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Lösungsvorschlag Fall 8

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Dipl.iur. Natalie Richter <strong>Fall</strong>besprechung Strafrecht AT<br />

Akademische Mitarbeiterin<br />

Lehrstuhl Prof. Dr. Kinzig<br />

Institut für Kriminologie, Sand 7, Zimmer 220<br />

E-mail: natalie_richter@gmx.net<br />

Im Ergebnis ist hier unter Zugrundelegung der Gesamtbetrachtungslehre und der Lehre vom<br />

Rücktrittshorizont richtigerweise kein fehlgeschlagener Versuch anzunehmen. Der Versuch ist<br />

nicht fehlgeschlagen, da A die Tat nach seiner Vorstellung ohne Weiteres zum Erfolg hätte führen<br />

können, indem er nochmals zugestochen hätte 17 .<br />

Anmerkung: Zum Teil wird im Schrifttum die Rechtsfigur des fehlgeschlagenen Versuchs für<br />

entbehrlich gehalten und die entsprechenden Probleme bei der Prüfung der Freiwilligkeit behandelt<br />

18 . Die Argumente der Mindermeinung sind durchaus gewichtig, insbesondere findet sich dieser<br />

Prüfungspunkt nicht im Gesetzestext. Gleichwohl will die h.M. mit dieser Kategorie eindeutige<br />

Fälle „aussortieren“, bei denen ein Rücktritt ausscheidet.<br />

2) Beendeter oder unbeendeter Versuch (§ 24 I 1 Var. 2 oder § 24 I 1 Var. 1?)<br />

Da A die Vollendung der Tat nicht durch tätige Reue „verhindert" hat, kommt ihm der persönliche<br />

Strafaufhebungsgrund des § 24 I 1 nur dann zugute, wenn er sich bei Abbruch der Tat noch<br />

im Stadium des unbeendeten Versuchs gemäß § 24 I 1 Var. 1 befunden hat, bei dem bereits die<br />

Aufgabe der „weitere(n) Ausführung der Tat" genügt. Es stellt sich daher die Frage, ob der Versuch<br />

beendet, § 24 I 1 Var. 2, oder unbeendet, § 24 I 1 Var. 1, war. Beendet ist ein Versuch<br />

dann, wenn der Täter davon ausgeht, alles für den Eintritt des Erfolges Erforderliche getan<br />

zu haben, unbeendet, wenn der Täter meint, noch tätig werden zu müssen. Macht sich der<br />

Täter keine Gedanken darüber, ob er alles Erforderliche getan hat, soll nach dem BGH stets ein<br />

beendeter Versuch vorliegen. Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch<br />

kommt es nun nach gefestigter Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten Ausführungshandlung<br />

den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges zumindest für möglich hält (sog.<br />

Rücktrittshorizont, siehe oben). Ist dies der <strong>Fall</strong>, so scheidet ein strafbefreiender Rücktritt durch<br />

bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung aus. Ein derartiges - freiwilliges - Aufgeben genügt<br />

vielmehr nur dann, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nicht mit dem Eintritt<br />

des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet. Nach a.A. kommt es auf die Vorstellung des Täters zu<br />

Beginn seiner Ausführungshandlung an (sog. Tatplantheorie, siehe oben). Die Tatplantheorie<br />

stellt darauf ab, ob der Täter die Handlungen, die weiter erforderlich sind, um den Erfolgseintritt<br />

herbeizuführen, bereits am Anfang in seinen Tatplan aufgenommen hat. Wenn dies der <strong>Fall</strong> ist, so<br />

liegt nach der Tatplantheorie solange ein unbeendeter Versuch vor, wie der Täter noch nicht alles<br />

getan hat, was er ursprünglich in seinen Tatplan aufgenommen hatte. Diese Ansicht ist aber abzulehnen,<br />

da sie den Täter, der mehrere Ausführungsmodalitäten in Erwägung gezogen hatte und<br />

damit eine höhere kriminelle Energie an den Tag legt, bevorzugt (siehe dazu schon oben) 19 .<br />

Dass A noch nach dem Messerstich den Eintritt des Todes bei dem Geschädigten für möglich<br />

gehalten hätte, kann dem Sachverhalt nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden. Aus<br />

der Schwere der Verletzung oder der hohen Gefährlichkeit der Tathandlung kann ein solcher<br />

Schluss nicht zwangsläufig gezogen werden, da O seine Verletzung zunächst selbst nicht bemerkte<br />

und nach dem Stich stehen blieb, bis A den Tatort verlassen hatte. Danach fuhr er noch eine<br />

erhebliche Strecke mit dem Motorroller zum Krankenhaus. Allein aus der Zielrichtung und der<br />

17 Dies ist hier ziemlich eindeutig, da A sich wohl nicht vorgestellt hatte, dass er den Tod des O nicht mehr hätte herbeiführen<br />

können und auch kein mehraktiges Geschehen vorlag. Insofern kommen hier sowohl Einzelakttheorie als auch Gesamtbetrachtungslehre<br />

zum selben Ergebnis. Der oben dargestellte Meinungsstreit ist nur deshalb (zu) breit beschrieben worden, um ihn<br />

den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu verdeutlichen. In einer Klausur müsste man sich im vorliegenden <strong>Fall</strong> kürzer fassen.<br />

18 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 27 Rn. 12.<br />

19 Mit dem entgegengesetzten Argument ist aber auch Kritik an der Lehre vom Rücktrittshorizont und der Gesamtbetrach-<br />

tungslehre geübt worden, vgl. Kühl, AT § 16 Rn. 33 ff.<br />

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