Das Journal der staatsoperXhannover Nr. 1/2006 - Staatsoper ...
Das Journal der staatsoperXhannover Nr. 1/2006 - Staatsoper ...
Das Journal der staatsoperXhannover Nr. 1/2006 - Staatsoper ...
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seitenbühne<br />
<strong>Das</strong> <strong>Journal</strong> <strong>der</strong> <strong>staatsoperXhannover</strong> <strong>Nr</strong>. 1/<strong>2006</strong><br />
> Künstlerporträt: Okka von <strong>der</strong> Damerau<br />
> Werkstattporträt: Die Requisite<br />
> Zuschauerporträt: Thomas Bon<strong>der</strong>
„Anatevka“ Gertraud Wagner, Roland Wagenführer<br />
„Otello“ Janez Lotric, Brian Davis „Molière“ Ensemble<br />
„Combattimento“ Jörn Eichler, Arantxa Armentia, Stefan Zenkl<br />
„Die Italienerin in Algier“ (U1), Frank Schnei<strong>der</strong>s<br />
„Anatevka“ (U4), Roland Wagenführer, Georg Luibl<br />
„Così fan tutte“ Arantxa Armentia<br />
„Die Italienerin in Algier“ Frank Schnei<strong>der</strong>s
Proszenium seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 3<br />
Willkommen!<br />
Im Tanz entfaltet sich die Sprache des Körpers. Auf an<strong>der</strong>e Weise als in <strong>der</strong> Oper vermag<br />
die menschliche Geste allein, o<strong>der</strong> durch Musik unterstützt, Geschichten zu erzählen. Die<br />
Ballettsparte eröffnet mit <strong>der</strong> Erinnerung an eine ebenso glanzvolle wie sozial und politisch<br />
höchst konfliktreiche Periode europäischer Geschichte, indem sie sich, zu Musik<br />
von Rameau und Ravel, dem Leben und Wirken Molières widmet. Sodann folgt die<br />
Realisierung von Prokofjews Romeo und Julia, einer <strong>der</strong> bedeutendsten<br />
Ballettkompositionen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Ein Ballettabend mit Kammermusik von<br />
Dmitri Schostakowitsch beschließt unsere erste Spielzeit.<br />
Über die rege Konzerttätigkeit des Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchesters Hannover bietet<br />
erstmals ein eigenes Heft einen ausführlichen Überblick. Im Tanz entfaltet sich die<br />
Sprache des Körpers. Auf an<strong>der</strong>e Weise als in <strong>der</strong> Oper vermag die menschliche Geste<br />
allein, o<strong>der</strong> durch Musik unterstützt, Geschichten zu erzählen. Die Ballettsparte eröffnet<br />
mit <strong>der</strong> Erinnerung an eine ebenso glanzvolle wie sozial und politisch höchst konfliktreiche<br />
Periode europäischer Geschichte, indem sie sich, zu Musik von Rameau und Ravel,<br />
dem Leben und Wirken Molières widmet. Sodann folgt die Realisierung von Prokofjews<br />
Romeo und Julia, einer <strong>der</strong> bedeutendsten Ballettkompositionen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Ein Ballettabend mit Kammermusik von Dmitri Schostakowitsch beschließt unsere erste<br />
Spielzeit. Über die rege Konzerttätigkeit des Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchesters<br />
Hannover bietet erstmals ein eigenes Heft einen ausführlichen Überblick. Im Tanz entfaltet<br />
sich die Sprache des Körpers. Auf an<strong>der</strong>e Weise als in <strong>der</strong> Oper vermag die menschliche<br />
Geste allein, o<strong>der</strong> durch Musik unterstützt, Geschichten zu erzählen. Die<br />
Ballettsparte eröffnet mit <strong>der</strong> Erinnerung an eine ebenso glanzvolle wie sozial und politisch<br />
höchst konfliktreiche Periode europäischer Geschichte, indem sie sich, zu Musik<br />
von Rameau und Ravel, dem Leben und Wirken Molières widmet. Sodann folgt die<br />
Realisierung von Prokofjews Romeo und Julia, einer <strong>der</strong> bedeutendsten<br />
Ballettkompositionen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Ein Ballettabend mit Kammermusik von<br />
Dmitri Schostakowitsch beschließt unsere erste Spielzeit.Über die rege Konzerttätigkeit<br />
des Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchesters Hannover bietet erstmals ein eigenes Heft einen<br />
ausführlichen Überblick. Im Tanz entfaltet sich die Sprache des Körpers. Auf an<strong>der</strong>e<br />
Weise als in <strong>der</strong> Oper vermag die menschliche Geste allein, o<strong>der</strong> durch Musik unterstützt,<br />
Geschichten zu erzählen. Die Ballettsparte eröffnet mit <strong>der</strong> Erinnerung an eine<br />
ebenso glanzvolle wie sozial und politisch höchst konfliktreiche Periode europäischer<br />
Geschichte, indem sie sich, zu Musik von Rameau und Ravel, dem Leben und Wirken<br />
Molières widmet. Sodann folgt die Realisierung von Prokofjews Romeo und Julia, einer<br />
<strong>der</strong> bedeutendsten Ballettkompositionen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Ein Ballettabend mit<br />
Kammermusik von Dmitri Schostakowitsch beschließt unsere erste Spielzeit.<br />
Michael Klügl<br />
Opernintendant
Seite 4 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbüne Oper<br />
Männer am Rande des<br />
Nervenzusammenbruchs<br />
Rossinis Dramma giocoso L’italiana in Algeri<br />
Mustafà langweilt sich. Er, <strong>der</strong> Bey von<br />
Algier, hat die unterwürfigen Frauen seines<br />
Harems satt und kann insbeson<strong>der</strong>e seine<br />
unermüdlich devote Hauptfrau Elvira<br />
nicht mehr ertragen. Auf zärtlichen<br />
Gehorsam sprechen seine Hormone längst<br />
nicht mehr an, nein, erotisches Feuer<br />
glaubt er nur mehr in Konfrontation und<br />
Reibung finden zu können. Also muss ein<br />
Tapetenwechsel her, eine Frau mit Tempe -<br />
ra ment und Selbstbewusstsein, eine, die<br />
sich ihm wi<strong>der</strong>setzt und die man nur im<br />
Kampf erobern kann, kurz: eine Frau, die<br />
so emanzipiert ist wie die Italiene rinnen.<br />
Da trifft es sich gut, dass <strong>der</strong> Sturm gerade<br />
ein Schiff mit vielen neuen Sklaven und<br />
einer schönen Italienerin namens Isabella<br />
an den Strand von Algier getrieben hat.<br />
Mustafàs „Piratenchef“ Haly schleppt<br />
Isabella und ihren vermeintlichen Onkel<br />
Taddeo, <strong>der</strong> in Wahrheit ein hoffnungs -<br />
loser Verehrer ist, zum Bey, <strong>der</strong> sofort den<br />
Verstand verliert und sich Hals über Kopf<br />
in die schöne Fremde verliebt. <strong>Das</strong>s<br />
Isabella in Algier ist, um ihren Geliebten<br />
Lindoro zu suchen, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um als<br />
Sklave in Mustafàs Harems gelandet ist,<br />
weiß niemand. Und auch Isabella scheint<br />
das im Eifer des Gefechts zu vergessen,<br />
denn ihre ganze Energie richtet sich da -<br />
rauf, Mustafàs Welt und Selbstverständnis<br />
so gehörig auf den Kopf zu stellen, dass<br />
sich <strong>der</strong> Bey in kürzester Zeit am Rande<br />
des Nervenzusammenbruchs befindet …<br />
So frei erfunden die Geschichte um eine<br />
abenteuerlustige Italienerin und kapernde<br />
Algerier auch klingen mag, ganz ohne<br />
historisches Fundament ist sie nicht. Seit<br />
dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t war Algerien Teil des<br />
Osmanischen Reichs und hatte sich durch<br />
aggressiven Sklavenhandel zum Albtraum<br />
<strong>der</strong> Nachbarstaaten gemausert. Die algerischen<br />
Korsaren waren gefürchtete Piraten,<br />
die den gesamten Mittelmeerraum un -<br />
sicher machten – sogar bis zu den Küsten<br />
Islands hatten sie sich zeitweise vorgewagt.<br />
Als Vorlage für Angelo Anellis Libretto<br />
galt die Geschichte <strong>der</strong> Mailän<strong>der</strong>in<br />
Antonietta Frapolli Suini, die 1805 von<br />
algerischen Piraten entführt worden war<br />
und nach dem Aufenthalt in verschiedenen<br />
Harems nach Italien zurückkehren konnte.<br />
In aller Konsequenz etablierte Rossini in<br />
seiner Italiana den musikalischen Stil, <strong>der</strong><br />
auch seine späteren buffo-Opern auszeichnen<br />
sollte. Virtuose Arien mit perlenden<br />
Koloraturen alternieren mit rasanten<br />
Ensembles, die das Geschehen in einen<br />
Strudel ziehen, <strong>der</strong> alle Beteiligten bis in<br />
den Wahnsinn zu katapultieren scheint.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e die Akt-Finali gleichen <strong>der</strong><br />
Flamme auf einer Zündschnur, die sich<br />
immer schneller werdend ihren Weg zum<br />
explosiven Stoff bahnt, so dass sich bald<br />
nicht nur Mustafà und Taddeo, son<strong>der</strong>n<br />
alle Beteiligten <strong>der</strong> Oper am Rande des<br />
Nervenzusammenbruchs befinden. Die<br />
Sprache löst sich in dadaistische Phoneme<br />
wie Ding-Ding, Kra-Kra, Bumm-Bumm<br />
auf, <strong>der</strong> Wahnsinn bricht sich Bahn und<br />
löst mit seiner alles zersetzenden Säure<br />
nicht nur logische Zusammenhänge, son<strong>der</strong>n<br />
auch die musikalische Faktur auf. Die<br />
Melodie als lyrischen Bogen gibt es nicht<br />
mehr, sie zerstückelt sich in atemlose<br />
Teilchen und Atome, die ihre Verortung<br />
nur noch in <strong>der</strong> Beschleunigung finden.<br />
Der Berliner Regisseur Ingo Kerkhof<br />
greift für seine Inszenierung zurück auf die<br />
Wurzeln <strong>der</strong> opera buffa schlechthin, die<br />
Commedia dell’arte, und gräbt nach <strong>der</strong><br />
theatralen Anarchie, nach dem Theater auf<br />
dem Theater. Er sucht die Polarisierung<br />
zweier Welten weniger in <strong>der</strong> Gegenüber -<br />
stellung von Orient und Okzident, als vielmehr<br />
im Kampf zweier Machtmenschen,<br />
zwischen Selbstdarstellerin und Selbst -<br />
darsteller, zwischen Diva und Divo,<br />
Isabella und Mustafà. So versteht es sich<br />
von selbst, dass sich das Fechten um die<br />
Macht auch zu einem Konkurrenzkampf<br />
um die schönste Arie, den besten Platz an<br />
<strong>der</strong> Rampe, den besten Draht zum<br />
Dirigenten o<strong>der</strong> auch die längsten Töne<br />
entwickelt. Und auf diese Weise öffnet<br />
sich unter <strong>der</strong> Commedia-Geschichte um<br />
einen selbstgefälligen Pantalone und eine<br />
freche Columbine, um Mustafà und<br />
Isabella, ein doppelter Boden, <strong>der</strong> den<br />
Blick hinter die Figuren freigibt. <strong>Das</strong><br />
„Innenfutter“ des Bühnengeschehens blitzt<br />
nicht nur unter <strong>der</strong> Handlungsoberfläche<br />
hervor, son<strong>der</strong>n wird explizit nach außen<br />
gekehrt, so dass hinter den Figurentypen<br />
immer wie<strong>der</strong> auch die psychologischen<br />
Mechanismen innerhalb einer<br />
Theatertruppe durchscheinen.<br />
Sylvia Roth<br />
Musikalische Leitung Jahbom Koo<br />
Inszenierung Ingo Kerkhof<br />
Bühne Frank Philipp Schlößmann<br />
Kostüme Stephan von Wedel<br />
Choreografie Krystyna Plachetka<br />
Chor Dan Ratiu<br />
Dramaturgie Sylvia Roth<br />
Isabella Ann Hallenberg (15.+19.12.<strong>2006</strong>,<br />
10.+19.1., 9.3.2007) / Barbara Senator<br />
Mustafà Tobias Schabel<br />
Lindoro Sung-Keun Park<br />
Elvira Karen Frankenstein<br />
Zulma Okka von <strong>der</strong> Damerau / Julia Grinjuk<br />
Taddeo Frank Schnei<strong>der</strong>s<br />
Herrenchor und Statisterie<br />
<strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover<br />
Nie<strong>der</strong>sächsisches Staatsorchester<br />
Hannover<br />
Premiere am 15.12.<strong>2006</strong><br />
Weitere Vorstellungen 19.+ 30.12.<strong>2006</strong>,<br />
10.,16., 19.+21.1.2007
seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 5<br />
Zu Gast in Hannover:<br />
Ann Hallenberg als Isabella<br />
Die schwedische Mezzosopranistin studierte<br />
an <strong>der</strong> Staatlichen Opernschule in<br />
Stockholm bei Kerstin Meyer und Erik<br />
Sædén sowie bei Joy Mammen in London.<br />
Ann Hallenberg ist ein regelmäßiger<br />
Gast an den großen Opernbühnen Euro -<br />
pas: an <strong>der</strong> Mailän<strong>der</strong> Scala, in Zürich,<br />
Paris, Lyon, Antwerpen, Stuttgart, Dresden,<br />
an <strong>der</strong> Komischen Oper Berlin, in<br />
Strasbourg, Genua, Monaco, Montpellier,<br />
Stockholm und Oslo. Aufgetreten ist<br />
sie auch bei Festivals wie den Salzburger<br />
Festspielen, den Wiener Festwochen,<br />
den Dresdner Musikfestspielen, dem Fes -<br />
ti val d’opéra baroque de Beaune, den<br />
Festivals für Alte Musik in Utrecht und<br />
Boston sowie in Tanglewood. Ann Hallenberg<br />
hat mit zahlreichen namhaften<br />
Dirigenten gearbeitet wie etwa Riccardo<br />
Muti, Christophe Rousset, Emmanuelle<br />
Haïm, Marc Minkowski, William Christie,<br />
Philippe Herreweghe, Andreas Spering,<br />
Christoph Spering, Michael Hofstetter,<br />
Fabio Biondi, Ottavio Dantone,<br />
Alessandro De Marchi, Ivor Bolton, Marcus<br />
Creed und Kwamé Ryan. Die Mezzosopranistin<br />
zeichnet sich durch ihre profunde<br />
Kenntnis <strong>der</strong> Barock-Oper aus,<br />
singt aber auch Partien von Rossini bis<br />
Massenet (Charlotte in Werther) und<br />
Bizet (Carmen). Zahlreiche CD-Einspielungen<br />
dokumentieren ihre künstlerische<br />
Laufbahn.
