JUTTa klos RoBERT JUNkER EiN saBBaTical iN dER - tusitala verlag
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VICTORIA<br />
HARBOUR<br />
16<br />
NATHAN R O A D<br />
VICTORIA PEAK<br />
KOWLOON<br />
HONGKONG ISLAND<br />
nAtHAn<br />
Doch bevor es weiter nach Australien geht, fliegen wir gedanklich noch mal zurück nach<br />
Hong Kong, eine Stadt, die so hoch gebaut ist, dass wir vom ständigen nach oben gucken<br />
Nackenprobleme bekamen. Sitzt man dagegen auf dem Oberdeck eines 100 Jahre alten<br />
Doppeldeckerbusses, der über Hochstraßen fährt, wird das Genick entlastet, weil man von<br />
dort bequem in die Wohnungen blicken kann.<br />
Dabei entdeckt man, dass selbst Großfamilien auf engstem Raum zusammenleben. Sätze<br />
wie „Schatz, ich zieh mich kurz ins Gästezimmer zurück“ gibt’s hier nicht. Auf etwa 30<br />
Quadratmeter (für umgerechnet 1.500 E Miete) bleibt nur wenig Platz für lebenswichtige<br />
Dinge wie Herd, Klapptisch, Faltbett und Fernseher.<br />
Möglich, dass den Chinesen selbst alles viel größer vorkommt, da sie im Schnitt 20 Zentimeter<br />
kleiner und etwa 30 Kilogramm leichter sind als wir Mitteleuropäer. Paketzusteller<br />
(„Ein Päckchen für Ching Chang“) möchte ich jedenfalls in den bis zu 60 Stockwerke hohen<br />
Wolkenkratzern nicht sein. Und auch kein Glühbirnenwechsler auf der Nathan Road.<br />
roAD<br />
Die Nathan Road ist eine der Hauptschlagadern der Stadt und nachts so hell beleuchtet,<br />
dass man beim Einkaufsbummel eine Sonnenbrille tragen könnte. Paradoxerweise besagt<br />
ausgerechnet eine Dunkelziffer, dass der tägliche Energieverbrauch der etwa vier Kilometer<br />
langen Nathan Road deutsche Kleinstädte wie Oer-Erkenschwick, Wunsiedel oder Stuttgart<br />
drei lange Wintermonate mit Strom versorgen könnte. Bewiesen wurde das aber nie.<br />
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass in Hong Kong alles bunter und höher ist als anderswo.<br />
Die Frankfurter Bankenhäuser sehen im direkten Vergleich zu dieser Skyline aus wie winzige<br />
Bauklötzchen im Legoland. Und das Feuerwerk, das wir am chinesischen Nationalfeiertag<br />
(01.10.) unerwartet mit ansehen durften, war das größte, längste und faszinierendste, das<br />
wir je gesehen hatten.<br />
Wir rechnen kurz durch und stellen fest: Bei fast 1,4 Milliarden Chinesen feierte an diesem<br />
Tag jeder vierte Weltbürger. Uns eingeschlossen. Eingeschlossen darf man übrigens wörtlich<br />
nehmen, denn wir standen dicht gedrängt unter Hundertausenden Hong Kongern und<br />
blickten (trotz Nackenproblemen) wieder einmal hoch in den Nachthimmel. Dabei wurde<br />
jede Rakete mit fischerchorgleichen „Ahhhs“ und „Ohhhs“ begleitet.<br />
Die Begeisterung der Menge war so groß, dass selbst eine Plastiktüte, die vom Wind<br />
getragen dicht über unsere Köpfe flog, bejubelt wurde. Wenn dieses Feuerwerk die Generalprobe<br />
für Olympia war, dann ist es kein Wunder, dass die Athleten unter frenetischem<br />
Beifall zu neuen Weltrekorden getragen wurden.<br />
Hinterher erwies sich der Weg zurück ins Hotel als schwierig. Während das 523ste Taxi<br />
besetzt an uns vorüberfuhr, trösteten uns die Worte eines sehr geduldigen Chinesen: „No<br />
worry, we have enough!“<br />
Wir fanden diese Bemerkung so schön, dass wir sie bei jeder Gelegenheit anwendeten:<br />
Beim Essen, wenn uns der Kellner nach einem Nachtisch fragte. Oder bei den zahllosen<br />
Straßenverkäufern, die uns unter ihren Jacken verborgene „Luxusartikel“ anboten: „Original<br />
Rolex, very cheap!“ No worry, we have enough.<br />
Genug hatten wir tags darauf auch vom Goldfischmarkt, auf dem Zierfische in viel zu kleinen<br />
Wasserbeuteln schwimmen. Und vom Hundemarkt, wo niedliche Welpen in viel zu engen<br />
Kisten auf ein neues Herrchen warten. Märkte gibt es in Hong Kong zur Genüge. Jedes<br />
Handwerk hat einen. Und für beinahe jedes Tier gibt es einen. Nebenbei bemerkt, gibt es<br />
auch einen Womensmarket. (Die Platzierung dieses Satzes wurde – Buddha bewahre - aus<br />
rein syntaktischen Gründen ans Ende des Absatzes verlegt und birgt keinerlei frauenfeindliche<br />
Hintergründe.)<br />
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