Die Organisation in unruhigen Zeiten
Die Organisation in unruhigen Zeiten
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Ralf Wetzel, Jens Aderhold & Jana Rückert-John<br />
Sleepless <strong>in</strong> Stuttgart. Vorbemerkungen<br />
zum verme<strong>in</strong>tlichen ADS der <strong>Organisation</strong><br />
Gelegentlich wird man das Gefühl nicht los, als lebe man <strong>in</strong> hyperventilativen<br />
<strong>Zeiten</strong>. <strong>Die</strong> subjektive Wahrnehmung von Zeitgenossen ist mit Ambivalenz-<br />
und Ambiguitätserfahrungen vollgestopft, Stressempf<strong>in</strong>den ist<br />
dabei e<strong>in</strong>es der gängigsten Resultate. Man muss lediglich e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong> die<br />
e<strong>in</strong>schlägigen Krankheitsstatistiken werfen und ist rasch orientiert: Psychosomatische<br />
Beschwerden, Verhaltensstörungen und psychische Probleme<br />
wachsen und werden <strong>in</strong> Kürze e<strong>in</strong>es der maßgeblichsten Probleme auch des<br />
Personalmanagements se<strong>in</strong>. Skelett-, Muskel-, Atemwegs- und sonstige<br />
physische Beschwerden s<strong>in</strong>d nicht unwichtig, aber belegen nicht mehr die<br />
vordersten Plätze.<br />
<strong>Die</strong> Moderne ist offenbar mehr und mehr unbequem geworden. <strong>Die</strong>s<br />
muss nicht nur zw<strong>in</strong>gend für ›ihre‹ Individuen respektive deren Körper<br />
gelten. Mit dem gesteigerten Maß an Unsicherheit sche<strong>in</strong>en auch manche<br />
modernen Mechanismen der Unsicherheitsabsorption Schwierigkeiten zu<br />
bekommen, dies gilt – gibt man zunächst dem Selbst-Alarmismus der<br />
Gegenwart ungeschützt nach – auch für die <strong>Organisation</strong>. Man kann selbst<br />
dort e<strong>in</strong> gerüttelt Maß an ›Aufmerksamkeitsstörung‹ und Nervosität feststellen,<br />
etwa wenn man die wachsende Anzahl rasch wechselnder Managementtools,<br />
Reorganisationsprozesse und Beratungse<strong>in</strong>sätze beobachtet.<br />
Man sieht vermehrt e<strong>in</strong>e substanzielle Hilflosigkeit angesichts <strong>in</strong>transparenter<br />
Krisenersche<strong>in</strong>ungen (Terror, F<strong>in</strong>anzkrise, bewaffnete Konflikte,<br />
Epidemien etc.). Es sche<strong>in</strong>t, als benötige der klassische Unsicherheitsabsorptionsmechanismus<br />
der Gesellschaft selbst plötzlich über die Maßen<br />
Hilfe bei der eigenen Unsicherheitsabsorption und Aufmerksamkeitsfokussierung.<br />
Und gäbe es therapeutische Kl<strong>in</strong>iken für Entscheidungssysteme,<br />
sie wären vermutlich voll mit Patienten. Rechnet man nun noch die generell<br />
verkürzte Lebenserwartung von <strong>Organisation</strong>en, zusätzlich das vermehrte<br />
Auftauchen von Parasiten wie Netzwerke und Projekte und den<br />
weitläufigen Mitgliederschwund (bei Parteien, Gewerkschaften, Kirchen)<br />
h<strong>in</strong>zu, kommen langsam Zweifel darüber auf, wie lange der ›Patient <strong>Organisation</strong>‹<br />
denn eigentlich noch durchhält und ob man langsam über Hospize<br />
nachdenken sollte.<br />
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