Nummer 149 - Nordfriisk Instituut
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eaktionen<br />
Sylt 1951<br />
Zu Manfred Wedemeyer: „An<br />
diesem erschütternden Meere<br />
habe ich tief gelebt“ (Thomas<br />
Mann). In: Nordfriesland 147.<br />
Ein anderer Künstler – einer<br />
von zahlreichen, die es auf die<br />
Insel zog –, Frido Witte (1881-<br />
1965), Maler, Graphiker und<br />
Designer aus Schneverdingen,<br />
bekannt geworden durch seine<br />
Radierungen und Aquarelle<br />
zum bäuerlichen Leben in der<br />
Lüneburger Heide, hinterließ<br />
ein Tagebuch, in dem er seine<br />
Eindrücke von einer Sylt-Reise<br />
im Jahre 1951 festhielt. Ein lesenswertes<br />
Zeitzeugnis. Witteschrieb<br />
unter anderem:<br />
Erst gegen Abend, nach<br />
Überquerung des Hindenburgdammes<br />
(bei Ebbe, eine ganz<br />
undramatische Angelegenheit!)<br />
kam ich in Westerland an. Der<br />
Badeort zeigte, dass er zur<br />
Großstadt geworden war.<br />
Früh am Morgen ging die<br />
Fahrt nordwärts, durch Wenningstedt,<br />
Kampen, vorbei an<br />
vielen neuen Siedlungen, die<br />
z. T. in gutem friesischen Charakter<br />
mit Reetdächern da standen,<br />
durch die Dünen nach List.<br />
nord<br />
friesland<br />
Diese letzte Strecke ist nicht<br />
lang, sie dauerte nur eine halbe<br />
Stunde, aber der Eindruck der<br />
öden, ausgedehnten Dünenwelt<br />
ist grandios, man denkt an<br />
arktische Länder. Ich hatte mir<br />
List still und einsam vorgestellt,<br />
jedoch es kam anders. Ein neues<br />
Dorf tauchte auf, das aus vielen<br />
modernen Friesenhäusern<br />
mit Reetdach bestand, alle gut<br />
proportioniert, solide gebaut,<br />
schön eingerichtet.<br />
Das Kur-Publikum war gut,<br />
man sah gute Gesichter, aber es<br />
gab kein eigentliches Verkehrszentrum,<br />
auch keine Vergnügungen<br />
besonderer Art, so dass<br />
trotz der vielen Menschen und<br />
Häuser doch durch die Weite<br />
der Anlage eine gewisse Einsamkeit<br />
für den einzelnen sich<br />
herausstellte.<br />
Grandios wirkte die Dünenlandschaft!<br />
Die weißen Wanderdünen<br />
mit den davorliegenden,<br />
bewachsenen Höhen und<br />
dazwischenliegender Heide<br />
sahen fast täuschend genau<br />
der Hochgebirgslandschaft<br />
ähnlich. Die Heide war dicht<br />
mit den Sträuchern der Krähenbeere<br />
bewachsen, an denen die<br />
Früchte in überquellender Fülle<br />
hingen. Auch Bickbeeren (Blaubeeren)<br />
gab es dazwischen und<br />
an einzelnen Stellen die reizvolle<br />
kleine Dünenrose, die schon<br />
ausgeblüht hatte und ihre<br />
rötlichen oder violettbraunen<br />
Hagebutten trug.<br />
Schmetterlinge gaukelten<br />
umher, im Sande krochen Käfer<br />
und Ameisen, allerlei kleine Vögel<br />
geisterten durch das Kraut<br />
und hoch oben ließen sich die<br />
großen, weißen Möwen mit<br />
dem Winde treiben.<br />
An der Nordspitze der Insel,<br />
dort, wo noch die wenigen<br />
alten Dorfhäuser ein bescheidenes<br />
Dasein neben modernen<br />
Zeitschrift für Kultur, Politik, Wirtschaft<br />
Herausgegeben vom <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
Redaktion: Peter Nissen, Fiete Pingel und Thomas Steensen<br />
Schlusskorrektur: Harry Kunz<br />
Verlag: Verein Nordfriesisches Institut e. V.<br />
Süderstr. 30, D-25821 Bräist/Bredstedt, NF,<br />
Tel. 04671/60120, Fax 04671/1333,<br />
Bauten fristeten, war ein großes<br />
englisches Zeltlager. In den<br />
Dünen schoss die Artillerie und<br />
die Luft war fast stets vom Geräusch<br />
der Düsenjäger erfüllt,<br />
die bald aus unsichtbarer Höhe<br />
herniederstürzten, bald steil<br />
wieder emporschossen.<br />
Auch in den Dünen selbst<br />
war der verlorene Krieg und die<br />
Macht der Feinde zu spüren.<br />
Unzählige gesprengte Bunker<br />
großer und kleiner Art bedeckten<br />
die Höhen und Täler und<br />
offene Kellerlöcher, Eisen und<br />
Stacheldrahtreste machten den<br />
Weg unsicher.<br />
Trotz allem behauptet sich<br />
die Großartigkeit der Dünenlandschaft<br />
und des Wassers; an<br />
schlechten Tagen besonders, da<br />
spielen Licht und Farben wunderbar<br />
auf Sand und Heide und<br />
das Meer brüllt schwarzgrau<br />
mit weißer Brandung heran wie<br />
ein urweltliches Untier.<br />
Ich geriet nach „Abessinien“<br />
(so nennt man heutzutage den<br />
Nacktbadestrand). Man sah<br />
junge und wohlgebaute Menschen<br />
naturhaft unbefangen<br />
sich in der weiten reinen Landschaft<br />
bewegen.<br />
Ich fuhr auch nach Kampen,<br />
von dort vorbei am „roten Kliff“<br />
nach Wenningstedt. Beide Orte<br />
haben sich sehr verändert und<br />
erweitert, ja, die ganze weite<br />
Umgebung ist mit Häusern in<br />
friesischer Art überfüllt.<br />
Die Straßen wimmeln von<br />
Autos, Motorrädern, Omnibussen<br />
und Fahrrädern. Die neue<br />
Zeit ist mit Macht über die Insel<br />
hereingebrochen und die Reste<br />
der alten Inselkultur ducken<br />
sich unter den Neubauten bescheiden<br />
und resigniert. Durch<br />
den Damm ist der Verkehr mit<br />
dem Festland leicht geworden.<br />
Karl-Ludwig Barkhausen<br />
Kantweg 42, 29614 Soltau<br />
E-Mail: info@nordfriiskinstituut.de – Internet: www.nordfriiskinstituut.de<br />
Druck: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG, D-25821 Brääklem/Breklum, NF.<br />
Preis je <strong>Nummer</strong> 3,00 Euro, Jahresabonnement (4 <strong>Nummer</strong>n) 12,00 Euro.<br />
Für Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Institut e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.<br />
Bankverbindungen: Spar- und Leihkasse zu Bredstedt (BLZ 217 512 30) 737,<br />
Nord-Ostsee Sparkasse, Husum (BLZ 217 500 00) 31 161.<br />
NORDFRIESLAND ist ein Forum freier Meinungsäußerung; alle Beiträge geben die persönliche Meinung<br />
ihrer Verfasserinnen und Verfasser wieder. Wiedergabe in jeglicher Form nur mit Genehmigung der Redaktion.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. ISSN 0029-1196