Seite 6 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Foyer<br />
Combattim<br />
Szenen von Liebe und Tod<br />
Kennen Sie das Foyer <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong>?<br />
Wenn Sie schon einmal eine Vorstellung<br />
besucht haben, werden Sie denken:<br />
Natürlich! Die lange Diele mit dem<br />
Programmheftverkauf, die Gar<strong>der</strong>oben,<br />
die Aufgänge in den ersten Rang, links und<br />
rechts, den Marschnersaal mit den<br />
Ensemble bil<strong>der</strong>n, das Laves-Foyer mit<br />
dem Ausgang auf den Balkon (in lauen<br />
Sommernächten <strong>der</strong> schönste Ort). Wenn<br />
Sie im 2. und 3. Rang saßen, sind Sie vielleicht<br />
auch schon die kleinen Wendel -<br />
treppen gelaufen o<strong>der</strong> die beiden Frei -<br />
treppen aus dem 1. hinauf in den 2. Rang.<br />
Ein großzügiges, weitläufiges, helles Foyer<br />
durchzieht den Laves-Bau, mit seiner klaren<br />
Architektur und Ausstattung aus den<br />
1950er Jahren. Sie kennen es.<br />
<strong>Das</strong> sind die Standardsituationen des<br />
Foyers: ein Durchgangsort, ein Ort zum<br />
Wandeln und Flanieren, zum Verweilen<br />
und Verzehren. Und dann gibt es Aus -<br />
nahmen und Überraschungen: Wenn Sie<br />
zu spät kommen und durch die leeren<br />
Gänge eilen. Zwei Treppenstufen auf<br />
einmal nehmen, wo es doch angebracht<br />
scheint, gemessen zu schreiten. Wenn sich<br />
eine Tür öffnet, die normalerweise ver -<br />
schlossen ist, und Einblicke gewährt in<br />
die Innereien des Theaterbetriebes: das<br />
Tonstudio, die Regieloge, das Stellwerk,<br />
die magische Tür im Parkett rechts, <strong>der</strong><br />
einzige Weg vom Zuschauerraum hinter<br />
die Bühne. Und die Tapetentür im<br />
„Gasometer“. Diese Tür verschwindet<br />
fast auf <strong>der</strong> großen, nach außen gebogenen<br />
Fläche mit Wellenstruktur, die die Ränge<br />
des Zuschauerraums zum Foyer hin<br />
abschließt. Sie hat keinen richtigen Knauf,<br />
doch <strong>der</strong> leicht angegraute Rand lässt auf<br />
regelmäßige Benutzung schließen. Was ist<br />
hinter dieser Tür?<br />
An sechs Abenden seit Anfang Dezember<br />
verbirgt sich ein Mensch hinter dieser Tür.<br />
Ein lauschen<strong>der</strong>, phantasieren<strong>der</strong> Mann.<br />
Ein Mann, <strong>der</strong> Zuschauer ist, Erzähler<br />
wird und schließlich Opfer seiner eigenen<br />
Geschichte. <strong>Das</strong> offene Foyer vor dieser<br />
Tür, mit den zwei Freitreppen und den<br />
Balkonen im 2. und 3. Rang, wird an diesen<br />
sechs Abenden zum Schauplatz.<br />
„Foyer-Oper“ heißt die neue Reihe, die<br />
das Opernhaus abseits <strong>der</strong> großen Bühne<br />
entdecken und die verschiedenen Winkel<br />
des Foyers beleben will. Die „Foyer-<br />
Opern“ verbinden die Liebe zu diesem oft<br />
durchschrittenen, doch selten wahrgenommenen<br />
Durchgangsort mit <strong>der</strong> Neugier auf<br />
die kleine Form und <strong>der</strong> Lust am musiktheatralen<br />
Experiment.<br />
Die erste Foyer-Oper erzählt die<br />
Dreiecks geschichte von einem Paar und<br />
diesem Mann hinter <strong>der</strong> Tür. Im Zentrum<br />
steht ein frühes Experimentierstück <strong>der</strong><br />
Operngeschichte für eine Sängerin, zwei<br />
Sänger und Instrumente: Claudio Monte -<br />
verdis Il combattimento di Tancredi e Clorinda<br />
von 1624. Außergewöhnlich radikal für das<br />
frühe 17. Jahrhun<strong>der</strong>t stellt Monteverdi<br />
seine Musik in den Dienst <strong>der</strong> Handlung.<br />
Instrumentalisten und Sänger werden im<br />
Vorwort <strong>der</strong> Partitur aufgefor<strong>der</strong>t, mit<br />
Spielweise, Gesang und Aktion streng den<br />
Leidenschaften <strong>der</strong> Erzählung zu folgen.<br />
Sie führt den Kampf (italienisch: combattimento)<br />
eines Liebespaares vor. Tancredi<br />
und Clorinda begegnen sich, doch sie<br />
erkennen sich nicht als Liebende, son<strong>der</strong>n<br />
als Feinde, und liefern sich eine Schlacht<br />
auf Leben und Tod. Von ihrem Kampf<br />
berichtet ein Dritter, <strong>der</strong> Erzähler, <strong>der</strong> die<br />
Geschichte von Tancredi und Clorinda<br />
nicht nur überliefert, son<strong>der</strong>n auch wertet<br />
und virtuos mit den Mitteln seiner Erzählund<br />
Sangeskunst steuert.<br />
So wird aus dem Kampf zwischen Mann<br />
und Frau eine Dreiecksgeschichte, in <strong>der</strong><br />
die beiden Protagonisten am wenigsten zu<br />
sagen bzw. zu singen haben.<br />
Dieses Dreieck nimmt die erste Foyer-<br />
Oper auf, indem sie zu Monteverdis<br />
Combattimento zwei zeitgenössische Werke<br />
hinzufügt und den beiden Liebenden so<br />
eine je eigene musikalische Sprache gibt.<br />
Luciano Berios Sequenza III (1966) ist eine<br />
hoch komplexe Partitur für weibliche<br />
Stimme solo, eine Entäußerung auf <strong>der</strong><br />
Grenze zwischen Singen und Sprechen,<br />
Flüstern und Schreien. Die Sängerin ist
nto<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, das extrem differenzierte<br />
Spektrum von 41 verschiedenen Aus -<br />
drucks- und Vortragsbezeichnungen<br />
stimmlich umzusetzen und mit gestischen<br />
Aktionen zu verkörpern. Die Grenze<br />
zwischen konzertanter und szenischer<br />
Aufführung, zwischen Sängerin und Figur<br />
ist fließend. Dabei wird <strong>der</strong> Text von<br />
Markus Kutter in seine kleinsten Bestand -<br />
teile zerlegt, so dass die Worte, Silben und<br />
Laute isoliert wahrnehmbar werden und<br />
eine Sprachkomposition von ganz eigener<br />
klanglicher, expressiver Qualität entsteht.<br />
<strong>Das</strong> männliche Gegenstück, <strong>der</strong> Gesang des<br />
Achill für Bariton solo von Detlev Glanert,<br />
wurde als Auftragswerk <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
Hannover am 2. Dezember <strong>2006</strong> uraufgeführt.<br />
Der 1960 in Hamburg geborene<br />
Glanert vertont Auszüge aus Heinrich von<br />
Kleists Drama Penthesilea. Darin geht es<br />
wie bei Monteverdi um einen Kampf zwischen<br />
Mann und Frau, <strong>der</strong> tödlich endet.<br />
Unterliegt aber im Combattimento die Frau<br />
dem Mann, <strong>der</strong> sie zu spät erkennt, ist es<br />
bei Kleist und Glanert umgekehrt: Die<br />
Amazonenkönigin Penthesilea kann nach<br />
den Regeln ihres Volkes den Griechen<br />
Achill erst lieben, wenn sie ihn besiegt hat.<br />
Er gibt sich ihr hin. Im Blutrausch lässt sie<br />
ihn von ihren Hunden zerfetzen und stirbt<br />
schließlich selbst im Erkennen ihrer Tat.<br />
Aus dem Drama Kleists hat Detlev Glanert<br />
einen Monolog des Achill kondensiert, <strong>der</strong><br />
Foyer seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 7<br />
die Sprache und das Versmaß <strong>der</strong> Vorlage<br />
beibehält. Als liedähnliches Werk gedacht<br />
ist Der Gesang des Achill jedoch immanent<br />
theatralisch, denn er stützt sich auf die<br />
Handlung seiner dramatischen Vorlage<br />
und lässt durch zahlreiche Fermaten<br />
immer wie<strong>der</strong> Raum für szenische Aktion.<br />
Drei sehr unterschiedliche Werke also<br />
werden zu einem Musiktheater-Abend um<br />
den Kampf <strong>der</strong> Geschlechter zusammengeführt.<br />
<strong>Das</strong> Opern-Foyer vor dem<br />
1. Rang ist <strong>der</strong> Spielort dafür. Die<br />
Regisseurin Elisabeth Stöppler und ihr<br />
Ausstatter Richard Stockinger nehmen die<br />
Funktion und die Atmosphäre des Raumes<br />
auf. Ohne historische Rüstungen, ohne<br />
Helm, Schild und Schwert begegnen,<br />
bekämpfen und verletzen sich Mann und<br />
Frau im Combattimento. Der an<strong>der</strong>e Mann<br />
hinter <strong>der</strong> Tapetentür beobachtet und<br />
beschreibt diesen Kampf und gerät<br />
schließlich selbst zwischen die Fronten.<br />
Die erste Foyer-Oper ist <strong>der</strong> Auftakt neuer<br />
Begegnungen mit dem Foyer <strong>der</strong><br />
<strong>Staatsoper</strong>. Lassen Sie sich überraschen!<br />
Swantje Gostomzyk<br />
Luciano Berio<br />
Sequenza III<br />
Claudio Monteverdi<br />
Il combattimento di Tancredi e Clorinda<br />
Detlev Glanert Gesang des Achill<br />
(Uraufführung)<br />
Musikalische Leitung Toshiaki Murakami<br />
Inszenierung Elisabeth Stöppler<br />
Ausstattung Richard Stockinger<br />
Dramaturgie Swantje Gostomzyk<br />
Mit Arantxa Armentia, Jörn Eichler,<br />
Stefan Zenkl und Musikern des<br />
Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchesters<br />
Hannover<br />
Premiere am 2. Dezember<br />
Weitere Vorstellungen 18. (20 Uhr),<br />
21. (22 Uhr) + 29.12.<strong>2006</strong> (21 Uhr) sowie<br />
zum letzten Mal am 5.1.2007 (21 Uhr)<br />
Foyer 1. Rang
Seite 8 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Ballett<br />
Tatort Paris –<br />
Schauplatz Hann<br />
Salzburg hat seinen Mozart, Bonn seinen<br />
Beethoven, Bayreuth seinen Wagner, und<br />
Paris … Paris hat viele, viele … unter<br />
denen aber Molière zweifellos einen prädestinierten<br />
Platz einnimmt. Pilgerstätte<br />
<strong>der</strong> Molière-Verehrer ist heute die Comé -<br />
die-Française in <strong>der</strong> Rue de Richelieu –<br />
jene Straße, in die sich Molière kurz vor<br />
Ende <strong>der</strong> vierten Vorstellung seines Malade<br />
imaginaire (Der eingebildetet Kranke)<br />
zurückzog, um sich von einem akuten<br />
Husten- und Schwächeanfall zu erholen,<br />
jedoch nur wenig später verstarb (1673).<br />
Eine kleine Gasse, die direkt vor Molières<br />
Sterbehaus in die Rue de Richelieu mündet,<br />
wurde dementspre chend in die „Rue<br />
Molière“ umbenannt.<br />
Molière und seine Truppe spielten jedoch<br />
seinerzeit nicht in <strong>der</strong> Comédie-Française,<br />
son<strong>der</strong>n gaben ihre Vorstellungen – neben<br />
Auftritten in den pompösen Schlössern<br />
außerhalb <strong>der</strong> Stadt – vor allem im<br />
Théâtre du Palais royal, zu dem auch das<br />
„gemeine Volk“ Zugang hatte. Selbst wenn<br />
<strong>der</strong> heutige Sitz des Théâtre du Palais<br />
royal nicht dem damaligen entspricht, in<br />
dem Molière wirkte, lohnt sich auch hier<br />
ein Blick hinter die soeben in neuem<br />
Glanz erstrahlende Fassade: Hier kann<br />
