Geleitwort – Persönliche Erfahrung und Geschichte
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Vorwort 15<br />
ihr Weiterleben bis heute bedeutet hat bzw. bedeutet. Weiter war klarzustellen<br />
<strong>und</strong> nachzuweisen, dass aufgr<strong>und</strong> des politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Umgangs<br />
mit den Betroffenen zusätzlich erhebliche Belastungen nach der unmittelbaren<br />
Verfolgung <strong>und</strong> Haft sowohl in der anschließenden Zeit in der DDR als<br />
auch bis heute in der B<strong>und</strong>esrepublik entstanden sind.<br />
Dem Ansatz entsprechend wurde einerseits sozialmedizinisch-statistisch<br />
untersucht, was bisher an Material zur Verfügung steht. Die Anzahl der auf<br />
Fragebogenbeantwortungen beruhenden Fälle ist bemerkenswert hoch; eine<br />
Untersuchung mit vergleichsweise breiter Basis liegt bisher nicht vor. Eine uneingeschränkt<br />
repräsentative Studie ist bisher wohl aus Kostengründen <strong>und</strong><br />
wegen der methodischen Schwierigkeiten nicht angestellt worden <strong>–</strong> so gesehen<br />
liegt mit dieser Studie wohl das gegenwärtig Erreichbare vor.<br />
Andererseits verfolgt die Studie die Absicht, die subjektive Sicht der Betroffenen<br />
mit den verfügbaren Daten der Strafrechts- <strong>und</strong> Verfolgungsentwicklung<br />
in der DDR zusammenzubringen. Dadurch wird deutlich, dass es sich bei der<br />
Verfolgungsgeschichte nicht um eine Konfrontation Individuum kontra Staat<br />
handelt, sondern um ein wesentliches Merkmal der DDR. Die SED betrieb mit<br />
ihrem Instrument, dem MfS, zielbewusst eine Politik der Einschüchterung <strong>und</strong><br />
Verfolgung als Praxis der »Diktatur des Proletariats«, die zwar die Erscheinungsformen<br />
<strong>und</strong> Methoden wechselte, aber immer gegenwärtig war <strong>und</strong><br />
spürbar blieb.<br />
Jeder Ansatz für sich ist in der früheren Forschung bearbeitet <strong>und</strong> vorangetrieben<br />
worden; die Ansätze sind jedoch selten miteinander verknüpft worden.<br />
Erst die Gesamtsicht macht aber deutlich, wie über mehr als vier Jahrzehnte<br />
hinweg eine Klammer um die Gesellschaft bestand, die ungeachtet aller Kosten<br />
ihren Zusammenhalt sichern sollte. Die Kosten trugen die Betroffenen <strong>–</strong> die<br />
Täter sind bis heute dafür kaum in Regress genommen worden. Diese Tatsache<br />
macht einen Großteil der Last aus, die die Opfer bis heute tragen müssen, ohne<br />
dass ihnen die Gesellschaft dabei angemessen zu Hilfe käme.<br />
Die Studie selbst ist von der B<strong>und</strong>esstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur<br />
gefördert <strong>und</strong> vom Verein Politische Memoriale Mecklenburg-Vorpommern<br />
e. V. organisatorisch getragen worden. Die Umsetzung erfolgte im Bereich<br />
der sozialmedizinisch-statistischen Erarbeitung in der Universität Leipzig unter<br />
Verantwortung von Prof. Dr. Reinhold Schwarz wesentlich durch Gregor<br />
Weißflog. Ein Großteil des Fragebogenmaterials wurde von der Stiftung Sächsische<br />
Gedenkstätten in Dresden in vorbearbeiteter Form zur Verfügung gestellt.<br />
Die Interviews mit Betroffenen <strong>und</strong> ihre Auswertung wurden von Kornelia Beer<br />
an der Hochschule Mittweida-Roßwein konzipiert <strong>und</strong> verwirklicht. Sie war<br />
auch an der Erarbeitung des historisch-politisch-juristischen Kontexts beteiligt,<br />
der von Prof. Dr. Matthias Pfüller konzipiert wurde.<br />
Zuerst danke ich den TeilnehmerInnen der Studie für ihre Bereitschaft <strong>und</strong>