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Gestalten mit Lehm und dämmen mit stroh - Bau-Satz

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fachwissen<strong>Gestalten</strong> <strong>mit</strong> <strong>Lehm</strong><strong>und</strong> dämmen <strong>mit</strong> StrohText Achim Pilz* <strong>und</strong> Ralf Künzler**Bilder Margareta Schwarz<strong>Lehm</strong>kurseIG <strong>Lehm</strong>, <strong>Lehm</strong>fachverband Schweiz,www.iglehm.chKurszentrum Freilichtmuseum Ballenberg,www.ballenbergkurse.chNaturbaustoffhändler, www.lanatherm.chNaturbaustoffanbieter, www.naturhuus.chVon Mitgliedern der IG <strong>Lehm</strong> in Basel wurde ein innovatives ökologischesProjekt im italienischen Meran gestaltet: ein Dachaufbau gänzlich <strong>mit</strong> Strohgedämmt <strong>und</strong> <strong>mit</strong> <strong>Lehm</strong> ausgebaut. Vor allem im Bad wurde <strong>mit</strong> Farbe,Struktur <strong>und</strong> Körnung experimentiert.* Freier Architekturjournalist in Stuttgart,bausatz@alice-dsl.net** Vorstands<strong>mit</strong>glied der IG <strong>Lehm</strong>, Basel,ralphkuenzler@bluewin.chDas alte Dach des 60er-Jahre-<strong>Bau</strong>s wurde durch eine leicht geschwungene Konstruktionersetzt.Die Gestaltung des Bades ist ungewöhnlichkontrastreich. Um sie einzuordnen,sollte man ihr Umfeld, die organischeDachsanierung, kennen lernen.Der Architektin Margareta Schwarz wares ein Anliegen, möglichst natürlicheMaterialien <strong>und</strong> Formen einzusetzen.Schon auf dem Treppenpodest vor ihrerDachwohnung wird man von r<strong>und</strong>enWänden empfangen. Hinter der Eingangstüröffnet sich ein heller <strong>und</strong> luftigerRaum. Ein hohes, gewölbtes Dachschwebt über frei stehenden <strong>Lehm</strong>mauern,die vor- <strong>und</strong> zurückschwingen wieVorhänge in einer leichten Brise. Überder Diele tragen helle Hölzer eine Galerie<strong>mit</strong> verglastem Boden, sodass derBlick über das Dachfenster bis in denHimmel geht. Der lichtdurchfluteteRaum weckt Assoziationen an lebendigeStrukturen. Wie Blutbahnen zweigenrechts <strong>und</strong> links der Diele die Zugängezu den Räumen ab.Ökologisch <strong>und</strong> offenFast alle Zimmer sind ausschliesslichdurch eine gut mannshohe <strong>Lehm</strong>mauervoneinander getrennt. Nur zwischenWohnzimmer <strong>und</strong> Schlafgemach schliesstzudem Glas an das alles überwölbendeDach an. Selbst das Designerbad istwie eine luftige Insel in das Schlafzimmerintegriert. Das Bad in der vorherigenWohnung der <strong>Bau</strong>herrschaft warebenso offen verb<strong>und</strong>en gewesen. Allerdingshatte es keine <strong>Lehm</strong>wände.«Früher gab es viel Dampf, wenn wir geduschthaben. Hier merke ich es überhauptnicht», erzählt die <strong>Bau</strong>herrin zufrieden.«Der <strong>Lehm</strong> saugt es irgendwieauf. Auch in der Küche haben wir keinenDampf mehr wie früher <strong>mit</strong> normalenWänden.»Feuchtespitzen puffert auch die konsequenteDämmung aller Aussenbauteile<strong>mit</strong> Stroh. «Das Stroh sorgt fürWärme, der <strong>Lehm</strong> für die Kühle», erklärtdie Architektin. Im Sommer werden esmaximal 25 Grad unter dem hohenDach. Im Winter sorgt die Strohdämmung<strong>mit</strong> einem U-Wert (siehe KastenSeite 6) von 0,13 W/m²K – je kleiner4 Applica 6/2010


