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Haftungsfragen in der Behandlungspflege - Werner Sellmer

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BGB § 199Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen(2) Schadenersatzansprüche, die auf <strong>der</strong> Verletzung desLebens, des Körpers, <strong>der</strong> Gesundheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Freiheitberuhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehungund die Kenntnis o<strong>der</strong> grob fahrlässige Unkenntnis <strong>in</strong> 30Jahren von <strong>der</strong> Begehung <strong>der</strong> Handlung, <strong>der</strong> Pflichtverletzungo<strong>der</strong> dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignisan.Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, e<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlichenBehandlungsfehler auch noch 30 Jahre nach <strong>der</strong> Versorgungbei weiter normierter Vererblichkeit dieser Ersatzansprüchegeltend zu machen erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> transparentes Dokumentationssystem,um e<strong>in</strong>e Überziehung mit nicht gerechtfertigtenKlageansprüchen sicher auszuschließen. In rechtlicher Ausgestaltungdieser Pflicht hat <strong>der</strong> Bundesgerichtshof <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grundsatzentscheidungausgeführt: „Es muss organisatorisch sichergestelltse<strong>in</strong>, dass die Prophylaxe überwacht und die Durchführung<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong> o<strong>der</strong> für den speziellen Fall angeordnetenMaßnahmen <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise schriftlich festgehaltenwerden“ (BGH NJW 1988, S.762, 763). Klarstellend sei hierzuvermerkt, dass <strong>in</strong> Fortentwicklung des technischen Fortschrittsdie Dokumentation heute nicht nur schriftlich, son<strong>der</strong>nauch <strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong> EDV-Form erstellt werden kann, wenndie Orig<strong>in</strong>alität <strong>der</strong> Aufzeichnungen bei Reproduzierbarkeit <strong>der</strong>Speichermedien über 30 Jahre sicher gestellt ist.Die verpflichtende Dokumentation sicherer <strong>Behandlungspflege</strong>ist mith<strong>in</strong> nicht nur e<strong>in</strong>e lästige Nebenaufgabe, son<strong>der</strong>n entsprechend<strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfalle<strong>in</strong>e unverzichtbare therapeutische Pflicht. Mit angemessenerDokumentation erhalten <strong>in</strong> die Versorgung e<strong>in</strong>bezogeneärztliche und nicht-ärztliche Mitarbeiter notwendige Informationenüber die speziellen Risiken des Patienten, erhobenetherapeutische Daten, angeordnete und durchgeführte Versorgungsmaßnahmen,um <strong>in</strong> die Lage versetzt zu se<strong>in</strong>, Gefahrenbesser und rechtzeitig zu erkennen und die Weiterbehandlungmöglichst komplikationsfrei durchzuführen.Weitere rechtliche Auswirkungen <strong>der</strong> Dokumentationspflichtsollen hier nicht außer Acht gelassen werden: Die angemesseneund nachvollziehbare zeitnah am Tag <strong>der</strong> Versorgung erstellteDokumentation bietet umfassenden Rechtsschutz. Nachdem nur durch den kaum zu befürchtenden Beweis des Gegenteilszu erschütternden Ansche<strong>in</strong>sbeweis <strong>der</strong> Richtigkeit <strong>der</strong>erbrachten <strong>Behandlungspflege</strong> entsprechend <strong>der</strong> Dokumentationführt sie für Pflegende und ihre E<strong>in</strong>richtungen zu höchstemRechtsschutz. Dokumentationsmängel wie e<strong>in</strong> Auslassen<strong>der</strong> Aufzeichnung notwendiger Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Behandlungspflege</strong>bergen e<strong>in</strong> hohes Risiko, denn: Als pflegerisch ausgeführtgilt nur, was ordnungsgemäß dokumentiert ist. E<strong>in</strong>efehlende Dokumentation führt zu dem rechtlichen Ergebnis,dass davon ausgegangen wird, die Leistung sei auch nicht erbrachtworden.Dokumentation mit Behandlungsstandardsnach Recht und PraxisDie Dokumentation ist we<strong>der</strong> Selbstzweck noch darf sie zurunbeherrschbaren Last werden. Dabei ist die Fülle <strong>der</strong> zu erhebendenDaten