man sich nicht nur von einem Theater -<br />
stück in an<strong>der</strong>e Welten versetzen lassen,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ort als solcher verfügt bereits<br />
über eine magische Kraft, die sogleich das<br />
„Hier und Jetzt“ in den Hintergrund<br />
treten lässt. Für Molière und seine Truppe<br />
war jedoch das Schauspielerdasein alles<br />
an<strong>der</strong>e als zauberhaft und weltentrückt.<br />
Bereits am Beginn ihrer Theaterarbeit<br />
stand ein abenteuerliches Experiment, das<br />
Molière beinahe den Kopf gekostet hätte:<br />
Er, <strong>der</strong> „aus gutem Hause“ stammte und<br />
für seiner Theaterleidenschaft eine saturierte<br />
bürgerliche Karriere als königlicher<br />
Innenaus statter („Tapissier“) opferte, gründete<br />
mit <strong>der</strong> jungen Schauspielerin<br />
Madeleine Béjart, <strong>der</strong>en Geschwistern<br />
Joseph und Geneviève sowie einigen<br />
Jahrmarkts künstlern ein kleines Ensemble,<br />
das zunächst einen Saal im Faubourg<br />
Saint-Germain aufwändig renovierte, um<br />
sich in <strong>der</strong> Pariser Theaterlandschaft unter<br />
dem vielversprechenden Namen „Illustre<br />
Théâtre“ zu etablieren. Doch die Konkur -<br />
renz war groß, die Ausgaben überstiegen<br />
schnell die Einnahmen, bis schließlich ein<br />
gerichtlich eingefor<strong>der</strong>ter Mietrückstand<br />
die Truppe in den Bankrott trieb. Molière<br />
wurde wegen Insolvenz inhaftiert und<br />
gelangte erst nach Hinterlegung einer<br />
Kaution durch seinen Vater wie<strong>der</strong> auf<br />
freien Fuß.<br />
Ungeachtet dieser Pleite im großen Stil<br />
ließ sich die Truppe nicht grundsätzlich<br />
entmutigen: Molière und seine treue Ge -<br />
folgschaft zogen nun über die Dörfer und<br />
Städte Südfrankreichs, um ihre Künste feil<br />
zu bieten. In Pézenas fanden die jungen,<br />
ambitionierten Schauspieler schließlich<br />
ihren ersten, großen Gönner: Armand de<br />
Bourbon, Prinz von Conti, <strong>der</strong> als leidenschaftlicher<br />
Liebhaber des Theaters (und<br />
ebenso <strong>der</strong> sich dort versammelnden<br />
Damenwelt) die „prächtigen Kostüme“<br />
und „Gefälligkeit“ <strong>der</strong> Schauspieler<br />
bewun<strong>der</strong>te. Er erhob sie sogleich zur<br />
„Troupe de Monseigneur le Prince de<br />
Conti“ und sicherte ihr finanzielles<br />
Auskommen. Wenig später sollte Molière<br />
aber auch erstmals die Willkür herrschaft<br />
<strong>der</strong> Hocharistokratie zu spüren bekommen:<br />
Der von <strong>der</strong> seinerzeit „Lustseuche“<br />
genannten Syphilis geplagte Prinz wandte<br />
sich in seiner gesundheitlichen Not an den<br />
wegen seiner Sitten strenge gefürchteten<br />
Bischof von Aleth, <strong>der</strong> ihm als unbedingte<br />
Voraus setzung für eine baldige Genesung<br />
abso lutes Theater verbot verschrieb. Conti<br />
entzog daraufhin nicht nur Molières<br />
Truppe seine Protek tion, son<strong>der</strong>n wandelte<br />
sich zu einem geradezu militanten Gegner<br />
des Schauspiels, in dessen Schusslinie<br />
Molière auch später wie<strong>der</strong>holt geriet.<br />
Allen Wi<strong>der</strong>nissen des unsteten Wan<strong>der</strong> -<br />
lebens zum Trotz konnte Molière dennoch<br />
gerade in dieser Zeit wertvolle Erfahr un -<br />
gen sammeln: Er verfasste Komödien, die<br />
sich zunehmend von den possenhaften<br />
Vorbil<strong>der</strong>n italienischen Verschnitts entfernten,<br />
um an die Stelle deftiger Komik<br />
differenziertere Personen zeichnungen treten<br />
zu lassen.
over<br />
Im Sommer 1658 unternahm Molière<br />
mehrere Reisen nach Paris, um eine Rück -<br />
kehr vorzubereiten, die bereits im Herbst<br />
erfolgte. Die Truppe durfte sogleich dem<br />
Bru<strong>der</strong> von Ludwig XIV., Philippe<br />
d’Anjou, dem späteren Duc d’Orléans,<br />
vorspielen, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um so beeindruckt<br />
war, dass er sich zu ihrem Schirmherrn<br />
machte. Auf diese Weise erhielten die<br />
Schauspieler rasch Zutritt zum Louvre, um<br />
sich dort dem jungen König zu präsentieren.<br />
Während ihre Aufführung einer<br />
Tragödie von Pierre Corneille wenig<br />
Anklang fand, war Ludwig XIV. von einer<br />
sich unmittelbar anschließenden Komödie<br />
Molières so erheitert, dass er <strong>der</strong> Truppe<br />
das Théâtre du Petit-Bourbon als offizielle<br />
Arbeits- und Spielstätte zuwies – erst ein<br />
Jahr später, 1660, zog das Ensemble in das<br />
Théâtre du Palais royal um und blieb dort<br />
bis zu Molières Tod.<br />
Von diesem Zeitpunkt an konnte Molières<br />
Truppe mit ständigen, äußerst lukrativen<br />
Auftritten vor <strong>der</strong> höfischen Gesellschaft<br />
rechnen und gleichzeitig kontinuierlich ein<br />
Repertoire für das städtische Publikum<br />
aufbauen. Im Jahr <strong>der</strong> Thronbesteigung<br />
des jungen Ludwig XIV. (1661) etablierte<br />
Molière zudem ein neues Theatergenre:<br />
Die Comédies-ballets, bei denen die<br />
Komödienhandlung durch tänzerische<br />
Entrées unterstrichen, vertieft, aber auch<br />
vorausgedeutet und erweitert wurde. Bei<br />
diesen Produktionen standen ihm für die<br />
Ballett seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 9<br />
Auf den Spuren Molières<br />
choreographischen und kompositorischen<br />
Belange Pierre Beauchamps als <strong>der</strong> seinerzeit<br />
renommierteste Tanzmeister am Hof<br />
von Ludwig XIV. und Giovanni Battista<br />
Lulli alias Jean-Baptiste Lully zur Seite.<br />
<strong>Das</strong>s gerade letzterer von Molières<br />
Errungenschaften nicht nur erheblich profitierte,<br />
son<strong>der</strong>n auch seinem Promoter<br />
zunehmend das Leben schwer machte,<br />
gehörte vermutlich zu Molières bittersten<br />
Enttäuschungen: Lullys intrigante<br />
Machenschaften um den Besitz des königlichen<br />
Opernprivilegs, in dem er hellsichtig<br />
wie kein an<strong>der</strong>er eine zukunftweisende<br />
Chance sah, grenzten Molières künstlerischen<br />
Freiraum immer mehr ein.<br />
Schließlich sicherte sich Lully das Recht,<br />
über sämtliche Dichtungen, zu denen er<br />
Musik komponiert hatte, frei verfügen zu<br />
dürfen – womit er letztlich Molière seiner<br />
Comédies-ballets beraubte, die von nun an<br />
nicht mehr ohne Lullys Zustimmung mit<br />
dessen Musik erklingen durften. Molière<br />
fand zwar für seine letzte Comédie-ballet,<br />
den eingangs erwähnten Le Malade imaginaire,<br />
ebenso wie für Neuinszenierungen<br />
älterer Stücke in Marc-Antoine<br />
Charpentier einen neuen, äußerst kompetenten<br />
musikalischen Mitarbeiter, nichtsdestotrotz<br />
waren die Einbußen, die er nun<br />
hinnehmen musste, einschneidend: Nur zu<br />
deutlich spürte er, dass sich seine Zeit am<br />
Hof Ludwigs XIV. dem Ende zuneigte und<br />
sein ehemaliger Kollege zu seinem schärf-<br />
sten Konkurrenten angewachsen war.<br />
Vielleicht starb Molière gerade rechtzeitig<br />
vor noch tieferen Rückschlägen – dennoch:<br />
Während Lully auf einen glamourösen<br />
Ruhm zu Lebzeiten peinlichst bedacht<br />
war, sollten seine Kompositionen schon<br />
kurz nach seinem Tod als „altmodische<br />
Musik“ (bzw. musikalischer Ausdruck eines<br />
überkommenen politischen Systems) in<br />
Misskredit geraten. Molières Werke hingegen<br />
wurden bald wie<strong>der</strong> ausgegraben, neuvertont<br />
und vor allem: neubelebt. Einer<br />
jüngeren Umfrage zufolge ist Molière <strong>der</strong><br />
bekannteste französische Schriftsteller<br />
nach Victor Hugo.<br />
Stephanie Schroedter<br />
„Molière“<br />
Ballett von Jörg Mannes<br />
Musik von Jean-Philippe Rameau, Maurice<br />
Ravel, Luciano Berio u.a.<br />
Musikalische Leitung Andreas Wolf<br />
Choreographie Jörg Mannes<br />
Bühne Lars Peter<br />
Kostüme Lenka Radecky-Kupfer<br />
Dramaturgie Stephanie Schroedter<br />
Ballettensemble <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover<br />
Nie<strong>der</strong>sächsisches Staatsorchester<br />
Hannover<br />
Die nächsten Vorstellungen<br />
20. + 21.12.<strong>2006</strong>, 4.+28.1.2007
Seite 10 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Aus den Proben<br />
Auf dem Weg zu Tannhäuser<br />
Über die Entstehung eines Inszenierungskonzepts – Teil 1<br />
7. April <strong>2006</strong>, Berlin<br />
Musikalische Fragen<br />
Beim ersten Treffen zwischen General -<br />
musikdirektor Wolfgang Bozic, Regisseur<br />
Philipp Himmelmann und Dramaturg<br />
Ulrich Lenz in einem Berliner Café geht<br />
es vor allem um die Klärung <strong>der</strong> Fassungs -<br />
frage. Wagner selbst ist nach eigenen<br />
Worten „<strong>der</strong> Welt den Tannhäuser schuldig“<br />
geblieben: Bis an sein Lebensende hat<br />
er seine Oper immer wie<strong>der</strong> überarbeitet,<br />
ohne letztendlich zu einer ihn selbst<br />
zufriedenstellenden Endfassung zu gelangen.<br />
In <strong>der</strong> Aufführungspraxis haben sich<br />
aber zwei Fassungen eingebürgert: die<br />
sogenannte Dresdner und die sogenannte<br />
Pariser Fassung. In letzterer hat vor allem<br />
die Venusberg-Szene des Ersten Aktes eine<br />
umfangreiche Erweiterung erfahren. Wir<br />
sind uns einig, dass beide Fassungen ihre<br />
Vor- und Nachteile haben. Philipp<br />
Himmel mann interessiert an <strong>der</strong> Dresdner<br />
Fassung die klarere Ausformulierung <strong>der</strong><br />
Venus als Personi fikation einer Idee. In<br />
<strong>der</strong> Pariser Fassung erscheint sie wesentlich<br />
realer, menschlicher – „die Göttin <strong>der</strong><br />
Wonne wird selbst rührend“, schreibt<br />
Wagner.<br />
Wolfgang Bozic steht <strong>der</strong>lei Argumenten<br />
aufgeschlossen gegenüber, sieht auch in<br />
<strong>der</strong> musikalischen Struktur <strong>der</strong> Dresdner<br />
Fassung eine größere Klarheit gegeben,<br />
und so finden wir schnell zu einer gemeinsamen<br />
Entscheidung für „Dresden“.<br />
30. April/1. Mai <strong>2006</strong>, Frohnau bei Berlin<br />
Konzeptionsgespräch<br />
Bühnenbildnerin Elisabeth Pedross,<br />
Kostümbildnerin Petra Bongard und<br />
Dramaturg Ulrich Lenz sind zu Gast bei<br />
Regisseur Himmelmann. Nach kurzem<br />
