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Ich kenne die Welt, in der ›Keine Angst‹ spielt, von innen - WDR.de

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8 | Ke<strong>in</strong>e Angst<br />

»Es geht um das Bedürfnis nach Liebe«<br />

Drehbuchautor<strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>a Mouchot über ihre Recherchen an sozialen Brennpunkten, <strong>die</strong> Entstehung<br />

<strong>von</strong> »Ke<strong>in</strong>e Angst« und <strong>die</strong> Sehnsucht <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen nach Liebe, Glück und Geborgenheit.<br />

Wie s<strong>in</strong>d Sie auf <strong>die</strong> i<strong>de</strong>e zu »Ke<strong>in</strong>e angst« gekommen? Gab es da<br />

e<strong>in</strong>en auslösen<strong>de</strong>n Moment?<br />

Das Thema K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>armut habe ich schon lange im Kopf und im Herzen<br />

bewegt, aber wirklich angepackt habe ich es erst, als mir das<br />

Thema <strong>von</strong> außen, durch me<strong>in</strong>e Producer<strong>in</strong> Susanne Ottersbach,<br />

angetragen wur<strong>de</strong>, <strong>die</strong> zur I<strong>de</strong>e unseres Redakteurs Wolf-Dietrich<br />

Brücker <strong>die</strong> passen<strong>de</strong> Autor<strong>in</strong> gesucht hat. Da wusste ich e<strong>in</strong>fach:<br />

Das hat jetzt <strong>die</strong> besten Chancen, realisiert zu wer<strong>de</strong>n. Den positiven<br />

Ausblick brauchte ich wohl, um mich <strong>in</strong> <strong>die</strong>se for<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Thematik<br />

tiefer e<strong>in</strong>zuarbeiten.<br />

Was war zuerst da – <strong>die</strong> i<strong>de</strong>e e<strong>in</strong>er zeitgemäßen liebesgeschichte<br />

mit H<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>nissen – o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>die</strong> Frage, auf welche Weise man <strong>de</strong>n Zuschauern<br />

e<strong>in</strong> so ernstes thema wie <strong>die</strong> soziale Kluft <strong>in</strong> <strong>de</strong>utschland<br />

näher br<strong>in</strong>gen kann?<br />

Es g<strong>in</strong>g zuerst um das Thema. Und dann haben wir überlegt, wie<br />

wir es erzählen können, so dass es anschaubar ist, wie im ganzen<br />

Schrecken auch Schönheit se<strong>in</strong> kann. Der <strong>WDR</strong>-Redakteur Wolf-<br />

Dietrich Brücker hat <strong>die</strong> tragen<strong>de</strong>n Stichworte K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>armut und<br />

»Romeo & Julia« vorgegeben, eher en passant h<strong>in</strong>getupft, und uns<br />

dann erstmal machen lassen.<br />

Haben Sie für das drehbuch an sozialen Brennpunkten recherchiert?<br />

Ja, <strong>in</strong> Bremen und <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Hochhausvierteln. Bremen war sehr<br />

spannend, weil im Vergleich <strong>die</strong> belasteten ausländischen Familien<br />

sehr viel <strong>in</strong>takter und stabiler wirkten. Du gehst da als Mann nicht<br />

e<strong>in</strong>fach weg, du bist verantwortlich für <strong>de</strong><strong>in</strong>e Familie. Das könnte<br />

auch e<strong>in</strong> spannen<strong><strong>de</strong>r</strong> Film wer<strong>de</strong>n. Der Vergleich zwischen <strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />

Lebensentwürfen. Freiheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung. Verantwortungslosigkeit<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zwang. Individuum o<strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.<br />

Das ist ja immer e<strong>in</strong>e Bandbreite, und <strong>de</strong>n schmalen Grad zu erzählen<br />

hätte mich auch <strong>in</strong>teressiert.Wichtiger für das Drehbuch <strong>von</strong> »Ke<strong>in</strong>e<br />

Angst« war aber <strong><strong>de</strong>r</strong> mehrfache Besuch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> »Arche« <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>er christlichen E<strong>in</strong>richtung, <strong>die</strong> dort – und unter<strong>de</strong>ssen auch <strong>in</strong><br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Städten – K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n e<strong>in</strong>en Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> Geborgenheit anbietet.<br />

Warum waren <strong>die</strong>se Besuche wichtig für ihr drehbuch?<br />

<strong>Ich</strong> habe gesehen, wie dankbar das Angebot <strong>von</strong> Liebe und Zuwendung<br />

dort angenommen wird. Das hat mich sehr bee<strong>in</strong>druckt. <strong>Ich</strong><br />

hätte mehr Aggression und Zerstörungswut unter <strong>de</strong>n Besuchern<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »Arche« erwartet. Aber <strong>die</strong> Mitarbeiter schaffen es, <strong>de</strong>n meisten<br />

durch Vorbild und Strukturen e<strong>in</strong>en besseren Weg aufzuzeigen. Das<br />

ist dann Glück für bei<strong>de</strong> Seiten. Das wur<strong>de</strong> für mich dann auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundton <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte. Das Bedürfnis nach Liebe, das <strong>die</strong> tiefste<br />

Triebfe<strong><strong>de</strong>r</strong> zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t.<br />

<strong>in</strong> »Ke<strong>in</strong>e angst« geht es auch um sexuellen Missbrauch. Wie<br />

kommt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach zu <strong>die</strong>ser sexuellen Verrohung?<br />

Dazu s<strong>in</strong>d ja nun schon dicke Bücher verfasst wor<strong>de</strong>n, und es gibt<br />

bestimmt wichtige Stichworte wie Erosion <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie, Rollenverlust<br />

und so weiter, aber ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Soziolog<strong>in</strong>. <strong>Ich</strong> habe me<strong>in</strong>en<br />

ganz persönlichen Blick auf <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge. Deshalb habe ich im Buch<br />

versucht, auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verrohung noch aufsche<strong>in</strong>en zu lassen, dass<br />

es immer noch um das Bedürfnis nach Liebe geht. Deswegen<br />

schmerzt Melanie <strong>die</strong> Tatsache, dass ihre Freund<strong>in</strong> Becky <strong>die</strong>se Liebe<br />

erfahren darf. Und selbst Thomas, <strong><strong>de</strong>r</strong> neue Freund <strong>von</strong> Beckys<br />

Mutter, sehnt sich nach <strong>de</strong>m Re<strong>in</strong>en, <strong>de</strong>m Guten und kann es doch<br />

nur besitzen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m er es zerstört.<br />

(Sollen wir <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Fragen / Antworten streichen?<br />

Verrät vielleicht zuviel)<br />

Wie sehen Sie als Schöpfer<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Figuren das En<strong>de</strong> – hoffnungsvoll?<br />

O<strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegt das Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>sillusionierten Becky?<br />

Im ersten Entwurf habe ich Becky sterben lassen, und wir haben<br />

lang diskutiert, ob wir so düster aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte gehen wollen.<br />

Es sche<strong>in</strong>t mir immer noch konsequent, aber e<strong>in</strong> positiver Ausblick<br />

im Film ist wichtig. Der Zuschauer soll mit e<strong>in</strong>em Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung<br />

rausgehen. Dass es für <strong>die</strong> Figuren weitergehen kann. Und<br />

zwar besser. Und ich traue es <strong>de</strong>n Figuren auch zu. Aus e<strong>in</strong>er Erschütterung<br />

kann man durchaus gestärkt hervorgehen.<br />

Was sagt Ihre Geschichte und <strong><strong>de</strong>r</strong>en En<strong>de</strong> letztlich über unsere

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