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N A C H R I C H T E N 4 2006 - Publikationen - ARL

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Klaus-Peter Güttler, Abteilungsleiter, Verkehr/Straßenbau<br />

(Hess. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung),<br />

Karl-Heinz Hoffmann-Bohner, Verbandsdirektor<br />

(Regionalverband Hochrhein-Bodensee), Winfried Hanslmeier,<br />

Leiter Anlagenmanagement Südbaden/Württemberg<br />

(DB Netz AG, Karlsruhe), Dr. Hans-Jürgen Seimetz, Leitender<br />

Direktor (Verband Region Rhein-Neckar), Dr.-Ing. Dirk Seidelmann,<br />

Universität Karlsruhe (Institut für Städtebau und<br />

Landesplanung), Dr.-Ing. Peter Sturm, Prokurist (Zentrum für<br />

integrierte Verkehrssysteme, ZIV, Darmstadt), und Stephan<br />

Wildhirt, Verbandsdirektor (Planungsverband Ballungsraum<br />

Frankfurt/Rhein-Main).<br />

Engpass Oberrheingraben<br />

Grundlage bildete ein Referat von Prof. Dr. Bernd Scholl,<br />

Zürich. Er führte anhand eindrucksvoller Belege vor Augen, in<br />

welchem eklatanten Maße großen Verkehrsströmen in Europa<br />

auf deutscher Seite in planerischer Hinsicht ein konzeptioneller<br />

Flickenteppich gegenübersteht. Ausgangspunkt seiner<br />

Überlegungen war die Feststellung, dass in Deutschland<br />

auf nationaler Ebene keine über die einzelnen Träger und<br />

Regionen hinausgehende abgestimmte Verkehrsstrategie<br />

und mithin auch keine dementsprechende Planung existiert.<br />

Entsprechend wird die räumliche Entwicklung von Zufälligkeiten<br />

geprägt, sodass die Gefahr besteht, dass Raum- und<br />

Siedlungsentwicklung in immer stärkerem Maß irreversibel<br />

auseinanderlaufen. Das bedeutet nichts anderes als eine<br />

Vergeudung grundlegender Ressourcen beim Humankapital,<br />

beim Sachkapital und bei den natürlichen Grundlagen.<br />

Diese Auswirkungen sind im Rheintal und insbesondere im<br />

Oberrheingraben deshalb in besonderer Weise gravierend,<br />

weil es sich hier um den Bereich Europas mit der höchsten<br />

Wirtschaftskraft handelt. Gleichwohl ist diese Transversale<br />

nicht im Fokus Europas und wird auf den verschiedenen<br />

Teilstrecken in unterschiedlicher Weise teilweise allein durch<br />

einzelne Träger beplant.<br />

Beispiel Schweiz<br />

In der Schweiz wird bekanntlich seit langem nicht ohne<br />

Erfolg daran gearbeitet, den größten Teil des Güterverkehrs<br />

auf die Schiene zu verlegen (im Gegensatz beispielsweise<br />

zu Deutschland oder zu Frankreich). An diesen Erfolgen<br />

wird – im doppelten Wortsinn – planmäßig weitergearbeitet<br />

mit einem systematischen Ausbau der Flachbahnen durch<br />

die Alpen (Neubau von Basistunnels). Auf diese Weise wird<br />

auf unterschiedlichen Etappen bis 2016 ein Maß an Qualitätsverbesserungen<br />

und an Leistungsfähigkeit erreicht, das<br />

durchaus als Quantensprung in der Verkehrsbewältigung<br />

bezeichnet werden kann. Dem steht auf deutscher Seite<br />

nichts Vergleichbares gegenüber. Während bei proportionalen<br />

Investitionen in Deutschland jährlich ca. 15 Milliarden<br />

Euro Investitionsvolumen erforderlich wären (um den Zulauf<br />

Richtung Süden vergleichbar auszubauen), wird tatsächlich<br />

per annum nur eine Investitionstranche von ca. 1 Milliarde<br />

Euro realisiert. So ist davon auszugehen, dass auf deutscher<br />

Seite die bekannten Engpässe bei den Zulaufstrecken zur<br />

Schweiz weiterhin bestehen bleiben und in ihrer Dramatik<br />

noch zunehmen werden. Dies gilt umso mehr, als nach wie<br />

vor keine zentrale Abstimmung für die Nord-Süd-Transversale<br />

in Sicht ist.<br />

FORSCHUNG<br />

42<br />

Ein erster Schritt<br />

Vor diesem Hintergrund forderte Scholl die Einrichtung<br />

eines grenzüberschreitenden „Consiliums“ von Experten<br />

zunächst aus der Schweiz und Deutschland, in dem eine<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Einschluss der<br />