Kennenlernen befinden wir uns gleich<br />
mitten in den zentralen Fragen des Stücks:<br />
Was ist <strong>der</strong> Venusberg? Lusthöhle,<br />
Kunsttempel, Urzustand? – Wer o<strong>der</strong> was<br />
ist Tannhäuser? Künstler, Anarchist,<br />
Fanatiker? – Und was kennzeichnet die<br />
Wartburg-Welt? Traditionsbewusstsein,<br />
Ordnungswille, Intoleranz?<br />
Tannhäuser ist ständig im Aufbruch begriffen,<br />
und auch die fortwährend durch das<br />
Stück ziehenden Pilger stehen für die<br />
Ruhelosigkeit des Menschen. Könnte die<br />
Bühne dieses ständige Weiterziehen thematisieren,<br />
indem sie einen Bahnhof o<strong>der</strong><br />
einen Flughafen assoziiert? Die Idee wird<br />
schnell wie<strong>der</strong> verworfen, denn je konkreter<br />
die Bil<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Bühne sind, desto<br />
kleiner machen sie die Allgemeingültigkeit<br />
des Stücks und seiner Figuren. Wo fände<br />
darin beispielsweise die Idee <strong>der</strong> Liebes -<br />
göttin ihren Platz?<br />
Philipp Himmelmann träumt für den<br />
Venusberg von einem sehr sinnlichen Ort,<br />
<strong>der</strong> mehr ist als nur „Lusthöhle“. <strong>Das</strong><br />
Element Wasser scheint ihm für das<br />
Urzuständliche dieser ersten Szene richtig.<br />
Wände aus Wasser? Eine faszinierende<br />
Vorstellung, aber wir wissen alle, dass sich<br />
dies auf einer Bühne kaum realisieren lässt,<br />
zumal es ja auch noch mindestens zwei<br />
weitere Bil<strong>der</strong> – „Tal vor <strong>der</strong> Wartburg“<br />
und „Auf <strong>der</strong> Wartburg“ – zu bauen gilt.<br />
Diese Bil<strong>der</strong> werden in gewisser Weise von<br />
Tannhäuser selbst evoziert (sein Ruf nach<br />
Maria bewirkt die Verwandlung im Ersten<br />
Akt), wie Bewusstseinsschichten<br />
Tannhäusers legen sie sich übereinan<strong>der</strong>,<br />
decken das Vorherige zu, machen es vergessen,<br />
ohne es wirklich verschwinden zu<br />
lassen.<br />
„Als das mir Wesentlichste von diesem<br />
Charakter“, schreibt Wagner, „bezeichne<br />
ich das stets unmittelbar tätige, bis zum<br />
stärksten Maße gesteigerte Erfülltsein von<br />
<strong>der</strong> Empfindung <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
Situation und den lebhaftesten Kontrast,<br />
<strong>der</strong> durch den heftigen Wechsel <strong>der</strong><br />
Situation sich in <strong>der</strong> Äußerung dieses<br />
Erfülltseins zu erkennen gibt. Tannhäuser<br />
ist nie und nirgends etwas nur ein wenig,<br />
son<strong>der</strong>n alles voll und ganz.“ Nicht<br />
irgendeine Geliebte befriedigt<br />
Tannhäusers Bedürfnis nach Sinnlichkeit,<br />
son<strong>der</strong>n die Liebesgöttin selbst! Sein<br />
Beitrag zum Sängerwettstreit ist in seinen<br />
Augen nicht nur <strong>der</strong> beste, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
einzig gültige. Und auch als Pilger auf<br />
dem Weg nach Rom will Tannhäuser <strong>der</strong><br />
asketischste aller Büßer sein. „Wo gäb’ es<br />
nun ein Leiden, das er nicht mit Lust<br />
ertrüge?“ (Wagner, Über die Aufführung des<br />
Tannhäuser) In seiner bedingungslosen<br />
Hingabe an das Hier und Jetzt sucht<br />
Tannhäuser aber auch stets ein Publikum.<br />
Als Selbstbestätigung kommt ihm <strong>der</strong><br />
Applaus ebenso recht wie heftigster<br />
Protest, denn beides macht ihn zum<br />
Zentrum seines Kosmos’. In diesem Sinne<br />
müsste auch <strong>der</strong> Bühnenkosmos<br />
Tannhäuser nicht nur im Sängersaal <strong>der</strong><br />
Wartburg, son<strong>der</strong>n das ganze Stück über<br />
in den Mittelpunkt des Geschehens stellen.<br />
„Tannhäuser ist nie und nirgends nur ein<br />
wenig, son<strong>der</strong>n alles voll und ganz“ …<br />
Fortsetzung folgt<br />
Ulrich Lenz<br />
Musikalische Leitung Wolfgang Bozic<br />
Inszenierung Philipp Himmelmann<br />
Bühne Elisabeth Pedross<br />
Kostüme Petra Bongard<br />
Chor Dan Ratiu<br />
Dramaturgie Ulrich Lenz<br />
Mit Robert Künzli (Tannhäuser), Kelly<br />
God/Brigitte Hahn (Elisabeth), Khatuna<br />
Mikaberidze (Venus), Lauri Vasar/Jin-Ho<br />
Yoo (Wolfram von Eschenbach), Albert<br />
Pesendorfer (Landgraf Heinrich) u.a.<br />
Premiere am 20. Januar 2007<br />
Einführungsmatinee am 14. Januar 2007<br />
um 11.00 Uhr im Laves-Foyer<br />
Öffentliche Generalprobe am 17.1. 2007,<br />
18.30 Uhr<br />
Weitere Vorstellungen 27.1., 4.+7.2.2007
»Stell dir vor, du wirst in einen dunklen<br />
Schornstein gesteckt, da ist nichts, kein<br />
Licht, nur Mauern, Dreck und Ruß!“<br />
Unglaubliche Geschichten erzählt Barbara<br />
ihrer Freundin Anna: Geschichten von<br />
kleinen Jungs, die als billige Arbeitskraft in<br />
schwarze Kamine klettern mussten, um<br />
dort den Ruß von <strong>der</strong> Wand zu kratzen.<br />
Kaum vorstellbar für zwei Mädchen, die<br />
Kaugummi kauend auf dem Sofa liegen<br />
und mit dem Discman ihren Gedanken<br />
nachhängen. Doch die Erzählung über<br />
diese Schornsteinfegerjungen lässt sie<br />
nicht mehr los. Wie dunkel es in den<br />
Kaminen wohl sein mag? Was, wenn<br />
einer <strong>der</strong> Jungs im Schornstein plötzlich<br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 11<br />
feststeckt? Und was, wenn ihm plötzlich<br />
jemand helfen würde? Mit einem Mal<br />
stecken Barbara und Anna mittendrin: in<br />
Zeiten, in denen Kin<strong>der</strong>arbeit auch in<br />
Europa ganz normal war, als Schornstein -<br />
fegerjungen wie <strong>der</strong> kleine Sam in die<br />
Kamine klettern mussten. Die beiden<br />
Mädchen erfinden Geschichten um Sam<br />
und weitere Figuren wie die strenge und<br />
gefürchtete Haushälterin Miss Baggott.<br />
Doch plötzlich steht diese leibhaftig in<br />
Annas Kin<strong>der</strong>zimmer! Und dann tauchen<br />
wirklich Clem und Robert auf, zwei<br />
Schornsteinfegermeister, ebenso schwarz<br />
wie böse, in ihrer Mitte <strong>der</strong> ängstliche<br />
kleine Sam.<br />
Annas Zimmer füllt sich mit Figuren aus<br />
an<strong>der</strong>en Zeiten – und auch mit Tönen und<br />
Gesang. Denn Benjamin Brittens Kin<strong>der</strong> -<br />
stück Der kleine Schornsteinfeger erzählt<br />
nicht nur die Geschichte des kleinen Sam,<br />
son<strong>der</strong>n auch vom Zauber und von <strong>der</strong><br />
Ausdruckskraft <strong>der</strong> Musik. „Oper ist doch<br />
nur etwas für Erwachsene“, behauptet<br />
Anna zu Beginn noch, lässt sich jedoch von<br />
„Babar, <strong>der</strong> kleine Elefant“<br />
und an<strong>der</strong>e Elefantengeschichten<br />
2. Kin<strong>der</strong>konzert mit Heini, dem kleinen Vampir<br />
Musik u.a. von Camille Saint-Saëns, Henry Mancini und François Poulenc<br />
Also,<br />
<strong>der</strong> Kontrabass, das ist doch die<br />
dicke, fette Stehgeige da drüben, o<strong>der</strong>? Ha,<br />
und weil die Stehgeige so dick und fett ist wie ein<br />
Elefant, macht sie auch so gut Elefantenmusik. Ein richtig<br />
tiefes Elefantengebrummel. Aber, passt mal auf: Elefanten<br />
sind nicht nur so dick und trampelig wie alle immer denken!<br />
Die können auch sehr vornehm tanzen. Ganz vorsichtig drehen<br />
sie sich im Kreis, immer auf <strong>der</strong> gleichen Stelle, klar, damit sie mit<br />
ihrem Hintern nichts zerdeppern. Und das hören wir beim nächsten<br />
Kin<strong>der</strong>konzert! Da gibt es sogar einen Walzer für einen<br />
Elefanten. Und natürlich jede Menge tiefe Elefantentöne:<br />
nicht nur von den fetten Kontrabässen, auch von den<br />
langen Ofenrohren, äh den Fagotten, und von<br />
dem supergalaktischen riesigen<br />
Goldtrichter, <strong>der</strong> Tuuuba!<br />
„Oper ist doch nur<br />
etwas für Erwachsene!?“<br />
Zu Benjamin Brittens Kin<strong>der</strong>oper Der kleine Schornsteinfeger<br />
Barbara überzeugen, dass je<strong>der</strong> singen<br />
kann und dass man mit Musik den Aus -<br />
druck eigener Gefühle sogar verstärken<br />
kann. Die beiden Mädchen spielen nicht<br />
nur mit den imaginierten Figuren, die<br />
nach und nach Wirklichkeit werden,<br />
son<strong>der</strong>n ebenso fantasievoll mit Tönen<br />
und Klängen. Die Orchestermusiker sind<br />
dabei in <strong>der</strong> Inszenierung von Bettina<br />
Giese nicht in den Graben verbannt. Sie<br />
sitzen vielmehr auf <strong>der</strong> Bühne, mitten im<br />
Bühnenbild. Und sie greifen sogar ins<br />
Geschehen ein, denn ihre Musik zaubert<br />
die erdachten Figuren herbei. Auch <strong>der</strong><br />
Dirigent spielt mit – und auch das<br />
Publikum ist eingeladen, sich kräftig am<br />
Geschehen zu beteiligen und mitzusingen.<br />
Ein Experiment, ein offenes Spiel mit<br />
Schauspiel und Oper, mit Fantasie und<br />
Wirklichkeit, mit dem Publikum und den<br />
Darstellern auf <strong>der</strong> Bühne.<br />
Dorothea Hartmann<br />
Nächste Vorstellungen am<br />
14., 18., 27.12.<strong>2006</strong>, 4.+22.1., 5.2.2007<br />
2. Kin<strong>der</strong>konzert<br />
Sonntag, 28.1.2007<br />
Dienstag, 30.1.2007 (Schulkonzert)<br />
Sonntag, 4.3.2007, jeweils 11 Uhr<br />
Dirigent Andreas Wolf<br />
Nie<strong>der</strong>sächsisches Staatsorchester<br />
Hannover
Seite 12 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
Mut zum Hut…<br />
…lautet das Motto unseres diesjährigen Club XL<br />
an <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover<br />
„Da geht einem doch <strong>der</strong> Hut hoch!“<br />
„Damit habe ich nichts am Hut.“<br />
„<strong>Das</strong> ist ja wohl ein alter Hut!“<br />
Was in so vielen Redensarten auftaucht,<br />
muss mal eine wichtige Rolle gespielt<br />
haben. Und tatsächlich: Bis vor einem<br />
halben Jahr hun <strong>der</strong>t war <strong>der</strong> Hut nicht von<br />
den Köpfen <strong>der</strong> Menschen wegzudenken<br />
und gehörte ganz selbstverständlich zur<br />
alltäglichen Bekleidung. Mehr noch, <strong>der</strong><br />
Hut galt als Statussymbol. „Zeige mir<br />
deinen Hut und ich sage dir, wer du bist.“<br />
Was früher bestens funktionierte, ist heute<br />
kaum noch möglich. Wir möchten das<br />
än<strong>der</strong>n!<br />
In <strong>der</strong> Spielzeit <strong>2006</strong>/2007 steht im Mittel -<br />
punkt des Jugendclubs XL das Thema<br />