erheblich. Alle<strong>in</strong> die <strong>in</strong> den letzten Jahrene<strong>in</strong>geführten Neuerungen mit dem Infektionsschutzgesetz(IfSG), dem Mediz<strong>in</strong>produktegesetz (MPG) und <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>produkte-Betreiberverordnunghaben dazu geführt, dass zur Vermeidungrechtlicher Inanspruchnahmeund Absicherung komplikationsfreierPflege <strong>der</strong> E<strong>in</strong>halt <strong>der</strong> gesetzlichenSicherheitsvorschriften nachweislich zubelegen ist. So heißt es als Pflichtaufgabefür Krankenhäuser, Heime, ambulanteDienste, Polikl<strong>in</strong>iken und ambulanteArztpraxen im Gesetz:§ 36 IfSGE<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Infektionshygiene„Die Dokumentationist we<strong>der</strong> Selbstzwecknoch darf sie zur unbeherrschbarenLastwerden“(1) Die … E<strong>in</strong>richtungen ... legen <strong>in</strong> Hygieneplänen <strong>in</strong>nerbetrieblicheVerfahrensweisen zur Infektionshygiene fest.Die genannten E<strong>in</strong>richtungen unterliegen <strong>der</strong> <strong>in</strong>fektionshygienischenÜberwachung durch das Gesundheitsamt.In Erfüllung dieser gesetzlichen Pflichtaufgabe bedarf es umfassen<strong>der</strong>Dokumentationssysteme, die ohne allzu großenAufwand <strong>in</strong> die Praxis umgesetzt werden können. Hierzu genügtes dann nicht, e<strong>in</strong>en Hygieneplan <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schublade zuhaben, vielmehr ist Qualitätsmanagement gefragt. So ist etwazum Schutze vor <strong>der</strong> Übertragung von MRSA organisationstechnischfestzulegen, welche Schutzmaßnahmen e<strong>in</strong>zuleitens<strong>in</strong>d; e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Aufbereitung am Patienten e<strong>in</strong>gesetzterMediz<strong>in</strong>produkte, nicht zu vergessen die sachliche Informationan Kontaktpersonen h<strong>in</strong>sichtlich des Umgangs mit Keimträgern.Anhaltspunkt für e<strong>in</strong>en Maßnahmenkatalog, <strong>der</strong> dannnachweislich allen Mitarbeitern verpflichtend zur Ausführungzu vermitteln ist, ist zu diesem Thema die Empfehlung des RKI(Robert-Koch-Institut) zur MRSA-Problematik („Empfehlung zurPrävention und Kontrolle von Methicill<strong>in</strong>-resistenten Staphylococcusaureus-Stämmen <strong>in</strong> Krankenhäusern und an<strong>der</strong>enmediz<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>richtungen“, abzufragen im Internet unter http://www.rki.de). Dabei ist dann <strong>der</strong> E<strong>in</strong>halt des Hygieneplans zumSchutze vor Regressen und zum Sicherheitsnachweis bei e<strong>in</strong>ergesetzlich vorgesehenen Prüfung durch das Gesundheitsamtfortlaufend etwa durch dokumentierte wöchentliche Kontrollenbei erkennbarem Gefahrenpotential prüfbar festzuhalten.Entsprechende Behandlungsstandards empfehlen sich grundsätzlichbei allen Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Behandlungspflege</strong>, und zwarvon <strong>der</strong> Risikoe<strong>in</strong>schätzung bei <strong>der</strong> Patientenübernahme anüber die durchzuführende Prophylaxe bis h<strong>in</strong> zu den weiterführendentherapeutischen Maßnahmen im E<strong>in</strong>zelfall. Die Notwendigkeitqualifizierter Organisationspläne lässt sich exemplarischan e<strong>in</strong>zelnen Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Behandlungspflege</strong>aufzeigen, wobei die Aufzählung <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Fülle <strong>der</strong> Problematikfür alle E<strong>in</strong>richtungen nicht auch nur annähernd undansatzweise aufgezeichnet werden kann.So kommt es bei Auswahl e<strong>in</strong>es Katheters neben <strong>der</strong> nicht zuvernachlässigenden hygienischen Seite und Anwendungstechnikdurch geschultes Personal auf die richtige Produktauswahl an,da nicht jedes <strong>der</strong> zur Auswahl stehenden Mediz<strong>in</strong>produkte z.B. für den E<strong>in</strong>satz als Dauerkatheter geeignet ersche<strong>in</strong>t. Beie<strong>in</strong>er Antidekubitusmatratze s<strong>in</strong>d Gefährdungsstatus und nicht20 Praxis aktuell

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