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850 Jahre Bischofswiesen - Gemeinde Bischofswiesen

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Festzugs-Bild Nr. 1<br />

Der Tausch (1155)<br />

Der Tausch der "Bischofswiese" (pratum) mit einem<br />

"Gut" (mansus) in Niederösterreich ist ein zentrales<br />

Ereignis in der Geschichte Berchtesgadens.<br />

Er war ein erster, bedeutender Schritt des Stiftslandes<br />

zur vollen Eigenständigkeit, die später in der<br />

Reichsunmittelbarkeit ihren Höhepunkt fand. Das<br />

1102 gegründete Augustiner-Chorherren-Stift<br />

Berchtesgaden war in den Anfangsjahren wiederholt<br />

in seiner Existenz gefährdet. Es kam sogar zu<br />

einer vorübergehenden Abwanderung der Stiftsangehörigen.<br />

Die Grundausstattung der Propstei, ein<br />

schmaler Landstreifen rund um den so genannten<br />

Priesterstein, war wohl zu knapp bemessen. Das<br />

versprochene Waldland hielt nämlich der Stiftsgründer,<br />

Graf Berengar von Sulzbach, noch Jahrzehnte<br />

selbst in der Hand. Insbesondere scheint er,<br />

innerhalb eines Bannbezirks in der heutigen Stanggaß,<br />

über mehrere Bauernhöfe verfügt zu haben,<br />

die gegebenenfalls als vorstiftischer Siedlungskern<br />

anzusprechen sind. Mit Berengars großer Waldschenkung<br />

von 1125 gingen dann auch alle diesbezüglichen<br />

Rechte an das Stift über, das nun erst auf<br />

eine gesunde Basis gestellt wurde.<br />

Innerhalb des ausgedehnten Waldgebietes befanden<br />

sich allerdings zwei Enklaven, die fremden<br />

Obrigkeiten gehörten und mit denen sich die junge<br />

Propstei auseinander zu setzen hatte. Die beiden<br />

ausmärkischen Grundherrschaften, nämlich<br />

die „Gruoniswisin“ (Grainswiese) und die „Bisvolfeswisen“<br />

(Bischofswiese), waren vor dem Hintergrund<br />

einer vielleicht schon seit Jahrhunderten geübten<br />

Waldnutzung durch die damals salzburgische<br />

Saline Reichenhall als Rodungsflächen entstanden.<br />

Dabei ist die „Gruoniswisin“ in Winkl zu orten, wo<br />

sich der Name im Grainswiesenlehen erhalten hat.<br />

Die bedeutendere „Bisvolfeswisen“ dagegen dürfte<br />

sich, wie schon Andreas Fendt vermutet hat, unterhalb<br />

der Kastensteiner Wand, zwischen Seppengraben<br />

und Hochau befunden haben. Während die<br />

„Gruoniswisin“ eines Grafen Chadeloh von Reichenhall,<br />

der als Gefolgsmann des Grafen Beren-<br />

gar von Sulzbach anzusprechen ist, vielleicht schon<br />

bald nach 1125 dem Stift übereignet wurde, vergingen<br />

noch Jahrzehnte, bis auch die Salzburg gehörende<br />

„Bisvolfeswisen“ erworben werden konnte.<br />

Die Propstei hatte nämlich, nach dem Tode Berengars<br />

(1125), einen jahrzehntelangen Rechtsstreit<br />

mit dem Stift Baumburg durchzustehen, der die<br />

Selbstständigkeit Berchtesgadens in sofern bedrohte,<br />

als man von dort die gesamte Sulzbacher<br />

Stiftung anfocht, zur eigenen Ausstattung gehörig<br />

betrachtete und deshalb einforderte. Der Streit wurde<br />

trotz eines Salzburger Schiedsspruchs (1136) nie<br />

richtig beigelegt.<br />

So fand erst der dritte Berchtesgadener Propst,<br />

Heinrich (1151-1164), der wie sein Vorgänger vielleicht<br />

aus dem Salzburger Domkapitel kam, im <strong>Jahre</strong><br />

1155 endlich die Möglichkeit, den Fall <strong>Bischofswiesen</strong><br />

anzupacken und mit dem Erzstift in Verhandlungen<br />

einzutreten. Heinrich wird als tatkräftiger,<br />

zielstrebiger und sprachgewandter Mann charakterisiert,<br />

sein Verhandlungspartner, Erzbischof<br />

Eberhard (1147-1164), galt als gütig, gerechtigkeitsliebend<br />

und ausgleichend. Schließlich war er der<br />

letzte Salzburger Metropolit, der nach seinem Tode<br />

heilig gesprochen wurde (Gedenktag 22. Juni).<br />

Propst Heinrich und Erzbischof Eberhard einigten<br />

sich damals auf der Basis eines Gütertausches. Die<br />

vormalige "Wiese des Bischofs" wurde der Propstei<br />

Berchtesgaden übereignet und eingegliedert.<br />

Dafür trat das Stift an Salzburg ein nicht näher beschriebenes<br />

„Gut“ in Landersdorf bei Oberwölbling<br />

(Niederösterreich) ab.<br />

Nach diesem wichtigen Tauschgeschäft von 1155<br />

verfügte das Stift Berchtesgaden, mehr als 50 <strong>Jahre</strong><br />

nach seiner Gründung, endlich über ein geschlossenes<br />

Territorium. Schon ein Jahr später<br />

(1156) erhielt Propst Heinrich für sein Land kaiserlichen<br />

Schutz und andere wertvolle Privilegien<br />

(„Goldene Bulle“) - ein erster Schritt hin zur späteren<br />

Landeshoheit und Souveränität.<br />

Herbert Pfisterer<br />

54 Die Tauschurkunde von 1155 (Ausschnitt) mit der erstmaligen Erwähnung der „Bischofswiese“ 55

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