69/70 (2010/2011) - Recensio.net
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Rezensionen<br />
Geschichte: 1848/1878 bis 1989<br />
Österreich in Istanbul. K. (u.) K. Präsenz im Osmanischen Reich. Hgg. Rudolf Agstner<br />
/ Elmar Samsinger. Münster: LIT Verlag <strong>2010</strong> (Forschungen zur Geschichte des österreichischen<br />
Auswärtigen Dienstes, 1). 387 S., Ill., ISBN 978-3-643-50230-8, € 39,90<br />
Der Ernennung Istanbuls zur Europäischen Kulturhauptstadt <strong>2010</strong> gedachten der<br />
österreichische Diplomat und Orientexperte Rudolf Agstner, und der hauptberuflich als<br />
Richter tätige, doch umtriebige Sammler von orientalischen Memorabilia und Kurator<br />
bereits mehrerer Orientausstellungen, Elmar Samsinger, mit einer Festschrift, die den<br />
Facettenreichtum der Beziehungen zwischen Österreich(-Ungarn) und Istanbul ausleuchtet<br />
und Leserinnen und Leser zu einer k. u. k. Spurensuche in situ, d. h. in der Metropole am<br />
Bosporus selbst, einlädt.<br />
Über Jahrhunderte war das Osmanische Reich mit dem Habsburgischen Imperium<br />
verbunden: Hatten die beiden Türkenbelagerungen von Wien 1529 und 1683 noch Angst<br />
und Schrecken in der Monarchie verbreitet, so stand das Habsburgerreich seit den triumphalen<br />
Siegen Prinz Eugens über die Osmanen im frühen 18. Jh. im Bann jener ungeheuren<br />
Faszination, die der Orient auf den Okzident ausübte. In der Folge entwickelte sich daraus<br />
besonders im Laufe des 18. und 19. Jh.s. ein regelrechter Orientboom, dessen Nachhaltigkeit<br />
bis heute ebenso im musikalischen Schaffen Haydns, Mozarts und Beethovens<br />
wahrnehmbar ist wie auch in Reiseberichten, Reisehandbüchern und anderen literarischen<br />
und wissenschaftlichen Aufzeichnungen (vgl. u. a. Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall,<br />
Anton Graf von Prokesch-Osten, Jakob Philipp Fallmerayer oder Alois Musil), anhand von<br />
charakteristischen Stilmerkmalen in der Architektur, Malerei und Mode, sowie schließlich<br />
noch durch eine typische Kaffeehaus- und Genussmittelkultur.<br />
Aus dem Aufbau des Bandes wird in chronologischer Abfolge der Weg von der (noch<br />
von beiden Seiten betriebenen) Grundsteinlegung und der Komplexität habsburgischosmanischer<br />
Wechselbeziehungen bis hin zu deren allmählichem Wandel, besonders in<br />
spätosmanischer Zeit, zu einem zunehmend einseitigen Geben und Nehmen von Habsburger<br />
Seite gegenüber steigendem Verharren in Passivität seitens der Osmanen, sehr gut<br />
erkennbar, wenngleich doch immer wieder die Faszination vom Orient in diese Komplexität<br />
positiv hineinspielt:<br />
Die beiden ersten Beiträge Rudolf Agstners (19−136) streichen zum einen Pionierleistungen<br />
österreichischer Außenpolitik heraus, wie die folgenreiche und zukunftweisende<br />
Investition in die Institutionalisierung und Professionalisierung österreichischer Orientpolitik<br />
durch die konsequente Ausbildung von Fachpersonal in der 1754 eigens gegründeten<br />
Orientalischen Akademie in Wien, durch die Einführung des Titels eines Internuntius für<br />
den k. k. Vertreter bei der Pforte (1779) bzw. durch den Erwerb des venezianischen Gesandtschaftspalais<br />
in Konstantinopel/Pera als erstes k. k. Amtsgebäude in Staatseigentum im<br />
Ausland nach der Aufteilung der Republik Venedig (1797) zwischen Österreich, Frankreich<br />
und der Cisalpinischen Republik. Agstner weist zum anderen aber auch auf die Etablierung<br />
türkischer diplomatischer Vertretungen (1718−1918) in der habsburgischen Monarchie hin.<br />
Hingegen verhehlen der dritte Beitrag Agstners (137−174) zum Auf- und kontinuierlichen<br />
Ausbau eines dichten Netzes an österreichisch(-ungarischen) Generalkonsulaten im<br />
572 Südost-Forschungen <strong>69</strong>/<strong>70</strong> (<strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>)