fachwissenDurch die grossen Fenster in Fassade <strong>und</strong> Dach sowie den Glasbodenwirken Holz <strong>und</strong> <strong>Lehm</strong> besonders hell.Die meisten Oberputze beleben Strohhäcksel – ein anregenderKontrast zum modernen Glas in der ganzen Wohnung.(Bild: Catherine Wanek)Was ist das?■ U-Wert: Der WärmedurchgangskoeffizientU – vereinfacht U-Wert <strong>und</strong> früherk-Wert genannt – ist im Zusammenhang<strong>mit</strong> dem Wärmeschutz im Hochbau eineder wichtigsten Rechengrössen. Je kleinerder U-Wert, umso besser die Wärmedämmfähigkeiteines <strong>Bau</strong>teils.■ Trasskalkmörtel: Trass ist ein feingemahlener,natürlicher, aufbereiteter,saurer <strong>und</strong> puzzolanischer Tuffstein, derselbst nicht bindet. Gemischt <strong>mit</strong> Kalkhydratoder hydraulischen Kalken ergibter das hydraulische Binde<strong>mit</strong>tel Trasskalk,das auch unter Wasser abbindet.■ Blähglimmer: Hergestellt wird Blähglimmer,der auch Vermiculit genanntwird, aus Glimmerschiefer, ein durchVerwitterung entstandenes Mineral. Dieseswird thermisch expandiert, wodurchdas chemisch geb<strong>und</strong>ene Kristallwasserschockartig ausgetrieben wird. Dabei wirddas Vermiculit auf das bis zu 35- Facheseines Volumens aufgebläht.■ Hanfschäben: Als Schäben werdendie relativ gleichmässig gebrochenen,holzähnlichen Teilchen bezeichnet, diebei der Erzeugung von Bastfasern, vorallem von Flachs- oder Hanffasern, immaschinellen Prozess der Entholzung(Dekortikation) des Pflanzenstängelsanfallen. Sie entstammen der holzigenKernröhre des Stängels, der von denFasern umgeben ist.Blähglimmer (siehe Kasten unten) grob(2–8 mm) <strong>und</strong> Blähglimmer fein (0–1mm). Zwei Werk trockenmörtel, in Eierschalenbeige<strong>und</strong> in einem graubraunen<strong>Lehm</strong>ton, wurden in unterschiedlichenVerhältnissen gemischt. IhreOberflächen wurden <strong>mit</strong> einer Chromstahlkellegeglättet <strong>und</strong> verdichtet oder<strong>mit</strong> der Schwammscheibe gerieben <strong>und</strong>nach Anziehen des Mörtels wurde daslose Korn abgefegt. Die <strong>Bau</strong>schaft entschiedsich für eine Mischung, die einenhellen Beigeton ergab. Für alle Flächenwurden 5 Vol.-% Strohfasern beigemischt.Sie verbessern einerseits diePlastizität <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> die Verarbeitbarkeit,da der Mörtel weniger von der Kellefliesst. Gleichzeitig erhöht die Faserarmierungdie Riss sicherheit bei variierenderAuftragsstärke. Für zwei starkim Streiflicht stehende Wände wurde10 Vol.-% feiner Blähglimmer beigemischt.Bei direkter Sonneneinstrahlungglitzern diese Oberflächen leicht.Die VerarbeitungAnfangs zog dem Unternehmer der dünneFeinputz zu schnell an. Daraufhinverdichtete er ihn entweder direkt <strong>mit</strong>der Kelle <strong>und</strong> bearbeitete ihn nicht weiteroder verrieb ihn nachträglich <strong>mit</strong> derSchwammscheibe <strong>und</strong> verdichtete einzweites Mal <strong>mit</strong> der Kelle. Nach Einbringungder feuchten <strong>Lehm</strong>baustoffe wurdegeheizt <strong>und</strong> gelüftet. So wurde trotzder organischen Faserstoffe in den<strong>Lehm</strong>oberflächen Schimmelbildung sicherverhindert.Im Tagesbad wurde dem Putz groberBlähglimmer zugegeben, mal mehr, malweniger <strong>und</strong> hoch verdichtet. Der direkteSpritzwasserbereich ist <strong>mit</strong> Glasgeschützt. Zudem wurde der