„Hüte“. Unter jedem Hut steckt ein Kopf<br />
mit einer Persönlichkeit und damit eine<br />
Biografie. Wer waren die bekannten<br />
„beHüteten“ Personen <strong>der</strong> Vergangenheit?<br />
Und gibt es heute noch Persönlichkeiten,<br />
die Hüte lieben und tragen? Die hieraus<br />
entstehende Geschichte möchten wir mit<br />
Songs, Arien und Texten auf die Bühne<br />
bringen – gewissermaßen als eine<br />
Hommage an den Hut.<br />
Der Jugendclub XL bietet Jugendlichen<br />
zwischen 14 und 22 Jahren die Möglich -<br />
keit, sich musikalisch und schauspielerisch<br />
zu erproben. Gemeinsam mit den<br />
Theater pädagoginnen <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
Hannover und einem freien Musiker entwickeln<br />
die Jugendlichen ein Stück, dass<br />
sie nach acht Monaten Probezeit vor<br />
Publikum präsentieren. Bei <strong>der</strong> Entwick -<br />
lung des Stückes ist <strong>der</strong> szenischen und<br />
musika lischen Improvisation von Seiten<br />
<strong>der</strong> Jugendlichen keine Grenze gesetzt:<br />
eigene Ausdrucksformen wie Stimme,<br />
Körper und Instrumente sollen erprobt<br />
werden.<br />
Eva Bessert-Nettelbeck/Gundel Gebauer<br />
Anmeldung für die Spielzeit 2007/08<br />
unter Telefon: 0511/9999-1083<br />
Wir haben zum Thema „Hut“ Daniela<br />
Sie<strong>der</strong>s, eine Modistin <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
Hannover befragt.<br />
Sie verbringen ihre Hauptarbeitszeit inmitten<br />
von Hüten. In einer Zeit, in <strong>der</strong> „Hüte“ als<br />
etwas antiquiertes Accessoire gelten. Ist ihrer<br />
Meinung nach <strong>der</strong> Hut tatsächlich nur (noch)<br />
ein Accessoire?<br />
Antiquiert – nein. Es verhält sich nur so,<br />
dass <strong>der</strong> Wandel und die schöpferische<br />
Kraft in <strong>der</strong> Mode mannigfaltige Facetten<br />
hervorgebracht und auch vor dem Hut<br />
nicht halt gemacht haben. Die<br />
Kopfbedeckung hat dabei ihren funktionalen<br />
und statussymbolischen Stellenwert<br />
nicht verloren.<br />
Kann ein Hut eine Persönlichkeit verwandeln?<br />
Ein klares JA. Je nach Art und Form <strong>der</strong><br />
Kopfbedeckung werden verschiedenste<br />
Assoziationen hervorgerufen, welche<br />
sowohl den Träger als auch den Betrachter<br />
beeinflussen. Der Umgang miteinan<strong>der</strong><br />
verän<strong>der</strong>t sich.<br />
In welchen Situationen trägt man heute<br />
noch Hut?<br />
Wir müssen hier differenzieren. Zum<br />
Einen werden Kopfbedeckungen in schützen<strong>der</strong><br />
Funktion (Kälte, Sonne, Ver -<br />
letzungs gefahr), aus religiöser Motivation<br />
(Kopftuch, Kippa) o<strong>der</strong> zur Unifor -<br />
mierung (Rang, Gruppenzuge hörigkeit)<br />
alltäglich getragen. Zum An<strong>der</strong>en trägt<br />
man den eleganten Hut beispielsweise zum<br />
Pfer<strong>der</strong>ennen und festlichen Gelegen -<br />
heiten wie Hochzeiten.<br />
Welche Persönlichkeiten fallen ihnen spontan<br />
zum Thema Hüte ein?<br />
Mir fallen eine Menge Persönlichkeiten<br />
ein, denen ich eine spezifische Art von<br />
Kopfbedeckungen zuordnen kann: zum<br />
Beispiel die Queen, Jacky Kennedy,<br />
Audrey Hepburn, Napoleon, Winston<br />
Churchill, Humphrey Bogart, Udo<br />
Lindenberg, Bismarck, Fidel Castro, …<br />
Was ist Ihrer Meinung nach <strong>der</strong> Grund dafür,<br />
dass <strong>der</strong> Hut von den Köpfen <strong>der</strong> Deutschen<br />
nahezu verschwunden ist?<br />
Der Hut im eleganten Sinne tritt aus<br />
modischen Aspekten im Alltag seltener in<br />
Erscheinung. Geht man jedoch durch die<br />
Straßen und schaut gezielt, dann finden<br />
sich immer häufiger <strong>der</strong> klassische Herren -<br />
hut, <strong>der</strong> sportliche Trilby, die coole Mütze<br />
o<strong>der</strong> Kappe sowie <strong>der</strong> legere Damenhut<br />
auf unseren Köpfen!<br />
Tragen Sie manchmal Hut?<br />
Ich persönlich trage täglich eine Kopf -<br />
bedeckung und mein Modistenherz geht<br />
auf, wenn sich die Gelegenheit bietet,<br />
einen extravaganten Hut zur Schau zu<br />
tragen.
Im Keller des Opernhauses befindet sich<br />
eine wahre Schatzkammer, vollgestopft<br />
mit Flaschen, Geschirr bis hin zu alten<br />
Koffern, Musikinstrumenten und vielem<br />
mehr. Was hier nicht hineinpasst, wird<br />
ausgelagert ins Magazin im Proben -<br />
zentrum Bornum. Herren über dieses<br />
Sammelsurium an alltäglichen und kuriosen<br />
Utensilien sind Chefrequisiteur<br />
Herbert Balko-Karp und sein sechsköpfiges<br />
Team. Sie sind verantwortlich dafür,<br />
dass während einer Opern- o<strong>der</strong> Ballett -<br />
aufführung all die scheinbar nebensächlichen<br />
Dinge den Bühnenkünstlern zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Einige Wochen vor <strong>der</strong> Premiere einer<br />
Neuinszenierung wird in einem Gespräch<br />
mit Regisseur und Bühnenbildner geklärt,<br />
was an Requisiten benötigt wird, und eine<br />
entsprechende Materialliste angefertigt.<br />
Anschließend prüft <strong>der</strong> Chefrequisiteur,<br />
welche Gegenstände im Fundus vorhanden<br />
sind, was zusätzlich gekauft o<strong>der</strong> angefertigt<br />
werden muss. <strong>Das</strong> Motto ist stets:<br />
„Wir machen alles möglich!“<br />
Jetzt sind Fantasie, Spürhundqualitäten,<br />
kunsthandwerkliches Geschick und auch<br />
Fachwissen in punkto Antiquitäten und<br />
Stilepochen gefragt. Außerdem müssen<br />
Requisiten leicht anzuwenden sein und<br />
dürfen nicht als Requisiten auffallen, sollten<br />
natürlich und echt wirken. Herbert<br />
Aus den Werkstätten seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 13<br />
Die Fälscher des Theaters<br />
Aus dem Alltag <strong>der</strong> Requisite<br />
Balko-Karp bringt es auf den Punkt:<br />
„Ein Requisiteur muss immer ein guter<br />
Fälscher sein!“<br />
Und die Requisiteure <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> verstehen<br />
ihr Metier, das dank neuer Technik<br />
auch erleichtert wird. Benötigten sie früher<br />
mehrere Museums besuche, um zum<br />
Beispiel eine Hochzeits urkunde aus dem<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>t zu kopieren, genügt heute<br />
oft ein Klick und Blick ins Internet, um<br />
etwa den hebräischen Text für Moses’<br />
Gesetzestafeln im Musical Anatevka nachbilden<br />
zu können. Ferner dürfen Requi -<br />
siten keine unliebsamen Geräusche verursachen<br />
und nicht zu Verletzungen auf <strong>der</strong><br />
Bühne führen. Eine Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />
die Requisiten abteilung war daher die<br />
Prügelszene mit Bierflaschen in <strong>der</strong> Auf -<br />
führung von Verdis „Otello“, die einen<br />
mit Scherben übersäten Boden zurückläßt.<br />
Die Lösung: Neben zahlreichen Kunst -<br />
stoffbierflaschen kommen zwei Crash -<br />
glasflaschen für die gefahrlose Prügelei<br />
zum Einsatz, und <strong>der</strong> Bühnenboden wird<br />
dank extra eingefärbter und zerschnittener<br />
Plastikbecherteile nahezu geräuschlos und<br />
ohne Verletzungsrisiko in ein Scherben -<br />
meer verwandelt. Sorgfältig gehen die<br />
Verantwortlichen ebenfalls bei den sogenannten<br />
Verbrauchsrequisiten vor, die bei<br />
je<strong>der</strong> Vor stellung ersetzt o<strong>der</strong> neu hergestellt<br />
werden: Lebensmittel, Zigaretten<br />
und frische Blumen zum Beispiel.<br />
Schon während <strong>der</strong> Bühnenproben für<br />
eine neue Produktion halten die<br />
Requisiteure Probenrequisiten bereit,<br />
erst in den letzten drei Proben stehen die<br />
Originalrequisiten zur Verfügung. Sie<br />
liegen hinter den Kulissen, angeordnet<br />
nach Bühnenseite und Reihenfolge <strong>der</strong><br />
entsprechenden Auftritte, bereit. Nach <strong>der</strong><br />
Probe o<strong>der</strong> Vorstellung muss dann auch<br />
für Pflege, Instandhaltung und Reparatur<br />
<strong>der</strong> Requisiten gesorgt werden.<br />
Obwohl kein von <strong>der</strong> Handwerkskammer<br />
anerkannter Ausbildungsberuf gehört <strong>der</strong><br />
Beruf des Requisiteurs zu den ältesten<br />
Theaterberufen im Bereich <strong>der</strong> Aus -<br />
stattung. Chefrequisiteur Herbert Balko-<br />
Karp begann seine berufliche Laufbahn als<br />
Schaufensterdekorateur, seine Kollegen<br />
sind gelernte Tischler, Dekorateure,<br />
Schlosser o<strong>der</strong> Buchbin<strong>der</strong>, bevor es sie in<br />
die Arbeitswelt des Theaters zog. Mittler -<br />
weile ist es aber möglich, nach einer einschlägigen<br />
Berufsausbildung und<br />
Praxiserfahrung einen Weiterbildungs -<br />
lehrgang mit dem Abschluss Requisiteur,<br />
Geprüfter Requisiteur o<strong>der</strong> Requisiteur<br />
IHK zu absolvieren.<br />
Malte Erhardt
Seite 14 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Unterm Weihnachtsbaum<br />
Weihnachten und <strong>der</strong><br />
Jahreswechsel in <strong>der</strong> Oper<br />
Wenn die Tage kürzer werden, die Abende<br />
dunkler und das Wetter ungemütlich, dann<br />
beginnt die klassische Theaterzeit. Und<br />
gerade rund um die Weihnachtstage bietet<br />
die <strong>Staatsoper</strong> ein reiches Programm für<br />
Jung und Alt – von <strong>der</strong> festlichen<br />
Weihnachtsvorstellung bis zur Kin<strong>der</strong>oper<br />
und zum Neujahrskonzert.<br />
Ein schöner Brauch ist es, die Weihnachts -<br />
feiertage mit einem festlichen Opern -<br />
besuch zu verbinden. Auf dem Programm<br />
im Opernhaus stehen die traditionellen<br />
Weihnachts- und Festtagsopern:<br />
Humperdincks Märchenoper Hänsel und<br />
Gretel am 25. Dezember um 14 und<br />
18 Uhr und Mozarts Zauberflöte am<br />
26. Dezember um 18 Uhr. Ebenfalls traditionell<br />
sind die Familienpreise: Kin<strong>der</strong><br />
zahlen an beiden Weihnachtsfeiertagen<br />
nur den halben Preis!<br />
Auch den Jahreswechsel können Sie in <strong>der</strong><br />
<strong>Staatsoper</strong> stimmungsvoll umrahmen: auf<br />
dem Spielplan an Silvester steht das Musi -<br />
cal Anatevka (31. Dezember, 19.30 Uhr).<br />
Am 1. Januar begrüßt dann das Nie<strong>der</strong> -<br />
sächsische Staatsorchester unter <strong>der</strong><br />
