Wilhelmshaven in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung
Wilhelmshaven in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung
Wilhelmshaven in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung
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Gester n<br />
Heute<br />
<strong>und</strong><br />
Historischer Streifzug <strong>in</strong> <strong>Bildern</strong> mit der<br />
präsentiert vom:<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> <strong>in</strong> <strong>alten</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Bildern</strong><br />
Folge 6 im Juli 2012
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Geschichtenaus<strong>Wilhelmshaven</strong><br />
Vor dem Deich abgehoben Seite 5<br />
Die Wohlfahrt der Werft Seite 7<br />
Bombe fällt vor die Wohnungstür Seite 11<br />
Grüne Kolonie am Stadtpark Seite 12<br />
Große Wäsche <strong>in</strong> der Weserstraße Seite 13<br />
Neues Land aus der Spülleitung Seite 14<br />
Souvenirs von fremden Küsten Seite 15<br />
Mit <strong>Wilhelmshaven</strong> vernäht Seite 16<br />
Der Pr<strong>in</strong>z <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Hafen Seite 17<br />
Reisee<strong>in</strong>drücke 1887: Alles neu <strong>und</strong> funktional Seite 21<br />
Die großen Kasernen am Hafen Seite 22<br />
Mitten durchs K<strong>in</strong>o war e<strong>in</strong> Seil gespannt Seite 24<br />
Das Pfarrhaus Seite 24<br />
Zum Jahrmarkt auf den Manteuffelplatz Seite 24<br />
Synagogenplatz: Initiative des Kirchenkreises Seite 24<br />
„Favola a Venezia“: die Ex-“<strong>Wilhelmshaven</strong>“ Seite 24<br />
Als dem Denkmal Abriss drohte Seite 25<br />
Wo sich e<strong>in</strong>st ganz <strong>Wilhelmshaven</strong> traf Seite 26<br />
Marquardsens Spaziergänge Seite 27<br />
Auf das Kepa-Kaufhaus folgte Hettlage & Lampe Seite 27<br />
Voslapp: Siedler versanken im Matsch Seite 28<br />
Die Ersten kamen vor 2000 Jahren Seite 30<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 3<br />
Der Deichstrichiste<strong>in</strong>eder<br />
ganz<strong>alten</strong>Straßen<strong>in</strong><strong>Wilhelmshaven</strong>.Sieverläuftaufe<strong>in</strong>emderältestenehemaligenDeiche.ErwarTeile<strong>in</strong>es<br />
R<strong>in</strong>gdeichs,zudemauchdie<br />
HeppenserReihe,Alter<br />
Deichsweg,KrummeStraße,<br />
Tonndeich<strong>und</strong>Mühlenweg<br />
gehörten.DiealteAufnahme<br />
entstandEndeder40erJahre.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST/SIEFKEN<br />
„Gestern <strong>und</strong> Heute – <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>alten</strong> <strong>und</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Bildern</strong> – Folge<br />
6“ – Sonderbeilage der „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
<strong>Zeitung</strong>“. Redaktion:<br />
Hartmut Siefken. Anzeigen: Thomas<br />
Schipper. Verlag <strong>und</strong> Druck: Brune-<br />
Mettcker-Druck- <strong>und</strong> Verlagsgesellschaft<br />
mbH, Parkstraße 8, 26382<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>, Postfach 1265,<br />
26352 <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Die <strong>Zeitung</strong> ist <strong>in</strong> all ihren Teilen urheberrechtlich<br />
geschützt. Ohne vorherige<br />
Genehmigung durch den Verlag<br />
dürfen diese <strong>Zeitung</strong> oder alle <strong>in</strong><br />
ihr enth<strong>alten</strong>en Beiträge <strong>und</strong> Abbildungen<br />
weder vervielfältigt noch verbreitet<br />
werden. Dies gilt ebenso für<br />
die Aufnahme <strong>in</strong> elektronische<br />
Datenbanksysteme <strong>und</strong> die Vervielfältigung<br />
auf CD-Rom.<br />
Telefon (0 44 21) 488-0, Telefax allgeme<strong>in</strong><br />
(0 44 21) 488 259, Telefax<br />
Redaktion (0 44 21) 488 430, Telefax<br />
Anzeigen (0 44 21) 488 258.<br />
E-Mail: redaktion@WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
anzeigen@WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
Internet: www.WZonl<strong>in</strong>e.de
Seite 4 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er Geschichten<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> steckt<br />
voller spannender Geschichten.<br />
„Gestern<br />
<strong>und</strong> Heute“ stößt deshalb<br />
auf großes Interesse.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
WILHELMSHAVEN – <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
ist <strong>in</strong> besonderem Maße<br />
eng mit der Geschichte der vergangenen<br />
170 Jahre <strong>in</strong><br />
Deutschland verb<strong>und</strong>en. Als<br />
größter Mar<strong>in</strong>estandort an der<br />
Nordsee trafen Stadt <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den<br />
an der Jade die Wechselfälle<br />
der Geschichte besonders<br />
<strong>in</strong>tensiv. Die Stadt steckt<br />
deshalb nicht nur voller historischer<br />
Bezüge, <strong>in</strong> ihren Mauern<br />
verbergen sich auch viele spannende<br />
menschliche Geschichten.<br />
Ihre Postan<br />
„Gestern<strong>und</strong>Heute“<br />
Ihre Post an die Redaktion von „Gestern <strong>und</strong> Heute“ senden Sie<br />
bitte an die<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gestern <strong>und</strong> Heute<br />
Parkstraße 8<br />
26382 <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Sie können sie auch persönlich hier abgeben. Zusendungen<br />
per E-Mail bitte an:<br />
sonderthemen@WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Bitte <strong>in</strong> die Betreffzeile „Gestern <strong>und</strong> Heute“ schreiben <strong>und</strong><br />
im Anschreiben Ihre Telefonnummer nicht vergessen.<br />
Anrufe werden unter Telefon 0 44 21 / 488 441 entgegengenommen.<br />
präsentiert vom<br />
Die große WZ-Beilage „Gestern<br />
<strong>und</strong> Heute – <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>alten</strong> <strong>und</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Bildern</strong>“,<br />
deren neue Folgen vom Bauvere<strong>in</strong><br />
Rüstr<strong>in</strong>gen mit präsentiert<br />
werden, hat e<strong>in</strong> wenig davon <strong>in</strong><br />
Er<strong>in</strong>nerung gerufen.<br />
Etliche Leser haben die Lektüre<br />
zum Anlass genommen, <strong>in</strong><br />
eigenen Er<strong>in</strong>nerungen zu kramen<br />
<strong>und</strong> sie der Redaktion mitzuteilen.<br />
Davon lesen Sie <strong>in</strong> diesem<br />
vorerst letzten Heft, <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
betreffend. Ab<br />
Herbst blicken wir <strong>in</strong> die Historie<br />
des Jeverlandes.<br />
Doch mit dieser sechsten<br />
Folge möchten wir Sie, liebe Leser<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Leser, noch e<strong>in</strong>mal<br />
e<strong>in</strong>laden, uns zu schreiben,<br />
weitere H<strong>in</strong>weise zu geben <strong>und</strong><br />
Geschichten vom <strong>Wilhelmshaven</strong>,<br />
wie es e<strong>in</strong>mal war, zu erzählen.<br />
Ihre Er<strong>in</strong>nerungen werden<br />
<strong>in</strong> der „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
<strong>Zeitung</strong>“ <strong>und</strong> auf www.WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
veröffentlicht. Bitte versehen<br />
Sie das von Ihnen e<strong>in</strong>gesandte<br />
Material unbed<strong>in</strong>gt vollständig<br />
mit Name <strong>und</strong> Adresse.<br />
Ihre Mitteilungen nehmen wir<br />
gerne per Post oder per E-Mail<br />
entgegen.<br />
Auf www.WZonl<strong>in</strong>e.de können<br />
Sie die vergangenen Folgen<br />
auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pdf-Dokument<br />
nachlesen. Während die erste<br />
Folge vergriffen ist, können Sie<br />
die übrigen noch im herkömmlichen<br />
Papier-„Format“ nachkaufen.<br />
Gew<strong>in</strong>nspiel<br />
mitder WZ<br />
21. Juli 2012<br />
Die Mar<strong>in</strong>ewerftspielte<strong>in</strong><br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>bis<strong>in</strong>die<br />
40erJahrediezentraleRolle.Siebeschäftigtebiszu<br />
40 000Arbeiter(imJahr<br />
1945).H<strong>und</strong>erteLehrl<strong>in</strong>ge<br />
lerntenbeiihr.Siewaren<strong>in</strong><br />
derLehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igungorganisiert.MehrvonderWerft<strong>und</strong>demWerftwohlfahrtsvere<strong>in</strong>lesenSieaufden<br />
nächstenSeiten.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Als Leser<br />
der „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
<strong>Zeitung</strong>“ können Sie an<br />
e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>nspiel teilnehmen.<br />
Am kommenden<br />
Dienstag, 24. Juli, wird <strong>in</strong><br />
der WZ e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>ncoupon<br />
für die Spielr<strong>und</strong>e mit zehn<br />
leeren Kästchen veröffentlicht.<br />
Die Such-Bilder aus<br />
der vorliegenden Beilage<br />
„Gestern <strong>und</strong> Heute“ werden<br />
vom 24. Juli bis 3. August<br />
<strong>in</strong> der „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
<strong>Zeitung</strong>“ zu f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>.<br />
Diese gilt es auszuschneiden<br />
<strong>und</strong> an die richtige Stelle<br />
auf den Coupon zu kleben.<br />
Aus den e<strong>in</strong>gesandten,<br />
mit den <strong>Bildern</strong> beklebten<br />
Coupons lost die WZ (unter<br />
Ausschluss des Rechtsweges)<br />
folgende Gew<strong>in</strong>ne aus:<br />
1. Preis 500 Euro<br />
2. Preis 250 Euro<br />
3. Preis 100 Euro<br />
sowie 7 mal 50 Euro.<br />
E<strong>in</strong>sendeschluss für die<br />
diese Spielr<strong>und</strong>e ist der 7.<br />
August 2012. Bitte senden<br />
Sie Ihren ausgefüllten Coupon<br />
an die<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Parkstraße 8<br />
26382 <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
oder geben Sie ihn direkt <strong>in</strong><br />
der Schalterhalle oder <strong>in</strong><br />
der Geschäftsstelle <strong>in</strong><br />
Schortens, Oldenburger<br />
Straße 9, ab.
21. Juli 2012<br />
VordemDeich abgehoben<br />
DerFliegerdeichmitderangrenzendenWohnbebauungheute.Das Bürogebäuderechtsistbisheutestehengeblieben.Zuletzt<br />
wurdeesvomNiedersächsischenLandesbetriebfürWasserwirtschaft,Küsten<strong>und</strong>Naturschutzgenutzt. WZ-FOTO: KNOTHE<br />
Vom Seefliegerhorst<br />
am Fliegerdeich hoben<br />
<strong>in</strong> der ersten Hälfte des<br />
vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Kampfpiloten ab.<br />
VON ULRICH RÄCKER-WELLNITZ<br />
WILHELMSHAVEN – Auf den aktuellen<br />
Stadtplänen ist am Südstrand<br />
e<strong>in</strong>e Straße „Fliegerdeich“<br />
verzeichnet, ohne dass<br />
Anlagen e<strong>in</strong>es Flugplatzes erkennbar<br />
s<strong>in</strong>d. Die Benennung<br />
erschließt sich über e<strong>in</strong>en Blick<br />
auf die Geschichte der Luftfahrt<br />
<strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Als gebauter Ausdruck der<br />
Flugbegeisterung <strong>und</strong> mit dem<br />
Ziel militärischer Nutzung errichtete<br />
die Kaiserliche Werft<br />
am Südufer des Großen Hafens<br />
ab 1913 am heutigen Fliegerdeich<br />
<strong>in</strong> mehreren Schritten<br />
e<strong>in</strong>en großen Seeflughafen. Neben<br />
zwei massiven Flugzeughallen<br />
entstand e<strong>in</strong>e betonierte<br />
Ablaufbahn. Im Oktober 1914<br />
kamen e<strong>in</strong>e Flugzeugwerkstatt<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> Büro als direkter Anbau<br />
an der ersten massiven Flug-<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Appell auf dem Fliegerdeich um 1940. Die Werkstatthalle<br />
gibtesheutenichtmehr. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
zeughalle h<strong>in</strong>zu. Für die Treibstoffe<br />
wurden 1914/15 zwei<br />
große Benz<strong>in</strong>lager errichtet, im<br />
September 1916 folgten e<strong>in</strong><br />
Motorenprüfstand <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Büro-<br />
Anbau an der Werkstatt-Halle. Z<br />
Zwischenzeitlich war entlang<br />
aller Flugzeug-Hallen zur Hafenseite<br />
e<strong>in</strong> Gleis zur Beförderung<br />
der Flugzeuge angelegt worden.<br />
Als Helden betrachtete die damalige<br />
Zeit die wagemutigen Piloten,<br />
zu ihnen zählte der Wil-<br />
helmshavener Gustav Leffers,<br />
der als hoch dekorierter Fliegerleutnant<br />
im Dezember 1916<br />
unter großer Anteilnahme der<br />
Bevölkerung auf dem Ehrenfriedhof<br />
beigesetzt wurde.<br />
Der Versailler Vertrag verbot<br />
Deutschland den Besitz von<br />
Fluggeräten, auch für die Anlagen<br />
der vormaligen Seeflugstation<br />
musste e<strong>in</strong>e neue Nutzung<br />
gef<strong>und</strong>en werden. Zwei massive<br />
Flugzeughallen wurden im<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 5<br />
Dezember 1920 abgerissen,<br />
nur kurzzeitig konnte die Hochseefischerei<br />
AG die ehemalige<br />
Flugzeug-Werkstatt <strong>und</strong> die angrenzende<br />
Waschhalle als Betriebsgelände<br />
nutzen.<br />
Für das stehen gebliebene<br />
Bürogebäude, bis vor Kurzem<br />
vom Niedersächsischen Landesbetrieb<br />
für Wasserwirtschaft,<br />
Küsten- <strong>und</strong> Naturschutz<br />
genutzt, beantragte im<br />
April 1922 e<strong>in</strong> Gastwirt, Umbaumaßnahmen<br />
zu „e<strong>in</strong>em Baderestaurant<br />
,Strandlust’ zur<br />
Ausführung br<strong>in</strong>gen zu dürfen“,<br />
zwei Jahre später war e<strong>in</strong> weiterer<br />
Umbau erfolgt.<br />
Die Ablaufbahn im Wasser<br />
konnte bei e<strong>in</strong>em Seeflugwettbewerb<br />
im Juli 1926 als Zwischenlandeplatz<br />
für Flugboote<br />
benutzt werden <strong>und</strong> überstand<br />
den Zweiten Weltkrieg, sie wurde<br />
im September 1953 aus<br />
Gründen des Deichschutzes abgebrochen,<br />
lediglich der alte<br />
Unterbau unter Wasser blieb<br />
bestehen. Der gesprengte obere<br />
Teil am Deich wurde bereits<br />
1951 hergerichtet <strong>und</strong> zur Saison<br />
freigegeben.<br />
Fortsetzung auf Seite 6
Seite 6 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
EtlicheFlugzeug<strong>und</strong>WerkstatthallenprägtendasBildAnfangder40erJahreaufdem SeefliegerhorstamFliegerdeich.Heute<br />
ragtandieserStelledasHelgolandHaush<strong>in</strong>terdemDeichhervor(kle<strong>in</strong>esFoto). FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Zivile NutzungzwischendenKriegen<br />
Fortsetzung von Seite 5<br />
Da nach 1918 offiziell nicht<br />
an militärische Luftfahrt zu denken<br />
war, wurde 1925 der Luftfahrtvere<strong>in</strong><br />
Jade gegründet, der<br />
aus se<strong>in</strong>em Vorläufer, dem Flugsportvere<strong>in</strong><br />
Jade, hervor g<strong>in</strong>g.<br />
Das erste e<strong>in</strong>gesetzte Flugzeug<br />
war e<strong>in</strong> Doppeldecker namens<br />
„Jade“. Der Vere<strong>in</strong> hatte maßgeblichen<br />
Anteil daran, dass<br />
die Jadestädte Gelder für e<strong>in</strong>en<br />
Landflughafen bewilligten <strong>und</strong><br />
am 15. Juni 1927 konnte der<br />
Flugplatz <strong>Wilhelmshaven</strong>-Mariensiel<br />
auf dem Cäciliengroden<br />
e<strong>in</strong>geweiht werden. Wenige Wochen<br />
später verfügte <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
mit dem ebenfalls zivil <strong>in</strong><br />
Betrieb genommenen Seeflughafen<br />
am Fliegerdeich sogar<br />
über e<strong>in</strong>en zweiten Start- <strong>und</strong><br />
Landeplatz, mehrere Tausend<br />
Besucher erlebten zur Eröffnung<br />
dort die Landung zweier<br />
großer Flugboote.<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> <strong>und</strong> Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
gründeten die Luftverkehrs-<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Gesellschaft <strong>Wilhelmshaven</strong>-<br />
Rüstr<strong>in</strong>gen mbH, die am 17.<br />
Mai 1928 mit e<strong>in</strong>er Focke-Wulff<br />
den Betrieb aufnahm. Angeboten<br />
wurden ganzjährig L<strong>in</strong>ien 1.<br />
Ordnung nach Hamburg, Osnabrück,<br />
Bremen, Bremerhaven,<br />
Borkum, Norderney, Langeoog<br />
<strong>und</strong> Wangerooge, die zu festen<br />
Preisen aber frei zu vere<strong>in</strong>barenden<br />
Zeiten angeflogen wurden.<br />
Für den Betrieb der beiden<br />
Flughäfen verständigten sich<br />
Die ehemalige FliegerdeichKaserne beherbergt heute das<br />
Senckenberg-Institut. WZ-FOTO: KNOTHE<br />
präsentiert vom<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der<br />
Seefliegerhorstzivilgenutzt.<br />
die Jadestädte 1927<br />
auf e<strong>in</strong>e Flughafen-<br />
Gesellschaft <strong>Wilhelmshaven</strong>-Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
mbH mit e<strong>in</strong>em Gesellschaftskapital<br />
von<br />
25 000 RM.<br />
Mit der Machtübergabe<br />
an die Nationalsozialisten<br />
gerieten<br />
die Flughäfen für die<br />
aufzubauende Luftwaffe<br />
<strong>in</strong> den Blick der<br />
Reichsdienststellen.<br />
1934 begannen geheime<br />
Gespräche zwischen den<br />
kommunalen Anteilseignern,<br />
der Mar<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Vertretern des<br />
Reichsluftfahrtm<strong>in</strong>isteriums,<br />
welches e<strong>in</strong>e Übernahme der<br />
Luftverkehrs-Gesellschaft anstrebte.<br />
Ohne Entschädigung<br />
sollten die Geme<strong>in</strong>den ihre Anteile<br />
abtreten, schließlich entfielen<br />
für sie künftig die Instandhaltungskosten<br />
für die Flugplätze.<br />
Aus wirtschaftlichen Gründen<br />
<strong>und</strong> weil das Luftamt Han-<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
21. Juli 2012<br />
nover massiven Druck ausübte,<br />
u. a. über die vorübergehende<br />
Stilllegung von Flugzeugen, gaben<br />
die Gesellschafter schließlich<br />
nach <strong>und</strong> lösten die Gesellschaft<br />
am 30.März 1937 auf.<br />
Danach nutzte alle<strong>in</strong> die Lufthansa<br />
den Flugplatz Mariensiel.<br />
Der Seeflughafen am Fliegerdeich<br />
bot der entstehenden<br />
Luftwaffe ideale Bed<strong>in</strong>gungen<br />
für den Aufbau e<strong>in</strong>er Jagdstaffel<br />
(See), die nach <strong>in</strong>ternen Planungen<br />
zum 1. Oktober 1936 auf<br />
e<strong>in</strong>em Seefliegerhorst stationiert<br />
werden sollte. Etwa<br />
1935/36 wurden die Kasernen<br />
am Fliegerdeich errichtet, die<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst<br />
Teile der Pr<strong>in</strong>ce-Rupert-<br />
School <strong>und</strong> danach die B<strong>und</strong>esmar<strong>in</strong>e<br />
beherbergten, heute<br />
dienen sie dem Forschungs<strong>in</strong>stitut-Senckenberg<br />
als Sitz.<br />
*<br />
Der Autor leitet das Stadtarchiv<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong><br />
DieE<strong>in</strong>weihungder KasernenfürdenSeefliegerhorstimJahr<br />
1936. FOTO: WZ-BILDDIENST
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Die WohlfahrtderWerft<br />
Das Werftspeisehaus<br />
vers<strong>in</strong>nbildlichte die<br />
staatliche Sozialfürsorge.<br />
Das stattliche Gebäude<br />
prägte die Gökerstraße.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
WILHELMSHAVEN – Gegenüber<br />
dem Werfttor I an der Gökerstraße/Ecke<br />
Marktstraße stand<br />
e<strong>in</strong>st das Werftspeisehaus. Es<br />
war e<strong>in</strong> großes Saalgebäude<br />
mit etlichen Räumen, das für<br />
das gesellschaftliche Leben <strong>in</strong><br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> e<strong>in</strong>e bedeutende<br />
Rolle spielte <strong>und</strong> der staatlichen<br />
„Sozialfürsorge“ schon<br />
am Werkstor ihren „gnadenreichen“<br />
architektonischen Ausdruck<br />
verlieh.<br />
Es wurde im Januar 1902 eröffnet<br />
<strong>und</strong> war Schauplatz für<br />
zahlreiche Tanz-, Theater-, Konzert-<br />
<strong>und</strong> Vortragsveranstaltungen,<br />
Bälle, Vere<strong>in</strong>sfeiern <strong>und</strong><br />
Versammlungen, doch auch die Stapelläufe auf der Werft wurden<br />
hier begossen. Im Sommer<br />
öffnete der Kaffeegarten.<br />
Der markante Turm des Gebäudes<br />
bestimmte das Straßenbild.<br />
Er wurde allerd<strong>in</strong>gs<br />
im Zweiten Weltkrieg<br />
als Flugabwehrstellung<br />
missbraucht. Das Werftspeisehaus<br />
erlitt im<br />
Krieg erhebliche Schäden, wurde<br />
aber immer wieder aufgebaut.<br />
1949 übernahm Wilhelm<br />
Köster, der das Werftspeisehaus<br />
schon seit Anfang der<br />
1930er-Jahre geführt hatte, als<br />
privater Pächter den Betrieb.<br />
Das Gasthaus firmierte fortan<br />
als „<strong>Wilhelmshaven</strong>er Bürgercas<strong>in</strong>o“.<br />
Ältere Wilhelms<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 7<br />
Das Werftspeisehauswurde1902anderEckezurMarktstraßegegenüberdemWerfttorIgebaut.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Das Ärztehaus an der Ecke Marktstraße/Gökerstraße heißt im Volksm<strong>und</strong> immer noch Coca-<br />
Cola-Haus. WZ-FOTO: GABRIEL-JÜRGENS<br />
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havener er<strong>in</strong>nern sich noch<br />
gern an die schöne Zeit im<br />
„WBC“ -- doch sie war nach wenigen<br />
Jahren schon passé. Das<br />
Bürgercas<strong>in</strong>o, das alte Werftspeisehaus,<br />
wurde Anfang der<br />
1960er-Jahre abgerissen.<br />
An se<strong>in</strong>er Stelle entstand die<br />
Fabrik des Getränkeabfüllers<br />
He<strong>in</strong>rich Keßler KG (das so genannte<br />
Coca-Cola-Haus), die<br />
vor 54 Jahren, im Sommer<br />
1958 als „gläserne Fabrik“ e<strong>in</strong>geweiht<br />
wurde.<br />
Durch große Fensterscheiben<br />
konnten die Passanten<br />
dem Abfüllvorgang zusehen.<br />
Keßler stellte die braune Brause<br />
mit den Orig<strong>in</strong>al-Zutaten <strong>und</strong><br />
nach dem Rezept der Weltfirma<br />
vor Ort her. Doch die Gew<strong>in</strong>ne<br />
sprudelten nur gut zehn Jahre.<br />
Dann wurde die Fabrik schon<br />
wieder geschlossen. Heute bef<strong>in</strong>den<br />
sich <strong>in</strong> dem Gebäude<br />
Arztpraxen.<br />
Fortsetzung auf Seite 8<br />
Mehr als 50 Jahre Hilfe <strong>und</strong> Achtsamkeit!<br />
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Gut zu wissen, dass im Notfall immer jemand da ist.
