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Lösungsvorschlag Fall 8

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Dipl.iur. Natalie Richter <strong>Fall</strong>besprechung Strafrecht AT<br />

Akademische Mitarbeiterin<br />

Lehrstuhl Prof. Dr. Kinzig<br />

Institut für Kriminologie, Sand 7, Zimmer 220<br />

E-mail: natalie_richter@gmx.net<br />

soll zum Rücktritt motiviert werden, um vom Opfer abzulassen. Wäre dem Täter der Rücktritt<br />

abgeschnitten, so entfiele dieser Schutz zugunsten des Opfers. Auch würde derjenige Täter, der<br />

nur mit dolus eventualis hinsichtlich der Tötung und primär zur Verwirklichung eines außertatbestandlichen<br />

Zieles handelt, gegenüber dem kriminelleren Absichtstäter (dolus directus bezüglich<br />

der Tötung) schlechter gestellt, da jener trotz Verfehlen seines Opfers mangels Erstrebens anderer<br />

Ziele noch zurücktreten kann. Aus diesen Gründen ist von einem unbeendeten Versuch auszugehen<br />

27 .<br />

Aufgeben der Tat bedeutet, von der weiteren Realisierung des Entschlusses, den gesetzlichen<br />

Tatbestand zu verwirklichen, aufgrund eines entsprechenden Gegenentschlusses Abstand zu<br />

nehmen 28 . Als A sich entschied, keinen weiteren Stich abzugeben, hat er aufgrund eines solchen<br />

Gegenentschlusses von der Verwirklichung des Totschlags Abstand genommen und damit die<br />

weitere Tatausführung i.S.v. § 24 I 1 Var. 1 aufgegeben.<br />

Anmerkung: Oft wird bei dieser Sachverhaltskonstellation in den Klausurbearbeitungen vom<br />

„Denkzettelfall“ gesprochen. Dieser Ausdruck wirkt jedoch laienhaft. Dogmatisch sauberer ist es,<br />

wenn man diese Konstellation unter dem Terminus „außertatbestandliche Zielerreichung“ behandelt.<br />

3) Freiwilligkeit<br />

Ferner müsste A freiwillig gehandelt haben. Freiwillig ist der Rücktritt dann, wenn er nicht durch<br />

zwingende Hinderungsgründe veranlasst wird, sondern der eigenen autonomen Entscheidung des<br />

Täters entspringt 29 . Entscheidend ist, dass der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ ist 30 . Demgegenüber<br />

ist der Rücktritt unfreiwillig, wenn der Täter durch heteronome Gründe zur Aufgabe der Tat<br />

veranlasst wird 31 . Das ist insbesondere dann der <strong>Fall</strong>, wenn den Täter unüberwindliche, vom Willen<br />

des Täters unabhängige, Hemmungen zur Umkehr zwingen oder wenn sich die Sachlage zu<br />

seinen Ungunsten so wesentlich verändert hat, dass er die damit verbundenen Risiken oder Nachteile<br />

nicht mehr für tragbar hält oder sie nicht in Kauf nehmen will 32 . Nicht erforderlich ist, dass<br />

der Täter aus „edlen“ oder „moralisch hochwertigen“ Motiven zum Rücktritt bewegt wird. Stellt<br />

man nach der hier vertretenen Ansicht auf den gesetzlichen Tatbestand ab, so ist letztlich auch die<br />

Freiwilligkeit zu bejahen 33 .<br />

4) Ergebnis<br />

A ist somit strafbefreiend vom Versuch eines Totschlags, §§ 212 I, 22, 23 I, zum Nachteil des O<br />

zurückgetreten und daher nicht gem. §§ 212 I, 22, 23 I strafbar.<br />

II. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I Var. 1, 2, 224 I Nr. 2, 5<br />

A könnte sich durch den Messerstich zum Nachteil des O wegen gefährlicher Körperverletzung<br />

gemäß §§ 223 I Var. 1, 2, 224 I Nr. 2, 5 strafbar gemacht haben.<br />

27<br />

A.A. gut vertretbar.<br />

28<br />

Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 27 Rn. 25; Kühl, AT, § 16 Rn. 42; Wessels/Beulke, AT, Rn. 641.<br />

29<br />

Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 27 Rn. 17; Kühl, AT, § 16 Rn. 55; Wessels/Beulke, AT, Rn. 651.<br />

30<br />

Kühl, AT, § 16 Rn. 54, 55.<br />

31<br />

Kühl, AT, § 16 Rn. 56 ff.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 652.<br />

32<br />

Wessels/Beulke, AT, Rn. 652.<br />

33<br />

Andere Ansicht vertretbar, wenn man auf das primäre Ziel – Abwehr des Angriffs – abstellt, da ein Rücktritt aufgrund der<br />

Zielerreichung dann sinnlos Ist.<br />

6

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