Leitung seines Generalmusikdirektors<br />
Wolfgang Bozic das Jahr 2007 mit einem<br />
großen Neujahrskonzert (12 und 19.30<br />
Uhr). Durch das Programm führt<br />
Chefdrama turg Ulrich Lenz, dessen pointierte<br />
Mo<strong>der</strong>ation dem Publikum schon<br />
beim Eröffnungskonzert <strong>der</strong> Spielzeit viele<br />
Schmunzler und Lacher entlockt hat.<br />
Unter dem Motto „Strauß und mehr“ werden<br />
große Werke <strong>der</strong> Wiener Walzer-<br />
Dynastie wie <strong>der</strong> „Kaiserwalzer“ von<br />
Johann Strauß und – passend zum Datum<br />
– <strong>der</strong> „Delirienwalzer“ von Josef Strauß<br />
ebenso gespielt wie spritzige, schwungvolle<br />
Werke des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Opernball 2007 „I got rhythm“<br />
am 23. und 24. Februar 2007<br />
Auch 2007 verwandelt sich das Opernhaus<br />
für zwei Abende in ein leuchtendes Ball -<br />
haus. „I got rhythm, I got music“ – <strong>der</strong> Hit<br />
von George Gershwin dient als Motto für<br />
den Höhepunkt <strong>der</strong> Ballsaison in Hannover.<br />
Lassen Sie sich zu den jazzigen Rhythmen<br />
Gershwins und seiner Zeitgenossen ins<br />
New York <strong>der</strong> 20er und 30er Jahre entführen.<br />
Flanieren Sie auf <strong>der</strong> Park Avenue,<br />
genießen Sie ein kühles Bier im Central<br />
Park, genehmigen Sie sich einen Whiskey<br />
in New Yorks berühmten „Cotton Club“,<br />
erleben Sie Gershwins Rhapsody in Blue<br />
mit dem Ballett <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover<br />
o<strong>der</strong> for<strong>der</strong>n Sie das Glück in unserem<br />
Casino heraus.<br />
Vor allem soll aber natürlich getanzt werden!<br />
Abwechselnd spielen auf <strong>der</strong> Haupt -<br />
bühne das Nie<strong>der</strong>sächsische Staats -<br />
orches ter und die Thilo Wolf Big Band<br />
mit <strong>der</strong> Sängerin Joan Faulkner. Beide<br />
Klang körper haben schon im letzten Jahr<br />
für schwungvolle Tanzmusik auf höchstem<br />
Niveau gesorgt. Ensemblemitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Staatsoper</strong> und die Debütantinnen und<br />
Debütanten <strong>der</strong> Tanzschule Bothe<br />
bestreiten das glanzvolle Opening. Um<br />
Mitter nacht präsentiert Ihnen Stargast<br />
Bill Ramsey eine Show mit beliebten<br />
Wenn Sie die Festtage woan<strong>der</strong>s feiern,<br />
gibt es dennoch die Möglichkeit, die Ruhe<br />
<strong>der</strong> Tage zwischen den Jahren und die<br />
Januar-Woche <strong>der</strong> Weihnachtsferien mit<br />
einem Opernbesuch zu garnieren. Auf dem<br />
Spielplan stehen die Kin<strong>der</strong>oper Der<br />
kleine Schornsteinfeger, die dem jungen<br />
Premieren publikum „einhelligen Jubel“<br />
(Neue Presse) entlockt hat (Vorstellungen<br />
am Mittwoch, 27. Dezember, 15 + 18 Uhr<br />
und Donnerstag, 4. Januar 2007, 17 Uhr),<br />
die Märchenoper Hänsel und Gretel<br />
(Freitag, 29. Dezember, 18 Uhr und<br />
Freitag, 5. Januar 2007, 18 Uhr) und die<br />
allerletzte Vorstellung von Hans-Peter<br />
Lehmanns Inszenierung <strong>der</strong> Zauberflöte<br />
von Wolfgang Amadeus Mozart, mit <strong>der</strong><br />
eine ganze Generation von Hannove -<br />
ranern groß geworden ist (Samstag,<br />
6. Januar 2007, 19.30 Uhr).<br />
Schlagern wie „Ohne Krimi geht die Mimi<br />
nie ins Bett“, „Zuckerpuppe“ und hervorragenden<br />
Jazzstandards. Ella Fitzgerald<br />
sagte einst von dem 1931 in Cincinatti,<br />
Ohio geborenen Musiker: „All you got to<br />
do is close your eyes.“ So wurde er für sie<br />
zum schwarzen Musiker – und das ist „die<br />
schönste Kritik, die ich je hatte!“<br />
Seit den 1960er Jahre wird Bill Ramsey<br />
als Schlager sänger, aber auch Jazzinterpret<br />
und Mo<strong>der</strong>ator gefeiert.<br />
Für fetzigen Rock’n Roll nach Mitternacht<br />
sorgt beim Opernball 2007 die Root<br />
Bootleg Band. Seit 15 Jahren gehört das<br />
Quartett zu den gefragtesten Rock’n<br />
Roll-Bands <strong>der</strong> Gegenwart. Zahlreiche<br />
Eigenkompositionen sowie Klassiker <strong>der</strong><br />
1950er Jahre gehören zum Repertoire <strong>der</strong><br />
aus Süddeutschland stammenden<br />
Formation.<br />
Kommen Sie zum Opernball 2007,<br />
feiern und tanzen Sie mit!
Spiegeleier<br />
mit Spinat<br />
Okka von <strong>der</strong> Damerau,<br />
Mezzosopran<br />
»Ich backe nicht, ich koche selten und<br />
dann meist nur einfache Sachen –<br />
Spiegelei, Spinat und Kartoffeln esse ich<br />
zum Beispiel sehr gerne.“ Zeit zum<br />
Kochen hat Okka von <strong>der</strong> Damerau<br />
momentan sowieso nicht, nach einem vergleichsweise<br />
mo<strong>der</strong>aten Start mit <strong>der</strong> Mary<br />
in Der fliegende Hollän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> 3. Dame<br />
in <strong>der</strong> Zauberflöte steckt sie jetzt mitten in<br />
den Vorbereitungen zur Italienerin in<br />
Algier, wo sie in <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Zulima auf<br />
<strong>der</strong> Bühne stehen wird. Daneben hat die<br />
gebürtige Hamburgerin gerade ihre<br />
Diplomarbeit als Vokal pädagogin fertig -<br />
gestellt.<br />
Musik lag ihr schon als Jugendliche am<br />
Herzen, <strong>der</strong> Gesang rückte aber erst spät<br />
in den Mittelpunkt. „In <strong>der</strong> Schule sang<br />
ich im Chor, das Fach Musik habe ich<br />
allerdings abgewählt! Nach dem Abi<br />
begann ich mit dem Gesangsunterricht<br />
und erst 1999, also mit 24 Jahren, nahm<br />
ich das Gesangsstudium auf“, erzählt die<br />
sympathische Mezzosopranistin. Die Jahre<br />
zwischen Abitur und Studium nutzte Okka<br />
von <strong>der</strong> Damerau an<strong>der</strong>weitig: Sie absolvierte<br />
eine Ausbildung zur Hörgeräte-<br />
Akustikerin in Lübeck, ein Beruf, in dem<br />
sie nach <strong>der</strong> Lehre noch ein Jahr arbeitete.<br />
„Ich glaube, dass die Ausbildung zur Akus -<br />
tikerin mich erst ans Theater gebracht hat:<br />
Ich habe in den Semesterferien weiterhin<br />
gearbeitet und den Kontakt zu den<br />
Kollegen gehalten. Der Wechsel vollzog<br />
sich schleichend.“ Die Welt <strong>der</strong> Töne und<br />
Geräusche hat sie beruflich nicht verlassen,<br />
sie verlagerte einfach den Schwer -<br />
punkt. Grundlegen<strong>der</strong> Unterschied zwischen<br />
beiden Berufen: „Als Akustiker<br />
arbeitet man sehr eng mit an<strong>der</strong>en<br />
Menschen zusammen, muss viel Hingabe<br />
Kantinenplausch seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 15<br />
an an<strong>der</strong>e mitbringen. Als Sängerin arbeitet<br />
man natürlich auch im Team mit den<br />
Kollegen zusammen, aber wichtig ist vor<br />
allem eins: Wie geht es meiner Stimme?“<br />
Ihrer Stimme geht es gut, das merkte auch<br />
ihre Lehrerin Professorin Dorothea Wirtz,<br />
die zur Vorbereitung von Okka von <strong>der</strong><br />
Dameraus Hannover-Debüt extra aus<br />
Freiburg anreiste. „Zur Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />
des Fliegenden Hollän<strong>der</strong> im September<br />
selbst war sie nicht mehr da. Sie sagte:<br />
‚Du schaffst das auch ohne mich‘ und reis -<br />
te wie<strong>der</strong> ab“, lächelt von <strong>der</strong> Damerau.<br />
Frisch von <strong>der</strong> Freiburger Opernschule<br />
kam sie zur Spielzeit <strong>2006</strong>/2007 an die<br />
<strong>Staatsoper</strong> Hannover – ein großer Schritt.<br />
„Sehr froh bin ich darüber, dass ich<br />
zunächst kleinere Rollen singen werde.<br />
Ich hatte Sorge, überhaupt eine Stelle zu<br />
bekommen, dann vielleicht nicht fach -<br />
gerecht eingesetzt zu werden und damit<br />
meiner Stimme zu schaden. <strong>Das</strong> war völlig<br />
unbegründet: Zum einen ist die Stelle an<br />
<strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover für eine Berufs -<br />
anfängerin wie mich ein Glücksfall, zum<br />
an<strong>der</strong>en setzt die Hausleitung mich behutsam<br />
ein, ich fühle mich geradezu beschützt<br />
– das ist wun<strong>der</strong>bar!“<br />
Zukunftspläne? Okka von <strong>der</strong> Damerau<br />
hält sich bedeckt: „Die Stimme entwickelt<br />
sich weiter, verän<strong>der</strong>t sich, insofern lebe<br />
ich bewusst im Jetzt und nicht in <strong>der</strong> Zu -<br />
kunft.“ <strong>Das</strong> solle aber nicht heißen, dass<br />
sie sich einfach treiben lasse, im Gegenteil.<br />
„Es gibt nur eins, das ich mir für die Zu -<br />
kunft wünsche: Immer offen und interessiert<br />
zu bleiben an Regie-Ideen, an musikalischen<br />
Produktionen und an Menschen.“<br />
Wiebke Haas-Lefers<br />
Okka von <strong>der</strong> Damerau begann ihr<br />
Gesangsstudium in Rostock und führte es<br />
an <strong>der</strong> Freiburger Musikhochschule bei<br />
Prof. Dorothea Wirtz und in <strong>der</strong> Opernschule<br />
unter <strong>der</strong> Leitung von Gerd Heinz<br />
zum Abschluss. Erste Gastengagements<br />
führten sie parallel zum Studium an die<br />
Theater in Rostock (2000 bis 2002) und<br />
Freiburg (2003 bis 2005). Seit August<br />
<strong>2006</strong> ist die Mezzosopranistin festes<br />
Ensemble mit glied <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> Hannover,<br />
wo sie u.a. als Mary in Der fliegende<br />
Hollän<strong>der</strong> und als 3. Dame in Die Zauberflöte<br />
auftritt.<br />
Okka von <strong>der</strong> Damerau stand mehrfach<br />
in Produktionen <strong>der</strong> Opernschulen Stuttgart<br />
und Freiburg auf <strong>der</strong> Bühne und<br />
wurde für Benjamin Brittens Noye’s Fludde<br />
von <strong>der</strong> Young Opera Company Freiburg<br />
verpflichtet. Sie erhielt beim 5. Internationaler<br />
Gesangswettbewerb für Wagnerstimmen<br />
in Venedig <strong>2006</strong> den Son<strong>der</strong>preis<br />
<strong>der</strong> Jury.<br />
Spiegeleier mit Spinat<br />
1 Paket TK Spinat 150 g auftauen und in<br />
einem Topf erhitzen<br />
2 EL Kaffeesahne dazu geben und mit<br />
Salz, Gemüsebrühe und Muskat würzen<br />
und abschmecken<br />
1 EL Butter in einer Pfanne schmelzen<br />
2 Eier zu Spiegeleiern braten, salzen<br />
2 Kartoffeln waschen, kochen, pellen<br />
zu den Eiern und dem Spinat legen –<br />
Guten Appetit!