Seite 8 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Bücher<strong>und</strong> KartoffelnfürdieArbeiter<br />
Fortsetzung von Seite 7<br />
Doch zurück zum Werftspeisehaus,<br />
das im engen Zusammenhang<br />
mit dem Werftwohlfahrtsvere<strong>in</strong><br />
gesehen werden<br />
muss, <strong>in</strong> dessen Regie es zunächst<br />
geführt worden war. Der<br />
Werftwohlfahrtsvere<strong>in</strong>, 1902<br />
aus der Taufe gehoben, war zur<br />
se<strong>in</strong>er Zeit e<strong>in</strong>e das soziale Gefüge<br />
<strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong> <strong>und</strong> Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
wesentlich bestimmende<br />
Institution.<br />
In der Festschrift zum 75-jährigen<br />
Bestehen der Reichsmar<strong>in</strong>ewerft<br />
im Jahr 1931 wird ausführlich<br />
das Wirken des Vere<strong>in</strong>s<br />
geschildert, dessen Aufgabe<br />
„die Schaffung <strong>und</strong> Unterhaltung<br />
von Wohlfahrtse<strong>in</strong>richtungen<br />
für die Arbeiter, Angestellten<br />
<strong>und</strong> Beamten der Mar<strong>in</strong>ewerft“<br />
war:<br />
„Im Laufe der Jahre wurde<br />
von der Werft durch Unterstützung<br />
des Reichsmar<strong>in</strong>eamtes<br />
e<strong>in</strong>e Reihe Wohlfahrtse<strong>in</strong>richtungen<br />
geschaffen, deren Verwaltung<br />
im Jahre 1902 vom<br />
Werftwohlfahrtsvere<strong>in</strong> übernommen<br />
wurde. Es handelte<br />
sich hierbei um Kant<strong>in</strong>en,<br />
Arbeiterbibliotheken, das<br />
heutige K<strong>in</strong>dertagesheim <strong>in</strong> der<br />
Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>und</strong> Werftspeisehaus. In<br />
der Verwaltung der Werft verblieben<br />
dagegen die Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschulen<br />
sowie die Krankenpflege.<br />
Die Entstehung der K<strong>in</strong>derschule<br />
Bant greift bis <strong>in</strong> das<br />
Jahr 1887 zurück, während die<br />
Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
erst im Jahre 1900 <strong>in</strong>s Leben<br />
gerufen wurde. Der Zweck<br />
dieser Anst<strong>alten</strong> ist, noch nicht<br />
schulpflichtige über 3 Jahre alte<br />
K<strong>in</strong>der von Angehörigen sowie<br />
Invaliden <strong>und</strong> Witwen der Werft<br />
Kreisverband <strong>Wilhelmshaven</strong> e. V.<br />
1908 –2012<br />
Ihr Partner <strong>in</strong> der Seniorenarbeit<br />
•Seniorengymnastik<br />
•Essen auf Rädern<br />
•Hausnotruf<br />
•Pflegeberatung<br />
Blick<strong>in</strong>den SaaldesehemaligenWerftspeisehauses.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Bombentreffer zerstörten im Krieg auf Werftspeisehaus. Es<br />
wurdewiederaufgebaut. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
• Angehörigenschulung<br />
• Betreuungsdienst<br />
• Mandol<strong>in</strong>enorchester<br />
• Fahrdienst<br />
Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband <strong>Wilhelmshaven</strong> e. V.<br />
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21. Juli 2012<br />
für nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Entschädigung<br />
tagsüber unter geeignete<br />
Aufsicht zu nehmen <strong>und</strong> sie an<br />
Ordnung <strong>und</strong> Sittsamkeit zu gewöhnen.<br />
Besonders während<br />
des Krieges, wo so viele Frauen<br />
beruflich tätig waren, ist diese<br />
E<strong>in</strong>richtung der Werft von großer<br />
Bedeutung gewesen. Die beiden<br />
Anst<strong>alten</strong> haben zusammen<br />
7 Klassen <strong>und</strong> nehmen etwa<br />
450 bis 500 K<strong>in</strong>der auf ...<br />
Von sehr großem Wert für<br />
e<strong>in</strong>en großen Teil der Werftarbeiterschaft<br />
waren die von<br />
der Werft geschaffenen Verkehrserleichterungen.<br />
Eigene<br />
Arbeiterzüge der Werft brachten<br />
vor dem Kriege <strong>und</strong> <strong>in</strong> den<br />
ersten Kriegsjahren täglich<br />
e<strong>in</strong>en großen Teil der <strong>in</strong> den äußeren<br />
Stadtteilen wohnenden<br />
Arbeiterschaft des Mittags <strong>in</strong><br />
nächste Näher ihrer Wohnung<br />
<strong>und</strong> zur Arbeitsstätte wieder zurück.<br />
In den letzten Kriegsjahren<br />
verkehrten diese Züge morgens<br />
<strong>und</strong> abends . . .<br />
Bis zum Jahre 1909 ist dieser<br />
Aufgabenkreis nicht wesentlich<br />
erweitert worden. Im Mai<br />
1910 wurden <strong>in</strong> Bant <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
Heppens Lebensmittelverkaufsstellen<br />
eröffnet. In rascher<br />
Folge entwickelten sich<br />
dann <strong>in</strong> den folgenden Jahren<br />
Kant<strong>in</strong>en, Speisehäuser <strong>und</strong><br />
Lebensmittelgeschäfte, e<strong>in</strong>e<br />
Darlehnskasse <strong>und</strong> die Kohlen-<br />
<strong>und</strong> Kartoffelbeschaffungen<br />
für die Angehörigen der<br />
Werft.<br />
Der Bildungsarbeit diente<br />
der Vere<strong>in</strong> durch Veranstaltung<br />
wissenschaftlicher <strong>und</strong> volkstümlicher<br />
Vorträge, durch Konzerte<br />
<strong>und</strong> Theatervorstellungen.<br />
Die Bücherei wurde stark<br />
<strong>in</strong> Anspruch genommen.<br />
Fortsetzung auf Seite 9<br />
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21. Juli 2012<br />
Auch Brause<br />
kamvom<br />
Wohlfahrtsvere<strong>in</strong><br />
Fortsetzung von Seite 8<br />
Durch Zusammenwirken mit<br />
der Werft wurde planmäßig an<br />
der Jugendpflege gearbeitet.<br />
Am 7. Mai 1911 wurde die Lehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igung<br />
der Mar<strong>in</strong>ewerft<br />
gegründet, aus der sich im<br />
Oktober 1913 der Gesellenvere<strong>in</strong><br />
der Werft entwickelte.<br />
Mit Hilfe des Wohlfahrtsvere<strong>in</strong>s<br />
wurde es dem Werft-Gesangvere<strong>in</strong><br />
ermöglicht, jährlich Sängerfahrten<br />
<strong>in</strong> besonders schöne<br />
Gegenden des deutschen Vaterlandes<br />
zu unternehmen.<br />
Durch bare Zuwendungen<br />
konnte e<strong>in</strong>e Reihe von geme<strong>in</strong>nützig<br />
<strong>und</strong> sozial arbeitenden<br />
Vere<strong>in</strong>en unterstützt werden,<br />
<strong>und</strong> auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge<br />
schritt der Vere<strong>in</strong><br />
ebenfalls zu ideeller <strong>und</strong><br />
materieller Förderung der auf<br />
diesem Gebiete sich betätigenden<br />
Baugenossenschaften.<br />
In dieser Weise vergrößerte<br />
sich der Aufgabenkreis des Vere<strong>in</strong>s<br />
immer mehr. Durch die Mitte<br />
Oktober 1913 neu <strong>in</strong> Betrieb<br />
genommene neue Torpedowerft<br />
mußten neue Kant<strong>in</strong>en dort e<strong>in</strong>gerichtet<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> neues Speisehaus<br />
gebaut werden. In den<br />
Kriegsjahren mußten weitere<br />
Küchen für die Flugzeugwerkstatt,<br />
für die Wohnhalle Moltkestraße<br />
<strong>und</strong> die Wohnhalle<br />
Deichbrücke <strong>in</strong> Betrieb gesetzt<br />
werden. Die Gesamtzahl der im<br />
Jahre 1917/18 ausgegebenen<br />
Essen erreichte fast 2 Millionen.<br />
Natürlich erforderte dieser<br />
Aufschwung auch die schnellste<br />
Schaffung <strong>und</strong> Erweiterung<br />
von Hilfsbetrieben. Die durch<br />
den vermehrten Bedarf an<br />
Arbeitskräften zuströmenden<br />
Arbeiter mußten untergebracht<br />
werden. Es geschah dies durch<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Bau von Wohnhallen <strong>und</strong> Baracken<br />
<strong>und</strong> durch Ermietung geeigneter<br />
Räume bzw. Zimmer.<br />
Im Jahre 1917 konnte der Vere<strong>in</strong><br />
fast 2000 Betten zur Verfügung<br />
stellen, die ständig voll benutzt<br />
waren.<br />
Die durch notwendige<br />
Kriegsmaßnahmen außerordentlich<br />
schwierig gewordene<br />
Beschaffung <strong>und</strong> Verteilung von<br />
Lebensmitteln erforderte besondere<br />
Sorgfalt <strong>und</strong> Umsicht.<br />
In vielen Fällen schritt der Vere<strong>in</strong><br />
zur Gründung eigener Unternehmen,<br />
vergrößerte <strong>und</strong> vermehrte<br />
die Lebensmittelverkaufsstellen,<br />
richtete eigene<br />
Schlachtereien <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Schwe<strong>in</strong>emästerei e<strong>in</strong>, unterhielt<br />
e<strong>in</strong>en eigenen Betrieb zur<br />
Herstellung von Selter- <strong>und</strong><br />
Brauselimonade <strong>und</strong> zur Verwertung<br />
von Miesmuscheln.<br />
Die Kochschulen der Werft wurden<br />
mit Geldmitteln unterstützt,<br />
ebenso wie die Werft-<br />
Nähschule <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>derbe-<br />
E<strong>in</strong>e Kapelle spielte auf e<strong>in</strong>er Verkaufsveranstaltung im <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Bürger-Cas<strong>in</strong>o auf. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
wahranst<strong>alten</strong> der Werft.<br />
Die Jugendpflegearbeit g<strong>in</strong>g<br />
ununterbrochen weiter. Im Jahre<br />
1915 wurden die Vorarbeiten<br />
zur Schaffung e<strong>in</strong>er Mütterberatungsstelle<br />
geleistet, der sich<br />
bald e<strong>in</strong>e Säugl<strong>in</strong>gs- <strong>und</strong> K<strong>in</strong>derkrippe<br />
angliederte, die<br />
arbeitende Mütter der Sorge um<br />
ihre K<strong>in</strong>der entheben sollte.<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurde auch das Vortragswesen<br />
gepflegt, es fanden<br />
. . . wertvolle Vortragsveranstaltungen<br />
statt, deren Themen<br />
aus allen Gebieten der Unterhaltung<br />
<strong>und</strong> der Wissenschaft<br />
ausgewählt waren.<br />
Die nach Beendigung des<br />
(Ersten Welt-) Krieges erfolgte<br />
Stillegung der <strong>neuen</strong> Torpedowerft,<br />
die Verr<strong>in</strong>gerung der Be-<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 9<br />
Die gläserne Getränkefabrik: Nachtaufnahme um 1960 vom CocaColaHerstellerbetrieb<br />
KeßleranderGökerstraße,wovorherdasWerftspeisehausstand. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
legschaftszahlen der Mar<strong>in</strong>ewerft<br />
sowie die notwendig werdenden<br />
Umstellungen auf vielen<br />
anderen Gebieten blieb naturgemäß<br />
nicht ohne E<strong>in</strong>fluß<br />
auf den Wohlfahrtsvere<strong>in</strong>. Es erschien<br />
angebracht, nicht zuletzt<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die jadestädtische<br />
Wirtschaft, sich von den <strong>in</strong><br />
beiden Städten <strong>in</strong> Betrieb bef<strong>in</strong>dlichen<br />
Unternehmungen<br />
<strong>und</strong> Geschäften loszulösen <strong>und</strong><br />
den Vere<strong>in</strong> allmählich wieder<br />
se<strong>in</strong>em ursprünglich zugedachten<br />
Gründungszweck zuzuführen.<br />
E<strong>in</strong>e Anzahl Geräte <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungsgegenstände<br />
von<br />
Kochschulen wurde den Städten<br />
geschenkt oder gegen niedriges<br />
Entgelt überlassen.<br />
Fortsetzung auf Seite 10<br />
www.juwelier-stett<strong>in</strong>.de
Seite 10 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
NachderWohlfahrtkommtdas Kas<strong>in</strong>o<br />
Fortsetzung von Seite 9<br />
Der Bestand der Arbeiterbibliothek<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> wurde<br />
samt E<strong>in</strong>richtung der späteren<br />
„Bücherei der Jadestädte“ geschenkt.<br />
Der heutige Aufgabenkreis<br />
des Wohlfahrtsvere<strong>in</strong>s<br />
kann wie folgt umrissen werden.:<br />
1. Betrieb des Werftspeisehauses;<br />
2. Bewirtschaftung<br />
der Kant<strong>in</strong>en auf der Bauwerft,<br />
dem Strombauhof <strong>und</strong> dem<br />
Ausrüstungsressort der Mar<strong>in</strong>ewerft;<br />
3. Unterhaltung e<strong>in</strong>es<br />
K<strong>in</strong>dertagesheims <strong>in</strong> der Spielschule<br />
der Mar<strong>in</strong>ewerft an der<br />
Gökerstraße; 4. Unterhaltung<br />
e<strong>in</strong>er Beratungsstelle für werdende<br />
Mütter, Abhaltung von<br />
Beratungsst<strong>und</strong>en der Säugl<strong>in</strong>gsfürsorgestelle<br />
<strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>in</strong> Bant <strong>und</strong> <strong>in</strong> Neuengroden,<br />
nebst dazugehörigem<br />
Außendienst der <strong>in</strong> der Mütterberatungsstelle<br />
tätigen Säugl<strong>in</strong>gsfürsorgeschwester;<br />
5.<br />
Fortführung des Vortragswesens;<br />
6. Förderung der Jugendpflege<br />
durch Unterstützung der<br />
Lehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igung der Mar<strong>in</strong>ewerft<br />
. . .<br />
Auch für das Werftspeisehaus,<br />
für das Vortragswesen<br />
<strong>und</strong> für die Lehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igung<br />
stellt die Mar<strong>in</strong>eleitung <strong>in</strong> dankenswerter<br />
Weise Geldmittel<br />
zur Verfügung. Dank besonderer<br />
Zuwendungen von dieser<br />
Stelle konnte der Wohlfahrtsvere<strong>in</strong><br />
im Sommer 1930 den<br />
langgehegten Wunsch der Lehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igung<br />
der Mar<strong>in</strong>ewerft,<br />
e<strong>in</strong> eigenes Wochenendhaus<br />
zu besitzen, <strong>in</strong> die Tat umsetzen.<br />
Der Vere<strong>in</strong> kaufte dazu<br />
e<strong>in</strong> am Rande der Schwe<strong>in</strong>ebrücker<br />
Fuhrenkämpe – Landgeme<strong>in</strong>de<br />
Zetel – gelegenes, 1,2<br />
ha großes Gr<strong>und</strong>stück. Am 7.<br />
Juni wurde der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> gelegt,<br />
<strong>und</strong> am 21. September<br />
1930 fand die E<strong>in</strong>weihungsfeier<br />
<strong>und</strong> Übergabe des schmucken,<br />
ganz <strong>in</strong> Kl<strong>in</strong>kern erbauten Heimes<br />
an die Lehrl<strong>in</strong>gsvere<strong>in</strong>igung<br />
der Mar<strong>in</strong>ewerft statt.“<br />
Unbestritten wird der Werftwohlfahrtsvere<strong>in</strong><br />
segensreich<br />
gewirkt haben. Nichtsdestoweniger<br />
wurde den Arbeitern<br />
nichts geschenkt. Lohnkämpfe<br />
<strong>und</strong> harte Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
um Mitbestimmung prägten<br />
den gewerkschaftlichen Kampf,<br />
die Privathaushalte hatten ihre<br />
Not mit den Versorgungsmängeln,<br />
auch wenn sie über Lohne<strong>in</strong>künfte<br />
verfügten. Es herrschte<br />
Wohnungsnot, immense<br />
Teuerung <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit<br />
machten den Arbeiter das Leben<br />
schwer. Hartmut Büs<strong>in</strong>g<br />
<strong>und</strong> andere haben im Band 6<br />
des Historischen Arbeitskreises<br />
des DGB <strong>Wilhelmshaven</strong>,<br />
„Der Deutsche Metallarbeiter-<br />
Verband <strong>und</strong> die Werft <strong>in</strong> Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
<strong>und</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong> zwischen<br />
1918 <strong>und</strong> 1933“ beschrieben,<br />
wie es den Arbeitern<br />
<strong>in</strong> den Jahren 1929 bis 1931<br />
erg<strong>in</strong>g:<br />
„Ab 1929 wurde die Krise <strong>in</strong><br />
den Jadestädten zunehmend<br />
katastrophal. Im Arbeitsamtsbezirk<strong>Wilhelmshaven</strong>-Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
stiegen die Arbeitslosenzahlen<br />
sprunghaft von<br />
3938/1929 auf 7624/1930<br />
(Dezemberwerte). Viele Gewerkschaftsmitglieder<br />
waren<br />
arbeitslos . . .<br />
Es g<strong>in</strong>g nicht mehr um Lohn-<br />
erhöhungen, sondern nur noch<br />
um möglichst ger<strong>in</strong>ge Verdienstm<strong>in</strong>derungen,<br />
Preisstopp<br />
<strong>und</strong> Verh<strong>in</strong>derung bzw. H<strong>in</strong>auszögerung<br />
von Entlassungen.<br />
E<strong>in</strong>e große Anstrengung über<br />
mehrere Monate kostete der<br />
Versuch von Betriebsrat, Teilen<br />
der Belegschaft <strong>und</strong> Gewerkschaften,<br />
durch freiwillige Kurzarbeit<br />
ohne Lohnausgleich rd.<br />
600 Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kollegen<br />
vor der Entlassung zu bewahren.<br />
(Die Belegschaft von Karstadt<br />
versuchte den gleichen<br />
Weg zu gehen.) Der Arbeitgeber<br />
im Reichswehrm<strong>in</strong>isterium h<strong>in</strong>gegen<br />
honorierte diesen Akt der<br />
Solidarität überhaupt nicht, im<br />
Werftlohn-Schiedsspruch vom<br />
19.11.31 wurden die Löhne zusätzlich<br />
<strong>und</strong> erneut, diesmal<br />
um viere<strong>in</strong>halb Prozent herabgesetzt.<br />
In der Krisenzeit stellten sich<br />
Gewerkschafts- <strong>und</strong> auf der<br />
Werft Betriebsratsarbeit immer<br />
schwieriger dar. Die Arbeiterschaft<br />
war gesp<strong>alten</strong> <strong>und</strong> geschwächt,<br />
die Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Kollegen überall <strong>in</strong> Abwehrkämpfe<br />
verwickelt: Kurzarbeit,<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit,<br />
Angst, Hunger <strong>und</strong> Not.<br />
Gleichzeitig ist massiver Abbau<br />
sozialer Sicherungen für die Bevölkerung<br />
<strong>in</strong> weiten Bereichen<br />
sichtbar: Ausfälle bei der Unfallversicherung,<br />
Herunterfahren<br />
der Krankenpflege, Streichung<br />
von Teilen der Witwen- <strong>und</strong> Waisenrenten<br />
sowie des K<strong>in</strong>desgeldes,<br />
