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September 2011 - Anwalt Aktuell

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BRiEF auS nEW YORK | Stephen M. Harnik<br />

Oft trügt der Schein<br />

– mit schwerwiegenden Folgen.<br />

in den ausgaben von<br />

ANWALT AKTUELL<br />

März und Mai 2010<br />

habe ich über die bedenkliche<br />

entwicklung berichtet,<br />

dass die Rechte von<br />

angeklagten im Strafrechtsprozess<br />

durch die derzeitige<br />

konservative ausrichtung des<br />

uS Supreme Court stetig ausgehöhlt<br />

werden. ein beispiel<br />

war die abschwächung der<br />

Miranda Regel (wonach die<br />

Polizei einen Verdächtigen<br />

warnen muss dass alles was er<br />

sagt gegen ihn verwenden<br />

kann, und er daher das Recht<br />

hat zu schweigen).<br />

nun gibt es aber für Strafverteidiger<br />

(und deren klienten)<br />

endlich auch einmal gute<br />

neuigkeiten: am 24. august<br />

<strong>2011</strong> hat der new Jersey Supreme<br />

Court das urteil im Fall<br />

State v. Henderson gefällt. Darin<br />

wurde die Zuverlässigkeit<br />

von augenzeugen bei der<br />

identifizierung von tatverdächtigen<br />

analysiert. Diese<br />

entscheidung entfaltet zwar<br />

nur im Staat new Jersey Präjudizwirkung<br />

allerdings wird<br />

sie wohl, wie auch die new<br />

York times auf Seite 1 (!) ihrer<br />

ausgabe vom 25. august berichtete,<br />

in praktischer Hinsicht<br />

uS weit von bedeutung<br />

sein. Das Höchstgericht in<br />

new Jersey nimmt schon seit<br />

langem eine Vorreiterrolle in<br />

der Strafrechtsentwicklung<br />

ein und wird auch in bezug<br />

auf Vorgaben für Richter<br />

bezüglich der behandlung<br />

von augenzeugenaussagen<br />

als führend angesehen.<br />

in Henderson beschäftigte sich<br />

das Gericht mit der traurigen<br />

Realität, dass falsche identi-<br />

fizierungen von tatverdächtigen<br />

durch augenzeugen die<br />

Hauptursache für die Verurteilungen<br />

von unschuldigen<br />

in den uSa darstellen. Das<br />

Gericht zitierte dazu folgende<br />

beobachtungen aus einem<br />

12<br />

AnwAlt<strong>Aktuell</strong> 06/11<br />

früheren Fall: „…faulty identifications<br />

present what is conceivably<br />

the greatest single threat to<br />

the achievement of our ideal that<br />

no innocent man shall be punished,”<br />

und weiters aus einem<br />

trainingshandbuch der international<br />

association of Chiefs<br />

of Police: „…of all investigative<br />

procedures employed by police in<br />

criminal cases, probably none is<br />

less reliable than the eyewitness<br />

identification. Erroneous identifications<br />

create more injustice and<br />

cause more suffering to innocent<br />

persons than perhaps any other<br />

aspect of police work.”<br />

in der 137 Seiten starken<br />

entscheidung versuchte das<br />

Höchstgericht des Staates<br />

new Jersey daher die zugegebenermaßen<br />

schwierige Frage<br />

zu klären wie häufig unschuldig<br />

Verdächtige tatsächlich<br />

positiv identifziert werden.<br />

© ZDF<br />

Dazu wurden die ergebnisse<br />

von mehren Feldversuchsreihen<br />

herangezogen, die insgesamt<br />

mehr als 500 einzelversuche<br />

beinhalteten. in einer<br />

Versuchsreihe kommt ein<br />

kunde in ein Geschäft und<br />

kauft eine Getränkedose. Da<br />

er mit einem Reisescheck bezahlt,<br />

weist er sich mit zwei<br />

verschiedenen Dokument aus<br />

und plaudert mit dem angestellten.<br />

insgesamt dauert diese<br />

begegnung etwa drei Minuten.<br />

Zwei bis 24 Stunden später<br />

betritt eine weitere Person<br />

das Geschäft und bittet den<br />

angestellten, jenen Mann der<br />

mit Reisescheck bezahlt hat,<br />

auf einem Foto zu identifizieren.<br />

Der angestellte wird darauf<br />

hingewiesen, dass der Verdächtige<br />

möglicherweise auf<br />

keinem der sechs gezeigten<br />

Fotos zu sehen ist und erfährt<br />

keinerlei Details zum Grund<br />

der nachforschung. erst nach<br />

der aussage wird das experiment<br />

aufgeklärt. in den weiteren<br />

Versuchsreihen wurden<br />

ähnliche Varianten durchgespielt.<br />

nach auswertung der Versuche<br />

waren die Resultate mehr<br />

als erschreckend: im Durchschnitt<br />

haben nur 42% der<br />

angestellten im Geschäft den<br />

Verdächtigen korrekt identifiziert.<br />

41% „erkannten“ un-<br />

schuldige wieder und 17%<br />

konnten keine angaben mache.<br />

in jenen Fällen in denen<br />

kein Foto des vermeintlich gesuchten<br />

kunden zur auswahl<br />

stand, wurde dennoch von<br />

36% ein Foto ausgewählt. umgelegt<br />

auf Gegenüberstellungen<br />

könnte dies bedeuten,<br />

dass augenzeugen bei über<br />

einem Drittel der Fälle andere<br />

Personen „wiedererkennen“<br />

wenn der tatverdächtige nicht<br />

zur auswahl steht.<br />

auch die DnS-entlastungsfälle<br />

bestätigen die ergebnisse<br />

dieser Versuche: Laut einer<br />

alarmierenden Statistik standen<br />

190 der ersten 250 nach<br />

Verurteilungen aufgrund von<br />

DnS analysen erfolgten entlastungen<br />

im Zusammenhang<br />

mit Fehlidentifizierungen durch<br />

augenzeugen. außerdem wurden<br />

in der Hälfte dieser Fälle<br />

die angeklagten verurteilt,<br />

obwohl die aussagen der augenzeugen<br />

nicht durch Geständnisse,<br />

kriminalistische<br />

erkenntnisse oder informanten<br />

erhärtet wurden<br />

und 36% dieser angeklagten

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