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Panorama Dezember 2013

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38 | RAIFFEISEN GesellschaftRAIFFEISEN Gesellschaft | 39Im Diskurs den Gemeinwillen findenZürich in ihrer Arbeit «Sind GemeindeversammlungenGemeinden und Zünfte sind Genossenschaften.noch Vor allem Bauern schlossen sich früh zu landwirt-zeitgemäss?» fest.schaftlichen Korporationen, etwa Milch- undIn Wetzikon, der grössten Käserei-Genossenschaften, zusammen.Versammlungsgemeinde imGemeindeversammlungen entstanden imKanton Zürich, lag die Beteiligungauch schon mal bei 1,4Prozent. Rapperswil-Jona erreichtelaut Stadtpräsident ErichZoller einen Minusrekord voneinem Prozent, als nur die Rechnungund ein kleines Geschäftbehandelt wurden. Bei spannendenHochmittelalter. Ihre Blütezeit war Ende des13. Jahrhunderts. Damals entstanden die Landsgemeinden.In der Versammlungsdemokratiegeht die Quelle legitimer Herrschaft von der Gemeinschaftaller Bürger aus. Durch Austauschvon Argumenten werden Interessen in Einklanggebracht und Entscheidungen getroffen. Ausdem öffentlichen Diskurs soll der GemeinwillenTraktanden, wie etwadem Bau einer Sportanlage, waren es dagegen4 Prozent. Rapperswil-Jona ist die grössteSchweizer Stadt mit Bürgerversammlung.Zurzeit läuft eine Initiative zur Einführung einesStadtparlaments.hervorgehen, der über die Summe der Einzelinteressenhinausgeht.Volksabstimmungen an der Urne wurden ausFrankreich importiert. Sie fassten während derHelvetik (1798 bis 1803) in der Schweiz Fuss. Im19. Jahrhundert wurden die Volksrechte weiterausgebaut. Im Kern der Referendumsdemokratiesteht der Bürger als Individuum mit seinenRechten und Freiheiten getreu der Losung «DerGesamtwille spiegelt die Summe der Einzelinteressen».Entscheidend sind einfache Mehrheiten.In der Helvetik wurden Gemeindeversammlungenabgeschafft und mit der Mediationsverfassung(1803) wieder erlaubt.02Intensive BeteiligungBürgerversammlungen seien gute Gelegenheiten,um als Stadtpräsident und Stadtrat vorden Bürgern zu stehen, zu erklären, zu diskutieren,sagt Zoller. Gefährdete Vorlagen könntendurch Änderungen gerettet werden. Die Beteiligungder Bürger sei intensiv. Über Vorhabenvon mehr als fünf Millionen Franken wird an derUrne entschieden. Vor einem Jahr seien imBudget Vorhaben gestrichen worden. «Die Beteiligunghängt von den Vorlagen ab», stelltZoller wiederholt fest. Wenn ein Fussballklubseine Leute mobilisiere, um einen Fussballplatzdurchzubringen, sei das legitim.Die Kirchhöri, wie die Gemeindeversammlungim Appenzellerland heisst, wurdein Teufen AR 1998 mit 60,6 Prozent Ja-Stimmenabgeschafft. Gemeindepräsident WalterGrob betont, sie sei die reine Kultur der direktenDemokratie, eine Austauschplattform– auch wenn er früher als GemeindeschreiberRiesenstress hatte, da er (ohne Computer) ein«Instant-Protokoll» verfassen und vorlesenmusste.Eine geringe Stimmbeteiligung sei nichtgrundsätzlich problematisch, meint Lukas Rühlivon Avenir Suisse. Der Rest der Stimmberechtigtenübe eben Stimmabstinenz. «Entscheidetreffen jene, die sich beteiligen, die Qualitäterhöht sich.» Würden Gemeindeparlamenteeingeführt, wäre die Beteiligung viel geringer.Generell sei eine Abschwächung der Genossenschaftsidee«Bürger gleich Staat» festzustellen.Wohin das führt, ist unklar.Wie legitim sind sie noch?Die geringe Beteiligung lässt Fragen offenwie jene nach der Legitimation und der Manipulierbarkeit.Alois Riklin, emeritierter Politikwissenschaftleran der Universität St. Gallen,stellt fest: «Durchschnittlich drei