Kürzung der Werftrente.“<br />
Das Ende der Kriegsmar<strong>in</strong>ewerft<br />
nach den Zweiten Weltkrieg<br />
bedeutete auch das Ende<br />
des Werftwohlfahrtsvere<strong>in</strong>s.<br />
Das Werftspeisehaus wurde<br />
„bürgerlich“, das „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Bürger-Cas<strong>in</strong>o“. Christa<br />
Wilken aus der Neuender Reihe<br />
12 hat noch persönliche Er<strong>in</strong>nerungen<br />
an das Werftspeisehaus<br />
kurz nach der Kapitulation. Sie<br />
schrieb an die „<strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
<strong>Zeitung</strong>“:<br />
„Das Werftspeisehaus<br />
gegenüber dem historischen<br />
Werfttor 1 war wohl das e<strong>in</strong>zige<br />
bedeutende Saalgebäude, das<br />
den Krieg überstanden hat. Das<br />
Schauspielhaus (Seemannshaus<br />
an der Bismarckstraße/Ecke<br />
Heppenser Straße),<br />
Parkhaus (am Parkmittelweg),<br />
Gesellschaftshaus (an der Bismarckstraße<br />
gegenüber dem<br />
Kurpark), Friedrichshof (Peter-/<br />
Ecke Mitscherlichstraße) <strong>und</strong><br />
das K<strong>in</strong>o Deutsche Lichtspiele<br />
(Gökerstraße gegenüber Margaretenstraße)<br />
waren den Bom-<br />
ben zum Opfer gefallen. E<strong>in</strong>zig<br />
das K<strong>in</strong>o Colosseum im Westen<br />
der Stadt (Marktstraße/Ecke<br />
Werftstraße), von den K<strong>in</strong>dern<br />
Collebum genannt, war verschont<br />
geblieben. Dieses K<strong>in</strong>o<br />
hieß später Schauburg.<br />
Nach der Kapitulation 1945<br />
wurde die Stadt von englischen<br />
<strong>und</strong> polnischen Truppen besetzt.<br />
Der englische Befehlshaber<br />
war der Naval Officer <strong>in</strong><br />
Charge Capt. Conder. Dieser<br />
lud mittels <strong>Zeitung</strong> oder Flugblätter<br />
die Jugend <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Werftspeisehaus.<br />
Man war neugierig <strong>und</strong> so<br />
strömte die Jugend <strong>Wilhelmshaven</strong>s<br />
<strong>in</strong> das Werftspeisehaus,<br />
um zu hören, was der Engländer<br />
1958 weihte der Fabrikant Keßler im Beise<strong>in</strong> zahlreicher Ehrengäste se<strong>in</strong>e Limonade-Fabrik<br />
an der Gökerstraße e<strong>in</strong>.. FOTO: WZ.-BILDDIENST<br />
ihnen zu sagen hatte.<br />
Capt. Conder sprach <strong>in</strong> ausgezeichnetem<br />
Deutsch <strong>und</strong> fasz<strong>in</strong>ierte<br />
die jungen Leute. Nach<br />
se<strong>in</strong>er langen Rede konnte diskutiert<br />
werden.<br />
Cpt. Conder war es auch,<br />
der darauf bestand, dass die<br />
Kaiser-Wilhelm-Brücke, die man<br />
umbenennen wollte, ihren Namen<br />
behielt. Kaiser Wilhelm II<br />
war der Enkel der englischen<br />
König<strong>in</strong> Viktoria, se<strong>in</strong>e Mutter<br />
die älteste Tochter der Queen.<br />
Wilhelm II., der von Geburt an<br />
e<strong>in</strong>en verkürzten l<strong>in</strong>ken Arm hatte<br />
<strong>und</strong> viele ärztliche Behandlungen<br />
über sich ergehen lassen<br />
musste, wurde oft von der<br />
„Oma Queen“ nach England geholt,<br />
wo er e<strong>in</strong>e glücklichere Jugend<br />
verbrachte.<br />
Das Werftspeisehaus wurde<br />
später abgerissen. Warum? –<br />
Man wollte etwas Neues: Coca<br />
Cola.“
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
BombefälltvordieWohnungstür<br />
Drei Generationen der<br />
Familie Stehr lebten im<br />
„Reichsadler“. Das<br />
ehemalige Hotelgebäude<br />
steht heute noch<br />
am Börsenplatz.<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Zur Geschichte<br />
des „Reichsadlers“,<br />
des ehemaligen renommierten<br />
Hotels am Börsenplatz,<br />
schreibt Hildburg Me<strong>in</strong>ers:<br />
„Bereits 1911, also 12 Jahre<br />
nach dem Bau des Reichsadlers,<br />
erwarb me<strong>in</strong> Großvater,<br />
der Kaufmann Wilhelm Stehr,<br />
von Erika Kotte e<strong>in</strong>en Anteil<br />
vom Reichsadler, e<strong>in</strong>getragen<br />
im Februar 1912. Am 26. Okt.<br />
1927 verkaufte er den Anteil an<br />
den Kaufmann Emil Morgenstern,<br />
der offenbar den ganzen<br />
Reichsadler besitzen wollte.<br />
Aber schon 1929 erwarb Wilhelm<br />
Stehr auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es Zuschlagbeschlusses<br />
den gesamten<br />
Reichsadler.<br />
1936 bezogen me<strong>in</strong>e Eltern,<br />
Hermann <strong>und</strong> Hertha Stehr,<br />
e<strong>in</strong>e Wohnung <strong>in</strong> der 2.Etage<br />
des Reichsadlers, die vom E<strong>in</strong>gang<br />
Kieler Straße erreichbar<br />
war. Drei Jahre später wurde ich<br />
geboren, drei Wochen vor Beg<strong>in</strong>n<br />
des zweiten Weltkrieges.<br />
1940 starb me<strong>in</strong> Großvater.<br />
Me<strong>in</strong>e Großmutter Dora Stehr,<br />
geb. Rehberg, wurde als Vorerb<strong>in</strong><br />
der Erbengeme<strong>in</strong>schaft<br />
Stehr Besitzer<strong>in</strong> des Reichsadlers.<br />
Wie mir me<strong>in</strong> Vater später<br />
erzählte, wurde me<strong>in</strong>e Großmutter<br />
nach den ersten Bombenalarmen<br />
von ihrer ältesten<br />
Tochter vorausahnend nach Lüneburg<br />
geholt; das Haus <strong>in</strong> der<br />
Peterstraße, <strong>in</strong> dem sie eigentlich<br />
wohnte, wurde total zerstört.<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> wurde das<br />
Ziel ständiger Angriffe . . . Die<br />
Stadt war weitgehend e<strong>in</strong> Trümmerhaufen,<br />
viele Häuser <strong>in</strong><br />
Schutt <strong>und</strong> Asche, aber der<br />
Reichsadler war stehen geblieben.<br />
Er wurde nur leicht zerstört,<br />
weil e<strong>in</strong>e Bombe durch<br />
das Dach gefallen war, die aber<br />
im Flur auf der zweiten Etage liegen<br />
blieb, genau vor unserer<br />
Wohnungstür, ohne zu zünden.<br />
Glück gehabt!<br />
Auf dem Börsenplatz blühte<br />
gleich nach dem Krieg der<br />
Schwarzmarkt. Wir konnten<br />
vom Fenster aus immer e<strong>in</strong>e<br />
Menschenmenge beobachten,<br />
die unter der Hand D<strong>in</strong>ge<br />
tauschten. Die Menschenmenge<br />
löste sich urplötzlich auf,<br />
wenn Polizisten <strong>in</strong> Sicht waren.<br />
Unten im Reichsadler, l<strong>in</strong>ks<br />
neben unserer Haustür <strong>in</strong> der<br />
Kieler Straße, war der Aufgang<br />
zu e<strong>in</strong>em Lebensmittelladen.<br />
Der Inhaber war e<strong>in</strong> Herr Bracht.<br />
In der Kieler Straße gab es<br />
durch die hohen umliegenden<br />
Wohnhäuser gegenüber vom<br />
Reichsadler viele K<strong>in</strong>der. Autos<br />
<strong>und</strong> Radfahrer gab es so gut wie<br />
ke<strong>in</strong>e. Die Straße gehörte uns.<br />
Me<strong>in</strong>e Großmutter kam nicht<br />
wieder nach <strong>Wilhelmshaven</strong> zu-<br />
rück. Als sie 1952 <strong>in</strong> Lüneburg<br />
starb, g<strong>in</strong>g der Reichsadler an<br />
die Erbengeme<strong>in</strong>schaft Stehr<br />
über, zu der auch Enkelk<strong>in</strong>der<br />
gehörten. Me<strong>in</strong> Vater übernahm<br />
die Verwaltung des Reichsadlers.<br />
Als wir älter wurden kamen<br />
die Hauspartys <strong>in</strong> Mode. So lud<br />
ich e<strong>in</strong>mal zu e<strong>in</strong>er Kellerparty<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong> unserem Hausbunker.<br />
Das war ideal, denn die dicken<br />
Betonwände ließen den Schall<br />
nicht durch. Ab Ende der 50iger-<br />
Jahre stand<br />
e<strong>in</strong>e Wurstbude<br />
auf dem<br />
Börsenplatz.<br />
Als ich heiraten<br />
wollte<br />
<strong>und</strong> im<br />
Reichsadler<br />
e<strong>in</strong>e Wohnung<br />
frei wurde,<br />
hatten wir<br />
den Wunsch, dort e<strong>in</strong>zuziehen.<br />
Das war aber nicht so e<strong>in</strong>fach,<br />
denn frei werdende Wohnungen<br />
mussten dem Wohnungsamt<br />
gemeldet <strong>und</strong> die Vermietung<br />
genehmigt werden. Wohnungen<br />
waren <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong> immer<br />
noch knapp.<br />
1962 wurde unsere Tochter<br />
Petra geboren, genau 100 Jahre<br />
nach der Geburt me<strong>in</strong>es<br />
Großvaters. Jetzt wohnten drei<br />
Generationen der Familie Stehr<br />
im Reichsadler.<br />
Wilhelm Stehr mit dem jüngsten Sohn Hermann<br />
<strong>und</strong> der ältesten Tochter Else mit Familie<br />
bei e<strong>in</strong>em Sonntagsausflug nach Schloss Gödens<br />
1931. FOTO: PRIVAT<br />
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<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 11<br />
Mitte der 60erJahre verkaufte die Familie<br />
Stehrdenehemaligen Reichsadler(dasrote<br />
Gebäuderechts). FOTO: SIEFKEN<br />
1965 kam für den Reichsadler<br />
<strong>und</strong> auch für ihre Bewohner<br />
die große Wende. Die Miterben<br />
drängten schon seit längerer<br />
Zeit zum Verkauf der Immobilie.<br />
Es fand sich e<strong>in</strong> Käufer aus<br />
Bremen, der die großen Wohnungen<br />
<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>ere Wohne<strong>in</strong>heiten<br />
umbauen wollte. Da war für<br />
uns <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Eltern der Zeitpunkt<br />
gekommen, vom Reichsadler<br />
Abschied zu nehmen <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Neubauwohnung zu ziehen.<br />
Nach dem Umbau hatte der<br />
Reichsadler mit se<strong>in</strong>em ursprünglichen<br />
Aussehen kaum<br />
noch Ähnlichkeit. Alle Verzierungen,<br />
der schöne Stuck <strong>in</strong> den<br />
großen <strong>und</strong> hohen Räumen <strong>und</strong><br />
an der äußeren Fassade, waren<br />
abgeschlagen. Glatte verputzte<br />
Wände mit buntem Anstrich<br />
sollten dem Reichsadler e<strong>in</strong><br />
modernes Aussehen geben.<br />
Historisch gewachsen –der Moderne verpflichtet!<br />
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Seite 12 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
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Grüne KolonieamStadtpark<br />
Vor h<strong>und</strong>ert Jahren bezogen<br />
die ersten Siedler<br />
die Häuser <strong>in</strong> der<br />
Stadtparkkolonie. Die<br />
Siedlung hat noch etwas<br />
von ihrem ursprünglichem<br />
Charme.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
ALDENBURG – Zu den wohl<br />
schönsten <strong>und</strong> eigentümlichsten<br />
Wohnsiedlungen <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
zählt die Stadtparkkolonie.<br />
Sie wird 100 Jahre<br />
alt. Im Oktober 1912 zog der<br />
erste Eigentümer, der Werfttechniker<br />
Theodor<br />
Tapken,<br />
hier e<strong>in</strong>.<br />
Die Straße<br />
war<br />
noch nicht<br />
fertig. Bis<br />
weit <strong>in</strong>s<br />
Jahr 1913<br />
quälten<br />
sich die Zuzügler damit, ihre Habe<br />
mit Schlickschlitten <strong>in</strong> ihre<br />
neue Bleibe zu ziehen.<br />
Die Stadtparkkolonie misst<br />
<strong>in</strong> etwa 300 mal 300 Meter <strong>und</strong><br />
ist von dem jungen Rüstr<strong>in</strong>ger<br />
Stadtbaurat Mart<strong>in</strong> Wagner<br />
(1885 – 1957) entworfen worden.<br />
Wagner kam nach se<strong>in</strong>em<br />
Studium an die Jade <strong>und</strong> setzte<br />
während dreier Jahre, 1911 bis<br />
1914, lang nachwirkende architektonische<br />
Akzente <strong>in</strong> der jungen<br />
Stadt Rüstr<strong>in</strong>gen. Er promovierte<br />
1915 über das „sanitäre<br />
Grün“ <strong>in</strong> Städten, wurde danach<br />
Stadtbaurat <strong>in</strong> Schöneberg <strong>und</strong><br />
Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> brachte auch hier,<br />
bis die Nazis ihn kaltstellten,<br />
bedeutende städtebauliche<br />
Projekte voran. Er emigrierte<br />
nach Istanbul <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g später<br />
als Dozent an die Harvard-Universität<br />
<strong>in</strong> die USA.<br />
Wagner war e<strong>in</strong> Anhänger der<br />
englischen Gartenstadt-Idee,<br />
die auf genossenschaftliches<br />
Wohneigentum setzte, um auch<br />
dem „kle<strong>in</strong>en Mann“ zu bezahlbarem<br />
<strong>und</strong> komfortablem<br />
Wohnraum zu verhelfen. Er<br />
spielte später e<strong>in</strong>e große Rolle<br />
im gewerkschaftlichen Wohnungsbau.<br />
In <strong>Wilhelmshaven</strong> <strong>und</strong> Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
herrschte um 1910 große<br />
Wohnungsnot. Das Kaiserreich<br />
rüstete auf, auf der Kaiserlichen<br />
Werft wurden zwischen<br />
1908 <strong>und</strong> 1915/17 die<br />
L<strong>in</strong>ienschiffe „Nassau“ <strong>und</strong><br />
„Ostfriesland“, der Kle<strong>in</strong>e Kreuzer<br />
„Straßburg“, das L<strong>in</strong>ienschiff<br />
„König“ <strong>und</strong> der Große<br />
Kreuzer „H<strong>in</strong>denburg“<br />
gebaut – allesamt<br />
große<br />
Schiffe, die der<br />
englischen Dread-<br />
nought-Klasse Paroli bieten<br />
sollten. Dafür aber musste<br />
auch die Werft vergrößert werden.<br />
Der gesamte Hafen wurde<br />
nach Süden h<strong>in</strong> erweitert. Es<br />
entstand e<strong>in</strong>e neue Schleuse,<br />
die 3. E<strong>in</strong>fahrt. Tausende Menschen<br />
wurden für die Bauarbeiten<br />
gebraucht, <strong>und</strong> alle wollten<br />
sie irgendwo unterkommen –<br />
Alten- <strong>und</strong> Pflegezentrum<br />
Sillenstede GmbH<br />
Lang- <strong>und</strong> Kurzzeitpflege<br />
Ambulante Alten<strong>und</strong><br />
Krankenpflege<br />
Essen auf Rädern &Mittagstisch<br />
viele von ihnen dauerhaft.<br />
Die junge Stadt Rüstr<strong>in</strong>gen,<br />
die 1911 aus dem Zusammenschluss<br />
der Geme<strong>in</strong>den Bant<br />
<strong>und</strong> Neuende sowie der Stadt<br />
Heppens entstanden war, sah<br />
sich <strong>in</strong> der Pflicht, für <strong>neuen</strong><br />
Wohnraum zu sorgen. In Wagner<br />
fand sie den richtigen Mann<br />
für die Durchsetzung ihrer Pläne.<br />
1912 erwarb sie den Oetkenschen<br />
Hof <strong>und</strong> anliegenden<br />
Gr<strong>und</strong>besitz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesamtgröße<br />
von r<strong>und</strong> 72 Hektar <strong>und</strong><br />
überplante diese Fläche mit<br />
dem Stadtpark, dem Ehrenfriedhof<br />
der Mar<strong>in</strong>e <strong>und</strong> der<br />
Stadtparkkolonie. Der HamburgerGartenarchitekt<br />
Leberecht<br />
Migge, der im<br />
Rahmen e<strong>in</strong>es<br />
Wettbewerbs den<br />
Zuschlag für die<br />
Das ehemalige Café Kl<strong>in</strong>dworth gestern <strong>und</strong> heute (rechts).<br />
L<strong>in</strong>ks:dieStadtparkalleevordemKrieg.. FOTO: WZ-BILDDIENST/LÜBBE<br />
Montessori Projekt<br />
Im Alter das<br />
Selbst am<br />
blühen erh<strong>alten</strong><br />
Stadtparkgestaltung erh<strong>alten</strong><br />
hatte, übernahm auch die Planung<br />
für die gärtnerische Gestaltung<br />
der Kolonie.<br />
Vom Altengrodener Weg abzweigend,<br />
durchzieht die Stadtparkallee<br />
die Siedlung <strong>in</strong> der<br />
Mitte, allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>in</strong> gerader<br />
Flucht, sondern mit e<strong>in</strong>em<br />
Versatz <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em leichten<br />
21. Juli 2012<br />
Bogen, so dass sich für das Auge<br />
des Betrachters ke<strong>in</strong>e Monotonie<br />
e<strong>in</strong>stellt. Nördlich <strong>und</strong><br />
südlich zweigen die Holste<strong>in</strong><strong>und</strong><br />
die Gottorpstraße ab, die<br />
dort, wo sie im rechten W<strong>in</strong>kel<br />
abknicken, <strong>in</strong> schöne Platzanlagen<br />
münden.<br />
Die Häuser wurden <strong>in</strong> Typenbauweise<br />
von der Stadt errichtet<br />
<strong>und</strong> zu sehr günstigen Konditionen<br />
an die Anwärter verkauft,<br />
wobei die Gr<strong>und</strong>stücke <strong>in</strong> Erbpacht<br />
vergeben wurden.<br />
Ursprünglich sollte die Siedlung<br />
von privaten Bauträgern errichtet<br />
werden, doch war dafür<br />
die Vorf<strong>in</strong>anzierung nicht sicherzustellen.<br />
Die Siedler<br />
sollten auf<br />
ihren zwischen<br />
600<br />
<strong>und</strong> 1000<br />
Quadratmeter<br />
großen<br />
Gr<strong>und</strong>stückenGemüse<br />
anbauen<br />
<strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>vieh h<strong>alten</strong>. Im Haustyp<br />
I waren Stallung <strong>und</strong> Wohnbereich<br />
unter e<strong>in</strong>em Dach, beim<br />
Haustyp II waren die Stallungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anbau untergebracht.<br />
Die Siedler gründeten schon<br />
1913 den „Vere<strong>in</strong> am Stadtpark“,<br />
e<strong>in</strong>en Bürgervere<strong>in</strong> zur<br />
Selbsthilfe, der beim Erwerb<br />
von Grabeland, Saatgut <strong>und</strong><br />
Dünger half. Er tagte ab 1914<br />
im <strong>neuen</strong> Café Kl<strong>in</strong>dworth,<br />
e<strong>in</strong>em stattlichen Haus an der<br />
Ecke Stadtparkallee/Holste<strong>in</strong>straße,<br />
das e<strong>in</strong> beliebter Anlaufpunkt<br />
für die Stadtpark-Spaziergänger<br />
wurde. Hier spielten<br />
Tanzkapellen auf. Auch viele<br />
Mar<strong>in</strong>esoldaten entdeckten<br />
das Lokal, das etwas Abstand<br />
zu den Kasernen <strong>und</strong> Schiffen<br />
bot.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wurden<br />
etliche der Siedlungshäuser<br />
von Bomben beschädigt, e<strong>in</strong>ige<br />
wurden später durch Neubauten<br />
ersetzt.
