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Am Lißbach oder Reißigbach<br />
(„Dorfmund“) und inmitten<br />
seiner Felder gelegen, durch die<br />
B 101 in Ober- und Unterdorf<br />
mit ehemaligem Schloss und<br />
Gutsbereich geteilt, gehörte<br />
Wendischbora in historisch<br />
früher Zeit unserer Gegend als<br />
Lehen zum Bistum Meißen,<br />
danach zum Burggrafentum,<br />
um 1750 in die „Meißnischen<br />
Ämter“, - nicht in das „Nossener<br />
Amt“ und nie zum Kloster<br />
Altzella. (Lit. Sächsische Landesbibliothek,<br />
Staats- und Universitätsbibliothek<br />
Dresden, 1790)<br />
Zumindest seit 1334 ist der<br />
Ortname ausgewiesen, 1354<br />
der Gutsbesitz als Rittersitz. –<br />
Die slawische Gründung und<br />
die Vergabe des Lehens, -<br />
womöglich als Stammsitz derer<br />
„von Bor“ – mag Ende des 12.<br />
Jahrhunderts vonstatten gegangen<br />
sein.<br />
Zum altschriftsässigen Rittergutsbezirk<br />
Wendischbora<br />
gehörten seit alters der Ort<br />
selbst, Mahlitzsch, Simselwitz<br />
bei Döbeln und das Lehen –<br />
oder das „Preußsche Vorwerk“<br />
(1750), - nach den damaligen<br />
Besitzern des Rittergutes<br />
benannt; das heutige Gewerbegebiet<br />
also, aber historisch<br />
ungerechtfertigt als „Heynitzer<br />
Lehden“ bezeichnet.<br />
Infolge dieser hergebrachten<br />
und gewachsenen Beziehungen<br />
und Bedingungen – insbesondere<br />
der beiden nahe benachbarten<br />
Wendischbora und<br />
Mahlitzsch – ergaben sich später<br />
Voraussetzungen für ein<br />
Zusammengehen als Kirch-,<br />
Schul- und Verwaltungsgemeinde.<br />
–<br />
<strong>Nossner</strong> <strong>Rundschau</strong> I März <strong>2010</strong><br />
Wendischbora<br />
Historisches und Aktuelles zum Ortsteil und seinen Einwohnern<br />
Über die Jahrhunderte besitzt<br />
Wendischbora unter dem<br />
Patronat – dem Schutz und der<br />
Aufsicht – des jeweiligen Gutsherren<br />
/ der Gutsherrin seine<br />
Kirche und Pfarre: 1346 dem<br />
römisch-katholischen Erzpriester<br />
zu Roßwein unterstellt,<br />
nach der Reformation der<br />
Superintendentur in Meißen. –<br />
Der erste evangelisch-lutherische<br />
Pastor nahm sein Amt<br />
etwa 1539 im Dorfe auf. Erst<br />
1714 machte der Bau eines<br />
Pfarrhauses offenbar aller notdürftigen<br />
Unterkunft auch für<br />
nachfolgende Amtskollegen ein<br />
Ende. –<br />
(Weiteres zur Kirche, s. NR November<br />
1994 und NR Nr. 246, S. 18)<br />
Zunächst hatten die Pfarreimitglieder<br />
über Abgaben an<br />
Geld und Naturalien für Unterkunft,<br />
Beköstigung sowie Saatgut<br />
für des Pastors Feld zu sorgen.<br />
Später bewirtschaftete ein<br />
Knecht 25 ha Pfarrland, ehe<br />
dies endgültig an einheimische<br />
„Pfarrpächter“ gelangte.-<br />
Außerhalb der Grenzen des<br />
Rittergutsbezirkes Wendischbora<br />
gelegen – mit eigenem<br />
Rittergut, jedoch ohne Kirche –<br />
besteht zumindest seit 1431<br />
wie 1524 - Obereula.<br />
Der Ort gehörte ebenso in das<br />
Gebiet „Meissnischer Aemmter“,<br />
nicht zum „Ammt Nossen“<br />
und ging nach der Reformation<br />
an das Stiftamt Meißen<br />
über. Und im Gefolge der<br />
Reformation wurde das Rittergut<br />
Obereula mit dessen Ort<br />
und Unteranen deshalb wohl<br />
nach Wendischbora eingepfarrt.-<br />
Das bedeutete für die<br />
Einwohner, alle Pflichten, Sit-<br />
Abbildungen von Häuslern und Bauern in Wendischbora, 1740<br />
Original im Privatbesitz<br />
28<br />
ten und Gebräuche wie Gottesdienst,<br />
Abendmahl, Taufe,<br />
Konfirmation, die Vorbereitungsstunden<br />
darauf, Trauung,<br />
„Begängnis“ (Bestattung) noch<br />
lange nach 1575 in festgelegter<br />
Häufigkeit – ja sogar bei Strafe<br />
und bei viel Weg(!) – in hiesiger<br />
Kirche wahrzunehmen.<br />