Regionen erfolgt. Dieses „Consilium“ sollte zunächst informelle<br />

Vorarbeiten leisten und könnte dann übergehen<br />

in ein zunehmend mit Kompetenzen ausgestattetes Gremium.<br />

In inhaltlicher Hinsicht müsste zunächst der Aufbau<br />

eines leistungsfähigen Städtenetzes in Angriff genommen<br />

werden, dessen Rückgrat nur die Schiene bilden kann. Eine<br />

Grundvoraussetzung dazu wäre ein attraktiver, integrierter<br />

und leistungsfähiger Regionalverkehr. Dieses Erfordernis<br />

besteht schon allein deshalb, um eine weitere Zersiedelung<br />

am Oberrhein und ein unkontrolliertes „Volllaufen“ der<br />

Seitentäler zu vermeiden.<br />

Was fehlt: verbindliche Prioritäten<br />

Wenn dazu ein abgestimmtes technisches System treten<br />

würde (was bis zum aktiven Schallschutz reicht) und eine<br />

Stärkung der Grenzregionen bewirkt werden könnte, wären<br />

noch erhebliche Mobilitätspotenziale vorhanden. Das<br />

bedeutet im Umkehrschluss: Solange eindeutige Prioritäten<br />

ebenso fehlen wie klare Zeithorizonte, d. h. solange von<br />

einem abgestimmten Vorgehen nicht ausgegangen werden<br />

kann, bestehen erhebliche Gefahren für die Raum- und Siedlungsstruktur<br />

in Deutschland und dürften sich Deutschland<br />

und die Schweiz weiter auseinanderentwickeln. Im Hinblick<br />

auf die Nord-Süd-Transversale bedeutet das eine Minderung<br />

der Leistungs- und Wirtschaftskraft für diesen Korridor im<br />

Herzen Europas und damit letztlich für ganz Europa.<br />

Diese vorläufi ge Analyse aus dem Arbeitskreis wurde von<br />

den anwesenden Experten der verkehrsplanerischen Praxis<br />

durchgängig bestätigt. Auch wenn die Verkehrsprojekte<br />

„Deutsche Einheit“ völlig zu Recht vorübergehend Priorität<br />

hatten, so ist nach Einschätzung der Praxis die Zeit nunmehr<br />

reif für eine abgestimmte Strategie für Gesamtdeutschland.<br />

Eine solche ist jedoch nicht in Sicht – der im Oktober <strong>2006</strong><br />

verabschiedete Investitionsrahmenplan ist offenbar kein<br />

Ersatz und wurde in diesem Zusammenhang als „Wundertüte“<br />

bezeichnet, die weit entfernt sei von den hier zur Rede<br />

stehenden Überlegungen. Mit zahlreichen Beispielen aus<br />

der verkehrsplanerischen Praxis wurden einzelne Ausbauerfordernisse<br />

ebenso belegt wie die Notwendigkeit eines<br />

abgestimmten Vorgehens. Dass dies bisher noch nicht gelungen<br />

ist, ist nach allgemeiner Einschätzung nur teilweise<br />

ein Problem des Länderföderalismus. Es war Konsens, dass<br />

die Gründe hierfür auch beim Bund selber liegen.<br />

Konkrete Erfordernisse<br />

Im Ergebnis lassen sich die Erfahrungen aus den einzelnen<br />

konkreten Beispielen vor Ort zusammenfassen mit dem<br />

dringenden Erfordernis zu<br />

■ langfristigen Bestimmungen der Leistungsfähigkeit in<br />

Abstimmung mit den internationalen „Übergabepunkten“<br />

besonders im Güterverkehr,<br />

■<br />

einer räumlichen und kapazitativen Festlegung und dem<br />

daraus folgenden Ausbau von Knotenpunkten auch im<br />

4/<strong>2006</strong>

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