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Panorama Dezember 2013

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30 | RAIFFEISEN KlimaRAIFFEISEN Klima | 31«Wir haben die Wahl,wie das Klima in dennächsten 150 Jahrenaussehen wird.»Thomas Stocker, UmweltphysikerSchwankungen bereits 2009 erkannt, längstbevor die öffentliche Diskussion darüber gestartetwurde. «Es ist tatsächlich so, dass bei Betrachtender Klimakurve seit 1850 in den letzten15 Jahren die Temperatur weniger steil angestiegenist als in den Jahren zuvor.»Für den Berner Klimaforscher ist dies nichtsAussergewöhnliches, weil es natürliche Schwankungenimmer wieder gegeben habe. Zu beachtensei allerdings, dass 1998 eines der weltweitwärmsten Jahre war und eines der stärkstenEl-Niño-Ereignisse stattgefunden hat. Dies hatteweltweit Auswirkungen auf Niederschläge undTemperatur. Kommen in den letzten fünf Jahrendieser 15-Jahres-Periode noch La Niña, also eineAbkühlung, und ein paar Vulkanausbrüche insSpiel, dürfe es niemanden mehr wundern, dasseine Stagnation festzustellen sei. Stocker istüberzeugt: «Solche Phasen wird es auch in Zukunftimmer wieder geben.»In der Hand des MenschenWas sind die Kernbotschaften des jüngstenIPCC-Berichtes?Es gibt drei Kernbotschaften. Erstens: Wir beobachtenungewöhnliche Veränderungen beiallen Komponenten unseres Klimasystems. Inder Atmosphäre, im Ozean, in den Eisschildernder Pole und in der Landoberfläche. Zweitens:Wir verstehen, warum wir diese Veränderungensehen und messen, und können diese quantitativerklären durch das Ansteigen der Treibhausgasein der Atmosphäre. Drittens: Wir könnenheute abschätzen, wie sich das Klima verändernwird, als Folge der Entscheidungen, die dieWeltgemeinschaft heute fällt. Wir haben alsodie Wahl, wie das Klima in den nächsten 100 bis150 Jahren aussehen wird.Also haben wir Menschen es in unserer Hand,welches Klima wir in den nächsten Jahrzehntenhaben werden?So ist es. Beim Einkauf mit der Kreditkarte weissjeder genau, dass nach ein paar Wochen eineRechnung ins Haus flattern wird. Wir werdenaufgrund der vergangenen und heutigen Emissionenin den nächsten Jahrzehnten einen Klimawandelerleben. Und mit den Emissionen vonmorgen und übermorgen leiten wir einen neuen,noch grösseren Klimawandel ein.Und an allem ist nur der Mensch schuld?Die Aussage im neusten Klimabericht ist deutlich:Es ist «äusserst wahrscheinlich» (bei 95Prozent), dass mehr als die Hälfte der beobachtetenErwärmungen seit 1951 durch den Menschenverursacht worden ist. Das ist eine wissenschaftlichpräzise Aussage.Keine heile BergweltDie Wissenschaftler reden im Zusammenhangmit der Klimaerwärmung in erster Linie vomsteigenden Meeresspiegel und den schmelzendenEiskappen. Jetzt könnte ein egoistischerSchweizer sagen: Was geht mich das in den Alpenan, wenn in der Südsee ein paar Inseln imWasser verschwinden? Der Klimaforscher runzeltbei dieser Frage mit Blick auf die tiefverschneitenBerner Alpen die Stirn: «Die Zeit ist vorbei, in derman so eng lokal denken konnte. Der Klimawandelwirkt global und hat auf alle Regionen Auswirkungen.Auch bei uns in den Alpen. Ich denkean den massiven Rückzug der Gletscher, dieVeränderung der Schneedecke oder die immerunregelmässigeren Winter. Das hat Folgen fürden Tourismus, aber auch für die Elektrizitätswirtschaftund viele andere Branchen.»Die Schweiz steht nach Stocker vor spezifischenHerausforderungen. Dass die immer wiedervorgebrachten