4 KULTUR LÜBECKER ARCHITEKTUR ERZÄHLT GESCHICHTEN ALTES HAT LÄNGST NICHT AUSGEDIENT. Marcus und Melanie Niendorf sind bestrebt, durch das Gleichgewicht zwischen bewährter Praxis, bewahrendem Engagement und fortschreitendem Bewusstsein den Dialog zwischen Kultur, Wirtschaft und Gemeinwohl unter einem Dach immer wieder aufs Neue zu beleben. Mit dem goldenen <strong>Löwen</strong> an der Fassade als Sinnbild für eine kraft- und würdevolle Tradition. Ihre Liebe zur Architektur, zur Ästhetik und zum kulturellen Erbe der Hansestadt zeichnet ein Bild, in dem Erneuerung keineswegs im Widerspruch zur hanseatischen Tradition steht. Viel eher lässt der Blick ins Innere der <strong>Löwen</strong>-<strong>Apotheke</strong> ein Umlenken vom Gewesenen zum Modernen erkennen, das ein noch größeres Interesse an der knapp 800-jährigen Geschichte des Hauses und des fast 200-jährigen Bestehens der <strong>Apotheke</strong> zu erwecken vermag. Ebenso wird ein Umdenken sichtbar, das die Sehnsucht nach Beständigkeit mit dem Wunsch nach Entwicklung zu gleichen Teilen mischt und ein Stück Lübecker Baukunst tief im Herzen der Stadt kultiviert - ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen. „Als ich die <strong>Apotheke</strong> im Jahr 1992 von meinem Vater übernahm, tat ich zunächst, was ich gelernt hatte“, beschreibt Marcus Niendorf seinen Anfang als vierter Inhaber der <strong>Löwen</strong>apotheke. Etwas trieb den jungen <strong>Apotheke</strong>r jedoch um. „Mir lag am Herzen, ein so schönes, altes Gebäude nicht mit einem ‚austauschbaren’ Innenleben bestehen zu lassen. Viel schöner stellte ich mir vor, den Geist dieser alten Firma einzufangen. Sowohl die Geschichte des Gebäudes als auch der <strong>Apotheke</strong>rberuf bringen hierfür viel mit. Beispielsweise das ‚Geheimnisvolle’, das ‚Alte’ und natürlich auch das ‚Selbermachen’.“ Mit dem Einzug der vierten Generation vor 16 Jahren wehte in den Räu- men der im Jahre 1812 gegründeten <strong>Löwen</strong>- <strong>Apotheke</strong> ein frischer Wind. Marcus Niendorf schätzte seit jeher Beständigkeit und erkannte die hohe Wertigkeit des Familienerbes nicht nur in dessen Bausubstanz, sondern auch die der eigenen Zunft mitsamt allen gegebenen und ausbaufähigen Möglichkeiten. Heute, nach unzähligen Überlegungen und Planungen, nach rund vier Jahren Umbauzeit und der leidenschaftlichen Suche nach besonderen Antiquitäten, die das Ehepaar Niendorf zum Teil bis in den Süden des Landes führte, zeigt sich der goldene Löwe glänzender denn je. „Es ging darum zu bewahren, was bereits vorhanden ist. Und darum, es mit den menschlichen Bedürfnissen nach Gesundheit und Wohlbefinden zu verbinden“, sagen die beiden Unternehmer. Die Geschichte des Hauses in der Johannisstraße 13 – heute Dr. Julius-Leber-Straße. Die Erbauung der Grundmauern und des Nordgiebels der <strong>Löwen</strong>-<strong>Apotheke</strong> wird auf die Anfänge der Stadt Lübeck noch vor den beiden großen Stadtbränden von 1251 und 1276 datiert. Zahlreiche Besitzer geben sich im Laufe der vielen Jahrhunderte buchstäblich die Klinke in die Hand. Es wir zudem angenommen, dass der Ratsherr Bertram Stalbuk, Mitglied einer der mächtigen Gründerfamilien Lübecks, Bauherr des Hauses war. Nach dem wirtschaftlichen Ruin der Patrizierfamilie wird das Haus im Jahr 1313 an die Familie Clendenst verkauft, die es 50 Jahre lang bewohnt. Nach dem Tod des Ratsherren Johannes Clendenst ziehen in den Jahren nach 1357 verschiedene Bewohner ein und aus, bis das Gebäude 1375 von dem Kaufmann
KULTUR DIE GESCHICHTE DER LÖWEN-APOTHEKE 5