Wie auch in Folge die Einschulung<br />
der Obereulaer Kinder<br />
in Wendischbora bis zum<br />
Jahre 1840 erfolgte. – Das traf<br />
für Mahlitzsch ab 1886 zu, für<br />
Neugohla seit 1901. (Weiteres<br />
zur Schule, s. NR Nr. 246, 247)<br />
Mit Zugehörigkeit zum Rittergutsbezirk<br />
Wendischbora werden<br />
die Untertanen auch unseres<br />
Dorfes wegen des<br />
Nichtbesitzes an Grund und<br />
Boden und wegen der<br />
Gerichtshoheit der Herrschaft<br />
in feudaler Gesellschaftsordnung<br />
in gestrenger wirtschaftlicher<br />
und sozialer Abhängigkeit<br />
gehalten worden sein: Gegenüber<br />
dem Lehnsherren waren<br />
Frondienste zu leisten, Abgaben<br />
an Geld und Naturalien<br />
aufzubringen und „zu zinsen“,<br />
Lehn- und Pachtverpflichtungen<br />
einzulösen. –<br />
Kirchenbücher der Parochie<br />
liegen seit der Reformation vor;<br />
so erfahren wir seitdem erst<br />
über örtliche Verhältnisse. –<br />
Immerhin erfassten noch 1790<br />
Bauernunruhen und Aufstand<br />
die Gegenden um Meißen,<br />
Lommatzsch, Oschatz „wegen<br />
Druckes und Zwangsmaßregeln<br />
des Gutsherren und gewisser<br />
Gerichtshalter“, wobei diese<br />
„zu Wendischbora“ – damals<br />
im Besitz der Familien von<br />
Bornsdorff – „besonders sichtbar<br />
gewesen sind.“ –<br />
Im Resümee seiner „Beiträge<br />
zur Geschichte der Kirchgemeinde<br />
Wendischbora“ (1885)<br />
hebt Pfarrer Julius Prölß „den<br />
gewaltigen Fortschritt zum<br />
Besseren“ hervor, der mit dem<br />
„Übergang der Gerichtshoheit<br />
von der Herrschaft auf den<br />
Staat“ vorgesehen worden war,<br />
„vor dem alle Bürger gleich<br />
sind.“ –<br />
Dabei waren im Rittergutsbezirk,<br />
in der Kirchgemeinde –<br />
Einwohnervertretungen installiert.<br />
1575 bereits begegnete<br />
man „Schöppen und (Orts-)<br />
Richtern“ in Obereula und<br />
Wendischbora. Kirchen-,<br />
Schul-, Gemeindevorstände<br />
und Gemeinderat sind später<br />
benannt, – offenbar „einseitiger<br />
gewollt“ in ihrem Wirken bei<br />
Unterstützung von „Zwangsmaßregeln“.<br />
–<br />
Berufe<br />
Selbständiger Bauern-, Handwerker-<br />
und Gewerbestand<br />
erfuhren unter den vorangegangenen<br />
Bedingungen im Dorf<br />
sehr zögerliche Förderung und<br />
spätere Entwicklung. –<br />
Dienstleistungen und Arbeitsverhältnisse<br />
der Gutsuntertanen<br />
im herrschaftlichen Haus auf<br />
Wendischbora sind um 1670<br />
z.B. Hofkinderfrau, Hofpage,<br />
Hofköchin, Zofe, Aufwartungsmagd<br />
– die gnädige Frau anzukleiden;<br />
ein Studiosus der<br />
Theologie – die größeren Kinder<br />
in die Anfangsgründe der<br />
Wissenschaften einzuführen;<br />
Schreiber, Kutscher, Lustgärtner<br />
– den Garten nach neuestem<br />
Geschmack herzustellen; der<br />
Reuter – zuzeiten schriftliche<br />
Aufträge des Lehnsherren auszutragen,<br />
…<br />
Es ist festgeschrieben, dass<br />
Eltern des Dorfes ihre Kinder<br />
ein Jahr ums andere in den<br />
Dienst der Herrschaft zu geben<br />
haben. –<br />
Auf dem Wirtschaftshof, den<br />
Feldern und Wiesen leisten<br />
Untertane ihre Frondienste ab,<br />
gehen als Anspänner, Drescher<br />
... Unter der Leitung des<br />
Schirrmeisters arbeiten Großund<br />
Mittelknecht, der Pferdejunge<br />
Ochsenknecht, Schäfer<br />
und Schafjunge.<br />
In Leuteküche und Ställen versehen<br />
die Hofeschließerin, die<br />
Kehrmagd, die Große-, Mittelund<br />
kleine Magd ihren Dienst,<br />
dazu Kuh- und Gänsemagd,<br />
die Käsemutter – inwärtigen<br />
wie auswärtigen Arbeitern nach<br />
Rang und Leistung ein oder<br />
zwei Käse zuzuteilen. –<br />
Über allem wacht der Lehnsherr<br />
– oder der Lehns- bzw.<br />
Rittergutspächter. (1727)<br />
Eine entschwindende, ferne<br />
Idylle ist man geneigt zu