Ötzi und Hannibal mit seinenElefanten vor ein paar Tausend Jahren über eisfreieAlpen geklettert sind, ist für die Wissenschaftkeine Überraschung. «Damit sollen Zweifelund Verunsicherung gestreut werden.Gleichzeitig werden wichtige Informationen zurückgehalten.Nämlich das Wissen, dass es immerwieder langfristige Klimaschwankungengibt, die durch Prozesse verursacht werden, diewir heute viel besser verstehen.»Stocker erwähnt die Milancovic-Zyklen, diezeigen, dass die auf die Erde treffende Sonnenenergiejährlich schwankt. Im Laufe von 2000 bis3000 Jahren könne sich die Sonneneinstrahlungum mehrere Watt pro Quadratmeter verändern– mit entsprechenden Folgen für das Klima. Dieverstärkte Sonneneinstrahlung führte so vorüber 2000 Jahren in den Alpen zu einem Gletscherschwund.«Es ist tendenziös, wenn mandiese längst bekannten Erkenntnisse im Zusammenhangmit Hannibal und Ötzi kurzerhandverschweigt. Denn sie erlauben, daraus die entsprechendenFolgerungen zu ziehen. Der damaligeGletscherstand – weit oberhalb dem heutigen– ist schlüssig und quantitativ erklärbardurch diese erhöhte Einstrahlung der Sonne.»«Eine dritte industrielle Revolution»In ihrer Arbeitsgruppe wird ausschliesslichglobal gearbeitet. Was sagen Sie jenen Kollegen,die behaupten, man müsse statt globale,regionale Berichte erstellen. Also beispielsweiseeinen für die Alpen.Das ist keine Lösung. Der Klimawandel ist einglobales Problem, also braucht es auch Instanzen,die eine globale Sicht haben. RegionaleProbleme sind von zentraler Bedeutung, aber siemüssen in einen globalen Kontext gestellt werden.Wir möchten nicht, dass jedes Land seineneigenen Bericht erstellt. Es ist aber unbestritten,dass wir mehr regionale Beobachtungen machenmüssen, weil sich der Einfluss des Klimawandelsauf regionaler Ebene manifestiert.Die Rede ist von einem Bericht über die Alpen,einem über die Meere und einem über denRegenwald.Solche Spezialberichte sind durchaus machbarund wünschenswert. Aber man muss sich imKlaren sein, dass dahinter viel Aufwand für dieWissenschaftlerinnen und Wissenschaftlersteckt. Es muss eine wissenschaftliche Basis vorhandensein, die wir beurteilen können.Was verstehen Sie konkret darunter?Für unsere Arbeitsgruppe «The Physical ScienceBasis» muss ausreichend wissenschaftliche Literaturin begutachteten, internationalen Journalenvorhanden sein, aufgrund derer der Wissensstandbeurteilt werden kann. DieseLiteratur umfasst Beobachtung, Verständnisvon Prozessen und Studien zur zukünftigenEntwicklung in den Alpen, Meeren und im Regenwald.Stichworte dazu sind Klima in denAlpen, Gletschervolumen, Permafrost, Meeresströmungen,Meeresspiegel, Versauerung, Biomasseim Regenwald etc.Könnte man dadurch regional und national inder Bevölkerung nicht mehr Verständnis fürden Klimaschutz gewinnen?Das ist eine Aufgabe, die nicht allein beim IPCChängen bleiben darf. Hier sind neben der Wissenschaftvor Ort auch NGO, Bürgerinitiativen,Politik und viele weitere Institutionen der Gesellschaftwie die Kirche gefordert.Sie haben für die Schweiz auch schon einstrengeres Klimagesetz gefordert.Falls wir ein Klimaziel weltweit erreichen wollen,dann muss auch die Schweiz ihren Beitragleisten. So, wie wir im Moment unterwegs sind,kommen wir um strengere Gesetze wohl nichtherum. Nur so kann die Schweiz einen Beitragleisten zur Erreichung eines gemeinsamen Klimaziels.Sind wir in der Schweiz wenigstens auf demrichtigen Weg?Wir haben kleine