickelt sichdynamisch fort“sie entwickelt sich dynamisch fort. Dies zeigt nicht nur die Entwicklung<strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Wundversorgung. Verwiesen wirdweiter auf die seit 1995 e<strong>in</strong>geführten Neuerungen zum sicherenE<strong>in</strong>satz von Mediz<strong>in</strong>produkten mit E<strong>in</strong>führung des Mediz<strong>in</strong>produktegesetzes1995, e<strong>in</strong>er dazu erlassenen Betreiberverordnungim Jahr 1998 und weiteren gesetzlichen Än<strong>der</strong>ungenmit Auswirkungen auf die Pflege <strong>in</strong> den Jahren 2001 und2002. Nicht zu vergessen s<strong>in</strong>d auch neue Herausfor<strong>der</strong>ungen,die e<strong>in</strong>er noch so qualifizierten Kraft vor 10 Jahren auch nichtansatzweise bekannt waren, so zum Beispiel <strong>der</strong> sichere Umgangmit MRSA unter dem Aspekt <strong>der</strong> Versorgung betroffenerPatienten e<strong>in</strong>schließlich zu treffen<strong>der</strong> Schutzmaßnahmen fürKontaktpersonen und Mitpatienten. Aus diesem Grunde for<strong>der</strong>tes die Rechtsprechung e<strong>in</strong>, dass sich pflegerische Mitarbeiter<strong>in</strong> allen Gesundheitse<strong>in</strong>richtungen ebenso wie Ärzte undsonstige nichtärztliche Mitarbeiter über neue Erkenntnisse <strong>in</strong><strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>isch-pflegerischen Versorgung „bis zur Grenze desZumutbaren fortzubilden“ haben (vgl. Rieger, Verantwortlichkeitdes Arztes und des Pflegepersonals ... , NJW 1979,S. 582 mit H<strong>in</strong>weis auf BGH Versicherungsrecht. 1975, S.2245; BGH NJW 1968, S. 1181; 1977, S. 1103). Es soll hiernicht <strong>in</strong> epischer Breite erörtert werden, wo die Grenze desZumutbaren liegt. E<strong>in</strong>deutig und ohne rechtliche Zweifel verbleibtfestzustellen, dass sich die Fortbildungspflicht über dieAngebote und Möglichkeiten <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Arbeitszeit auf dieFreizeit erstreckt, soweit es zur Erlangung notwendiger Kenntnisseerfor<strong>der</strong>lich ersche<strong>in</strong>t. Zudem haben Gesundheitse<strong>in</strong>richtungen,gleich ob Krankenhäuser, Heime, ambulantePflegedienste, Polikl<strong>in</strong>iken o<strong>der</strong> Arztpraxen im Falle <strong>der</strong> gerichtlichenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung über die gewährte Behandlungsqualitätzur Vermeidung e<strong>in</strong>er eventuellen Beweislastumkehrim Schadensfall den Nachweis zu erbr<strong>in</strong>gen, dass z. B. die<strong>Behandlungspflege</strong> von kompetenten, fachlich versierten undauf den aktuellen Erkenntnisstand fortgebildeten Mitarbeiternerbracht wurde. E<strong>in</strong>em eventuellen Erstaunen über diese weitgehendePflicht sei e<strong>in</strong>e Entscheidung über die persönlicheEigenverantwortung von Pflegepersonal zum Wissen um neueErkenntnisse entgegen gehalten, die vor über siebzig Jahrenergangen ist. Damals hatte das Reichsgericht e<strong>in</strong>e Schwesterrechtlich für e<strong>in</strong>en Schaden verantwortlich gezeichnet, die e<strong>in</strong>ezwei Jahre vor ihrem gefahrträchtigen Handeln e<strong>in</strong>geführteSpritzentechnik we<strong>der</strong> kannte noch beherrschte und ihr wiefolgt die zur Verurteilung führende Inkompetenz vorgehalten:„Schwestern und Pfleger müssen sich über die Fortschritte <strong>der</strong>Heilkunde unterrichten und sich mit den neuesten Heilmittelnvertraut machen. Es geht nicht an, sich aus Bequemlichkeit,Eigens<strong>in</strong>n o<strong>der</strong> Hochmut den neuen Lehren und Erfahrungenzu verschließen“ (vgl. Jensen/Röhlig, Das neue Betreuungsrechtmit H<strong>in</strong>weis auf RGSt – Reichsgericht, Entscheidungen <strong>in</strong>Strafsachen – 64, S. 263 ff., 269). Nebenbei bemerkt: Essteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>richtungen, des ärztlichenund pflegerischen Leitungspersonals ebenso wie im Aufgabenbereichdes e<strong>in</strong>zelnen pflegerischen Mitarbeiters, diesehochwertige Kompetenz pflegerischer Durchführung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eim Haftungsprozess zur Frage vermeidbarer o<strong>der</strong> schuldhaftherbeigeführter Komplikationen aufzeigen zu können.Diese Aufgabe ist nicht so leicht zu meistern. Alle<strong>in</strong> die Aussage:„Das haben wir und unsere Mitarbeiter sicher beherrscht“,genügt nicht. Die Nachweispflicht for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Nachvollziehbarkeitunter Bezugnahme <strong>der</strong> klassischen Beweismittel. Hiersteht eigentlich nur die ordnungsgemäße Dokumentation alsMöglichkeit rechtlich abgesicherter Transparenz zur Verfügung.Angaben von Mitarbeitern als verwertbare Zeugenaussagen stehenoft zum Zeitpunkt <strong>der</strong> gerichtlichen Überprüfung nicht zurVerfügung. Es ist nicht nur so, dass die Merkfähigkeit e<strong>in</strong>esZeugen mit Zeitablauf erheblich leidet. E<strong>in</strong>deutig klare Bekundungenzu bedeutsamen E<strong>in</strong>zelfragen s<strong>in</strong>d Jahre nach <strong>der</strong>Patientenversorgung bei e<strong>in</strong>em täglich umfangreichen Behandlungsspektrume<strong>in</strong>fach nicht möglich. Es ist nicht nur so, dassdie meisten gerichtlichen Prüfungen auf mögliche Fehler <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Behandlungspflege</strong> <strong>in</strong> aller Regel drei bis zehn Jahre nach <strong>der</strong>Versorgung erfolgen; die tatsächliche Rechenschaftsverpflichtung<strong>der</strong> Verantwortlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Behandlungspflege</strong> wie<strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung geht zeitlich vielweiter. So heißt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuregelung <strong>der</strong> im Rahmen desSchuldrechtsmo<strong>der</strong>nisierungsgesetzes 2002 <strong>in</strong> Kraft getretenenneuen Verjährungsvorschrift zur zivilrechtlichen Geltendmachungvon Gesundheitsschäden im Bürgerlichen Gesetzbuch:Praxis aktuell 19

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