Die Lieder der NaturFreunde - NaturFreunde Deutschlands
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AUF EIN WORT<br />
<strong>Die</strong> Kunst, den Hexenmeister zu fesseln<br />
� Erstmals in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Wirtschaftsgeschichte<br />
kommen vier Krisen zusammen:<br />
Finanzcrash, Rohstoffverknappung, Klimawandel<br />
und explodierende Lebensmittelpreise.<br />
Ist <strong>der</strong> Kapitalismus doch <strong>der</strong> „Hexenmeister,<br />
<strong>der</strong> die unterirdischen Gewalten nicht zu beherrschen<br />
vermag, die er selbst beschwor“?<br />
Notwendig ist jetzt eine große Antwort, wie<br />
sie einst US-Präsident Franklin D. Roosevelt nach<br />
<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise mit dem New Deal gegeben<br />
hat. Das System sorgte fast 30 Jahre für<br />
eine stabile Weltwirtschaft. Benannt wurde es<br />
nach <strong>der</strong> Konferenz von Bretton Woods im US-<br />
Bundesstaat New Hampshire, die 1944 ein Währungssystem<br />
festlegte, das vom goldhinterlegten<br />
US-Dollar als Leitwährung bestimmt wurde.<br />
Wichtigster Ratgeber war damals <strong>der</strong> Ökonom<br />
John Maynard Keynes. Dass <strong>der</strong> Staat die<br />
„schmutzige Raffgier des Kapitalismus“ zu zäh-<br />
men hat, war für ihn klar. Auch Roosevelt sah<br />
in <strong>der</strong> „sozialen Disziplinierung <strong>der</strong> Wirtschaft“<br />
die Voraussetzung für Wohlfahrt. Dafür wollten<br />
beide die „wucherischen Geldverleiher aus den<br />
Tempeln <strong>der</strong> internationalen Finanzen treiben“.<br />
Seit den 70er Jahren eroberte jedoch die Finanzoligarchie<br />
die dunklen Seiten des Kapitals<br />
zurück. In einer Art mo<strong>der</strong>ner Kriegsführung trieben<br />
Geld-Dealer Unternehmen mit irrwitzigen<br />
Quartalsberichten vor sich her. Heuschrecken zogen<br />
übers Land und kauften Firmen, um sie zu<br />
zerteilen und die Teile weiter zu verkaufen. Managervergütungen<br />
wurden zu schamlosen Bereicherungsorgien.<br />
Der letzte Schrei war eine ebenso<br />
riskante wie lukrative Einnahmequelle: struk-<br />
turierte Finanzprodukte. Der Überdehnung folgte<br />
<strong>der</strong> Crash von Banken und Versicherungen. Befürchtet<br />
wird <strong>der</strong> Zusammenbruch von bis zu 150<br />
Instituten. Das dicke Ende kommt noch.<br />
Uns plagt jedoch nicht nur das Altersrheuma<br />
des maroden Finanzsystems, wir leiden auch an<br />
den ökologischen Grenzen des Wachstums. In<br />
30 Jahren ist eine globale Erwärmung um zwei<br />
Grad Celsius nicht mehr zu verhin<strong>der</strong>n. Dann<br />
droht Afrika, wo heute 230 Millionen Menschen<br />
Hunger leiden, eine Halbierung <strong>der</strong> Ernte. Auch<br />
die Zeit billiger Energie und Rohstoffe ist vorbei.<br />
<strong>Die</strong>se Herausfor<strong>der</strong>ungen müssen im Zusammenhang<br />
gesehen werden. Krisenmanagement<br />
allein reicht nicht, es geht um einen umfassenden<br />
Umbau. <strong>Die</strong> Belastungen sind nur ertragbar,<br />
wenn es überzeugende Perspektiven gibt.<br />
Eine Effizienzrevolution bei Energie und Rohstoffen<br />
und <strong>der</strong> Umbau in eine solare Zukunft<br />
mobilisieren viel Kapital und verbinden den Umbau<br />
<strong>der</strong> Industriestaaten mit dem Aufbau <strong>der</strong><br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>. Verschwendung und Umweltschäden<br />
müssen stärker steuerlich belastet<br />
werden. Wir brauchen neue Anreize, beispielsweise<br />
gespaltene Kreditsätze. Das heißt: <strong>Die</strong>jenigen,<br />
die in ökologische Zukunftsfel<strong>der</strong> investieren,<br />
bekommen günstigere Kredite als solche,<br />
die in Finanzanlagen investieren. Schon ein Teil<br />
<strong>der</strong> wahnwitzigen Summe, die als Schutzschild<br />
für Banken aufgebracht wird, würde eine nachhaltige<br />
Welt ermöglichen.<br />
Kurz: <strong>Die</strong> Welt muss sich wie<strong>der</strong> drehen. Weniger<br />
Amerika, aber mehr Tugenden des alten<br />
Europa sind nötig.�<br />
EIN STANDPUNKT VON MICHAEL MÜLLER,<br />
BUNDESVORSITZENDER DER<br />
NATURFREUNDE DEUTSCHLANDS<br />
SEITE 2 NATURFREUNDiN 4-2008