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Prof. W. Tschacher, Adulte ADHS - UPD

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<strong>Adulte</strong> <strong>ADHS</strong>: Eine Erhebung mit psychiatrischenPatienten IWolfgang <strong>Tschacher</strong>, Stefanie Feuz, Marcel Meyer & Ruth GennerUniversitäre Psychiatrische Dienste Bern (<strong>UPD</strong>)Abteilung für PsychotherapieLaupenstrasse 49, CH- 3010 Bernfeuz@spk.unibe.ch/tschacher@spk.unibe.chEinführungCharakteristika von <strong>ADHS</strong>• Unaufmerksamkeit: Leicht ablenkbar, “Hans Guck in die Luft”• Hyperaktivität: Motorische Überaktivität, “Zappelphilipp”• Impulsivität: Mangelnde Selbststeuerung.Multifaktorielle Verursachung• Neuropsychologie: Beeinträchtigung von Exekutiv- undAufmerksamkeitsfunktionen (Hervey et al. 2004)• Physiologie: Hinweise auf Beeinträchtigungen der dopaminergen(alertness) und noradrinergen (focused attention) Transmittersysteme(Sobansky & Alm, 2004)• Genetik: Familien- und Zwillingsstudien zeigen hohe Erblichkeitsraten(Barkley et al. 2002)• Situations- und Umgebungsfaktoren<strong>ADHS</strong>: Einige Zahlen• Männer:Frauen = 3:1 (American Psychiatric Association, 1994)• Prävalenz: Bei Schulkindern 3-7% (American Psychiatric Association,1994), bei Erwachsenen 4% (Kessler et al., 2006)• Komorbidität: 77-86% der erwachsenen <strong>ADHS</strong>-Patienten mit komorbidenpsychiatrischen Diagnosen (Sobansky & Alm, 2004)• Persistenzraten: 6% (Wender, 1995), 25% (Young et al., 2003),30-50% (Manuzza et al.1990, 1993)<strong>ADHS</strong> im ErwachsenenalterVeränderung der klinischen Symptomatik:• Hyperaktivität und Impulsivität nehmen mit zunehmendemAlter ab• Aufmerksamkeitsproblematik bleibt stark erhalten• Selbstwertproblematik• Schlechte Planung, unorganisiert• Psychische und soziale Begleiterscheinungen werdenwichtigerAblauf der Rekrutierungs- und Testungsphasen zeitlich gegliedert:Screening:• ASRS• WURS-kN= 518Rekrutierung der Vpn:• Ausschlusskriterien• EinverständniserklärungTestung:• Neuropsychologie• Gestalttests• NEO-FFI• SCL-90-RN= 140Klinisches Interview• PANSS• <strong>ADHS</strong>-Diagnose (DSM-IV)• Wender-Utah-Kriterien• GAFEmpirische Befunde: Screening (N=518)• Frauen weisen eine signifikant höhere <strong>ADHS</strong>-Symptomatik auf!(sowohl bzgl. Unaufmerksamkeit als auch Hyperaktivität/Impulsivität)• Symptome in der Kindheit unterscheiden sich nicht• Allgemeinpsychiatrische Patienten weisen mehr <strong>ADHS</strong>-Symptome auf als Drogenpatienten und Gesunde• Gesunde berichten retrospektiv von weniger Symptomen• Die nach dem Screening getesteten Personen zeigen mehrSymptomeEmpirische Befunde der GetestetenWie unterschiedlich ist die Neuropsychologie bei den <strong>ADHS</strong>-Betroffene und den anderen Gruppen?Getestet wurden insgesamt 183 Versuchspersonen.Neuropsychologisches Paradoxon<strong>ADHS</strong>-Symptomatik ist neuropsychologisch definiert, jedochzeigen viele Erwachsene mit diagnostizierter <strong>ADHS</strong> normaleTestleistungen!Erklärungsversuche:• <strong>ADHS</strong>-Patienten können in gut strukturierten Situationen (z.B.Testsituation) bessere Leistungen erbringen als wenn sie dieStruktur selbst schaffen müssen.