Boden <strong>mit</strong>einem von der Wand wegführenden Gefälleausgeführt. Ausserhalb des Spritzwasserbereichsgrenzen <strong>Lehm</strong>wand <strong>und</strong>Boden direkt aneinander. Eine schöneGestaltung, die jedoch umsichtiger behandelt<strong>und</strong> vorsichtiger gereinigt werdenmuss.Die farbigen <strong>Lehm</strong>putze im Bad gestaltetenRalf Künzler <strong>und</strong> sein KollegeVittorio Moretta. Vorgabe der Architektinwar ein fleckiges Erscheinungsbild,in dem verschiedene Tone gemischt6 Applica 6/2010


fachwissenGebrannte Ziegel am Fuss des <strong>Lehm</strong>s <strong>und</strong> abschliessend eingefliester Sockel verhindern Staunässe.Die um die Alessi-Badmöbel schwingende <strong>Lehm</strong>wand ist künstlerischgestaltet.sind. Ziel war es, die natürliche Eigenfarbigkeitder Erden hervorzuheben <strong>und</strong>eine möglichst plastische Erscheinungzu erzeugen, bei möglichst ebener <strong>und</strong>pflegeleichter Oberfläche. Eingesetztwurden verschiedene farbige <strong>Lehm</strong>pulver,heller Kalksteinsand (0–2 mm) <strong>und</strong>Faserstoffe wie Stroh-, Hanf- <strong>und</strong> Flachsfasernsowie Hanfschäben (siehe KastenSeite 6). Die gewünschten Rottöneerzeugt Tennissand (gemahlener, gebrannterTon). Um feine Mischungenherzustellen, standen Siebe <strong>mit</strong> Maschenweitenvon 0,3–1 mm zur Verfügung.Nachdem verschiedene raue <strong>und</strong>feine, faserfreie <strong>und</strong> struppige Mörtelgemischt waren, wurde zügig <strong>und</strong> nassin nass <strong>mit</strong> der gegebenen Vorlage vordem geistigen Auge gearbeitet. DieKonsistenzen waren entweder eher flüssig-glattoder steif <strong>und</strong> zeigten wenigerTendenz zu verfliessen. Dellen <strong>und</strong> Bearbeitungsspurenwurden als optischeBereicherung angesehen. Teilweisewurden gar streifige Kellenspuren absichtlichausgeführt. Ziel war, in derStreiflichtbeleuchtung durch das Oberlichtein interessantes Licht- <strong>und</strong> Schattenspielentstehen zu lassen.Verdichten <strong>und</strong> FixierenNachdem sich die Oberflächen durchFeuchtewanderung in den Unterputzversteift hatten, wurde nochmals kräftigin der Fläche verdichtet. So wurdenvorstehende Mörtelteile reduziert, ohnedass Vertiefungen <strong>und</strong> Absätze ganzverschwanden. Am folgenden Tag wurdendie Oberflächen <strong>mit</strong> stark verdünntemZelluloseleim satt besprüht.Dadurch kann ein Absanden von wenigerdichten Partien stark vermindertwerden. Gleichzeitig perlen Wasserspritzeretwas ab.Zufriedene NutzerNach zwei Jahren Nutzung ist die <strong>Bau</strong>herrinimmer noch zufrieden. «Wir habenkeinerlei Probleme. Wenn es nasswird, trocknet es wieder.» Durch diekräftigen Farben <strong>und</strong> Strukturen sinddie Bad wände sehr robust. Anders siehtes da bei den übrigen <strong>Lehm</strong>oberflächenaus. «Die Wände sind schon einbisschen empfindlich», erzählt die <strong>Bau</strong> -herrin lachend. «Sie leiden, wenn dieEnkelin da ist. Aber mein Mann machtdann ein bisschen <strong>Lehm</strong> <strong>mit</strong> Wasser an<strong>und</strong> repariert sie für mich. Das ist überhauptkein Problem.»■Der <strong>Lehm</strong>putz <strong>mit</strong> unterschiedlichen Zuschlägen:Farbe, Auftragsstärke <strong>und</strong> Strukturvariieren stark. (Bild: Ralf Künzler)

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