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 13<br />
Große Wäsche<strong>in</strong>Weserstraße<br />
BANT/SI – Karl He<strong>in</strong>rich Eiben<br />
verbrachte se<strong>in</strong>e Jugendzeit <strong>in</strong><br />
Bant. Man lebte nicht gerade im<br />
Luxus. Der Krieg brachte Not<br />
<strong>und</strong> Ängste. Der Alltag war mühselig.<br />
Eiben hat Vieles aus dieser<br />
Zeit aufgeschrieben, so<br />
auch se<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungen an die<br />
„große Wäsche“:<br />
„Die heute gebräuchlichen<br />
Waschmasch<strong>in</strong>en waren uns<br />
fremd. Dafür gab es für alle Familien<br />
im Haus im Keller zwei<br />
Waschküchen, vom Hof zu erreichen.<br />
Diese konnten nach<br />
festgelegtem Zeitplan abwechselnd<br />
von den Familien benutzt<br />
werden. In jeder Waschküche<br />
befand sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gemauerten<br />
Ofen e<strong>in</strong>gelassener,<br />
großer<br />
Kupferkessel.<br />
In diesem<br />
wurde<br />
die Wäschegekocht.<br />
Doch <strong>in</strong><br />
diesem<br />
Kessel<br />
wurde<br />
auch unser<br />
Badewasser<br />
heiß<br />
gemacht, denn die Familien<br />
nutzten die Waschküche am<br />
oder zwischen den Waschtagen<br />
als Badezimmer. Man badete <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Holzbottich oder <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>kwanne. Wir K<strong>in</strong>der bedeckten<br />
uns nach dem Bad mit<br />
e<strong>in</strong>em Handtuch, rannten dann<br />
über den Hof durch das Treppenhaus<br />
<strong>in</strong> die Wohnung, um<br />
uns dort richtig abzutrocknen<br />
<strong>und</strong> anzuziehen.<br />
Aber kommen wir noch e<strong>in</strong>mal<br />
zurück auf die Tage, an<br />
denen die Hausfrauen sagten:<br />
Das Eckhaus Weserstraße 178 (früher<br />
Kaiserstraße),vonEibengezeichnet.<br />
„Ich habe heute<br />
große Wäsche.“Zunächstmusste<br />
e<strong>in</strong> Großteil<br />
der Wäsche<br />
über Nacht <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Holzbottich e<strong>in</strong>geweicht<br />
<strong>und</strong> am anderen Morgen gekocht<br />
werden. Dabei füllte sich<br />
der kle<strong>in</strong>e Raum so mit Wasserdampf,<br />
dass man nichts mehr<br />
sah.<br />
Beim nächsten Arbeitsvorgang<br />
wurden e<strong>in</strong>ige Wäschestücke<br />
aus dem kochenden Wasser<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Behälter<br />
getan <strong>und</strong> dort auf e<strong>in</strong>em<br />
Waschbrett gerubbelt oder mit<br />
e<strong>in</strong>er Wurzelbürste oder mit<br />
e<strong>in</strong>em Wäschestampfer bearbeitet.<br />
Dabei kamen die Frauen<br />
sehr <strong>in</strong>s Schwitzen,<br />
<strong>und</strong> so manch<br />
schöne Frisur verlor<br />
dabei ihre Form.<br />
Anschließend<br />
wurde die Wäsche<br />
gespült <strong>und</strong> ausgewrungen.<br />
Dabei<br />
mussten wir K<strong>in</strong>der<br />
manchmal helfen.<br />
Getrocknet wurde<br />
die Wäsche entweder<br />
auf dem Boden<br />
<strong>in</strong> der obersten<br />
Etage des Hauses<br />
oder auf e<strong>in</strong>em Trockenboden,<br />
der <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>terhofhaus<br />
durch<br />
e<strong>in</strong>e eiserne<br />
Außentreppe erreichbar<br />
war. Bei<br />
schönem Wetter<br />
wurden auf dem Hof Le<strong>in</strong>en gezogen<br />
<strong>und</strong> dort die Wäsche aufgehängt.<br />
Damit sie durch das<br />
Eigengewicht nicht auf den Ste<strong>in</strong>en<br />
des Hofes schleifte, wurden<br />
die Le<strong>in</strong>en mit zirka zwei<br />
Meter langen Holzstangen gestützt.<br />
Zu unserem Vergnügen<br />
<strong>und</strong> zum Ärger der Hausfrauen<br />
Blickaufdie<br />
Weserstraße<br />
<strong>in</strong>Bant<br />
(1959).Karl<br />
He<strong>in</strong>rich<br />
Eibenwohnte<br />
<strong>in</strong>demHaus<br />
Weserstraße<br />
178ander<br />
Kreuzung<br />
Werftstraße,<br />
<strong>in</strong>dessenH<strong>in</strong>terhofman<br />
aufder<strong>alten</strong><br />
Luftaufnahme<br />
schaut(oben<br />
rechts).Die<br />
neueAufnahmezeigtdenentgegengesetztenBlick.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
benutzten wir K<strong>in</strong>der diesen<br />
„Wäsche-Irrgarten“ zum Kriegenspielen.<br />
E<strong>in</strong>ige weiße Wäschestücke,<br />
meistens Bettwäsche, wurden<br />
auf e<strong>in</strong>er für St<strong>und</strong>en gemieteten,<br />
unserem Haus gegenüberliegenden<br />
Rasenfläche zum<br />
Bleichen ausgelegt.“
Seite 14 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
Neues LandausderSpülleitung<br />
Über 2500 Hektar neues<br />
Land gewann <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
mit Hilfe<br />
von Spülbaggern für Industrie-<br />
<strong>und</strong> Hafenzwecke.<br />
VON ULRICH RÄCKER-WELLNITZ<br />
WILHELMSHAVEN – Der Vorgang<br />
der Landgew<strong>in</strong>nung lässt sich<br />
beschleunigen, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong><br />
Außendeich gezogen wird, ohne<br />
alle<strong>in</strong> die natürliche Aufschwemmung<br />
abzuwarten.<br />
Stattdessen wird die gewonnene<br />
Fläche größten Teils durch<br />
Aufspülen mit Sand <strong>und</strong><br />
Schlick erhöht <strong>und</strong> kann wesentlich<br />
schneller genutzt werden.<br />
Nicht zuletzt auf diese Methode<br />
setzt man <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>und</strong> begann vor 1938 mit<br />
E<strong>in</strong>deichungs- <strong>und</strong> Aufspülungsarbeiten<br />
nordwestlich der heutigen<br />
IV. E<strong>in</strong>fahrt bis zum <strong>neuen</strong>,<br />
künstlichen Geniusdeich. Vorgesehen<br />
waren die Landflächen<br />
für den Ausbau der Nordwerft,<br />
sowie e<strong>in</strong>en Land- <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Seeflughafen.<br />
Bekanntlich wurden die Planungen<br />
nicht realisiert, die<br />
Arbeiten ruhten während des<br />
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Voslapp<strong>und</strong>der Voslapper Groden1974,imH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>dieneueMobilRaff<strong>in</strong>erie.Rechts:DerersteTankeramNWOAnlegerimNovember1958.<br />
Krieges. Mit erheblichem Aufwand<br />
wurden sie ab Herbst<br />
1946 zunächst am 640 Hektar<br />
(ha) großen Heppenser Groden,<br />
der schon fest e<strong>in</strong>gedeicht<br />
war, fortgesetzt. Es wurde weiter<br />
aufgespült <strong>und</strong> das Land<br />
durch Aussaat salzverträglicher<br />
Pflanzen (u. a. Raps) „entsalzt“.<br />
Viele Jahre er<strong>in</strong>nerte der<br />
„Entensee“, dessen Erhalt z.B.<br />
die Ornithologen forderten, daran,<br />
dass hier ursprünglich offene<br />
See war. Über die hohen<br />
landwirtschaftlichen Erträge im<br />
Heppenser Groden wurde <strong>in</strong> der<br />
•Schimmelpilzsanierung<br />
•Schwammsanierung<br />
•Holzschutz<br />
•Bauwerksabdichtungen<br />
•Taubenabwehr<br />
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FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Presse oft berichtet.<br />
Auf dem Groden siedelten<br />
sich die Nordwest<br />
Oelleitung (NWO) <strong>und</strong> die<br />
B<strong>und</strong>esmar<strong>in</strong>e an, heute s<strong>in</strong>d<br />
zusätzlich die städtische Zentralkläranlage<br />
<strong>und</strong> der neue<br />
Schlachthof dort zu f<strong>in</strong>den.<br />
Nördlich des Heppenser Grodens<br />
wurde etwa ab 1950 die<br />
Landgew<strong>in</strong>nung am Rüstersieler<br />
Watt wieder aufgenommen.<br />
Zunächst sollte im Rahmen von<br />
Notstandsarbeiten das nur mit<br />
e<strong>in</strong>em Busch- oder Schlengendamm<br />
gesicherte Areal nutzbar<br />
gemacht werden. Allerd<strong>in</strong>gs beschleunigte<br />
erst der ab 1963<br />
gebaute fast<br />
drei Kilometer<br />
lange Rüstersieler<br />
Seedeich<br />
zwischen Maadesiel<br />
<strong>und</strong> der<br />
Spitze der LandzungeGeniusdeich<br />
den natürlichen<br />
Prozess<br />
der Landgew<strong>in</strong>nung.<br />
Nun verband<br />
man Landgew<strong>in</strong>nung<br />
<strong>und</strong><br />
Fahrwasservertiefung<br />
mite<strong>in</strong>ander: Baggergut<br />
aus dem Vorhafen der IV. E<strong>in</strong>fahrt<br />
wurde auf das Watt gespült.<br />
Das Wasser aus dem<br />
Spülfluss wurde über vier große<br />
Rohre durch den <strong>neuen</strong> Deich<br />
bei Niedrigwasser <strong>in</strong> die Jade<br />
abgelassen. Hier entstand der<br />
Rüstersieler Groden mit mehr<br />
als 590 Hektar Fläche, auf der<br />
u. a. die Kraftwerke <strong>und</strong> die vormaligen<br />
Alusuisse Werke (heute<br />
Ineos) zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />
Das nächste Flächenwachstum<br />
durch Aufspülung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>deichung<br />
konnte ebenfalls nur<br />
nach Norden erfolgen. Deshalb<br />
entschloss sich das Land Nie-<br />
dersachsen, den Voslapper<br />
Groden, begrenzt im Süden vom<br />
Geniusdeich <strong>und</strong> im Norden<br />
vom Hooksieler Deich, ab 1971<br />
aufzuspülen <strong>und</strong> mit dem 11 Kilometer<br />
langen Voslapper Seedeich<br />
abzuschließen. H<strong>in</strong>ter<br />
diesem Deich gewann man e<strong>in</strong>e<br />
mehr als 1300 Hektar große,<br />
für Industrieansiedlungen vorgesehene,<br />
Neulandfläche<br />
durch Aufspülung von ca. 25<br />
Millionen Kubikmeter Sand <strong>und</strong><br />
Schlick. Noch vor dem offiziel-<br />
len Deichschluss im Dezember<br />
1974 begannen die Bauarbeiten<br />
für die damalige Mobil-Oil<br />
Raff<strong>in</strong>erie, gesichert von e<strong>in</strong>em<br />
provisorischen Querdeich. Wenige<br />
Jahre später folgte ICI<br />
(heute Ineos) mit se<strong>in</strong>em Werk.<br />
Die aktuellste <strong>und</strong> schnellste<br />
Phase der Landgew<strong>in</strong>nung ist<br />
nördlich der Niedersachsenbrücke<br />
zu bew<strong>und</strong>ern. Mit<br />
Sp<strong>und</strong>wänden statt Deichen<br />
wurde hier <strong>in</strong> knapp 54 Monaten<br />
die Fläche des künftigen<br />
Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>als zunächst<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>s Küste im Jahr 2010 mit<br />
Heppenser, Rüstersieler <strong>und</strong> Voslapper Groden.<br />
FOTO: KLAUS SCHREIBER<br />
„e<strong>in</strong>gedeicht“ <strong>und</strong> anschließend<br />
mit über 45 Millionen cbm<br />
Sand aufgespült. Insgesamt<br />
konnten hier 360 ha Neuland<br />
gewonnen werden, wovon entlang<br />
der über 1700 m langen<br />
Kaikante alle<strong>in</strong> 130 ha für den<br />
Conta<strong>in</strong>erumschlag vorgesehen<br />
s<strong>in</strong>d. Für e<strong>in</strong>e Logistik-Zone<br />
s<strong>in</strong>d 160 ha e<strong>in</strong>geplant, der<br />
Rest entfällt auf Verkehrs- <strong>und</strong><br />
sonstige Flächen. Durch die vorgenannten<br />
Grodenflächen – ohne<br />
den JadeWeserPort – wuchs<br />
die Stadt seit 1938 um über<br />
2540 ha, die 1853 von Oldenburg<br />
erworbene Fläche betrug<br />
knapp über 300 ha.
21. Juli 2012<br />
Exponate des ehemaligen<br />
Mar<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Kolonialmuseums<br />
f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der<br />
Abteilung „Souvenirs von<br />
fremden Küsten“ im Küstenmuseum<br />
wieder.<br />
FOTO: KLAUS SCHREIBER/WZ-BILDDIENST<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 15<br />
SouvenirsvonfremdenKüsten<br />
Das Kolonialmuseum<br />
im e<strong>in</strong>stigen Logenhaus<br />
sollte DeutschlandsweltumspannendenHerrschaftsanspruch<br />
unterstreichen.<br />
VON TANJA KWIATKOWSKI<br />
WILHELMSHAVEN – Am 12. Mai<br />
1935 feierten im damaligen<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er Rathaus Ecke<br />
Roon-/Gökerstraße mehr als<br />
h<strong>und</strong>ert geladene Gäste die Eröffnung<br />
des Mar<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Kolonialmuseums.<br />
Es befand sich<br />
zwei Häuser weiter <strong>in</strong> der Rhe<strong>in</strong>straße,<br />
im Gebäude der Freimaurerloge<br />
„Wilhelm zum silbernen<br />
Anker“, das 1934 von<br />
den Nationalsozialisten enteignet<br />
worden war.<br />
Die Museumsgründung <strong>in</strong>itiiert<br />
hatte Friedrich Ronneberger<br />
(1886 - 1968), der 1915 als<br />
Mar<strong>in</strong>epfarrer an die Garnisonkirche<br />
– der heutigen Christus<strong>und</strong><br />
Garnisonkirche – kam. Ronneberger<br />
hatte schon 1928 se<strong>in</strong>e<br />
Ausstellungspläne zur Mar<strong>in</strong>e-<br />
<strong>und</strong> Kolonialgeschichte <strong>in</strong><br />
<strong>Zeitung</strong>sartikeln präsentiert.<br />
Die nationalsozialistische<br />
Stadtverwaltung unterstützte<br />
Ronnebergers Pläne, um das<br />
Museum mit der Er<strong>in</strong>nerung an<br />
glanzvolle Mar<strong>in</strong>ezeiten <strong>und</strong> an<br />
die Kolonien propagandistisch<br />
zu nutzen <strong>und</strong> für die Rückgew<strong>in</strong>nung<br />
der ehemaligen Kolonien<br />
zu werben.<br />
Bei der Beschaffung der Exponate<br />
vermittelte der Mar<strong>in</strong>epfarrer<br />
zwar auch Ankäufe, er<br />
hoffte aber vor allem auf Spenden<br />
aus der <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Bevölkerung. Durch se<strong>in</strong>e Reise<br />
als Mar<strong>in</strong>epfarrer im Jahr 1928<br />
auf dem Kreuzer „Emden“<br />
wusste er, dass sich viele Mar<strong>in</strong>eangehörige<br />
aus den Kolonien<br />
Souvenirs mitbrachten. Auch<br />
Ronneberger selbst hatte e<strong>in</strong>e<br />
Sammlung angelegt <strong>und</strong> über<br />
se<strong>in</strong>e Weltreise e<strong>in</strong> Buch geschrieben.<br />
Se<strong>in</strong> Aufruf an die <strong>Wilhelmshaven</strong>er,<br />
Exponate für e<strong>in</strong> Museum<br />
zu spenden blieb jedoch<br />
ohne den erwarteten Erfolg. So<br />
fehlten ihm noch e<strong>in</strong>en Monat<br />
vor der Museumseröffnung Objekte,<br />
um die er beim Leiter des<br />
Bremer Mar<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Überseemuseums<br />
mit den Worten bat,<br />
se<strong>in</strong>e Schautische gähnten ihn<br />
an wie „hungrige Tropentiere“.<br />
Tatsächlich erhielt Ronneberger<br />
für den Kolonialraum,<br />
den er im vormaligen Tempel<br />
des Logenhauses e<strong>in</strong>richtete,<br />
etliche Leihgaben aus ethnologischen<br />
Sammlungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>,<br />
Bremen <strong>und</strong> Hamburg. Dicht gehängt<br />
<strong>und</strong> gestellt waren Objekte<br />
aus afrikanischen Kolonien,<br />
aus der Südsee <strong>und</strong> aus Ch<strong>in</strong>a<br />
versammelt.<br />
Im Erdgeschoss des Gebäudes<br />
entstand e<strong>in</strong> Mar<strong>in</strong>eraum<br />
mit etlichen Schiffsmodellen<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em großen Standbild<br />
des Großadmirals <strong>und</strong> Ehrenbürger<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>s Alfred<br />
von Tirpitz. Im Obergeschoss<br />
war e<strong>in</strong> weiterer Raum zur Mar<strong>in</strong>egeschichte<br />
mit Modellen,<br />
Wappen, Uniformstücken <strong>und</strong><br />
Dokumenten.<br />
Friedrich Ronneberger sah<br />
im Mar<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Kolonialmuseum<br />
sowohl e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung<br />
zur Schulung von Soldaten als<br />
auch e<strong>in</strong>e touristische Attraktion.<br />
1938 zählte man 33 000<br />
Besucher.<br />
FriedrichRonneberger.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
1941 lagerte man die Exponate<br />
nach Schloss Evenburg bei<br />
Leer aus, e<strong>in</strong>ige Teile kamen<br />
nach Bad Pyrmont. Die meisten<br />
Exponate wurden während des<br />
Krieges zerstört. Der erh<strong>alten</strong>e<br />
Rest gelangte 1946 <strong>in</strong> die Kasernen<br />
am Mühlenweg <strong>und</strong><br />
1951 <strong>in</strong> das neu gegründete<br />
Heimat- <strong>und</strong> Küstenmuseum <strong>in</strong><br />
der Viktoriastraße.<br />
2003, nach der E<strong>in</strong>richtung<br />
des Küstenmuseums <strong>in</strong> der<br />
ehemaligen Jahnhalle, erschlossen<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des<br />
Küstenmuseums erstmals umfassend<br />
die ethnologische<br />
Sammlung. Heute s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>druckvollsten<br />
Teile aus Afrika<br />
<strong>und</strong> der Südsee <strong>in</strong> der Dauerausstellung<br />
des Küstenmuseums<br />
im Bereich „Souvenirs<br />
von fremden Küsten“ zu sehen.<br />
*<br />
Die Autor<strong>in</strong> ist Leiter<strong>in</strong> des Küstenmuseums<br />
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Seite 16 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
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<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
1896eröffnetederKaufmannBernhardBührmanndenNeubause<strong>in</strong>esBekleidungsgeschäftesanderVirchow/EckeViktoriastraße.<br />
Heutestehtaufse<strong>in</strong>en<br />
KriegstrümmerndasGorch<br />
FockHaus.<br />
Mit<strong>Wilhelmshaven</strong> vernäht<br />
Das Gorch-Fock-Haus<br />
steht auf den Trümmern<br />
e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>stiges<br />
Textilkaufhauses. Dieses<br />
prägt heute das<br />
Gesicht der Grenzstraße.<br />
WILHELMSHAVEN/IH – Der Herr<br />
trägt Gehrock, die Dame Glockenrock,<br />
mit vom Korsett betonter<br />
Taille <strong>und</strong> dazu Hüte <strong>in</strong><br />
überdimensionaler Größe, als<br />
der Kaufmann Bernhard Bührmann<br />
am 3. Oktober 1888 an<br />
der Ecke Börsen-/Virchowstraße<br />
das „Special-Geschäft von<br />
fertigen Confektionsartikeln“<br />
gründete.<br />
Das Fleckchen aufgespülte<br />
Erde, auf dem Preußen se<strong>in</strong>en<br />
Kriegshafen baute, hatte sich<br />
zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Schmuckstück<br />
entwickelt, <strong>in</strong> dem das gesellschaftliche<br />
Leben immer<br />
mehr erblühte. Liest man die<br />
Aufzeichnungen der Chronist<strong>in</strong><br />
Louise von Krohn, sorgten Kas<strong>in</strong>obesuche,<br />
Clubabende, hübsche<br />
Feste <strong>und</strong> nicht zuletzt regelmäßige<br />
Kaiserbesuche für<br />
Abwechslung bei den Bessergestellten,<br />
für die man entsprechend<br />
gekleidet se<strong>in</strong> wollte.<br />
Das Konfektionshaus war<br />
erfolgreich <strong>und</strong> zog bereits<br />
1896 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Neubau um. 45<br />
Jahre stand das bee<strong>in</strong>druckende<br />
Gebäude an der Viktoriastraße,<br />
dort wo sich heute das<br />
Gorch-Fock-Haus bef<strong>in</strong>det. Der<br />
Hügel, auf dem das heutige Soldatenheim<br />
steht, hat se<strong>in</strong>en Ursprung<br />
<strong>in</strong> den Trümmern des<br />
1941 von Bomben vollständig<br />
zerstörten Mode-Kaufhauses.<br />
1943 wurde Bartsch & von<br />
der Brelie von den Kaufleuten<br />
He<strong>in</strong>rich Pe<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Josef Klauke<br />
übernommen. In den Nachkriegsjahren<br />
beg<strong>in</strong>nt He<strong>in</strong>rich<br />
Pe<strong>in</strong>e mit der Anzugsproduktion.<br />
Gleichzeitig schlägt die Geburtsst<strong>und</strong>e<br />
für e<strong>in</strong> Bekleidungsunternehmen,<br />
das aus<br />
der Zusammensetzung der Namen<br />
Bartsch <strong>und</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
den Namen BAWI erhält.<br />
1960 entsteht im Zentrum<br />
der Stadt unmittelbar h<strong>in</strong>ter<br />
dem Rathaus e<strong>in</strong> Geschäftshaus<br />
mit Bekleidungsnäherei<br />
(BAWI) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zelhandelsgeschäft<br />
für Mode, dessen<br />
ersten Spatenstich sich der<br />
Hausherr selber vorbehielt. Das<br />