Seite 16 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Orchester<br />
Orchesternews<br />
Neue Mitglie<strong>der</strong> des Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Staatsorchesters zur Spielzeit <strong>2006</strong>/07<br />
Birte Jüngel (1. Violine) erhielt ihren<br />
ersten Geigen unterricht im Alter von sieben<br />
Jahren. 1998 begann sie ihr<br />
Musikstudium bei Prof. Picard an <strong>der</strong><br />
Hochschule für Musik „Hanns Eisler“<br />
Berlin, welches sie im Juni 2005 mit dem<br />
Konzertexamen beendete. Sie spielte in<br />
<strong>der</strong> Spielzeit 2003/2004 im Orchester <strong>der</strong><br />
„Deutschen Oper Berlin“ als Aushilfe. Im<br />
November 2003 gewann sie im Duo mit<br />
Pianistin Daniela Hlinková den 2. Preis<br />
beim 11. Internationalen Wettbewerb in<br />
Portonovo die Ancona (Italien).<br />
Christoph Grahl (Schlagzeug) erhielt<br />
seinen ersten Schlagzeugunterricht mit<br />
neun Jahren. Der gebürtige Berliner<br />
besuchte das Carl-Philip-Emanuel-Bach-<br />
Gymnasium Berlin und begann sein<br />
Studium 1999 bei Professor Thomas Lutz<br />
und Professor David R. Punto an <strong>der</strong> UdK<br />
Berlin. Die orchestermusikalische<br />
Laufbahn begann mit einem Praktikum am<br />
Staatsorchester Frankfurt/O<strong>der</strong>, darauf<br />
folgte eine Akademie-Stelle bei den<br />
Essener Philharmonikern und schließlich<br />
ein weiteres Praktikum an <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
Stuttgart.<br />
Probejahr bestanden<br />
In <strong>der</strong> vergangen Spielzeit bestanden<br />
drei Musiker erfolgreich das Probejahr<br />
des Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchester<br />
Hannover:<br />
Klaus von Niswandt absolvierte sein<br />
Violin studium in Frankfurt und Lübeck<br />
bei Walter Forchert und Sebastian<br />
Hamann. Darüber hinaus studierte er<br />
Barockgeige bei Petra Müllejans<br />
(Frankfurt). Als Gast spielt er seit 2003<br />
immer wie<strong>der</strong> beim Freiburger Barock -<br />
orchester. Mehrere Jahre konzertierte er<br />
als Primarius des Janos-Quartetts. Seit <strong>der</strong><br />
Spielzeit 2005/ <strong>2006</strong> ist er 1. koordinierter<br />
Stimm führer <strong>der</strong> zweiten Violinen am<br />
Nie<strong>der</strong> sächsischen Staatsorchester Hannover.<br />
Die Flötistin Birgit Schwab studierte<br />
nach dem Abitur zunächst Schulmusik in<br />
Stutt gart. 1998 wechselte sie in die Flöten -<br />
klasse von Frau Prof. Renate Greiss-Armin<br />
nach Karlsruhe. Meisterkurse u.a. bei<br />
Aurèle Nicolet und J. Baxtresser erweiterten<br />
ihre Ausbildung. Nach einem dreijährigen<br />
Engagement an <strong>der</strong> Komischen<br />
Oper in Berlin ist Birgit Schwab seit <strong>der</strong><br />
Spielzeit 2005/<strong>2006</strong> als 2. Flötistin mit<br />
Piccolo am Staatstheater Hannover<br />
beschäftigt. Neben <strong>der</strong> Tätigkeit als<br />
Orchester musikerin ist sie Mitglied mehrerer<br />
Kammermusik ensembles.<br />
Renate Hupka begann ihr Studium an <strong>der</strong><br />
Hochschule für Musik „Hans Eisler“ in<br />
Berlin. Sie erhielt Unterricht von Frau<br />
Prof. Froydis Ree Wekre und Stefan Dohr.<br />
Neben ihrer Orchestertätigkeit in<br />
Hannover (1. Solo-Horn) besucht sie die<br />
Hornklasse von Frau Prof. Marie-Louise<br />
Neunecker in Frankfurt am Main. Renate<br />
Hupka gewann bei internationalen<br />
Wettbewerben, wie 2001 den 1. Preis beim<br />
„Philip Jones“ Wettbewerb in Frankreich,<br />
2005 den 2. Preis mit Publikumspreis beim<br />
Internationalen Wettbewerb <strong>der</strong> ARD in<br />
München.<br />
Ruhestand<br />
Seit 1987 hatte Karin Pietsch eine Stelle<br />
als Tutti-Violine am 1. Pult im Nie<strong>der</strong> -<br />
sächsischen Staats orchester Hannover<br />
inne. Nach ihrem Studium an <strong>der</strong> Franz-<br />
Liszt-Hochschule in Weimar war sie von<br />
1966 bis 1985 Mitglied des RSOB in<br />
Berlin. Jetzt wurde sie in ihren wohlverdienten<br />
Ruhestand verabschiedet.<br />
Abschied<br />
Am 6. November <strong>2006</strong> verstarb im Alter<br />
von 84 Jahren <strong>der</strong> ehemalige 1. Konzert -<br />
meister des Nie<strong>der</strong>sächsischen Staats -<br />
orchesters Hannover, Professor Werner<br />
Heutling. Werner Heutling wurde 1921<br />
in Aue/Sachsen geboren und wurde bereits<br />
mit 18 Jahren Konzertmeister des damaligen<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen Orchesters, mit dem er<br />
auch als Solist konzertierte. Im Alter von<br />
24 Jahren übernahm Werner Heutling<br />
eine Streicherklasse an <strong>der</strong> Detmol<strong>der</strong><br />
Musikhochschule. 1954 kam er als<br />
1. Konzertmeister ins Staatsorchester<br />
Hannover und blieb in dieser Position bis<br />
1977. 1958 gründete Werner Heutling<br />
neben seiner Tätigkeit als Konzertmeister<br />
und Solist das renommierte, nach ihm<br />
benannte „Heutling Quartett“, das weltweit<br />
gastierte. Auch nachdem er eine<br />
Professur für Violine an <strong>der</strong> Hochschule<br />
für Musik und Theater Hannover übernommen<br />
hatte, blieb er dem Nie<strong>der</strong> -<br />
sächsischen Staatsorchester treu<br />
verbunden, sei es als Solist o<strong>der</strong> als<br />
Konzert meister-Aushilfe. Werner Heutling<br />
konzertierte bis ins hohe Alter und nahm<br />
noch im Jahr 2000 sämtliche Sonaten und<br />
Partiten von Johann Sebastian Bach auf.<br />
Im Alter von 77 Jahren verstarb am 24.<br />
Oktober <strong>2006</strong> <strong>der</strong> ehemalige Solobratscher<br />
Erich Bohlscheid. Erich Bohlscheid<br />
wurde 1929 in Köln geboren, wo er auch<br />
sein Studium absolvierte. Über die<br />
Stationen Theater Mainz und den WDR<br />
Köln kam er 1958 als Solobratscher zum<br />
Nie<strong>der</strong>sächsischen Staatsorchester<br />
Hannover und war Gründungsmitglied des<br />
„Heutling-Quartetts“. Als Lehrbeauf -<br />
tragter unterrichtete Bohlscheid darüber<br />
hinaus an <strong>der</strong> Hochschule für Musik und<br />
Theater Hannover. Dem Nie<strong>der</strong> -<br />
sächsischen Staatsorchester Hannover<br />
gehörte er bis zu seinem Ruhestand im<br />
Jahre 1994 an.