• Testergebnisse spiegeln tatsächliche diagnostische Heterogenitätwieder: Viele <strong>ADHS</strong>-Betroffene liegen im Normalbereich, nurein Teil ist neuropsychologisch beeinträchtigt.• Bis anhin verwendete Testverfahren sind für den <strong>ADHS</strong>-Nachweisnicht geeignet.Erste Erhebung:Patienten der <strong>UPD</strong>Index (N= 58)ausgeprägte <strong>ADHS</strong>-Sympt.(Screening)<strong>ADHS</strong>-Diagnose(N= 20)Stichprobe und Ablauf<strong>ADHS</strong>-Symptomatik(N= 38)N gesamt = 140Kontrolle (N= 82)niedrige <strong>ADHS</strong>-Sympt.(Screening)andere(N= 23)F3(N= 38)F2(N= 21)Zweite Erhebung:Gesunde Kontrollegesunde Kontrolle (N= 43)keine psychiatrische Behandlungkeine DiagnosenN gesamt = 43• Gestalttests: Keine Unterschiede zwischen den Gruppen.• Gedächtnis: Keine Unterschiede zwischen <strong>ADHS</strong> Gruppe undanderen klinischen Gruppen, ausser zu der gesunden Kontrollgruppe.• Exekutivfunktionen: Keine Unterschiede zwischen den klinischenGruppen, teilweise jedoch zu den Gesunden.• Vigilanz: Keine Unterschiede zwischen <strong>ADHS</strong> Gruppe und denanderen klinischen Gruppen, teilweise zu der gesunden Kontrollgruppe.• Reaktionszeiten: <strong>ADHS</strong> Gruppe langsamer als Gesunde, aberwenig Unterschiede zu anderen klinischen Gruppen.Zwischenergebnis: Neuropsychologisches ParadoxonWir replizieren, dass die neuropsychologisch definierte <strong>ADHS</strong>-Symptomatik bei der Überprüfung wenig prägnant hervortritt. DieAbgrenzung zu psychiatrischen Kontrollen ist schwierig, teilweisesind auch keine Unterschiede zu gesunden Kontrollen vorhanden.


<strong>Adulte</strong> <strong>ADHS</strong>: Eine Erhebung mit psychiatrischen Patienten IIWolfgang <strong>Tschacher</strong>, Stefanie Feuz, Marcel Meyer & Ruth GennerUniversitäre Psychiatrische Dienste Bern (<strong>UPD</strong>)Abteilung für PsychotherapieLaupenstrasse 49, CH- 3010 Bernfeuz@spk.unibe.ch/tschacher@spk.unibe.chSymptome im KindesalterWie wichtig ist das “age-of-onset-Kriterium”?Befund: <strong>Adulte</strong> <strong>ADHS</strong> ist statistisch bereits im Kindesalter vorhanden.PersönlichkeitszügeDie <strong>ADHS</strong>-Gruppe zeigt teilweise charakteristische Unterschiede,besonders im Vergleich zu den Gesunden. Insbesondereunterscheiden sich die Gruppen signifikant auf den DimensionenNeurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit.Wender-KriterienDie sieben Wenderkriterien (Aufmerksamkeitsstörung, motorischeHyperaktivität, Affektlabilität, desorganisiertes Verhalten, Affektkontrolle,Impulsivität und emotionale Überreagibilität) trennen dieKerngruppe der <strong>ADHS</strong>-Patienten signifikant, stehen aber auch der<strong>ADHS</strong>-Definition nach DSM-IV und der Adult Selfreportscale (ASRS)sehr nahe.PsychopathologieDas globale Funktionsniveau betreffend, konnten keine signifikantenUnterschiede zwischen den einzelnen Gruppen gefundenwerden. <strong>ADHS</strong>-Betroffene scheinen jedoch unter einer starkenallgemeinen Symptombelastung zu leiden.Regressionsstatistik: Multiple RegressionenZur Vorhersage der <strong>ADHS</strong>-Symptomatik (ASRS Teil A und B) durchnachfolgendbeschriebene Variablen.Prädiktor 1Prädiktor 2Prädiktor 3VorhersageKriterium:ASRSAuch hier können die neuropsychologischen Variablen die <strong>ADHS</strong>-Symptomatik schlecht erklären. Dagegen erweisen sich diePersönlichkeitsfaktoren als gute Prädiktoren.