Prozent Beteiligungin den Zürcher Gemeindeversammlungenscheint mir unter den Aspekten derManipulierbarkeit und der demokratischen Legitimationbedenklich. Aus meiner Sicht repräsentiertein beispielsweise mit 40 Prozent derStimmberechtigten gewähltes Gemeindeparlamentdas Volk besser als eine Gemeindeversammlungmit drei Prozent der Stimmberechtigten.»Die Meinungen sind geteilt. Kübler/Rochatkommen in ihrer Studie zu einem anderenSchluss: Auch wenn nur eine kleine MinderheitGemeindeversammlungen besuche, seien siekeineswegs eine Farce. Eine tiefe Beteiligung seinicht per se schlecht, zumal offen diskutiertund gestaltet werde. Seit 2006 kann im KantonZürich ein Drittel der Anwesenden eineUrnenabstimmung fordern. Bei über 1100 Geschäftenwar das bei weniger als einem Viertelprozentder Fall.Je mehr direkte Demokratie, desto besserNiedrige Beteiligungszahlen seien nicht an sichschlecht, sagt auch Prof. Andreas Herrmann,einer der Leiter der Forschungsstelle für CustomerInsight der Universität St. Gallen. NachSchliessung von Wahllokalen würden auch mitwenigen repräsentativen Befragten sehr genaueHochrechnungen erstellt. Allerdingsseien niedrige Zahlen nicht unbedingt repräsentativ.Niedrige Prozentzahlen spiegelteneher Desinteresse wider.01«Je mehr direkte Demokratie, desto besser»,erklärt der frühere St. Galler NationalratFranz Jaeger, Akademischer Direktor an derExecutive School of Management, Technologyand Law der Universität St. Gallen. Vor allemin kleineren Gemeinden sollten Gemeindeversammlungenerhalten bleiben: «Ich versteheden Ruf nach deren Abschaffung nicht.» Zwarmüsse man Farbe bekennen, aber heute stündenderart viele elektronische Möglichkeiten,auch zur geheimen Stimmabgabe, zur Verfügung,dass das kein Problem mehr sei. Undschliesslich: «Les absents ont toujours tort.»In Muttenz ist die Gemeindeversammlungzu Ende. Wie immer treffen sich die 120 Stimmbürgerinnenund Stimmbürger, welche dieLegislative bildeten, zu einem gemeinsamenGläschen. 01 Entscheide im öffentlichen Diskursfinden: Die Bürger könnenVorlagen diskutieren, verändern,mitgestalten.02 Getuschelte Meinungsbildung –heimliche Diskussion.03 Grosse Lücken in der «MuttenzerKurve» – ein Prozent der Bürgersind anwesend.04 Entscheide werden mit offenemHandmehr gefällt.0304Raiffeisen – eine dergrössten GenossenschaftenRaiffeisen ist eine der grössten Genossenschaftender Schweiz. Dank dezentraler Struktur istdie Genossenschaft eine nachhaltig wirtschaftendeGesellschaftsform zur Verminderung vonRisiken. Jeder vierte Erwachsene in der Schweizist Genossenschafter bei einer Raiffeisenbank.Spitzenpositionen nehmen die Kantone Bern,St. Gallen und Aargau ein, mit je über 175 000Genossenschaftern. Jedes Jahr nehmen rund400 000 Personen an den Generalversammlungender Raiffeisenbanken in der Schweiz teil.Müssten sie alle an einem Ort untergebrachtwerden, wären über 30 Zürcher Hallenstadiennötig.Genossenschaften und Gemeindeversammlungenentstanden im Mittelalter. Zu den erstenGenossenschaften gehörten Alpgenossenschaften:Bauern schlossen sich zusammen, um dieAlpweiden gemeinsam zu bewirtschaften.1847 schuf Friedrich Wilhelm Raiffeisen inWeyerbusch in Rheinland Pfalz den erstenHilfsverein zur Unterstützung der Not leidendenLandbevölkerung. 1862 gründete er denHeddesdorfer Darlehenskassenverein, die ersteGenossenschaft im Sinne Raiffeisens. Für ihnwar klar: Das Ganze ist mehr als die Summeseiner Teile.5/<strong>2013</strong> PANORAMA RAIFFEISENPANORAMA RAIFFEISEN5/<strong>2013</strong>

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