Modehaus Bartsch bezieht hier<br />
e<strong>in</strong>e moderne Ladenfläche mit<br />
großer Schaufensterfront entlang<br />
der Grenzstraße.<br />
Im November 1960 wird<br />
nach nur etwas mehr als e<strong>in</strong>jähriger<br />
Bauzeit E<strong>in</strong>weihung gefeiert,<br />
was damals e<strong>in</strong> Ereignis<br />
von großer Wichtigkeit gewesen<br />
se<strong>in</strong> muss. Als „Zeitzeuge“<br />
stand zur Eröffnung nicht nur<br />
e<strong>in</strong> VW Käfer im Schaufenster:<br />
Auf der Gästeliste des Festprogramms<br />
f<strong>in</strong>den sich Namen wie<br />
Carlo Graff – damaliger Niedersächsischer<br />
M<strong>in</strong>ister für Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Verkehr, Stadtdirek-<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST/KNOTHE<br />
tor Arthur Grunewald <strong>und</strong> der<br />
stellvertretende Präsident des<br />
deutschen Verbandes Gesamttextil,<br />
Pietzke.<br />
Auch am <strong>neuen</strong> Standort erlebte<br />
das Modehaus Höhen <strong>und</strong><br />
Tiefen. So eröffnete das durch<br />
e<strong>in</strong>en Großbrand schwer beschädigte<br />
Modehaus unter der<br />
Aufwendung von r<strong>und</strong> 10 Millionen<br />
DM am 1. September 1990<br />
<strong>in</strong> neuem Glanz. Mit e<strong>in</strong>er weiteren<br />
Investition von vier Millionen<br />
DM wird die Verkaufsfläche<br />
1996 verdoppelt.<br />
E<strong>in</strong> paar Jahre später wird<br />
Bartsch zum Kernstück des<br />
<strong>neuen</strong> Bartsch-Carrés. Wo e<strong>in</strong>st<br />
Nähmasch<strong>in</strong>en ratterten, praktizieren<br />
heute Ärzte <strong>und</strong> Apotheker.<br />
Zum Januar dieses Jahres<br />
übernahm Dieter Vogel als neuer<br />
Inhaber das Modehaus.<br />
L<strong>in</strong>ks:Spatenstichfürden<br />
NeubaudesBawiBekleidungswerksanderGrenzstraße.E<strong>in</strong>Jahr,1960,späterwirdE<strong>in</strong>weihunggefeiert.<br />
FOTO: PRIVAT
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Der Pr<strong>in</strong>z<strong>und</strong>se<strong>in</strong>Hafen<br />
Seit 130 Jahren thront<br />
Pr<strong>in</strong>z Adalbert auf se<strong>in</strong>em<br />
Denkmal-Sockel.<br />
Er hatte die Idee, an<br />
der Jade e<strong>in</strong>en preußischen<br />
Kriegshafen anzulegen.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
WILHELMSHAVEN – Ungefähr 65<br />
Denkmäler <strong>und</strong> Skulpturen<br />
schmücken öffentlich zugängliche<br />
Anlagen <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Das älteste Denkmal ist das<br />
vom Pr<strong>in</strong>zen Adalbert. Er thront<br />
seit 1882 auf marmornem Sockel<br />
<strong>in</strong> der Prachtallee Adalbertstraße.<br />
Das Denkmal er<strong>in</strong>nert<br />
damit den Vordenker e<strong>in</strong>er<br />
deutschen bzw. preußischen<br />
Mar<strong>in</strong>e, e<strong>in</strong>en ihrer ersten Befehlshaber<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en der Gründungsväter<br />
des Mar<strong>in</strong>eetablissements<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Der Berl<strong>in</strong>er Bildhauer Karl<br />
Schuler lieferte den Entwurf.<br />
Der 2,50 m hohe Marmorsockel<br />
hat auf jeder Seite e<strong>in</strong> Relief.<br />
Das vordere zeigt den preußischen<br />
Adler, l<strong>in</strong>ks <strong>und</strong> rechts<br />
s<strong>in</strong>d Geburtsdatum <strong>und</strong> Sterbedatum<br />
des Pr<strong>in</strong>zen vermerkt.<br />
Auf der Rückseite liest man:<br />
„Ihrem verewigten / Oberbefehlshaber<br />
/ Dem Admiral /<br />
Pr<strong>in</strong>zen Wilhelm / He<strong>in</strong>rich Adalbert<br />
/ von Preussen / In dankbarer<br />
Er<strong>in</strong>nerung / Die Kaiserliche<br />
Mar<strong>in</strong>e“. Die E<strong>in</strong>weihung<br />
des Denkmals erfolgte am 16.<br />
September 1882. F<strong>in</strong>anziert<br />
wurde es aus freiwilligen Beiträgen<br />
der Offiziere, Beamten <strong>und</strong><br />
Mannschaften der Kaiserlichen<br />
Mar<strong>in</strong>e.<br />
Die drei Meter hohe Bronzefigur,<br />
die nicht wie andere Skulpturen<br />
<strong>und</strong> Kirchenglocken im<br />
Ersten Weltkrieg wieder e<strong>in</strong>geschmolzen<br />
<strong>und</strong> zu Munition verarbeitet<br />
wurde, anders als das<br />
Bismarck-Denkmal auf dem Bismarckplatz<br />
auch den Bombenhagel<br />
im Zweiten Weltkrieg<br />
überdauerte, soll Anlass geben,<br />
auf die Umstände, die zur<br />
Gründung <strong>Wilhelmshaven</strong>s<br />
führten, e<strong>in</strong>zugehen.<br />
Pr<strong>in</strong>z Adalbert von Preußen,<br />
�<br />
�<br />
Das Denkmal für den Pr<strong>in</strong>zen Adalbert steht jetzt 130 Jahre<br />
anse<strong>in</strong>emPlatz. WZ-FOTO: KNOTHE<br />
Für alle die vor Schmerzen am liebsten<br />
auf den Händen laufen würden •••<br />
...WIR<br />
br<strong>in</strong>gen Sie wieder<br />
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� �<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 17<br />
Sohn von Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> Marianne<br />
<strong>und</strong> Pr<strong>in</strong>z Wilhelm, dem jüngsten<br />
Bruder König Friedrich Wilhelms<br />
III., <strong>und</strong> wurde am 29.<br />
Oktober 1811 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> geboren.<br />
Er g<strong>in</strong>g zum Militär, diente<br />
beim Heer <strong>und</strong> der Artillerie.<br />
Zwischen 1826 <strong>und</strong> 1842 lernte<br />
er auf mehreren (See)-Reisen<br />
die Niederlande, Großbritannien,<br />
Russland, die Türkei, Griechenland<br />
<strong>und</strong> Brasilien kennen.<br />
Es war die Zeit des Kolonialismus.<br />
Adalbert sah die strategische<br />
<strong>und</strong> wirtschaftliche Bedeutung<br />
der Seefahrt. Für ihn<br />
stand fest, dass Preußen e<strong>in</strong>e<br />
Mar<strong>in</strong>e brauche. So skizzierte<br />
er 1835/36 e<strong>in</strong>en ersten Flottenplan<br />
für die norddeutsche<br />
Landmacht. Preußen hatte sich<br />
bis dah<strong>in</strong> auf drei B<strong>und</strong>esfürsten,<br />
die als Monarchen von<br />
Staaten außerhalb des Deutschen<br />
B<strong>und</strong>es große Flotten besaßen<br />
verlassen: Der König von<br />
Hannover war bis 1837 zugleich<br />
König von Großbritannien, der<br />
Großherzog von Luxemburg war<br />
König der Vere<strong>in</strong>igten Niederlande<br />
<strong>und</strong> der Herzog von Holste<strong>in</strong><br />
war König von Dänemark.<br />
Bereits unmittelbar nach<br />
dem Beg<strong>in</strong>n des Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen<br />
Krieges 1848 zeigte<br />
sich das Scheitern dieses<br />
sparsamen Seeverteidigungskonzeptes,<br />
denn die Könige von<br />
Großbritannien <strong>und</strong> der Niederlande<br />
waren <strong>in</strong>zwischen nicht<br />
mehr deutsche B<strong>und</strong>esfürsten<br />
<strong>und</strong> Dänemark hatte sich zum<br />
Kriegsgegner gewandelt. Die<br />
völlige Waffenlosigkeit zur See<br />
war Gr<strong>und</strong> dafür, dass Dänemark<br />
den militärischen Kräften<br />
der norddeutschen Staaten <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong>sbesondere Preußens wirksam<br />
entgegentreten konnte.<br />
Es genügte e<strong>in</strong>e dänische<br />
Fregatte bei Helgoland, um damit<br />
sämtliche norddeutschen<br />
Häfen zu blockieren <strong>und</strong> die<br />
Handelsschifffahrt zum Erliegen<br />
zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Dies war Wasser auf die<br />
Mühlen der deutschen Nationalbewegung,<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er der ersten<br />
Beschlüsse der Nationalversammlung<br />
<strong>in</strong> der Frankfurter<br />
Paulskirche, die noch um e<strong>in</strong>e<br />
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Seite 18 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
VonderDenkschriftzum Hafenbau<br />
Fortsetzung von Seite 17<br />
e<strong>in</strong>e deutsche Reichsverfassung<br />
rang, war, e<strong>in</strong>e deutsche<br />
Reichsflotte aufzustellen. Pr<strong>in</strong>z<br />
Adalbert wurde die Leitung der<br />
Technischen Mar<strong>in</strong>ekommission<br />
übertragen. Er hatte für<br />
die Versammlung e<strong>in</strong>e Denkschrift<br />
verfasst, <strong>in</strong> der er das oldenburgische<br />
Heppens für die<br />
Etablierung e<strong>in</strong>es Mar<strong>in</strong>ehafens<br />
vorschlug. Die Nationalversammlung<br />
setzte e<strong>in</strong>e Kommisssion<br />
e<strong>in</strong>, die sich an der Jade<br />
umsah.<br />
Doch e<strong>in</strong>er schnellen Umsetzung<br />
des Beschlusses stand<br />
die Abgelegenheit des Heppenser<br />
Fährhucks entgegen. So<br />
wurde die erste gesamtdeutsche<br />
Mar<strong>in</strong>e, die Reichsflotte,<br />
<strong>in</strong> Brake stationiert. Pr<strong>in</strong>z Adalbert<br />
wurde von Fregattenkapitän<br />
Karl Rudolf Bromme, genannt<br />
Brommy, abgelöst. Dieser<br />
wurde 1849 zum Konteradmiral<br />
befördert <strong>und</strong> bekam den<br />
Oberbefehl übertragen. Die<br />
Reichsmar<strong>in</strong>e focht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />
Mal -- vor Helgoland <strong>in</strong> britischen<br />
Hoheitsgewässern. Die<br />
Briten aber wollte man nicht<br />
über Gebühr ärgern, weswegen<br />
die „SMS Barbarossa“ das Gefecht<br />
vorsichtshalber abbrach.<br />
Das Scheitern der Revolution<br />
<strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> die divergierenden<br />
Interessen der<br />
deutschen Fürsten führten zum<br />
Ende dieser ersten deutschen<br />
Flotte, deren Schiffe ab 1852<br />
unter Wert verscherbelt wurden.<br />
Pr<strong>in</strong>z Adalbert hatte sich derweil<br />
bereits um den Aufbau<br />
e<strong>in</strong>er preußischen Mar<strong>in</strong>e gekümmert<br />
-- trotz <strong>in</strong>nen- <strong>und</strong><br />
außenpolitischer Widerstände.<br />
Preußen kaufte größere<br />
Schiffe im Ausland <strong>und</strong> baute<br />
kle<strong>in</strong>ere auf eigenen Werften.<br />
Das erste masch<strong>in</strong>engetriebene<br />
Kriegsschiff, das auf e<strong>in</strong>er<br />
preußischen Werft gebaut wurde,<br />
war 1851 die Radkorvette<br />
„Danzig“. Zugleich verfolgte<br />
Adalbert den Plan, im Oldenburgischen<br />
Heppens e<strong>in</strong> preußisches<br />
Mar<strong>in</strong>e-Etablissement<br />
e<strong>in</strong>zurichten. Das auch im W<strong>in</strong>ter<br />
eisfreie, tiefe, leidlich sturmgeschützte<br />
Fahrwasser, sprach<br />
ebenso für diesen verlassenen<br />
W<strong>in</strong>kel wie der Umstand, das<br />
e<strong>in</strong> Hafen bei Heppens sich<br />
leicht von Land-Batterien aus<br />
gegen herannahende fe<strong>in</strong>dliche<br />
Schiffe schützen ließe.<br />
Die Pläne Preußens fanden<br />
beim Oldenburger Großherzog<br />
Gefallen. Ihm nutzte der zunächst<br />
geheim geh<strong>alten</strong>e Vertrag<br />
über den Verkauf se<strong>in</strong>er<br />
Heppenser Landesteile gleich<br />
<strong>in</strong> dreifacher H<strong>in</strong>sicht.<br />
Erstens fand er <strong>in</strong><br />
Preußen e<strong>in</strong>en<br />
Das Mar<strong>in</strong>eStationsgebäude stand am Ende des AdalbertplatzesanderViktoriastraße.EswarDienstgebäudedesChefs<br />
der Mar<strong>in</strong>estation der Nordsee. Das im Volksm<strong>und</strong> als „Wei-<br />
Am Ende des Adalbertplatzes stand früher das Stationsgebäude.HeuteistderBereichTeildesParks.<br />
WZ-FOTO: KNOTHE<br />
starken Verbündeten gegen das<br />
Königreich Hannover, das ihm<br />
den Bau e<strong>in</strong>er Eisenbahn nach<br />
Süden verwehrte <strong>und</strong> so das<br />
Herzogtum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er wirtschaftlichen<br />
Entwicklung hemmte.<br />
Zweitens übernahm Preußen<br />
Oldenburgs Seeverteidigung<br />
<strong>und</strong>, drittens, gab es e<strong>in</strong>e hübsche<br />
Summe Geld, mit der sich<br />
Oldenburg aus dem leidigen<br />
Bent<strong>in</strong>ckschen Erbfolgestreit<br />
um Varel <strong>und</strong> Kniphausen herauskaufen<br />
konnte.<br />
So kam es denn am 23. November<br />
1854 zur legendären<br />
Vertragsunterzeichnung. Dafür<br />
reiste Admiral Pr<strong>in</strong>z Adalbert,<br />
der Oberbefehlshaber der<br />
preußischen Mar<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Admiral<br />
der Preußischen Küsten „<strong>in</strong><br />
der offenen Kutsche des Händlers<br />
Friedrich Hartwig Lohe von<br />
Mariensiel aus über die flache<br />
Marsch zum Fährhuck“, wie<br />
Mart<strong>in</strong> We<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch<br />
21. Juli 2012<br />
„Stadt wider Willen“ schreibt.<br />
Das Wetter an diesem Tag<br />
war scheußlich. Für die Zeremonie<br />
der Vertragsunterzeichnung<br />
hatte die preußische Admiralitätskommission<br />
an der<br />
ehemaligen französischen Batterie<br />
e<strong>in</strong> Zelt aufstellen lassen.<br />
„An e<strong>in</strong>em hölzernen Schreibpult<br />
unterzeichneten im Auftrag<br />
des Großherzogs Nikolaus<br />
Friedrich Peter von Oldenburg<br />
der Innenm<strong>in</strong>ister Karl Friedrich<br />
von Berg sowie Pr<strong>in</strong>z Adalbert<br />
als Abgesandter des preußischen<br />
Königs Friedrich Wilhelm<br />
IV. die Übergabeprotokolle“, so<br />
We<strong>in</strong> weiter. Nebenbei bemerkt:<br />
Nach dem Großherzog ist die<br />
Peterstraße benannt.<br />
Der Inhalt des Vertrags blieb<br />
zunächst geheim. Zunächst e<strong>in</strong>mal<br />
musste das Land auch privatrechtlich<br />
von den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Gr<strong>und</strong>eigentümern erworben<br />
werden. Am Ende des Jahrzehnts<br />
aber g<strong>in</strong>g die Buddelei<br />
für den Hafen los.<br />
In dem von vornhere<strong>in</strong> für<br />
das Vorhaben viel zu kle<strong>in</strong> bemessenen<br />
Gebiet von 160 Hektar<br />
Größe lebten damals 23 Familien<br />
mit <strong>in</strong>sgesamt 123 Personen<br />
<strong>in</strong> 19 Häusern. Sie durften<br />
sich aussuchen, ob sie Oldenburger<br />
bleiben oder Preußen<br />
werden wollten.<br />
Tausende Hafenbauarbeiter<br />
schufteten, gruben sich mit<br />
Spaten <strong>in</strong> den Schlick, den sie<br />
<strong>in</strong> langen Kolonnen schubkarrenweise<br />
auf dem übrigen Gelände<br />
verteilten. Der Hafenbau<br />
geriet zum technischen W<strong>und</strong>erwerk<br />
se<strong>in</strong>er Zeit.<br />
Fortsetzung auf<br />
Seite 19<br />
ßes Schloss“ bezeichnete Gebäude wurde 1872 im Stil der<br />
englischenGotikerrichtet<strong>und</strong>1944durchBombenvollständig<br />
zerstört. FOTO: WZ-BILDDIENST
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 19<br />
Am 23. November 1854übergabderoldenburgischeM<strong>in</strong>isterFreiherrvonBergdemPr<strong>in</strong>zenAdalbertvonPreußenalsSymbol<br />
derGebietsabtretungOldenburgsanPreußene<strong>in</strong>eErdscholle.Seitdemgest<strong>alten</strong>HafenbauarbeiterdieKüsteimmerwiederneu.<br />
Gedenkste<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nertanNamensgebung<br />
Fortsetzung von Seite 18<br />
„Was als deutschlandpolitischer<br />
Alle<strong>in</strong>gang Preußens begonnen<br />
hatte, war 1869 bereits<br />
e<strong>in</strong> gesamtdeutsches, genauer<br />
gesagt, norddeutsches Anliegen<br />
geworden“, erklärte Professor<br />
Dr. Werner Knopp, Präsident<br />
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz<br />
Berl<strong>in</strong>, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag<br />
zum Stadtjubiläum 1994.<br />
Knopp weiter: „Bismarck . . .<br />
war 1862 <strong>in</strong> Preußen an die<br />
Macht gekommen <strong>und</strong> hatte<br />
über zwei Kriege Preußen zur<br />
Vormacht des Norddeutschen<br />
B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> damit des um Österreich<br />
reduzierten Deutschlands<br />
aufsteigen lassen.<br />
Beide Kriege hatten das Projekt<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> begünstigt:<br />
der 1864 gegen Dänemark,<br />
weil er die Notwendigkeit deut-<br />
Wir<br />
zeigen Ihnen<br />
wo die<br />
Mode<br />
lang<br />
geht!<br />
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scher Seemacht drastisch vor<br />
Augen führte, <strong>und</strong> der von 1866<br />
gegen Österreich <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<br />
deutschen Verbündeten, weil er<br />
Hannover preußisch werden<br />
ließ <strong>und</strong> damit die Blockade des<br />
für Oldenburg <strong>und</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
gleichermaßen wichtigen<br />
Eisenbahnbaues nach Süden<br />
beseitigte.<br />
Der nach dem Krieg entstandene<br />
Norddeutsche B<strong>und</strong> erklärte<br />
die Mar<strong>in</strong>e zur B<strong>und</strong>essache,<br />
<strong>und</strong> da seit der Luxemburg-<br />
Krise 1867 e<strong>in</strong> Konflikt mit<br />
Frankreich gewissermaßen <strong>in</strong>s<br />
Haus stand, rückte auch die<br />
Notwendigkeit wirksamen Küstenschutzes<br />
noch stärker <strong>in</strong>s<br />
Blickfeld.“<br />
Wie bedeutend die Aufrüstung<br />
zur See e<strong>in</strong>geschätzt wurde,<br />
machte deutlich, dass die<br />
PROGAS<br />
komplette preußische Staatsspitze<br />
zur Tauffeier <strong>Wilhelmshaven</strong>s<br />
am 17. Juni 1869 an<br />
die Jade ausgerückt war. An diesen<br />
Festakt auf dem nördlichen<br />
Molenkopf der ehemaligen 2.<br />
Hafene<strong>in</strong>fahrt er<strong>in</strong>nert e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s<br />
Pflaster e<strong>in</strong>gelassener Gedenkste<strong>in</strong>.<br />
Die Engländer machten dazu<br />
damals noch gute Miene, war ja<br />
der preußische Thronerbe mittlerweile<br />
mit der ältesten Tochter<br />
Queen Victorias verheiratet, die<br />
wiederum mit Pr<strong>in</strong>z Albert von<br />
Sachsen-Coburg e<strong>in</strong>en Deutschen<br />
zum Mann hatte. Sie<br />
schickten das Panzerschiff „M<strong>in</strong>otaur“,<br />
das allerd<strong>in</strong>gs, welch<br />
e<strong>in</strong> Omen, das Boot, mit dem<br />
König Wilhelm zur Begrüßung<br />
übergesetzt war, mit e<strong>in</strong>em Salutschuss<br />
fast versenkte.<br />
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ARCHIV: WZ-BILDDIENST<br />
Doch zurück zum Pr<strong>in</strong>zen<br />
Adalbert, der während des<br />
Deutsch-Dänischen Krieges<br />
das Ostseegeschwader befehligt<br />
hatte, ohne <strong>in</strong> den Konflikt<br />
e<strong>in</strong>greifen zu können, <strong>und</strong> danach<br />
den Oberbefehl über die<br />
Mar<strong>in</strong>e des Norddeutschen<br />
B<strong>und</strong>es übernahm.<br />
Nach dem Deutsch-Französischen<br />
Krieg 1870/71 zog sich<br />
Adalbert aus der Leitung der<br />
jetzt kaiserlichen Mar<strong>in</strong>e zurück.<br />
Verheiratet war der Pr<strong>in</strong>z mit<br />
der Tänzer<strong>in</strong> Therese Eißler. König<br />
Friedrich Wilhelm IV erhob<br />
sie zur Freifrau von Barnim.<br />
1873 starb Adalbert während<br />
e<strong>in</strong>es Kuraufenthaltes <strong>in</strong> Karlsbad<br />
an e<strong>in</strong>em Leberleiden. Die<br />
Beisetzung fand im Berl<strong>in</strong>er<br />
Dom statt.<br />
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Seite 20 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
Traume<strong>in</strong>erWebmasch<strong>in</strong>enfabrik<br />
Mit der Firma Schlafhorst<br />
verbanden sich<br />
vor 40 Jahren große<br />
Hoffnungen für <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Die Träume<br />
platzten schnell.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
VOSLAPP – Mit der sicheren Erwartung<br />
e<strong>in</strong>er blühenden Zukunft<br />
startete vor 40 Jahren der<br />
Textilmasch<strong>in</strong>enhersteller<br />