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass• WURS-k und Wender-Kriterien• Persönlichkeit und• Psychopathologiedie <strong>ADHS</strong>-Symptomatik (ASRS) am besten erklären.Die wichtigsten Prädiktoren für Unaufmerksamkeit (ASRS Teil A)sind:• Neurotizismus (t = 5.67)• WURS-k (t = 5.00)• Verträglichkeit (t = -3.30)• Extraversion (t = 3.29)Die wichtigsten Prädiktoren für Hyperaktivität/Impulsivität(ASRS Teil B) sind:• Neurotizismus (t = 4.99)• Extraversion (t = 4.19)• PANSS: Excitement (t = 4.31)• Wender 2: motorische Hyperaktivität (t = 3.94)• WURS-k (t = 3.07)DiskussionDie <strong>ADHS</strong>-Symptomatik, definiert nach ASRS, wird statistischbesser als „Persönlichkeitsstil“ erklärt, denn als neuropsychologischeStörung. Weiter ist die <strong>ADHS</strong>-Symptomatik mit deutlicherPsychopathologie assoziiert, d.h. mit persönlichem und sozialemLeiden. Es kann konstatiert werden, dass es sich bei der <strong>ADHS</strong>-Symptomatik um eine zeitlich stabile Eigenschaft handelt (WURS-k)und „last but not least“ findet sich die <strong>ADHS</strong>-Symptomatik in allenGruppen, auch bei Gesunden, was die Annahme eines Kontinuumserhärtet.Prädiktor ...Prädiktoren: unabhängige Variablen• Neuropsychologie- Exekutivfunktionen- Gedächtnis- Vigilanz- Gestalttests- Reaktionszeiten• Persönlichkeit• WURS-k & Wender-Kriterien• PsychopathologieLiteraturAdler, L.A., Spencer, T., Farone, S.V., Kessler, R., Howes, M., Biederman, J. & Secnik, K. (2003). Validity of Patient ASRSto Rate Adult ADHD Symptoms. Poster presentation to the 50th Annual Meeting of the American Academy of Childand Adolescent Psychiatry, Miami, Florida.Barkley, R. A. (2002). Major life activity and health outcomes associated with attention-deficit/hyperactivity disorder.Journal of Clinical Psychiatry, 63, 10–15.Barkley, R., Murphy, K. & Fischer, M. (2008). ADHD in Adults. What the Science says. New York: Guilford Press.Farone, S.V., Biederman, J., Spencer, T., Wilens, T., Seidman, L.J., Micke. & Doyle, A.E. (2000). Attention-deficithyperactivity disorder in adults: an overview. Biological Psychiatry, 48, 9-20.Retz-Junginger, P., Retz, W., Blocher, D., Weijers, H.G., Trott, G.E., Wender, P.H. & Rösler, M. (2002). Wender Utha RatingScale (WURS-k). Nervenarzt, 73, 830-838.Sobanski, E. & Alm, B. (2004). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (<strong>ADHS</strong>) bei Erwachsenen: Ein Überblick.Nervenarzt, 75, 697–715.Young, S., Toone, B. & Tyson, C. (2003). Comorbidity and psychosocial profile of adults with Attention DeficitHyperactivity Disorder. Personality and Individual Differences, 35, 743-755.Wender, P.H. (1995). Attention-deficit hyperactivity disorder in adults. New York: Oxford University Press.

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