Ich kenne die Welt, in der ›Keine Angst‹ spielt, von innen - WDR.de

2 | Keine Angst
Editorial
Nach offiziellen Zählungen leben ca. 2,6 Millionen Kinder
in Deutschland in Armut. Damit sind sie die am stärksten
betroffene Altersgruppe. Darüber hinaus haben Kinder, die
in derartig deprimierenden Situationen aufwachsen, deutlich
schlechtere Bildungschancen und weisen eine
schlechtere gesundheitliche Verfassung auf. Diese Erhebung
kann niemanden kalt lassen. Oder? Der Staat pumpt
hunderte Milliarden Euro in marode Banken aber tut sich
schwer, das Kindergeld zu erhöhen oder gar das Problem
an der Wurzel zu packen. Es wäre doch schon viel geholfen,
gäbe es – wie in anderen europäischen Ländern – Ganztagsschulen
mit freier Verpflegung, Schulkleidung, kostenlose
Lehrmittel etc.
Martina Mouchot hat in sozialen Brennpunkten in
Bremen, Hamburg und Berlin recherchiert, mit vielen Betreuern
und Familien gesprochen. Viele Menschen haben
resigniert. Viele jedoch haben sich ihre Würde bewahrt,
haben noch Träume, Visionen, kämpfen. Die WDR-Fernsehfilmredaktion
beschäftigt sich traditionell mit sozialen
Themen. So sind breit diskutierte Filme entstanden, die
sich eingemischt haben in den politischen Diskurs, ihn oft
sogar angeschoben haben.
Erinnert sei an Filme wie »Wut«, »Guten Morgen, Herr
Grothe« oder »Ihr könnt Euch niemals sicher sein«. Ihnen
allen war gemeinsam, dass die Protagonisten Einzelgänger,
gar Außenseiter waren oder zu ihnen gemacht wurden.
Die 13-jährige Becky in »Keine Angst« ist keine Außenseiterin,
sie lebt mitten im »Milieu«, sie kennt kein anderes
Leben. Sie liebt ihre Familie, besonders die kleineren Geschwister
und ihre Freundin Melanie. Ihre Wünsche und
Träume sind bescheiden. Doch dann lernt sie einen Jungen
kennen, der in besseren Verhältnissen lebt, der sogar ein
eigenes Zimmer zu Hause hat und einen Gecko im Terrarium.
Die beiden verlieben sich und merken dann, mit welcher
Gewalt die Gesellschaft diese soziale Annäherung
verhindern will.
Aelrun Goette hat einen zutiefst bewegenden Film
geschaffen, der wütend und traurig zugleich macht und
dennoch wünscht man sich, Becky und Bente mögen
stark genug sein, ihren eigenen Weg zu gehen.
Wolf-Dietrich Brücker
WDR-Filmredaktion
Der Inhalt In Kürze
Die 14-jährige Becky lebt mit ihren 3 kleinen Geschwistern
und ihrer Mutter Corinna in einer Hochhaussiedlung
am Rande der Stadt. Während Corinna ihr Elend im Suff
begräbt, ist Becky das Familienoberhaupt. Als Becky dem
schüchternen Bente begegnet, droht das fragile Familiengefüge
auseinander zu brechen.
»Keine Angst« erzählt die zärtliche Liebesgeschichte
von Becky und Bente, die mit aller Kraft um ihr Glück
kämpfen. Zugleich ist der Film auch eine Innenansicht von
Kinderarmut in Deutschland.
Der Film von Grimme-Preisträgerin Aelrun Goette wurde
2009 beim Festival des deutschen Kinos-Filmz in Mainz
mit dem Publikumspreis im Langfilmwettbewerb ausgezeichnet.
Zuvor hatte er beim 14. Chemnitzer Filmfestival
Schlingel für Kinder und junges Publikum den Förderpreis
der DEFA-Stiftung und er den Fair-Play-Preis erhalten.
5 Die Geschichte
6 »Ich kenne die Welt, in der ›Keine Angst‹ spielt, von innen«
Regisseurin Aelrun Goette im Gespräch
Biografie
8 »Es geht um das Bedürfnis nach Liebe«
Drehbuchautorin Martina Mouchot im Gespräch
Biografie
12 »Man kann Glück überall finden«
Michelle Barthel im Gespräch
Rolle/Biografie
14 »Ich fand Bente sofort sehr sympathisch«
Max Hegewald im Gespräch
Rolle/Biografie
16 »Der Film hat wirklich vieles verändert«
Carolyn Sophia Genzkow im Gespräch
Rolle/Biografie
18 Dagmar Leesch
Rolle/Biografie
18 Frank Giering
Rolle/Biografie
19 Besetzung | Stab | Daten zum Film