Schlafhorst se<strong>in</strong>e neue Produktionsstätte<br />
<strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Am 28. Juni 1972 feierte<br />
man an der Flutstraße die E<strong>in</strong>weihung<br />
der <strong>neuen</strong> Fabrik. Die<br />
Geschäftsleitung war sich zu<br />
diesem Zeitpunkt noch sicher,<br />
demnächst schon erweitern zu<br />
müssen. Es kam anders. Ke<strong>in</strong>e<br />
zehn Jahre später war die Fabrik<br />
schon wieder e<strong>in</strong>gemottet. Zwischen<br />
1971 <strong>und</strong> 1981 verlor<br />
die Textil<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Deutschland<br />
nach Branchenangaben<br />
r<strong>und</strong> 40 Prozent ihrer Arbeitsplätze.<br />
200 000 Stellen g<strong>in</strong>gen<br />
<strong>in</strong> diesem Industriezweig se<strong>in</strong>erzeit<br />
verloren.<br />
Die Fabrikhallen beherbergen<br />
heute <strong>Wilhelmshaven</strong>s<br />
größten Verbrauchermarkt. Im<br />
April 1990 eröffnete hier<br />
„Marktkauf“. Zuvor hatte es<br />
heftige politische Diskussionen<br />
über das Für <strong>und</strong> Wider e<strong>in</strong>es<br />
E<strong>in</strong>kaufszentrums auf der „grünen<br />
Wiese“ gegeben. Der Kompromiss:<br />
Marktkauf musste<br />
Sortimentsbeschränkungen akzeptieren.<br />
„Die Textilmasch<strong>in</strong>enfabrik<br />
W. Schlafhorst & Co an der Flutstraße<br />
soll allerschnellstens erweitert<br />
werden. Die siebzigprozentige<br />
Vergrößerung wird gegebenenfalls<br />
schon im August dieses<br />
Jahres begonnen werden.“<br />
Das kündigte Firmenchef<br />
Dr.-Ing. Walter Re<strong>in</strong>ers 1972 bei<br />
der offiziellen Eröffnung des <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Zweigwerks an.<br />
Die „<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong>“<br />
zitierte ihn damals wörtlich:<br />
„Wenn der zweite Bauabschnitt<br />
fertiggestellt <strong>und</strong> mit dem notwendigen<br />
Masch<strong>in</strong>enpark versehen<br />
se<strong>in</strong> wird, kann er über<br />
500 Arbeitskräfte aufnehmen.“<br />
Das Zweigwerk der Firma<br />
Schlafhorst wurde ab April<br />
1971 <strong>in</strong> neun Monaten gebaut<br />
<strong>und</strong> hatte e<strong>in</strong>e Produktionsfläche<br />
von über 8000 Quadratme-<br />
ter sowie Büro- <strong>und</strong> Sozialräume<br />
von 2000 Quadratmeter.<br />
Errichtet worden war das<br />
Fabrikgebäude von der Abteilung<br />
Bauwesen der AEG. Sie<br />
sollte auch den zweiten Bauabschnitt<br />
erstellen.<br />
In erster L<strong>in</strong>ie sollte an der<br />
Flutstraße die neuartige Wirkmasch<strong>in</strong>e<br />
Turbotex, die 1971<br />
auf e<strong>in</strong>er Fachmesse <strong>in</strong> Paris<br />
großes Aufsehen erregt hatte,<br />
<strong>in</strong> Serie gebaut werden. Mit dieser<br />
Masch<strong>in</strong>e konnten besonders<br />
rationell neuartige Maschenstoffe<br />
hergestellt werden.<br />
Schlafhorst <strong>in</strong>vestierte <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er Werk bis<br />
1979 r<strong>und</strong> 28 Millionen Mark.<br />
Die Fabrik beschäftigte r<strong>und</strong><br />
250 Mitarbeiter. 1980 wurde<br />
der Betrieb nach Mönchenglad-<br />
Vor40Jahreneröffneteder<br />
Textilmasch<strong>in</strong>enHersteller<br />
Schlafhorst<strong>in</strong>derheutigen<br />
„Marktkauf“Halle(aufdem<br />
FotodasgelbeGebäude)<br />
se<strong>in</strong>eFabrik.DerE<strong>in</strong>bruch<br />
derTextil<strong>in</strong>dustrie<strong>in</strong>den<br />
folgendenJahrenmachtedie<br />
großgewebtenTräumenach<br />
wenigenJahrenzunichte.<br />
Schlafhorstmusstese<strong>in</strong>e<br />
Fabrikhierwiederschließen.<br />
WZ-FOTO: LÜBBE<br />
bach verlegt, der Betrieb <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
stillgelegt. Verkauf<br />
<strong>und</strong> Vermietung der Anlage<br />
scheiterten. 1981 nutzte e<strong>in</strong><br />
Veranstalter die leere Halle für<br />
die Durchführung der „Nord-<br />
West-Schau“.<br />
Im Oktober 1981 wurden die<br />
Gebäude von der Jade Recycl<strong>in</strong>g<br />
GmbH übernommen, die<br />
hier Altmaterial für die Wiederverwertung<br />
sortierte.<br />
Die Firma Schlafhorst war<br />
1882 <strong>in</strong> Mönchengladbach gegründet<br />
worden. Sie übernahm<br />
1968 die <strong>Wilhelmshaven</strong>er Textilmasch<strong>in</strong>enfabrik<br />
Barfuß, vormals<br />
Scholte, <strong>und</strong> deren Herstellerrechte<br />
für Wirkmasch<strong>in</strong>en.<br />
Diese hatte ihre Betriebsstätte<br />
bis dah<strong>in</strong> an der Freiligrathstraße.<br />
1972errichtetedieFirmaSchlafhorste<strong>in</strong>eneue FabrikanderFlutstraße.DerTextilmasch<strong>in</strong>enherstellermusstedenStandortaberbaldschonwiederaufgeben.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
„Allesneu<strong>und</strong> funktional“<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> 1887 –<br />
e<strong>in</strong> englischer Segler<br />
sucht Schutz vor dem<br />
Sturm. E<strong>in</strong> Reisebericht.<br />
WILHELMSHAVEN – Im Jahr 1887<br />
reiste der englische Autors E. F.<br />
Knight mit dem Segelschiff<br />
„Falcon“ die holländische,<br />
deutsche <strong>und</strong> dänische Küste<br />
entlang. Dabei kam er auch <strong>in</strong><br />
das im Aufbau bef<strong>in</strong>dliche <strong>Wilhelmshaven</strong>.<br />
Se<strong>in</strong>e Reisebeschreibung<br />
ist jetzt <strong>in</strong> deutscher<br />
Übersetzung im Tidenhub-Verlag<br />
Norderney erschienen. Ole<br />
West hat das Buch illustriert. Es<br />
stößt <strong>in</strong> Segler-Kreisen auf großes<br />
Interesse. Im folgenden<br />
sei aus dem Kapitel,<br />
das <strong>Wilhelmshaven</strong> betrifft,<br />
auszugsweise zitiert:<br />
„Der Hafen, <strong>in</strong> dem wir<br />
uns befanden, wirkte nicht<br />
sehr e<strong>in</strong>ladend. Er war<br />
nicht von Kaianlagen <strong>und</strong><br />
Gebäuden umgeben, sondern<br />
von schlammigem<br />
Ödland, das von <strong>alten</strong><br />
Eisenbahnschienen, Balken<br />
<strong>und</strong> Brettern übersät<br />
war. Dah<strong>in</strong>ter erhoben sich<br />
grasbewachsene Deiche,<br />
die uns den Blick auf das<br />
Landes<strong>in</strong>nere versperrten.<br />
Im Hafen lagen nur zwei<br />
verlassene Leichter, <strong>und</strong><br />
außer e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Mädchen,<br />
das auf e<strong>in</strong>em der<br />
Deiche e<strong>in</strong> Schaf molk,<br />
war weit <strong>und</strong> breit ke<strong>in</strong>e<br />
Menschenseele zu sehen.<br />
Diese Öde <strong>und</strong> Verlassenheit<br />
überraschten mich sehr,<br />
denn war dies nicht <strong>Wilhelmshaven</strong>,<br />
der zweitgrößte Kriegshafen<br />
Deutschlands <strong>und</strong> dessen<br />
Haupt-Mar<strong>in</strong>estützpunkt an<br />
der Nordsee?<br />
Ich g<strong>in</strong>g an Land <strong>und</strong> stieg<br />
auf den Deich, um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck<br />
von der Gegend zu bekommen<br />
<strong>und</strong> um zu sehen, was<br />
das denn nun für e<strong>in</strong> Ort wäre,<br />
den wir hier vor uns hatten. Von<br />
dort oben schaute ich dann he-<br />
rab auf mehrere trist <strong>und</strong> abweisend<br />
wirkende Docks beachtlicher<br />
Größe mit e<strong>in</strong>igen Kriegsschiffen<br />
dar<strong>in</strong>, über welche die<br />
Regenböen h<strong>in</strong>wegfegten. Außer<br />
e<strong>in</strong> paar e<strong>in</strong>samen Wachtposten<br />
<strong>in</strong> dicken Mänteln <strong>und</strong><br />
mit Peller<strong>in</strong>en, die gegen W<strong>in</strong>d<br />
<strong>und</strong> Regen ankämpften, war<br />
auch hier niemand zu sehen.<br />
Jenseits der Docks erblickte ich<br />
die roten Dächer der Stadt <strong>und</strong><br />
g<strong>in</strong>g daher <strong>in</strong> diese Richtung<br />
weiter.<br />
Die Stadt <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
sah ich mir dann sehr genau an.<br />
Selbst wenn ich e<strong>in</strong>mal von<br />
dem unfre<strong>und</strong>lichen Wetter absehe,<br />
muss ich doch sagen,<br />
dass dies e<strong>in</strong>er der ungemütlichsten<br />
<strong>und</strong> deprimierendsten<br />
Orte war, die ich je besucht habe.<br />
In dieser Stadt ist alles neu<br />
<strong>und</strong> funktional, aber als schön<br />
kann man bisher kaum etwas<br />
bezeichnen. Die Stadt ist sehr<br />
großzügig geplant, ihre ziegelgepflasterten<br />
Straßen s<strong>in</strong>d gerade,<br />
breit <strong>und</strong> sehr sauber,<br />
aber menschenleer. Die öffentlichen<br />
Gebäude wirken durchaus<br />
imposant. So kam ich an e<strong>in</strong>em<br />
Postamt vorbei, das für ganz<br />
London ausgereicht hätte, <strong>und</strong><br />
sah e<strong>in</strong> riesiges Mar<strong>in</strong>ehospital.<br />
Auch gibt es große Freiflächen,<br />
auf denen Park <strong>und</strong> Gärten<br />
angelegt werden. Aber die<br />
ganze Atmosphäre dieser <strong>neuen</strong>,<br />
unfertigen Siedlung ist irgendwie<br />
freudlos <strong>und</strong> kalt. Sie<br />
ist viel zu groß für ihre derzeitige<br />
Bevölkerung, viele der<br />
Hauptstraßen s<strong>in</strong>d bisher lediglich<br />
abgesteckt, nur alle h<strong>und</strong>ert<br />
Yards steht e<strong>in</strong> Gebäude,<br />
<strong>und</strong> dazwischen liegt bisher<br />
nichts als Ödland.<br />
Wenn <strong>Wilhelmshaven</strong> <strong>in</strong> vielleicht<br />
vierzig Jahren se<strong>in</strong>e geplante<br />
Größe erreicht <strong>und</strong> genügend<br />
E<strong>in</strong>wohner hat, wird es sicherlich<br />
e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />
<strong>und</strong> schöne Stadt se<strong>in</strong>. . . .<br />
Zur Zeit ist <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
Bis zur E<strong>in</strong>weihung der Vierten E<strong>in</strong>fahrt 1965 war die Erste E<strong>in</strong>fahrt mit<br />
ihrer kle<strong>in</strong>en Schleuse <strong>in</strong> Betrieb. Die Autos fuhren über e<strong>in</strong>e Klappbrücke.<br />
DersturmabgewandteHafenbietetSchutz FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
• Reparaturen aller Fabrikate<br />
• TÜV +AUAbnahme<br />
• Fahrzeug-Veredelung<br />
nur e<strong>in</strong>e Stadt im Aufbau <strong>und</strong><br />
als Besucher vermisst man<br />
deswegen leider besonders Leben<br />
<strong>und</strong> buntes Treiben. Es ist<br />
e<strong>in</strong> großer Militärstützpunkt<br />
<strong>und</strong> weiter nichts als e<strong>in</strong> Kasernenkomplex<br />
für Soldaten,<br />
Seeleute <strong>und</strong> Mar<strong>in</strong>epersonal,<br />
die <strong>in</strong> der typisch deutschen,<br />
kompromisslosen Art <strong>und</strong> Weise<br />
ihrer täglichen Arbeit nachgehen.<br />
E<strong>in</strong>e Atmosphäre lärmender<br />
Ausgelassenheit, wie<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 21<br />
sie stets <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er britischen Garnisonstadt<br />
herrscht, fehlt hier<br />
völlig. Die strenge Diszipl<strong>in</strong> des<br />
deutschen Militärdienstes <strong>und</strong><br />
die Mittellosigkeit der meisten<br />
deutschen Soldaten schließen<br />
das von vornhere<strong>in</strong> aus. <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
ist wirklich ke<strong>in</strong>e<br />
sehr lebenslustige Stadt, ihre<br />
Bewohner arbeiten viel <strong>und</strong> vergnügen<br />
sich wenig. . . .<br />
Nachmittags suchte uns e<strong>in</strong><br />
ehemaliger Seemann auf, der<br />
als Führer auf e<strong>in</strong>em Kriegsschiff<br />
gedient hatte <strong>und</strong> gut<br />
Englisch sprach. Er erzählte<br />
uns, dass er jetzt als Schleusenwärter<br />
arbeite. . . .<br />
Mich nahm er <strong>in</strong> die Stadt<br />
mit <strong>und</strong> zeigte mir, was dort sehenswert<br />
war. . . . Unter anderem<br />
zeigte er mir die abgetakelten<br />
Rümpfe e<strong>in</strong>iger<br />
alter Kriegsschiffe, die<br />
man von der britischen Regierung<br />
gekauft hatte. Darunter<br />
war auch die „Renown“,<br />
deren letzter E<strong>in</strong>satz<br />
im Krimkrieg stattgef<strong>und</strong>en<br />
hatte, <strong>und</strong> zu me<strong>in</strong>er<br />
großen Überraschung<br />
schilderte er mir ihre gesamte<br />
bisherige Historie<br />
. . .<br />
Man erzählte mir, dass<br />
es sich bei dem nicht<br />
mehr genutzten Hafen, <strong>in</strong><br />
dem die „Falcon“ lag, um<br />
den <strong>alten</strong> Torpedoboothafen<br />
handelte, der auf-<br />
gegeben wurde, weil er zu<br />
schneller Versandung neige<br />
<strong>und</strong> das Ausbaggern<br />
auf die Dauer zu teuer sei.<br />
Aber es ist der e<strong>in</strong>zige Tidehafen<br />
hier, der Schutz<br />
bei allen W<strong>in</strong>drichtungen bietet,<br />
<strong>und</strong> Schiffe von mehr als fünf<br />
Fuß Tiefgang müssen entweder<br />
draußen vor Anker liegen oder<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der Docks e<strong>in</strong>laufen<br />
<strong>und</strong> dann immense Liegegebühren<br />
entrichten. Bei Niedrigwasser<br />
lag die „Falcon“ <strong>in</strong> diesem<br />
Hafen für mehrere St<strong>und</strong>en<br />
hoch <strong>und</strong> trocken. . . .<br />
Falcon: E<strong>in</strong>e Segelreise im<br />
Jahre 1887, Tidenhub-Verlag<br />
Wedel<br />
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Seite 22 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
180 Meter lang war die Front der Tausendmannkaserne, später auch JachmannKaserne genannt. Sie wurde <strong>in</strong> den Jahren<br />
1886bis1888errichtet.–Kle<strong>in</strong>esFoto:DasGeländeheute.DerzeitwerdendieBunkerabgerissen. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Diegroßen KasernenamHafen<br />
Die Tausendmannkaserne<br />
vers<strong>in</strong>nbildlichte<br />
e<strong>in</strong> wichtiges Kapitel<br />
der deutschen Geschichte.<br />
Ch<strong>in</strong>esische<br />
Investoren errichten<br />
hier neue Großbauten.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
WILHELMSHAVEN – Zurzeit wird<br />
an der Hannoverschen Straße<br />
am Nordhafen der Baugr<strong>und</strong> für<br />
die künftigen Jade Werke GmbH<br />
vorbereitet. Das neu gegründete<br />
Unternehmen, e<strong>in</strong>e Tochter<br />
der ch<strong>in</strong>esischen Jiangsu Hantong<br />
Group, will am Nordhafen<br />
e<strong>in</strong>e Fertigungsbasis für schwere<br />
Stahlf<strong>und</strong>amente für Offshore-W<strong>in</strong>dkrafträder<br />
bauen.<br />
Die Fertigungshalle misst dere<strong>in</strong>st<br />
260 Meter <strong>in</strong> der Länge<br />
<strong>und</strong> 45 Meter <strong>in</strong> der Höhe. Der<br />
Produktionsbeg<strong>in</strong>n für die bis zu<br />
80 Meter hohen F<strong>und</strong>amente<br />
ist nach den Worten des Hantong-Vorstandsvorsitzenden<br />
Chenjun Meng für das Jahr<br />
2014 geplant. Die ch<strong>in</strong>esischen<br />
Investoren bauen auf historischem<br />
Gr<strong>und</strong>. Hier stand<br />
e<strong>in</strong>st die Tausendmann-Kaserne,<br />
Fortsetzung auf Seite 23<br />
Der Stadtplan von 1930 zeigt die großen Kasernen östlich des Mar<strong>in</strong>ewerfthafens (blauer<br />
Kreis).HeuteisthierdasNordhafengelände. KARTE: WILHELMSHAVENER CHRONIK
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 23<br />
MitArtillerieauf Putschistengeschossen<br />
Fortsetzung von Seite 22<br />
Sie wurde später Jachmann-Kaserne<br />
genannt. Sie war erste<br />
„Herberge“ für das 2. Seebataillon,<br />
hier verschanzten<br />
sich bei der Revolution 1919<br />
die Spartakisten, hier lebten<br />
nach dem verlorenen Zweiten<br />
Weltkrieg viele Ausgebombte<br />
<strong>und</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge aus den ehemaligen<br />
ostdeutschen Reichsteilen.<br />
Und schon vor mehr als h<strong>und</strong>ert<br />
Jahren hatte das Gelände<br />
e<strong>in</strong>en Bezug zu Ch<strong>in</strong>a. Zum 50jährigen<br />
Bestehen des Seebataillons<br />
war 1902 auf dem<br />
Gelände der Tausendmannkaserne<br />
das Seebataillonsdenkmal<br />
aufgestellt worden. Es er<strong>in</strong>nert<br />
nicht zuletzt an die beim<br />
Boxer-Aufstand <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />
gefallenen Mar<strong>in</strong>eangehörigen.<br />
Lange<br />
blieb es jedoch nicht<br />
auf diesem Kasernenhof:<br />
1907 zog das<br />
Denkmal mit dem 2.<br />
Seebataillon zunächst<br />
<strong>in</strong> die Kasernen<br />
an der Gökerstraße<br />
um <strong>und</strong> steht seit<br />
der Auflösung des<br />
Seebataillons bei<br />
Gründung der Weimarer<br />
Republik, womöglich<br />
schon seit den<br />
20er-Jahren, an der Peterstraße.<br />
Das heutige Nordhafengelände<br />
war e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> riesiger<br />
Kasernenkomplex. Der Architektur-Historiker<br />
Dr. Ingo Sommer<br />
schrieb über ihn <strong>in</strong> dem<br />
Buch „Wilhelm II <strong>und</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong>“:<br />
„Die großen Kasernenbauten<br />
des <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Wilhelm<strong>in</strong>ismus sprengten alle<br />
bisher gekannten Dimensionen.<br />
Die Hauptfront der 1888<br />
fertig gestellten <strong>und</strong> 1977 abgebrochenen1000-Mann-Kaserne<br />
zwischen damaliger Ostfriesen-<br />
<strong>und</strong> Moltkestraße (. . .),<br />
der bis dah<strong>in</strong> größten Kaserne<br />
des Kaiserreiches, maß immerh<strong>in</strong><br />
fast 180 m.<br />
Hollmann<br />
Meisterbetrieb<br />
Drehen<br />
Fräsen<br />
Bohren<br />
Die Bautechnik war modern:<br />
Stahlträger, Serienfertigung,<br />
Heizung, Sanitärtechnik Lüftung,<br />
Gasversorgung, Gebäudehygiene.<br />
Die Stuben der Soldaten<br />
zeigten nach Süden, Osten<br />
<strong>und</strong> Westen, sie wurden besonnt<br />
<strong>und</strong> durchlüftet, der Flur<br />
verlief an der Innenseite der<br />
nach Norden offenen U-förmi-<br />
ParadevorderGrafSpeeKaserne.<br />
GmbH<br />
FOTOS: WZ-BILDDIENST<br />
gen dreigeschossigen Blockkaserne.<br />
Alle Dächer waren flach<br />
geneigte Pappedächer, nur die<br />
zwei den Zentralbau e<strong>in</strong>fassenden<br />
Treppengiebel hatten mittelalterlich<br />
steile Ziegeldächer.<br />
Die elf Jahre später, 1899,<br />
fertig gestellte östlich benachbarte,<br />
gleichfalls ziegelumhüllte<br />
Graf-Spee-Kaserne der 2.<br />
Werftdivision war e<strong>in</strong> noch moderneres<br />
Konzept: e<strong>in</strong>e Pavillonkaserne.<br />
E<strong>in</strong> übersichtlicher<br />
Gebäuder<strong>in</strong>g von aufgereihten<br />
E<strong>in</strong>zelkasernen umschloss den<br />
zentral gelegenen Exerzierplatz.<br />
Östlicher Abschluss des Gebäuder<strong>in</strong>gs<br />
war e<strong>in</strong> Kommando- <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsgebäude mit zusätzlichen<br />
repräsentativen Aufga-<br />
Klaus Hollmann<br />
Karlstraße 6<br />
26384 <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
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I <strong>und</strong> II.“ Das 1909 e<strong>in</strong>geweihte<br />
Denkmal der II. Werftdivision<br />
steht heute <strong>in</strong> der Kasernenanlage<br />
Ebkeriege. Die<br />
Graf-Spee-Kaserne wurde ebenfalls<br />
<strong>in</strong> den 1970er-Jahren abgebrochen.<br />
Wovon könnten diese <strong>alten</strong><br />
Gebäude, stünden sie noch,<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> ehemaliger<br />
GrafSpeeKaserne.<br />
Zeugnis ablegen? Hier war e<strong>in</strong><br />
großer Teil der Soldaten stationiert,<br />
der dem deutschen Kaiserreich<br />
zur Weltgeltung verhelfen<br />
sollte. Die hier Kasernierten<br />
sollten Deutschlands Interessen<br />
<strong>in</strong> Afrika <strong>und</strong> Ostasien<br />
durchsetzen.<br />
Die Tausendmann-Kaserne<br />
