Journal 2/2006 - Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
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Sucht und Alter<br />
Sucht und Alter<br />
Fachklinik<br />
Wigbertshöhe<br />
Am Hainberg<br />
10-12, 36251<br />
Bad Hersfeld<br />
Tel. (0 66 21)<br />
185-33<br />
www.fachklinik-wigbertshoehe.de<br />
therapie (fünf Gruppensitzungen pro<br />
Woche), flankiert von begleitenden<br />
Einzelgesprächen, Sporttherapie, Beschäftigungstherapie<br />
und dem Freizeittraining.<br />
Ziel der Behandlung ist<br />
ein suchtmittelabstinentes Leben und<br />
somit die Bereitschaft, sich der eigenen<br />
Lebenssituation zu stellen und<br />
neue Lebensinhalte zu entdecken.<br />
Auslöser <strong>für</strong> Sucht im Alter<br />
Immer wiederkehrende altersspezifsche<br />
Themen und potenzielle Auslöser<br />
<strong>für</strong> die Sucht im Alter sind:<br />
• Verlust des Partners<br />
• Einsamkeit<br />
• unerfüllte Partnerschafts- und<br />
Beziehungswünsche<br />
• das Gewahrwerden von Leistungsgrenzen<br />
und eigener Endlichkeit<br />
• Abschied vom Berufsleben<br />
• (traumatische) Kriegs- und Nachkriegserfahrungen<br />
• (negative) Lebensbilanz und<br />
Rückschau<br />
• die schwierige Suche nach einem<br />
neuen Lebensinhalt, einer Aufgabe.<br />
Freizeittraining ist wichtig<br />
Von großer Bedeutung ist ein auf<br />
die speziellen Bedürfnisse älterer<br />
Menschen ausgerichtetes Freizeittraining:<br />
der gemeinsame Besuch kultureller<br />
Veranstaltungen, Seniorentanz,<br />
der Gang ins örtliche Tierheim, der<br />
Besuch des örtlichen Fitnesscenters,<br />
der Kegelabend, die Walkinggruppe,<br />
ein spezielles Gedächtnistraining, um<br />
nur einige der Aktivitäten und Angebote<br />
<strong>für</strong> die Patienten der +50-Gruppe<br />
an der Fachklinik Wigbertshöhe zu<br />
nennen. Die Aktivitäten sollen dazu<br />
beitragen, die oft depressiv getönte<br />
Grundstimmung zu bessern und den<br />
negativ gefärbten Blick auf das Leben<br />
in eine positive Richtung zu lenken.<br />
Statt zu fragen: „Was ist nicht mehr<br />
möglich, was habe ich falsch<br />
gemacht?“, sollte man überlegen:<br />
„Was kann ich noch? Was bietet mir<br />
das Leben?“<br />
Vorteile der Behandlung in<br />
altershomogenen Gruppen<br />
Die Möglichkeit, ältere Suchtkranke<br />
in einer altershomogenen Gruppe<br />
zu behandeln, bietet eine Vielzahl von<br />
Vorteilen. Das Miteinander in der Therapiegruppe<br />
fördert die Fähigkeit zur<br />
Kontakt- und Beziehungsaufnahme.<br />
Auf dem Hintergrund der starken<br />
Scham- und Schuldproblematik<br />
erleichtert die altershomogene Gruppe<br />
es den Betroffenen, sich in stationäre<br />
Therapie zu begeben: „Ich bin<br />
nicht die einzige ‘Oma’, die trinkt oder<br />
der einzige Rentner, der Haus und Hof<br />
verspielt hat, sondern ich absolviere<br />
meine Therapie im Kreis von Gleichaltrigen,<br />
die ebenso wie ich im Alter<br />
suchtkrank geworden sind bzw. schon<br />
eine lange Leidenszeit hinter sich<br />
haben“.<br />
Der gemeinsame Erfahrungshintergrund<br />
und ähnliche Wertvorstellungen<br />
erleichtern es, in der Gruppe<br />
oder im Zweiergespräch über private<br />
Dinge zu sprechen und sich zu öffnen.<br />
Interessen werden geteilt; die<br />
gemeinsame Freizeitgestaltung fällt<br />
leichter. Negative Übertragungsmuster<br />
von jüngeren Patienten auf die<br />
Älteren werden vermieden (der ältere<br />
Das +50-Konzept<br />
<strong>für</strong> ältere Suchtkranke<br />
in der Fachklinik<br />
Wigbertshöhe wird<br />
dargestellt in einer<br />
Broschüre<br />
Suchtkranke als Stellvertreter <strong>für</strong><br />
Vater-Sohn oder Mutter-Tochter Konflikte<br />
in einer auf das Alter bezogenen<br />
weit gefächerten Therapiegruppe mit<br />
nur einigen wenigen älteren Patienten).<br />
Und nicht zuletzt spiegelt die<br />
altershomogene Gruppe als Modell<br />
<strong>für</strong> die jetzige Lebensrealität die<br />
Situation von älteren Menschen in der<br />
Gesellschaft: Die frühere Großfamilie<br />
existiert so nicht mehr. Die heutigen<br />
Alten leben bestenfalls in der Gemeinschaft<br />
mit Gleichaltrigen und<br />
haben familiäre Kontakte zu den eigenen<br />
Kindern oder Enkelkindern.<br />
Freies und selbst bestimmtes<br />
Leben ohne Suchtmittel<br />
Was ist dran an der gängigen<br />
Meinung: „Gönn dem Opa doch sein<br />
Bierchen …“? Ich möchte umgekehrt<br />
dazu aufrufen, Strukturen und Hilfsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> ältere Suchtkranke<br />
zu schaffen, um es auch älteren<br />
Betroffenen zu ermöglichen, ein freies<br />
und selbst bestimmtes Leben ohne<br />
Suchtmittelgebrauch zu führen: Gönnen<br />
wir es dem Opa doch, dass er sein<br />
tägliches Bier nicht mehr braucht!<br />
Jean-Christoph Schwager,<br />
M.A., Sozialtherapeut GVS, Gruppentherapeut<br />
an der Fachklinik Wigbertshöhe,<br />
seit 14 Jahren im Suchtbereich<br />
tätig, in den letzten sieben Jahren<br />
mit dem Spezialgebiet Sucht im Alter<br />
als Gruppentherapeut Leiter einer<br />
„+50-Gruppe“ <strong>für</strong> ältere suchtkranke<br />
Menschen.<br />
Kontakt: j.c.schwager@fachklinikwigertshoehe.de<br />
Freundeskreis<strong>Journal</strong><br />
12 2/<strong>2006</strong>