und wichtige Schritte gemacht,aber wir müssen ehrgeiziger werdenund die Chance erkennen, die sich uns hierbietet. Es ist das erste Mal in der Geschichte derMenschheit, dass wir ziemlich genau wissen,wohin die Reise geht, wenn wir uns so oder soverhalten. Ich bin überzeugt, dass uns einedritte industrielle Revolution bevorsteht, in derneue Produkte erfunden, die Welt dekarbonisiertund Materialzyklen geschlossen werden.Diese Chance muss die Schweiz, als WissensundInnovationsplatz von weltweiter Bedeutung,packen.Die Zeit drängt. Thomas Stocker ist zurzeitein vielgefragter Mann. In aller Welt. Im Flugzeug,das viel CO 2 ausstösst, reist er von Ort zuOrt. Der Klimakämpfer weiss um die Problematikund versucht so wenig wie möglich insFlugzeug zu steigen. Ist dies nicht zu verhindern,kompensiert er die ausgestossenenSchadstoffe mit der finanziellen Unterstützungzweier nachhaltiger Projekte in Äthiopien undMadagaskar. Ins Büro fährt der Vater von zweiKindern mit dem Velo, und auch sonst versuchter umweltbewusst zu leben. «Aber auch Stockersleben nicht in der Höhle und verbrauchenEnergie.»Einen Tag nach diesem Gespräch wird bekannt,dass nach Widerstand aus Deutschlandin der EU die Einführung verschärfter Abgasnormenfür Autos (95 Gramm CO 2-Ausstoss)einmal mehr verschoben worden ist. Profiteureder politischen Lobbyarbeit sind die Herstellervon grossen und spritdurstigen Limousinen«made in Germany». Thomas Stocker und seineMitstreiter müssen weltweit noch viel Überzeugungsarbeitleisten. Klimastiftung SchweizErfolgreiche ProjekteDie Klimastiftung Schweiz hat bis Juni <strong>2013</strong> mehr als 500 Projekte von KMU inder Schweiz und Liechtenstein gefördert. Zudem hat sie über 300 Unternehmenim Rahmen des KMU-Modells der Energie-Agentur der Wirtschaft unterstützt.Die Klimastiftung Schweiz hat dafür bereits Unterstützungsleistungen von 8,7Mio. Franken gesprochen. Hier sehen Sie zwei in den letzten Jahren realisierteMassnahmen. Sie alle beweisen, dass zukunftsfähige KMU CO 2 einsparen undeffizienter sind im Umgang mit Energie. Ausserdem hat die Klimastiftung Schweizmarktreife Innovationen gefördert, die helfen, das Klima zu schützen.klimastiftung.chErsatz Ölheizung durch WärmepumpenDie Binkert Druck AG in Laufenburg nutzt bereitsGrundwasser als nachhaltige Energiequellezur Kühlung des Gebäudes und der Druckanlagenund betreibt eine Wärmerückgewinnungsanlage.Der Einbau einer zusätzlichenGrundwasser-Wärmepumpe ermöglicht,auf fossile Brennstoffe gänzlich zu verzichten.Emissionsreduktion: 85 Tonnen CO 2/JahrDampfgewinnung durch GetreideabfallDie Mühle Dambach, in Villmergen, installierteine neue Heizung, um die eigenen Biomasseabfällein Prozessdampf umzuwandeln. Dadurchwerden über 3 000 MWh Gas/Jahr eingespart.Die Abfälle müssen nicht mehrwegtransportiert werden. Der Betrieb stösstdadurch pro Jahr 650 t weniger CO 2 aus.Emissionsreduktion: 650 t CO 2/JahrGabriele Burn,Mitglied Geschäftsleitung Raiffeisen Schweiz,Präsidentin Klimastiftung Schweiz«Das Angebot der Klimastiftung kommt gut an undwird für die Reduktion des CO 2-Ausstosses genutzt.Die KMU sind bei der Lösungsfindung sehr kreativ,wie sie ihren eigenen CO 2-Ausstoss senken könnenoder Produkte und Dienstleistungen entwickeln, dieanderen helfen, weniger CO 2 auszustossen.»5/<strong>2013</strong> PANORAMA RAIFFEISENPANORAMA RAIFFEISEN5/<strong>2013</strong>

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