war aber auch blutiger<br />
Schauplatz <strong>in</strong> den revolutionären<br />
Wirren des Januar 1919.<br />
Hier verschanzten sich am 27.<br />
Januar die spartakistischen<br />
Putschisten, nachdem sie versucht<br />
hatten, die „Sozialistische<br />
Räterepublik <strong>Wilhelmshaven</strong>“<br />
auszurufen, dafür aber auf<br />
wenig Gegenliebe stießen. Die<br />
Bevölkerung bildete e<strong>in</strong>e „geschlossene<br />
Abwehrfront“, so<br />
der Historiker Wolfgang Günther.<br />
Auch das Seebataillon <strong>und</strong><br />
das Freiwilligenkorps stellten<br />
sich gegen sie, woraufh<strong>in</strong> der<br />
Putsch <strong>in</strong> sich zusammenfiel.<br />
In Verhandlungen mit dem<br />
21er-Rat, der die Kontrolle <strong>in</strong><br />
der Stadt ausübte <strong>und</strong> mehrheitlich<br />
aus gemäßigten Kräf-<br />
Tischlerei Weeken GmbH<br />
Güterstraße 19<br />
26389 <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
ten bestand, vere<strong>in</strong>barten die<br />
Putschisten, dass drei ihrer Vertreter<br />
<strong>in</strong> den Rat aufgenommen<br />
werden sollten. Doch statt freiwilliger<br />
Geldrückgabe <strong>und</strong> Abzug<br />
der Putschisten aus ihrem<br />
Hauptquartier, der Tausendmann-Kaserne,<br />
kam es zum Gefecht,<br />
womöglich, wie der Historiker<br />
Mart<strong>in</strong> We<strong>in</strong> schreibt, weil<br />
auch der 21er-Rat die Situation<br />
nicht unter Kontrolle hatte. „So<br />
wurden die Aufständischen von<br />
Mitgliedern des Seebataillons<br />
mit Artillerie beschossen. Gegen<br />
3 Uhr früh am 28 Januar gaben<br />
sie auf.“ Acht Tote <strong>und</strong> 46<br />
Verletzte forderte das Gefecht.<br />
Im Februar entsandte die<br />
Reichsregierung e<strong>in</strong> Landesschützenkorps,<br />
um die Lage <strong>in</strong><br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> vollends zu beruhigen.<br />
Wie die Kasernenbauten <strong>in</strong><br />
den ersten Jahren nach dem<br />
Ersten Weltkrieg genutzt wurden,<br />
wird <strong>in</strong> der Literatur nicht<br />
berichtet. Beim Aufbau der<br />
Kriegsmar<strong>in</strong>e ab 1936 wurden<br />
sie wieder als Kaserne verwendet,<br />
berichtet das <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Heimatlexikon.<br />
Den Zweiten Weltkrieg überstanden<br />
die großen Gebäude<br />
zwar nicht unbeschädigt, doch<br />
konnten sie als Notunterkünfte<br />
für die vielen <strong>in</strong> der Stadt Ausgebombten<br />
<strong>und</strong> die Vertriebenen<br />
hergerichtet werden. Bis <strong>in</strong><br />
die 1970er-Jahre waren die <strong>alten</strong><br />
Kasernen Heimstatt für viele.<br />
Dann kamen die Abrissbagger.<br />
Das Nordhafenbecken wurde<br />
reaktiviert, die Kais <strong>in</strong>stand<br />
gesetzt, e<strong>in</strong> Industriegebiet<br />
ausgewiesen. Werften <strong>und</strong> Baustoffhersteller<br />
siedelten sich<br />
unter anderem hier an.<br />
Derzeit wird der Baugr<strong>und</strong> für<br />
die Jade-Werke vorbereitet.<br />
Dabei kamen die <strong>alten</strong> F<strong>und</strong>amente<br />
wieder zutage. Die letzten<br />
militärischen H<strong>in</strong>terlassenschaften<br />
<strong>in</strong> dem heutigen Nordhafengelände,<br />
die beiden großen<br />
Bunker, werden mit schweren<br />
Masch<strong>in</strong>en zerbröselt.<br />
Weil Holz den Fachmann braucht.<br />
Tel. (04421) 91777-0<br />
Fax(04421) 997113<br />
Internet: www.weeken.de
Seite 24 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Mittendurchs<br />
K<strong>in</strong>oware<strong>in</strong><br />
Seilgespannt<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Der erste<br />
K<strong>in</strong>obesuch war damals <strong>und</strong> ist<br />
heute wohl für jeden jungen<br />
Menschen e<strong>in</strong> besonderes Ereignis.<br />
Der Bericht über das<br />
„Reg<strong>in</strong>a“ an der Bismarckstraße<br />
weckte bei Helma Raithel<br />
aus <strong>Wilhelmshaven</strong> die folgende<br />
Er<strong>in</strong>nerung:<br />
„Am Karfreitag 1955 besuchte<br />
ich mit me<strong>in</strong>er Mutter<br />
e<strong>in</strong>e Abendvorstellung im Reg<strong>in</strong>a.<br />
Ich war 13 Jahre alt <strong>und</strong><br />
durfte zum ersten Mal so spät<br />
abends <strong>in</strong>’s K<strong>in</strong>o gehen <strong>und</strong> war<br />
sehr aufgeregt. Der Besucherandrang<br />
war groß, weil der Film<br />
nur an diesem Tag gezeigt wurde.<br />
Zum Glück erhielten wir<br />
noch E<strong>in</strong>trittskarten.<br />
Wir sahen die Oper Don Giovanni<br />
von Mozart, <strong>und</strong> zwar die<br />
Aufführung von den Salzburger<br />
Festspielen im Sommer 1954.<br />
Wilhelm Furtwängler dirigierte<br />
die Wiener Philharmoniker. Es<br />
war e<strong>in</strong>e der letzten Vorstellungen<br />
von Furtwängler, da er im<br />
Herbst 1954 verstarb. Dieses<br />
Opernerlebnis ist für mich unvergesslich<br />
<strong>und</strong> ich verb<strong>in</strong>de es<br />
immer mit dem Reg<strong>in</strong>a.“<br />
Auch Gudrun Schmolke aus<br />
Rüstersiel kann sich noch gut<br />
an e<strong>in</strong>en Besuch im „Reg<strong>in</strong>a“<br />
er<strong>in</strong>nern. Sie schaute sich den<br />
Film „Das Schweigen“, e<strong>in</strong><br />
schwedisches Film-Drama des<br />
Regisseurs Ingmar Bergmann<br />
aus dem Jahr 1963 an, der wegen<br />
der sexuellen Handlungen,<br />
die so zuvor noch nicht auf der<br />
Le<strong>in</strong>wand zu sehen waren,<br />
e<strong>in</strong>en Skandal hervorrief. „Mitten<br />
durchs K<strong>in</strong>o war e<strong>in</strong> Seil gespannt“,<br />
erzählt Gudrun<br />
Schmolke. Auf der e<strong>in</strong>en Seite<br />
mussten alle Frauen Platz nehmen,<br />
auf der anderen die Männer.<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
Zum JahrmarktaufdenManteuffelplatz<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Immer<br />
wieder berichten ältere <strong>Wilhelmshaven</strong>er,<br />
wie schön sie<br />
ihre K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung haben. Auch<br />
Hans-Jürgen L<strong>in</strong>gmann aus<br />
dem Mühlenweg denkt gern an<br />
damals zurück: „Me<strong>in</strong>e Eltern<br />
s<strong>in</strong>d zusammen mit me<strong>in</strong>er<br />
Schwester <strong>und</strong> mir 1967 von<br />
Mariensiel <strong>in</strong> die Rhe<strong>in</strong>straße<br />
5 gezogen.<br />
Wir K<strong>in</strong>der waren begeistert<br />
Venedig ist derzeit der Heimathafen<br />
für das ehemalige<br />
Seebäderschiff „<strong>Wilhelmshaven</strong>,<br />
das von 1963<br />
bis 2004 im Helgolandverkehr<br />
fuhr. Darauf macht<br />
Walter Schäfer <strong>in</strong> Ergänzung<br />
zur Geschichte über<br />
Das Pfarrhaus<br />
VILLENVIERTEL/SI – In Ergänzung<br />
zum Bericht über die „K<strong>in</strong>dheit<br />
im Villenviertel“ <strong>in</strong> der Folge 4<br />
von „Gestern <strong>und</strong> Heute“ teilt<br />
Pastor a. D. Schmidt mit. Dabei<br />
verweist er auf das Buch „500<br />
Jahre Kirchspiel Heppens“, das<br />
1995 erschienen ist:<br />
Das Gebäude der heutigen<br />
Gr<strong>und</strong>schule Kirchreihe war ursprünglich,<br />
im Jahr 1914, als<br />
Pfarr- <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>dehaus der<br />
Kirchengeme<strong>in</strong>de Heppens gebaut<br />
worden.<br />
Weil sich Heppens, seit<br />
1911 Teil der Stadt Rüstr<strong>in</strong>gen,<br />
Ende des 19., Anfang des 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts stark vergrößert<br />
hatte <strong>und</strong> viele Menschen hierher<br />
gezogen waren, wurde e<strong>in</strong>e<br />
von dem, was dort damals los<br />
war. Wir hatten e<strong>in</strong>en kurzen<br />
Schulweg zur Allerstraße. Zuvor<br />
hatten wir mit dem Fahrrad zur<br />
Hafenschule fahren müssen.<br />
An der Rhe<strong>in</strong>straße gab es viele<br />
Geschäfte, so Kioske, Lebensmittelgeschäfte,<br />
e<strong>in</strong> Bettengeschäft,<br />
e<strong>in</strong> Pelzgeschäft, Fleischer,<br />
Friseur, e<strong>in</strong> Ofengeschäft,<br />
Kneipen <strong>und</strong> Restaurants.<br />
Wir K<strong>in</strong>der fanden schnell<br />
die Seebäderschiffe <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
aufmerksam.<br />
Vor sieben Jahren wurde<br />
das Schiff nach Genua verkauft,<br />
zur Autofähre umgebaut<br />
<strong>und</strong> „Leviathan“ getauft.<br />
Anfang 2010 wechselte<br />
es erneut den Besit-<br />
zweite Pfarrstelle notwendig.<br />
Doch dann kam der Erste Weltkrieg.<br />
Die Mar<strong>in</strong>e beschlagnahmte<br />
das Haus <strong>und</strong> machte daraus<br />
e<strong>in</strong>e Wetterstation. Nach dem<br />
Krieg war das Haus so ru<strong>in</strong>iert,<br />
dass sich die Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />
außerstande sah, es wieder<br />
herzurichten. So verkaufte es<br />
die Geme<strong>in</strong>de 1921/22 an die<br />
Stadt Rüstr<strong>in</strong>gen, die dort e<strong>in</strong>e<br />
höhere Mädchenschule (Lyzeum),<br />
die Fräule<strong>in</strong>-Marien-<br />
Schule, unterbrachte.<br />
Die Kirchengeme<strong>in</strong>de kaufte<br />
stattdessen die Villa des Kaufmanns<br />
Jürgens, Holtermannstraße<br />
30, <strong>und</strong> richtete sie als<br />
Pfarrhaus e<strong>in</strong>.<br />
Fre<strong>und</strong>e. Wir hatten noch viele<br />
Spiel- <strong>und</strong> Sportmöglichkeiten,<br />
die es heute nicht mehr gibt.So<br />
konnten wir auf dem Manteuffelplatz<br />
Fußball spielen, wo<br />
auch die Rummel stattfanden<br />
<strong>und</strong> Zirkusse gastierten. Wir<br />
fuhren oft mit dem Fahrrad über<br />
die alte Jachmannbrücke <strong>und</strong><br />
spielten <strong>in</strong> den <strong>alten</strong> Kasernen.<br />
Wo sich jetzt die Kiesberge am<br />
Großen Hafen türmen, haben<br />
wir als K<strong>in</strong>der gebadet, Burgen<br />
21. Juli 2012<br />
zer <strong>und</strong> heißt heute „Favola<br />
A Venezia“. In Marghera bei<br />
Venedig sollte es zuletzt<br />
als Restaurantschiff dienen.<br />
Die letzte Meldung besagt,<br />
dass es mit Getriebeschaden<br />
festliege. FOTO: FAHREN-<br />
HORST<br />
Initiativedes<br />
Kirchenkreises<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Die Initiative<br />
zur Gestaltung des Synagogen-Gedenkplatzes<br />
g<strong>in</strong>g vom<br />
evangelischen Kirchenkreis<br />
<strong>und</strong> dem Redaktionsteam se<strong>in</strong>es<br />
ehemaligen Publikationsorgans<br />
„Kontakte“ aus. Darauf<br />
weist Pastor<strong>in</strong> im Ruhestand<br />
Doris Semmler, damals Mitglied<br />
der Redaktion, <strong>in</strong> Ergänzung<br />
des Artikels über den Synagogenplatz<br />
<strong>in</strong> Folge 5 h<strong>in</strong>.<br />
Die „Kontakte“-Initiative bewegte<br />
viele Menschen zu spenden.<br />
Mehrere Künstler machten<br />
unentgeltlich Gestaltungsvorschläge.<br />
Die Anlage wurde am<br />
10. November 1980 im Beise<strong>in</strong><br />
von Oberbürgermeister Eberhard<br />
Krell e<strong>in</strong>geweiht.<br />
gebaut <strong>und</strong> heimlich geraucht.<br />
Zum Muttertag habe ich dort<br />
schöne Blumen gepflückt. Auch<br />
gab es dort viele schöne Gärten.<br />
Auch zum Südstrand s<strong>in</strong>d<br />
wir gern gegangen, denn dort<br />
gab es das schöne Planschbecken<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Kiosk. Wir konnten<br />
auch noch bei Ebbe baden,<br />
denn das Becken lief auch bei<br />
Niedrigwasser nicht leer. Bei<br />
Hochwasser durften wir vom<br />
Sprungturm hüpfen.“
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 25<br />
AlsdemDenkmal Abrissdrohte<br />
Die Werftarbeitersiedlung<br />
Bant ist e<strong>in</strong> Ensemble<br />
mit Seltenheitswert.<br />
Anfang der<br />
Siebziger drohte ihm<br />
der Abriss.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
BANT – Vor 50 Jahren wollte der<br />
Rat der Stadt die Arbeitersiedlung<br />
Bant „platt“ machen. Er<br />
verabschiedete den Bebauungsplan<br />
Nr. 48, der den Totalabriss<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Neubebauung<br />
vorsah. Die Häuser gehörten<br />
damals zum Vermögen der B<strong>und</strong>esrepublik.<br />
Die <strong>in</strong> den 1870er-<br />
Jahren vom Ziegeleibesitzer<br />
Adolph de Cousser errichteten<br />
Gebäude waren vom Mar<strong>in</strong>efiskus<br />
gekauft oder <strong>in</strong> dessen Auftrag<br />
errichtet worden.<br />
Das e<strong>in</strong>heitliche Bauensemble<br />
hatte den Krieg relativ<br />
schadlos überstanden, war jedoch<br />
arg <strong>in</strong> die Jahre gekommen.<br />
Der B<strong>und</strong> zeigte wenig Interesse<br />
an se<strong>in</strong>em Banter Immobilienvermögen<br />
<strong>und</strong> ließ immer<br />
nur das Notwendigstereparieren.<br />
In Rat <strong>und</strong><br />
Verwaltung kam<br />
man zu dem<br />
Schluss, dass<br />
die Häuser modernenWohnstandards<br />
nicht<br />
mehr genügten.<br />
Statt 75 Quadratmeter<br />
für e<strong>in</strong>e<br />
vierköpfige Familie,<br />
wie es die<br />
Norm mittlerweile<br />
vorsah, boten die<br />
w<strong>in</strong>zigen Doppel-<br />
haushälften nur etwas mehr als<br />
die Hälfte an Wohnraum.<br />
Doch es kam anders. Zwölf<br />
Jahre später wurde der Ratsbeschluss<br />
gekippt <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />
Gegenteil verkehrt: Nun sollte<br />
die Banter Werftarbeitersiedlung<br />
als e<strong>in</strong>maliges Denkmalensemble<br />
erh<strong>alten</strong> bleiben. Ist<br />
sie doch die größte ihrer Art, die<br />
<strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> jener Zeit ent-<br />
Historische<br />
Stehbierhalle<br />
standen ist <strong>und</strong> ste<strong>in</strong>ernes<br />
Zeugnis deutscher Arbeiter- <strong>und</strong><br />
Sozialgeschichte.<br />
Während im Januar 1974<br />
Oberstadtdirektor Dr. Gerhard<br />
Eickmeier noch dafür plädierte,<br />
die Siedlung durch Wohnungsbaugesellschaften<br />
aufkaufen<br />
<strong>und</strong> abräumen zu lassen, formierte<br />
sich <strong>in</strong> der SPD auf Initiative<br />
der Jungsozialisten e<strong>in</strong>e<br />
Mehrheit gegen den Abriss; zumal<br />
viele Bewohner, vornehmlich<br />
alte Leute mit ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>künften,<br />
beteuerten, gern <strong>in</strong><br />
ihren Häuschen zu wohnen. Im<br />
Mai entschied der Rat mit sozialdemokratischer<br />
Mehrheit<br />
Derselbe Bereich aus der entgegengesetzten<br />
Richtung von der Brücke Eisenbahnstraße<br />
aus.<br />
für den Erhalt. In den folgenden<br />
Monaten g<strong>in</strong>g es um das Wie.<br />
Das <strong>in</strong>teressierte sogar B<strong>und</strong>eswohnungsbaum<strong>in</strong>ister<br />
Karl<br />
Ravens (SPD), der im Dezember<br />
die Werftarbeitersiedlung besichtigte.<br />
Die Stadt kaufte dem B<strong>und</strong><br />
1975 die Siedlung ab: 92 000<br />
Quadratmeter Gr<strong>und</strong>stücksfläche<br />
mit <strong>in</strong>sgesamt 452 Woh-<br />
BAVARIA KRUG Ihr Tischlermeister für Fenster,<br />
Betreutes Tr<strong>in</strong>ken<br />
seit 1913!<br />
Türen, Rollläden, Aus-, An- <strong>und</strong><br />
Umbauten aus e<strong>in</strong>er Hand.<br />
Jever, Ziegelhofstr.19<br />
Tel. 04461-925 63 12<br />
nungen. Den Mietern wurden<br />
die Häuschen zum Kauf angeboten.<br />
Im Juni 1975 stellte die<br />
Bezirksregierung die Siedlung<br />
unter Denkmalschutz. Im Juli<br />
1978 war die 200. Wohnung<br />
verkauft. Viele bauen nun an<br />
<strong>und</strong> um, jedoch oft nicht dem<br />
Denkmalcharakter der Siedlung<br />
entsprechend. Die Stadt bot<br />
den Eigentümern planerische<br />
Hilfe <strong>und</strong> nahm beispielhafte<br />
Modernisierungen von e<strong>in</strong>zelnen<br />
Häusern vor. Bis heute hat<br />
die Siedlung so ihren ursprünglichen<br />
Charakter e<strong>in</strong>igermaßen<br />
bewahrt.<br />
Zurück zu den Anfängen: Mit<br />
BlickvonhöhererWarteanderWerftstraße<br />
nach Westen über die Banter Werftarbeitersiedlung.<br />
Rechts im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der<br />
Westbahnhof,derbis1970<strong>in</strong>Betriebwar.<br />
dem Ausbau der Werft- <strong>und</strong> Hafenanlagen<br />
<strong>und</strong> der wachsenden<br />
Zahl der Werftarbeiter <strong>in</strong><br />
den 1870er-Jahren vergrößerten<br />
sich auch die auf oldenburgischem<br />
Gebiet <strong>in</strong> unmittelbarer<br />
Nähe <strong>Wilhelmshaven</strong>s liegenden<br />
Geme<strong>in</strong>den Heppens<br />
<strong>und</strong> Neuende. Wohnraum war<br />
knapp, zumal nach den ersten<br />
wilden Jahren viele Arbeiter nun<br />
ihre Familien nachkommen ließen..<br />
Der Guts- <strong>und</strong> Ziegeleibesitzer<br />
Adolph des Cousser aus<br />
Hahn bei Rastede erkannte die<br />
Chance, hier Geld zu verdienen.<br />
Nur bei Uns!<br />
Zweirad<br />
Er kaufte 1868 den ladewigschen<br />
Bauernhof. Zur Erschließung<br />
des Geländes wurde die<br />
Genossenschaftsstraße gebaut.<br />
1873 errichtete de Cousser<br />
die ersten vier Familienhäuser.<br />
Dazu zählt auch das noch<br />
existierende Haus Eisenbahnstraße/Marktstraße,<br />
e<strong>in</strong> klassizistisch<br />
anmutender Putzbau.<br />
Der Verkauf lief nicht wie gewünscht,<br />
weshalb de Cousser<br />
kle<strong>in</strong>ere Haustypen mit Ziegelverblendung<br />
konzipierte. Sie<br />
entsprachen dem englischen<br />
„Cottage“, das von e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />
Familie bewohnt wird <strong>und</strong><br />
zu dem e<strong>in</strong> Garten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> eigener<br />
E<strong>in</strong>gang gehören.<br />
Nach diesem<br />
Muster entstanden<br />
die ersten<br />
Hausreihen der<br />
ab 1873 Belfort<br />
genannten Siedlung.<br />
Der Mar<strong>in</strong>efiskus<br />
kaufte diese<br />
Häuser <strong>und</strong><br />
ließ weitere, im<br />
Gr<strong>und</strong>riss leicht<br />
veränderte <strong>und</strong><br />
verbesserte<br />
Haustypen vom<br />
Baukonsortium<br />
de Cousser errich-<br />
ten. So entstanden<br />
bis 1875 <strong>in</strong>sgesamt<br />
452 Wohnungen,<br />
die die<br />
Werft vornehmlich<br />
an die aus PommernangeworbenenSchiffszimmerer<br />
vergab.<br />
Die Siedlung wurde zur Keimzelle<br />
der Sozialdemokratie <strong>in</strong><br />
Norddeutschland. Der ehemalige<br />
Werftschlosser Paul Hug, der<br />
wegen se<strong>in</strong>er gewerkschaftlichen<br />
Betätigung „gefeuert“<br />
worden war, betrieb hier se<strong>in</strong>e<br />
Kneipe „Zur Arche“ <strong>und</strong> übernahm<br />
1888 die Leitung des<br />
Norddeutschen Volksblattes. Er<br />
war Mitglied des Banter Geme<strong>in</strong>derates,<br />
ab 1899 Abgeordneter<br />
des Oldenburgischen<br />
Landtages. 1919 wurde er <strong>in</strong><br />
die Weimarer Nationalversammlung<br />
gewählt.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Marktstraße 182–184<br />
26382 <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
Tel. 04421/ 20 27 45<br />
E-Mail: zweiradjaehde@web.de
Seite 26 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Blick <strong>in</strong> den Metzer Weg, wohl <strong>in</strong> den 20er-Jahren. Rechts<br />
sieht man den Zwiebelturm des „Friedrichs-Hofes“, später<br />
Centralhallen genannt. Er war bis zu se<strong>in</strong>er Zerstörung im<br />
Krieg e<strong>in</strong> wichtiger Treffpunkt für das gesellschaftliche Leben<br />
<strong>in</strong> der Stadt <strong>und</strong> befand sich <strong>in</strong> dem Dreieck zwischen<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
Wosich e<strong>in</strong>stganz<strong>Wilhelmshaven</strong>traf<br />
Metzer Weg, Peterstraße <strong>und</strong> Mitscherlichstraße. Bälle <strong>und</strong><br />
Theateraufführungen lockten <strong>in</strong> den Saal, man konnte hier<br />
