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LAUFPASS
Gesellschaft
Dresscode Des Kaisers neue Kleider
Graue Anzüge. Blaue Anzüge. Einreiher, Zweireiher. Heerscharen ergießen sich aus den Verwaltungszentralen der
Banken und Versicherungen. Es ist Mittag. Der uniforme Mann geht essen. Individualisten offenbaren sich durch
Accessoires: gemusterte Krawatten, bunte Einstecktücher. Zur Not bricht die Designerbrille den langweiligen Auftritt.
So geht das von Montag bis Donnerstag. Freitag ist besser. Casual Friday heißt es, wenn man in Jeans und
ohne Schlips herumarbeiten darf, obwohl man nicht das Glück hat, in einem Freigeist-Eldorado arbeiten zu dürfen.
Kleider sind Symbole. Sie drücken Zugehörigkeiten aus. Das tun
nicht nur Berufsbekleidungen wie bei Tischlern, Schornsteinfegern,
Polizisten, Juristen. Die bürgerlichen Berufsuniformen ergeben sich
aus einem impliziten oder expliziten Dresscode. Implizit beispielsweise
bei Ärzten, die gerne in ihren weißen Birkenstockschuhen in
den Sportwagen steigen und auch in der Mittagspause als Halbgötter
in weiß oder mit grünem OP-Shirt in den Bistros und Restaurants
der Metropolen auftauchen. Oder bei den Kreativen – in den
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Reisen. Spürbar nah.
inszenieren sich farbenfroh und bisweilen sehr exotisch, die anderen
sehen aus, als seien sie auf Beerdigungen abonniert: Schwarz
als Kontrapunkt zum bunten Job. Kreativität ist beider Nahrung,
aber die Selbstdefinition und Selbstdarstellung gerät sehr unterschiedlich.
Wohl denen, die die Wahl haben. Vielen Menschen ist es nicht vergönnt,
sich nach eigenem Geschmack zu kleiden. Insbesondere in
den stark formalisierten, kaufmännischen Unternehmen aus der Finanzwelt,
aber auch in vielen Industriebetrieben findet sich ein einheitlicher
Dresscode, der zumindest für die „Büroleute“ gilt: Anzug,
Krawatte, Anzughose für den Herrn. Hosenanzug oder Rock mit
Bluse für die Dame. Im Winter einen Pullunder. Die Farben: Unaufgeregtes
aus der Welt des Grau-Blau. Dazu geputztes schlichtes
Schuhwerk.
Wer meint, Dresscodes seien Symbolfestlegungen für die Arrivierten
und Spießer, die sich dann gegenseitig besser einordnen und
erkennen können, der irrt. Auch die Gegenbewegungen hatten und
haben ihre Kleiderordnungen. Ausgelöst durch die Studentenbewegung
in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Politisierung
der Kultur und die Tendenz zur immer stärkeren Segmentierung
der Gesellschaft, haben wir dutzende Gruppen mit ihren eigenen
Codes erlebt. Ökos in Sandalen und Wollpullover, die Linken und
Anti-AKW-Bewegung aus den Siebziegern, die für Demos und Sit-
Ins praktische Parker aus Bundeswehrbeständen bevorzugten, geschniegelte
Popper und abgefuckte Punks – sie alle lebten ihren eigenen
Dresscode.
Heutige Dresscodes ergeben sich nicht nur aus sozialen und beruflichen
Zusammenhängen: Sie sind oftmals die Folge von Konsumund
Verhaltenspräferenzen. Musik- und Freizeitverhalten prägen
den Kleidungsstil: Raver, Skater, Hip-Hopper, Sprayer, Anhänger
unterschiedlicher Musikrichtungen mit eigenem Lebensstil (Gothic,
Metall, Grunge), eigenen Lebenskulturen (Neopunk, Grufties) kreierten
eigene Kleiderordnungen, die sich längst zu Modeströmungen
entwickelt haben, welche Milliardenumsätze generieren. Die
Zeiten, in denen sich die Punks als härtester Kern des anti-bürgerlichen
Widerstandes verstanden und sich unsterile Sicherheitsnadeln
durch das Fleisch rammten, sind lange vorbei. Heute gibt es Punkshops
im Präsenzhandel wie im Internet und auch die martialischen
Decors lassen sich ohne Blutverlust und Infektionsrisiko anbringen.
Punk ist zu einer Moderichtung geworden – eine Attitüde.