Mitglie<strong>der</strong> unseres Opernensembles sind<br />
auch außerhalb Hannovers gefragt.<br />
Derzeit gastieren sie in einzelnen<br />
Vorstellungen an folgenden Häusern:<br />
Arantxa Armentia, momentan in<br />
Combattimento zu erleben, ist als<br />
Desdemona an ihre alte Wirkungsstätte,<br />
das Landestheater Linz, zurückgekehrt.<br />
Karen Frankenstein, die ab 15. Dezem -<br />
ber als Elvira in <strong>der</strong> Italienerin in Algier zu<br />
sehen ist, sprang am 11.10. als Gilda am<br />
National theater Mannheim ein.<br />
Carmen Fuggiss, in Hannover zuletzt als<br />
Pamina und Valencienne zu hören, singt<br />
Donizettis Lucia di Lammermoor in<br />
Würzburg, und die Mezzosopranistin<br />
Khatuna Mikaberidze gastierte als Czipra<br />
in Der Zigeunerbaron an <strong>der</strong> Volksoper Wien.<br />
Fundus seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 17<br />
Die Nacht ist nicht allein<br />
zum Schlafen da<br />
Die Reihe „Nachtwandler“ erlaubt Blicke<br />
hinter die Kulissen<br />
»Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen<br />
da…“ „ – son<strong>der</strong>n auch für Theaterbesuche<br />
zu später Stunde. So hatte die <strong>Staatsoper</strong><br />
Hannover mit Beginn <strong>der</strong> Spielzeit die<br />
neue Reihe „Nachtwandler“ angekündigt,<br />
die denjenigen Talenten und Fähigkeiten<br />
<strong>der</strong> Künstler ein Forum gibt, die auf <strong>der</strong><br />
großen Bühne eher selten zum Ausdruck<br />
kommen: Seien es Chansons o<strong>der</strong> Lie<strong>der</strong>,<br />
sei es Jazz o<strong>der</strong> Minnesang, Kabarett o<strong>der</strong><br />
Rezitation – die Programme leben vom<br />
Charme des Improvisierten und Expe -<br />
rimentellen. Ein kleines, verspieltes<br />
„Betthupferl“ für Schlaflose und Wach -<br />
gebliebene.<br />
Nachdem Tobias Schabel, Edgar Schäfer,<br />
Christoph Franken und Christian Friedel<br />
unter dem Motto „Ot(h)ello ist verschnupft“<br />
die Zuschauer Ende September<br />
in die Tiefen des Tiefenmagazins geführt<br />
hatten, luden Carmen Fuggiss, Jonathan<br />
Seers und Thomas Sprekelsen Anfang<br />
November in die Theaterkantine und<br />
kredenzten literarische Vorspeisen und<br />
musikalische Nachspeisen, gesalzene<br />
Chansons und gepfefferte Texte,<br />
Sänger aus Hannover gastieren<br />
Albert Pesendorfer, den man in dieser<br />
Spielzeit schon im Fliegenden Hollän<strong>der</strong><br />
und Otello hören konnte, sang am 27.10.<br />
an <strong>der</strong> Volksoper Wien den Timur in <strong>der</strong><br />
Premiere von Turandot.<br />
Tobias Schabel, <strong>der</strong>zeit als als Mustafà in<br />
<strong>der</strong> Italienerin in Algier zu sehen, wird im<br />
Januar in Karlsruhe bei den 30. Händel-<br />
Festspielen 2007 in einer szenischen<br />
Produktion des Oratoriums La Resurrezione<br />
zu erleben sein. Frank Schnei<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> in<br />
<strong>der</strong> Spielzeit <strong>2006</strong>/07 an <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
Hannover unter an<strong>der</strong>em den Taddeo in<br />
Italienerin in Algier und die vier Böse -<br />
wichte in Hoffmanns Erzählungen verkörpert,<br />
tritt im November und Dezember an<br />
<strong>der</strong> Komischen Oper Berlin in Weills<br />
Aufstieg und Fall <strong>der</strong> Stadt Mahagonny auf.<br />
Currywurst und Froschschenkel,<br />
Kartoffelsuppe und Mehlspeise. „Starker<br />
Applaus für einen durchaus sättigenden<br />
Abend“ urteilte die Neue Presse und versah<br />
die Veranstaltung mit 4 Sternen.<br />
Im Dezember heißt es dann „Viel Liebe<br />
zum Fest <strong>der</strong> Liebe“ und Okka von <strong>der</strong><br />
Damerau feiert einen etwas an<strong>der</strong>en<br />
Weihnachtsabend. Denn man kann das<br />
„Fest <strong>der</strong> Liebe“ auch ohne Zimtsterne,<br />
Goldkugeln und Adventskerzen begehen!<br />
Die junge Mezzosopranistin singt<br />
Chansons und Jazz-Standards von<br />
Friedrich Hollaen<strong>der</strong> bis Cole Porter,<br />
schickt langweilig gewordene Liebhaber in<br />
die Wüste und nimmt sich neue, fragt sich,<br />
ob Treue lohnt und ist von Kopf bis Fuß<br />
auf Liebe eingestellt. Versteht sich, dass<br />
dieser Nachtwandler nicht unterm<br />
Weihnachtsbaum, son<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> einmal<br />
an einem ungewöhnlichen Ort hinter den<br />
Kulissen stattfindet. Und so können sich<br />
fleißige „Nachtwandler“-Besucher nach<br />
und nach die Welt hinter den Kulissen<br />
erobern…<br />
Als Guglielmo, Wolfram, Gefangener und<br />
Orfeo steht Lauri Vasar in Hannover auf<br />
<strong>der</strong> Bühne – vom 19. November bis<br />
1. Dezember sang er bereits an <strong>der</strong><br />
Griechischen Nationaloper in Athen die<br />
Rolle des Gefangenen in Dallapiccolas<br />
gleichnamiger Oper.<br />
Der Tenor Pedro Velázquez Díaz ist<br />
Ende September als Cassio in Mannheim<br />
eingesprungen und gastiert bis Ende <strong>2006</strong><br />
noch als Cavaradossi in Darmstadt und als<br />
Rodolfo in Aachen. Der junge Bariton<br />
Stefan Zenkl schließlich hat in Reinhard<br />
Keisers Oper Croesus am Staatstheater<br />
Wiesbaden gastiert, wo er in <strong>der</strong> letzten<br />
Spielzeit bereits in <strong>der</strong> Premiere auf <strong>der</strong><br />
Bühne stand.
Seite 18 | <strong>Nr</strong>. 1 | seitenbühne Fundus<br />
Modellbauer in <strong>der</strong> 1. Reihe<br />
Der Anlass für seinen<br />
ersten Opernbesuch in<br />
Hannover im Jahr 1986<br />
erzählt viel über Thomas<br />
Bon<strong>der</strong> aus Davenstedt:<br />
„Die <strong>Staatsoper</strong> hat mich<br />
als Gebäude interessiert. In<br />
Hannover gibt es ja nicht so viele schöne<br />
historische Bauwerke, und ich wollte wissen,<br />
wie es von innen aussieht.“ Da damals<br />
noch keine öffentlichen Führungen angeboten<br />
wurden, blieb nur die Möglichkeit<br />
eines Opernbesuchs.<br />
Thomas Bon<strong>der</strong> interessiert sich für historische<br />
Gebäude. Der studierte Maschinen -<br />
bauer für Schienenfahrzeuge, Jahrgang<br />
1964, hat bereits als kleiner Junge das<br />
römische Kolosseum nachgebaut. Heute<br />
stehen <strong>der</strong> Kölner Dom und die Dresdner<br />
Frauenkirche in seinem Wohnzimmer.<br />
Aber „das waren nur vorgefertigte Bau -<br />
sätze“. Richtig stolz ist Thomas Bon<strong>der</strong><br />
auf die Modelle, die er selbst nach historischen<br />
Bauzeichnungen angefertigt hat: den<br />
Berliner Anhalter Bahnhof, <strong>der</strong> eine<br />
Modelleisenbahn-Landschaft im Neben -<br />
zimmer prägt, die Essener Villa Hügel ...<br />
und das hannoversche Opernhaus.<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach einem Modell des<br />
Opernhauses, das für das erste Spielzeit -<br />
heft <strong>der</strong> Intendanz Michael Klügl fotografiert<br />
werden könnte, fand ein Mitarbeiter<br />
im Keller des Theatermuseums ein Modell<br />
des Opernhauses, etwa einen halben Meter<br />
hoch. Es wurde in einer Bil<strong>der</strong>serie in verschiedenste<br />
Landschaften versetzt: in die<br />
Wüste, in eine Grotte, auf den Mond und<br />
in die Tiefsee. <strong>Das</strong> Modell des Opern -<br />
hauses hatte Thomas Bon<strong>der</strong> dem<br />
Theatermuseum für Ausstellungszwecke<br />
zur Verfügung gestellt – und sah mit kritischem<br />
Auge sofort, dass die Eckfiguren auf<br />
dem Balkonsims verloren gegangen sind.<br />
Genauig keit ist eine Kardinaltugend für<br />
den Modellbauer. Zum Geburtstag hatte<br />
ihm ein Kommilitone Zeichnungskopien<br />
des Laves-Baus aus dem Staatshochbauamt<br />
geschenkt, im Maßstab 1:100. Für Einzel -<br />
heiten fuhr Bon<strong>der</strong> dann noch mal zum<br />
Opern platz, Details aus <strong>der</strong> Zeit vor <strong>der</strong><br />
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg übernahm<br />
er aus historischen Fotografien. So<br />
stellte er etwa die historische Kutschen -<br />
vor fahrt in ihrem Urzustand wie<strong>der</strong> her.<br />
Etwa sechs Monate braucht Thomas<br />
Bon<strong>der</strong> zusammengerechnet für ein<br />
Modell, die Bauzeit zieht sich aber oft länger<br />
hin, denn er baut nur, wenn er gerade<br />
Lust dazu hat. „Keine Lust ist <strong>der</strong> Feind<br />
<strong>der</strong> Bauerei, dann wird das Modell schief<br />
und krumm, und man kann es nur noch in<br />
den Papierkorb werfen.“<br />
Wenn er gerade nicht baut, geht <strong>der</strong><br />
gebürtige Duisburger, <strong>der</strong> 1983 zum<br />
Studium nach Hannover kam, gerne in die<br />
Oper. Viele Inszenierungen hat er mehrmals<br />
gesehen, und das begeistert ihn an<br />
<strong>der</strong> Oper: „Zwei Vorstellungen von einem<br />
Stück sind sich nie gleich, das ist an<strong>der</strong>s als<br />
im Kino.“ Am liebsten sitzt er in <strong>der</strong><br />
ersten Reihe. „Es geht mir dabei nicht um<br />
meinen eigenen Auftritt. Wenn ich niemanden<br />
vor mir habe, nehme ich die<br />
Aufführung intensiver wahr.“ Gefragt nach<br />
seiner Lieblingsinszenierung aus fast 20<br />
Jahren an <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong>, zögert Thomas<br />
Bon<strong>der</strong> nicht lange: My fair lady – die hat<br />
er ungefähr 16 Mal gesehen. So ist aus <strong>der</strong><br />
ersten, architekturinteressierten<br />
Begegnung mit dem Opernhaus eine enge<br />
Beziehung auch zu dem geworden, was auf<br />
<strong>der</strong> Bühne passiert.<br />
Swantje Gostomzyk<br />
Theaterrätsel<br />
Liebe Rätselfreunde, das Jahr <strong>2006</strong> neigt<br />
sich langsam dem Ende zu, die Tage werden<br />
kürzer, Weihnachten und damit das<br />
Fest <strong>der</strong> Liebe und Harmonie ist nicht<br />
mehr fern. Doch manchmal ist das mit <strong>der</strong><br />
Liebe<br />
?<br />
und Harmonie so eine Sache, wie<br />
die Foyer-Oper Combattimento zeigt.<br />
Claudio Monteverdis Il combattimento di<br />
Tancredi e Clorinda – eines <strong>der</strong> drei Werke<br />
<strong>der</strong> Foyer-Oper – führt den Kampf eines<br />
Liebespaares vor. Tancredi und Clorinda<br />
begegnen sich, doch sie erkennen sich<br />
nicht als Liebende, son<strong>der</strong>n treffen als<br />
Feinde aufeinan<strong>der</strong> und liefern sich eine<br />
Schlacht auf Leben und Tod. Eine weitere<br />
Oper Monteverdis, die allerdings verschollen<br />
ist, handelt von einer Frau, die für eine<br />
gemeinsame Zukunft mit ihrem Geliebten<br />
Heimat und königliches Elternhaus aufgibt,<br />
dann aber von ihrem Angebetenen<br />
verlassen wird. Monteverdi komponierte<br />
diese Oper anlässlich <strong>der</strong> Hochzeit des<br />
Erbprinzen von Gonzaga mit Prinzessin<br />
Margherita von Savoyen. Unsere Frage<br />
lautet nun:<br />
Um welche Oper handelt es sich, und<br />
wann wurde sie uraufgeführt?<br />
Ihre Lösung können Sie bis zum 31.1.2007<br />
per Postkarte einsenden an:<br />
<strong>Staatsoper</strong> Hannover, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Opernplatz 1, 30159<br />
Hannover.<br />
Unter den richtigen Einsendungen werden<br />
5 x 2 Karten für Mozarts Die Entführung<br />
aus dem Serail am Mittwoch, den<br />
14.2.2007, verlost.
Herausgeber: <strong>Staatsoper</strong> Hannover · Intendant: Dr. Michael Klügl<br />
Redaktion: Dramaturgie · Gestaltung: Heinrich Kreyenberg · Druck: Steppat Druck<br />
„Der kleine Schornsteinfeger“ Gertraud Wagner, Dorothea Maria Marx, Edgar Schäfer, Young Myoung Kwon „Combattimento“ Arantxa Armentia<br />
„Molière“ Keiko Nisugi „Otello“ Brigitte Hahn<br />
„Die Italienerin in Algier“ Ensemble „Hänsel und Gretel“<br />
„Anatevka“, Roland Wagenführer, Georg Luibl >