kegeln, Billard spielen, für K<strong>in</strong>der gab es im großen Garten<br />
e<strong>in</strong>en Spielplatz. Hier fanden Turnfeste <strong>und</strong> Maifeiern, Varieté-Veranstaltungen<br />
<strong>und</strong> Konzerte statt. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Die Centralhallen wurden im Krieg vollständig zerstört. Der Blick heute von derselben Stelle: E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Parkanlage <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derspielplatz bieten heute e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Ruhepunkt <strong>in</strong>mitten des geschäftigen Innenstadt-Verkehrs. FOTO: SIEFKEN
21. Juli 2012<br />
Radio Freese <strong>in</strong><br />
der Marktstraße<br />
ist vielen <strong>Wilhelmshaven</strong>ern<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
heute noch e<strong>in</strong> Begriff,<br />
ebenso das Bekleidungsgeschäft<br />
von Michael <strong>und</strong><br />
Hannelore Herbst. FOTO: WZ-BD<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 27<br />
MarquardsensSpaziergänge<br />
SIEBETHSBURG/SI – Jeden<br />
Abend unternahm Harald Marquardsen,<br />
der Vorstandsvorsitzende<br />
des Bauvere<strong>in</strong>s Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
von 1934 bis 1956, e<strong>in</strong>e<br />
abendliche Spazierr<strong>und</strong>e durch<br />
Siebethsburg, um nach dem<br />
Rechten zu sehen. Daran er<strong>in</strong>nert<br />
sich se<strong>in</strong>e Tochter Anke Engel.<br />
Dabei hatte er <strong>in</strong> der rechten<br />
Manteltasche Bonbons, die<br />
er an die K<strong>in</strong>der verteilte, <strong>und</strong><br />
l<strong>in</strong>ks e<strong>in</strong> Messer. Er traute nicht<br />
jedem über den Weg. Dazu hat-<br />
DietomBrokStraßemitBlickrichtungOstenheute.<br />
FOTO: SIEFKEN<br />
AutofreieZone:die tom-Brok-Straße<strong>in</strong>den40er<br />
Jahren. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
te man damals wohl<br />
auch allen Gr<strong>und</strong>.<br />
Jugendbanden<br />
machten die Gegend<br />
unsicher. Auch<br />
<strong>in</strong> Siebethsburg gab<br />
es e<strong>in</strong>e solche Bande,<br />
die sich heftig<br />
mit anderen befeh-<br />
Aufdas KepaKaufhaus<br />
folgteHettlage&Lampe<br />
WILHELMSHAVEN/SI – Im Jahr<br />
1962 eröffnete <strong>in</strong> der Marktstraße<br />
60 das Kepa-Kaufhausfiliale,<br />
die zum Karstadt-Konzern<br />
gehörte. Das Niedrigpreisgeschäft<br />
hat <strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong> offensichtlich<br />
nur bis 1969 bestanden.<br />
Elf Jahre später wurden<br />
auch die letzten der e<strong>in</strong>st<br />
85 Standorte <strong>in</strong> Deutschland<br />
dicht gemacht. Claus Peter<br />
Scherf aus Norderstedt, der zusammen<br />
mit se<strong>in</strong>er Frau 1967<br />
se<strong>in</strong>e Ausbildung bei Karstadt<br />
<strong>in</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong> begonnen hat<br />
<strong>und</strong> auch heute noch <strong>in</strong> dem<br />
Unternehmen tätig ist, glaubt,<br />
dass die <strong>Wilhelmshaven</strong>er Kepa-Filiale<br />
bereits 1964 oder<br />
1965 geschlossen worden sei.<br />
„In dem Gebäude eröffnete danach<br />
die Firma Hettlage, die zunächst<br />
unter „Hettlage <strong>und</strong><br />
Lampe“ firmierte, e<strong>in</strong> Oberbekleidungsgeschäft“,<br />
so Scherf.<br />
Auf der Internetseite der Stiftung<br />
Westfälisches Wirtschaftsarchiv<br />
f<strong>in</strong>det man beim E<strong>in</strong>trag<br />
über die Gebr. Hettlage KG mit<br />
Sitz <strong>in</strong> Münster, dass deren <strong>Wilhelmshaven</strong>er<br />
Geschäft 1969<br />
eröffnet worden sei.<br />
dete, beispielsweise mit der<br />
„Weißbande“ aus dem Werftstraßen-Viertel.<br />
Und wenn Marquardsen<br />
auf se<strong>in</strong>em Kontrollgang<br />
<strong>in</strong> diese Richtung g<strong>in</strong>g,<br />
war ihm auch nicht immer ganz<br />
geheuer.<br />
E<strong>in</strong>es Abends, er<strong>in</strong>nert sich<br />
Anke Engel, rettete ihr Vater mit<br />
Über<br />
12 Jahre<br />
se<strong>in</strong>em Messer e<strong>in</strong>em Bandenmitglied<br />
-- es war wohl e<strong>in</strong>er der<br />
Anführer - das Leben. Als der<br />
Bauvere<strong>in</strong>s-Chef am Bunker an<br />
der Störtebekerstraße vorbeikam,<br />
hörte er von dort e<strong>in</strong> Röcheln.<br />
Er g<strong>in</strong>g dem Geräusch<br />
nach <strong>und</strong> fand den Unglücklichen<br />
aufgehängt. Marquardsen<br />
schnitt ihn los <strong>und</strong> <strong>in</strong>formierte<br />
die Polizei. Der Bandenkrieg<br />
soll von da an aufgehört haben,<br />
so Engel.<br />
Nichtsdestoweniger sei sie<br />
behütet <strong>in</strong> der Edo-Wiemken.-Straße<br />
10 gleich neben<br />
der Schule aufgewachsen. Gut<br />
er<strong>in</strong>nert sich Anke Engel noch<br />
an Fritz Höger, der sie bei Besuchen<br />
auf den Knien hielt.<br />
„Höger hatte me<strong>in</strong>en Vater,<br />
der lange Junggeselle war, <strong>in</strong><br />
privaten Gesprächen gedrängt,<br />
sich zu verheiraten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Familie<br />
zu gründen. Me<strong>in</strong> Vater<br />
war 54, als ich 1944 geboren<br />
wurde“, erzählt Anke Engel.<br />
Trotz des guten E<strong>in</strong>vernehmens<br />
hätten sich Höger <strong>und</strong> ihr Vater<br />
bis zuletzt gesiezt.<br />
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Seite 28 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
Voslappum1950.ImH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>siehtmandie GeniusbankmitihremgroßenSandstrand. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Siedlerversankenim Matsch<br />
Anfangs bot Voslapp<br />
wenig Komfort. Heute<br />
ist es e<strong>in</strong> gemütlicher<br />
Stadtteil mit e<strong>in</strong>em<br />
eigenen Gesicht.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
VOSLAPP – <strong>Wilhelmshaven</strong> ist<br />
das städtebauliche K<strong>in</strong>d der<br />
Mar<strong>in</strong>e. Während der nationalsozialistischen<br />
Zeit sollte daraus<br />
e<strong>in</strong> „Riesenbaby“ werden.<br />
Als e<strong>in</strong>e der großen Waffenschmieden<br />
der Nation plante<br />
man, aus dem mit Rüstr<strong>in</strong>gen<br />
1937 vere<strong>in</strong>ten <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
die „Stadt der 500 000“ zu machen.<br />
Tausende zusätzlicher<br />
Wohnungen waren notwendig,<br />
um die aus allen Teilen des Reiches<br />
herangezogenen Arbeiter<br />
der Werft <strong>und</strong> Mar<strong>in</strong>ebehörden<br />
unterzubr<strong>in</strong>gen. Sie mussten <strong>in</strong><br />
kürzester Zeit erschaffen werden.<br />
So plante man an den Rändern<br />
der Stadt die Anlage neuer<br />
Siedlungen: Voslapp, auf der<br />
anderen Seite Cäciliengroden,<br />
danach Fedderwardergroden.<br />
Fortsetzung auf Seite 29<br />
FastdergleicheBlickheute.NachderE<strong>in</strong>deichungdes Voslapper Grodens1972erfolgteseit<br />
2010dieAufspülungderJadeWeserPortHafenflächen. WZ-FOTO: LÜBBE
21. Juli 2012<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert vom<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong> · Seite 29<br />
MitGartenfürdie Selbstversorgung<br />
Fortsetzung von Seite 28<br />
Diese städtebauliche Kraftanstrengung<br />
hätte private Bauträger,<br />
aber auch die großen<br />
Baugenossenschaften der<br />
Stadt überfordert. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>igten sich 1937 das<br />
Land Oldenburg, die Städte<br />
Rüstr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
sowie das Amt Friesland auf die<br />
Gründung der geme<strong>in</strong>nützigen<br />
Wohnungsbaugesellschaft<br />
Jade. <strong>Wilhelmshaven</strong> wurde<br />
Hauptgesellschafter.<br />
Das erste große Wohnungsbauprojekt,<br />
das die Jade<br />
stemmte, waren 1038 Wohnungen<br />
<strong>in</strong> zwei- <strong>und</strong> dreigeschossigen<br />
Häusern zwischen Werft<strong>und</strong><br />
Mitscherlichstraße sowie<br />
Bismarck- <strong>und</strong> Bremer Straße.<br />
Doch e<strong>in</strong> Jahr später war<br />
schon Voslapp an der Reihe,<br />
„die neue Wohnstadt am<br />
Meer“, e<strong>in</strong>e Siedlung mit „eigenem<br />
haus <strong>und</strong> Herd“ für jede Familie.<br />
Voslapp nannte man e<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Ansammlung von Häusern<br />
h<strong>in</strong>ter dem Seedeich zwischen<br />
Rüstersiel <strong>und</strong> Inhausersiel,<br />
bis 1933 zur friesländischen<br />
Geme<strong>in</strong>de Kniphausen<br />
gehörend. Zwischen dem <strong>alten</strong><br />
Kniphauser <strong>und</strong> dem neueren<br />
Voslapper<br />
Seedeich<br />
befand sich<br />
der Baugroden.<br />
Hier<br />
entstanden<br />
<strong>in</strong> W<strong>in</strong>deseile<br />
1938<br />
r<strong>und</strong> 520<br />
Siedlerstel-<br />
len, weit überwiegend <strong>in</strong> E<strong>in</strong>familien-Doppelhäusern,<br />
gebaut<br />
<strong>in</strong> sieben verschiedenen Typen,<br />
mit Gärten umgeben, die groß<br />
genug waren, um dort zur<br />
Selbstversorgung Gemüse zu<br />
ziehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> wenig Nutzvieh<br />
zu h<strong>alten</strong>.<br />
Die Straßen waren nur notdürftig<br />
mit Schotter oder als<br />
Knüppeldämme befestigt. Läden<br />
<strong>und</strong> Schulen gab es am Anfang<br />
ke<strong>in</strong>e. Die vielen K<strong>in</strong>der<br />
mussten <strong>in</strong> den ersten Mona-<br />
Seebäderschiff „<strong>Wilhelmshaven</strong>“, 1975<br />
Geschichten · Er<strong>in</strong>nerungen·Emotionen<br />
Blick <strong>in</strong> die Baugrodenstraße<br />
gestern<strong>und</strong>heute.WZ-FOTO: KNOTHE<br />
ten bis nach Sengwarden, Kniphausersiel<br />
<strong>und</strong> Coldewei wandern,<br />
bevor zwei ehemalige<br />
Bauarbeiter-Baracken zu Schulen<br />
umfunktioniert wurden. Als<br />
erster Kaufmann wagte sich<br />
Georg Coldewey <strong>in</strong> den wüsten<br />
Stadtteil; gelegentlich wurde<br />
bei ihm die Ware knapp, weil<br />
se<strong>in</strong>e Lieferanten die Fahrt über<br />
die schlechte Straße nach Voslapp<br />
nicht riskierten.<br />
Mitte der 40er-Jahre entstanden<br />
schließlich der Gewerbetrakt<br />
am Marktplatz <strong>und</strong> benachbart<br />
etliche Mietwohnungsbauten.<br />
Die von Anfang vorgesehene<br />
Übertragung des Hauseigentums<br />
an die Siedler verzögerte<br />
sich bis 1956. In den 60er-Jahren<br />
entstand am südlichen<br />
Siedlungsrand e<strong>in</strong> Eigenheimgebiet,<br />
Anfang der 70er-Jahre<br />
wurden weitere Siedlerstellen<br />
am Ortsausgang Richtung<br />
Sengwarden erschlossen.<br />
Auf der anderen Seite des<br />
Deiches ragte der alte Voslapper<br />
Leuchtturm aus dem Watt.<br />
Er wurde 1961 abgebrochen<br />
<strong>und</strong> durch den <strong>neuen</strong> Leuchtturm<br />
an der Geniusbank ersetzt.<br />
Die Geniusbank, e<strong>in</strong>e<br />
Buhne mit langem Sandstrand,<br />
war nach dem Krieg die bevorzugte<br />
Badegelegenheit im<br />
Stadtnorden – <strong>und</strong> Voslapp entwickelte<br />
Ambitionen für den<br />
Fremdenverkehr. Viele Siedler<br />
vermieteten Fremdenzimmer.<br />
Auch nach dem Bau der Niedersachsenbrücke<br />
<strong>und</strong> der Aufspülung<br />
des Voslapper Grodens um<br />
1970 blieb die Geniusbank als<br />
Baderefugium erh<strong>alten</strong>. Jetzt ist<br />
das Meer drei Kilometer weiter<br />
weg. Vor Voslapp hat sich mit<br />
dem Bau des JadeWeserPorts<br />
die neue Hoffnung der Region<br />
auf e<strong>in</strong>e gedeihliche wirtschaftliche<br />
Zukunft aufgebaut.<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong> –gestern<br />
Allen Interessierten steht beim<br />
WZ-Bilddienst e<strong>in</strong> umfangreiches<br />
Fotoarchiv mit folgenden<br />
Schwerpunkten zur Verfügung:<br />
(alle Bilder können bestellt werden)<br />
Schiffsbilder der Deutschen Flotten von 1848<br />
biszur heutigen Deutschen Mar<strong>in</strong>e<br />
Bilder deutscher Kolonialgeschichte<br />
Fremde Seestreitkräfte aller Nationen<br />
Aufnahmen ausden Anfängen<br />
<strong>Wilhelmshaven</strong>s bisheute<br />
Alle Fotos unserer „WZ“-Fotografen,<br />
die seit 1949 <strong>in</strong>der „<strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong>“<br />
erschienen s<strong>in</strong>d, zzgl. e<strong>in</strong>er großen Auswahl<br />
an weiteren, nicht<br />
veröffentlichten Aufnahmen.<br />
C A R D 2 0 1 2<br />
Monika Mustermann<br />
K<strong>und</strong>en-Nr.180750 Gültig bis 31.12.2012<br />
D i e W Z - D a s B e s t e a m M o r g e n !<br />
Börsenstraße29·26382 <strong>Wilhelmshaven</strong> ·Tel.: (0 44 21) 488-2 80 ·Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9bis 13 Uhr <strong>und</strong> 14 bis 17 Uhr -Bilddienst<br />
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Seite 30 · <strong>Wilhelmshaven</strong>er <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Blickfang <strong>in</strong> der Mitte Fedderwardens war e<strong>in</strong>st das KriegerdenkmalAmKnullvorderApotheke,daszuEhrender1870<br />
imKrieggegenFrankreichgefallenenFedderwarderSoldaten<br />
errichtet worden war. Beim Ausbau der Poststraße wurde die<br />
präsentiert vom<br />
21. Juli 2012<br />
Grünflächegerodet,<strong>und</strong>dasDenkmalgleichmit.E<strong>in</strong>Reststeht<br />
heute bei der Feuerwehr an der Alkostraße , andere Teile liegen<br />
unter dem Gehweg vergraben. Obenauf thronte der<br />
Reichsadler FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
Die Erstenkamenvor2000Jahren<br />
FEDDERWARDEN/SI – Fedderwarden<br />
ist e<strong>in</strong> schönes Dorf, doch<br />
wenn man e<strong>in</strong>e alte Postkarte<br />
aus dem Jahr 1900 betrachtet,<br />
die die Poststraße als baumbestandene<br />
Allee zeigt, dann kann<br />
schon e<strong>in</strong> wenig Wehmut nach<br />
etwas mehr Grün im Straßenraum<br />
aufkommen.<br />
Das unsche<strong>in</strong>bare Dorf, an<br />
dem der Verkehr auf der hoch<br />
gelegenen Landesstraße Richtung<br />
Küste vorbei saust, blickt<br />
auf e<strong>in</strong>e 2000-jährige Geschichte<br />
zurück. Das tun andere Dörfer<br />
an der Nordseeküste auch,<br />
doch die Fedderwarder „Chronik<br />
e<strong>in</strong>es Marschendorfes“ von<br />
Hans-Jürgen Heise aus dem<br />
Jahr 2000 schildert besonders<br />
anschaulich, was sich hier an<br />
der Küste seit Christi Geburt getan<br />
hat.<br />
Zunächst siedelten hier die<br />
Chauken auf e<strong>in</strong>er eiszeitlichen<br />
Geesterhebung. Wegen des<br />
steigenden Meeresspiegels erhöhten<br />
sie ihre Wohnplätze. Die<br />
drei Wurten des Dorfes entstanden.<br />
Die Chauken machten sich<br />
während der Völkerwanderung<br />
im 5. Jahrh<strong>und</strong>ert nach England<br />
davon.<br />
R<strong>und</strong> e<strong>in</strong>h<strong>und</strong>ert Jahre später<br />
richteten sich die Friesen,<br />
von Westen kommend, hier<br />
häuslich e<strong>in</strong>. Sie bauten Deiche<br />
<strong>und</strong> trieben wie zuvor schon die<br />
Chauken Seehandel über die<br />
DerCharmedesAltenaufdemKirchweg. FOTO: WZ-BILDDIENST/LÜBBE<br />
Maade, ihr Tor zur Welt. Viehzucht<br />
<strong>und</strong> Salzgew<strong>in</strong>nung machten<br />
sie relativ wohlhabend. Vor<br />
760 Jahren bauten sie sich<br />
e<strong>in</strong>e schöne Kirche.<br />
Häuptl<strong>in</strong>gsherrschaft, Burgenbau<br />
<strong>und</strong> die Entstehung der<br />
Herrlichkeit Kniphausen prägten<br />
die Entwicklung des Dorfes<br />
<strong>in</strong> der Neuzeit ebenso wie der<br />
Kampf mit den natürlichen Elementen,<br />
die Sturmfluten, die<br />
Landgew<strong>in</strong>nungen <strong>und</strong> Deichbauten.<br />
Fedderwarden gehörte<br />
zu e<strong>in</strong>em der kle<strong>in</strong>sten Staaten<br />
Deutschlands mit eigenen Maßen<br />
<strong>und</strong> Gewichten.<br />
Während der napoleonischen<br />
Kont<strong>in</strong>entalsperre wurde<br />
über die kniphausischen Häfen<br />
kräftig geschmuggelt.<br />
Und dann wurde <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
gebaut. Dafür wurden die<br />
Fedderwarder samt der ganzen<br />
Herrlichkeit verkauft. Preußen<br />
beglich für den Herzog von Oldenburg<br />
bei den zerstrittenen<br />
von Bent<strong>in</strong>cks die Rechnung,<br />
der Herzog „schluckte“ Kniphausen<br />
samt Varel. Dafür wurde<br />
das Heppenser Fährhuck<br />
preußisch.<br />
Die Folgen des Hafenbaus<br />
ab den 1860er-Jahren<br />
schwappten auch nach Fedderwarden.<br />
Immer mehr Menschen<br />
suchten hier e<strong>in</strong> Unterkommen.<br />
Seit 1972 ist das Dorf e<strong>in</strong><br />
Stadtteil <strong>Wilhelmshaven</strong>s.
Grenzstr. 24 · 26382 <strong>Wilhelmshaven</strong> · t 0 44 21/755 75 50 · e-mail: <strong>in</strong>fo@zender-versicherungsmakler.de
Die Geschichte<br />
des Pane Maggiore<br />
Über Umwege <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive<br />
Recherchen fi ndet man oft<br />
aus Zufall zu e<strong>in</strong>er <strong>neuen</strong><br />
Leidenschaft. Die Informationen<br />
im Internet s<strong>in</strong>d sehr spärlich<br />
oder unprofessionell verfasst.<br />
Man muss das Tess<strong>in</strong> - Land <strong>und</strong><br />
Leute kennen, man muss<br />
den südlichen <strong>und</strong> doch<br />
gebirgsnahen Lebenscharakter<br />
fühlen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Gespür für<br />
Unberührtes oder Vergessenes<br />
entwickeln um die überlieferten<br />
Weisheiten oder die <strong>alten</strong><br />
Rezepte zu verstehen.<br />
So wurden die grossen<br />
Maggiore-Brotlaibe zwar auf<br />
vielen Märkten, <strong>in</strong> Gaststätten<br />
<strong>und</strong> auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bäckereien<br />
angeboten, aber die Herkunft<br />
<strong>und</strong> die Geschichte dieses Brotes<br />
blieb verborgen. Im Maggiatal<br />
alltäglich, für die große weite<br />
Welt unnahbar. Das Org<strong>in</strong>alrezept<br />
ist geheim <strong>und</strong> man bekommt<br />
auf Fragen dazu nur fre<strong>und</strong>liche,<br />
aber ausweichende Antworten.<br />
Vor allem deutsche Urlauber<br />
haben aber immer wieder nach<br />
dem Pane-Maggiore oder dem<br />
Pane Valle Maggia gefragt.<br />
Ke<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, denn sie waren<br />
von der urtümlichen Qualität<br />
der Brote h<strong>in</strong>gerissen.<br />
Leidenschaftliches Verh<strong>alten</strong> war<br />
es auch, das die Bäckermeister<br />
der Bäckerei Kempe sich zum<br />
Ziel setzten, alte <strong>und</strong> vergessene<br />
Rezepte wieder zu aktivieren.<br />
Das Pane-Maggiore ( Pane Valle<br />
Maggia ) Rezept wurde schon<br />
vor e<strong>in</strong>iger Zeit erforscht <strong>und</strong> die<br />
Erkenntnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rezeptordner<br />
abgelegt. Es war also an der<br />
Zeit, sich dieser Brotspezialität<br />
anzunehmen. Der Charakter des<br />
Pane-Maggiore deutet auf e<strong>in</strong>e<br />
spezielle Teigführung, e<strong>in</strong>e hohe<br />
Teigausbeute <strong>und</strong> auf rustikales<br />
Backen h<strong>in</strong>. Die Bäckermeister<br />
der Bäckerei Kempe haben mit<br />
bestem Erfolg erreicht, dass die<br />
neue Rezeptur die <strong>alten</strong><br />
Charaktereigenschaften behält<br />
<strong>und</strong> die Herstellung nach<br />
moderner, backtechnischer Art<br />
vollzogen werden kann.<br />
Neu bei<br />
„Pane Maggiore“<br />
Nicht nur e<strong>in</strong> Brot...<br />
Nach altem Rezept<br />
für Sie gebacken.<br />
Genießen Sie den Unterschied!<br />
Erhältlich im Hauptgeschäft <strong>und</strong> allen Filialen<br />
Mitscherlichstr. 29a | 26382 <strong>Wilhelmshaven</strong><br />
Tel. 04421 | 2 37 27<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@baeckerei-kempe.de