Orts-AGMitarbeiter/innen des Gesundheitssektors,sowie Lehrer/innen,Erzieher/innen, Polizei und Justizmüssen in ihrer Ausbildung fürdie Thematik geschult werden.Für eine Stärkung der Präventionvon weiblicher Genitalverstümmelungist es erforderlich, dassbundesweit alle Kinder an ärztlichenVorsorgeuntersuchungenteilnehmen, die auch genitaleCheckups beinhalten. Für Ärzt/innen, die feststellen, dass einMädchen bereits an ihren Genitalienverstümmelt ist, muss es eineMeldepflicht geben, denn dannsind Schwestern und Cousinendes Mädchens extrem gefährdetund müssen wirksam geschütztwerden.All dies sind aber Maßnahmen,die nicht, wie eine Änderung desStGB, umsonst zu haben sind.Zu ihrer Umsetzung gehört alsoernsthafter politischer Wille, etwasgegen die schwere Menschenrechtsverletzungan Mädchenund Frauen zu tun und esnicht bei symbolpolitischen Initiativenbewenden zu lassen.Elena PieperStraßenbahn from withinUm die Innenstadt vom alltäglichenVerkehrschaos und derdadurch entstehenden Luftverschmutzungzu befreien, hatEhud Olmert, der von 1993 bis2003 Bürgermeister Jerusalemswar, den Bau eines Straßenbahnnetzesauf den Weg gebracht.Seit mittlerweile 4 Jahren wirdnun die erste Straßenbahnlinievon Pisgat Ze‘ev zum MountHerzl gebaut.Hierbei wurde die Form einesBOT-Projekts gewählt: PrivateUnternehmen übernehmen denBau (Build), erhalten für dreißigJahre die Betreiberrechte (Operate)und übergeben dann dasUnternehmen der öffentlichenHand (Transfer). Nach der öffentlichenAusschreibung im Jahr2000 erhielten zwei in Frankreichbeheimatete Global Playerden Zuschlag: Alstom für denStraßenbahnbau und Connex,ein Zweig des Veolia-Konzerns,als Betreiber. Im Vertrag vom Juli2005 ist das Unternehmenszielfestgeschrieben: Bis 2009 sollenauf einer 18,3 Kilometer langenStrecke zwischen Pisgat Ze‘evim Nordosten der Stadt und demMount Herzl im Südwesten fünfundzwanzigStraßenbahnzügeverkehren, die jeweils 500 Passagierefassen.Wie das meiste, was in Jerusalemgeschieht, ist auch der Bau dieserStraßenbahn ein Politikum. Denndie Streckenführung beschränktsich nicht auf West-Jerusalem,sondern beginnt im Osten derStadt, also in besetztem Gebiet.Zwar soll die Straßenbahn sowohldurch israelische Stadtviertel wiePisgat Ze‘ev oder den French Hillals auch durch arabische Gebietewie Shuafat fahren, aber dieBefürchtungen sind groß, dassauf Grund von Sicherheitsbedenkender Halt der Straßenbahn inden arabischen Vierteln schnelleingestellt werden könnte. UmKonfrontationen zu verhindern,gibt es zur Zeit unterschiedlicheBusrouten für Israelis und Palästinenser,die nach Fertigstellungder Straßenbahnroute aberabgeschafft werden sollen. Alsweiterer Kritikpunkt wird genannt,dass der Bau der Straßenbahndie israelische Siedlungspolitikin Ost-Jerusalem unterstütze.Nach internationalem Recht seidie Streckenführung illegal, weildie Siedlungen im besetzten Ost-Jerusalem durch sie mit demisraelischen West-Jerusalemverbunden würden. Nachdemdie schwedische Presse intensivdie Beteiligung von Veolia andem umstrittenen Straßenbahn-Projekt debattiert und die politischeEthik des Unternehmens in10Der Stachel <strong>September</strong> 2010
Frage gestellt hatte, wuchs derinternationale Druck auf die Firma,welche daraufhin Anfang2009 entschied, aus dem Straßenbahnprojektauszusteigen.Der Bau der Straßenbahn gestaltetsich zum Teil äußerst skuril:Beispielsweise wurden nicht (wienahe liegend) einzelne Teile derTrasse nacheinander gebaut,sondern überall gleichzeitig dieStraßen aufgerissen um Schienenzu verlegen. LärmendeGroßbaustellen verursachen nunjeden Tag noch größere Stausin der Innenstadt und an einigenStellen ist es für FußgängerInnenfast unmöglich, überhaupt nochPlatz zum Gehen zu finden. Auchgibt es Gerüchte, die besagen,dass 25 Züge gekauft wurden,um dann später festzustellen,dass sie mit den bereits verlegtenSchienen gar nicht kompatibelsind. Die Schienen wurdenteilweise falsch verlegt, sodasssie anschließend wieder entferntwerden mussten. Diese Pannenführten zu einer ständigen Verschiebungdes Fertigstellungstermins(mittlerweile wird von Ende2011 gesprochen).Am letzten Wochenende wurdedie Main Station der Straßenbahnin Pisgat Ze‘ev im Rahmendes Events ‚Houses from within‘erstmals für BesucherInnen geöffnet.Tour-Guides erklärten denvom ersten Straßenbahnprojektim Nahen Osten maßlos beeindrucktenSchaulustigen, dasses an jeder der geplanten HaltestellenTicket-Automaten gebenwird und in jedem der ZügeJerusalemkleine Ticket-Entwertungsautomateninstalliert sind. Schließlichdurfte sogar einer der Züge besichtigtwerden. Der Optimismus,dass die Straßenbahn bald inBetrieb sein könnte, scheint abernicht besonders groß zu sein,wie diese unter der israelischenBevölkerung Jerusalems mittlerweilegeflügelten Worte verraten:„Wahrscheinlich erscheint derMessias bevor die Straßenbahnfertig ist.“Elena PieperDieser Artikel erschien im <strong>September</strong>2009 auf dem Internet-Blog www.elenainjerusalem.de.<strong>September</strong> 2010Der Stachel 11